Als Signora Feltrinelli einmal den Helden in mir wachküsste

.Dieser Text entstand in den Verhörpausen im St.Markuskrankenhaus 1968, nachdem Signora Feltrinelli für eine Stunde ihren Besuch bei der Frankfurter Buchmesse für einen Krankenbesuch unterbrochen hatte.

Für einen postoperativen-Halbnarkosetext – an sich nicht sooo schlecht. Aber doch eher von zeitgeschichtlicher Bedeutung (na ja, muss ja wohl, wenn schon Rainer Langhans‘ Unterhosen ausgestellt werden ! Und Uschi Obermeiers Untermieder! Oder wars ihr Untermieter ?): Beim 1. europäischen Poesie-Festival am 23./24.5. in FFM könnte ich ihn sozusagen als Jubiläumstext auch lesen, denn er ist noch nicht veröffentlicht. Doch er gehört eher in die Kategorie
„Primaner-Lyrik“, die damals bei rororo als Buch herauskam. Aber 1968 war es nicht weit von der „Primaner-Lyrik“ zum Günter Amendt’schen „Kinderkreuzzug“ der auch bei rororo erschienen ist, mit dem von mir verfassten Aufruf zum Generalstreik gegen die Notstandsgesetze.

Und jetzt wirds total unpolitisch:

An I.F.

Die Neonröhren röhrten
sie röhrten um die Wette
mit meinem angeschlagnen Hirn
das brummte wacker
doch es musste gegen diese Röhren
gegen diese Gummiknüppel-
Reincarnationen ganz in Weiß
verliern
Betrunken schien ich
schwankend an das Bett gefesselt
Raubvögelfratzen
lauerten mir auf, sie wollten mich als Aas
und meine grade fast noch freien
Gedanken, Träume , Herz und Hirn als Fraß
Und leuchteten mir insgeheim
die letzten Winkel
Ecken und Gefühle
hypnotisiert ohnmächtig
halb in Vollnarkose
und ohne Chance
sich zu verstecken
mit ihren Neonknüppeln aus
Sie machten mich mit diesem Licht
kurz, klein
und starr und kalt
Und dann kamst du
aus diesem Neonhimmel
hast mir die Fieberstirn geküsst
ich seh von fern noch deine Augen
mich beschatten
mich auf der Flucht
in meine grauen Zellen
erleuchten
du hast mich in der Schutzhaft aufgesucht
im Bunker meines eignen Hinterkopfes
in den ich mich zurückgezogen hatte
in das versteck
auf das ich mich verlies
seh Dein Gesicht
mir diese Nacht erhellen
mich kühlen in der Hitze
dieses stechend kalten Lichts
spüre Deine feuchten
Lippen
mich vor dem Verbrennen retten
mich erwärmen
vorm Erfriern
im Nichts
höre deinen Namen noch
durch meine Schädelkatakomben hallen.
spüre. wir sind beide jung
und doch so alt
wo Staatsgewalt
mit einem Schlag
den Frühling uns
in tiefsten Winter stürzt
trotzdem sie mich
zertrümmert haben
ich Dir nicht folgen kann
hast du dich
zu mir hin verirrt
mich aus dem Alptraum wach geküsst
und mich verwirrt
Wir treffen uns
komm sag mir wann
und wo und wieder
ich hab die Worte nicht gefunden
die Scherben,
die sie mir gelassen haben,
bevor ich sie zusammensetzen konnte
warst du im Neonlicht verschwunden
Ich lebe
und ich suche
Dich
ich ahne
du bist
mehr als eine
nur wunscherträumte
Lichtgestalt.
geschrieben im April 1968

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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