Professor Dr.jur Gerlach berichtet als Zeitzeuge: trotz westalliiertem Verbot der Unterschriftensammlung für einen Volksentscheid für ein vereintes Deutschland unterschrieben 15 Millionen von 38 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland. UnterschriftensammlerINNEN wurden verhaftet, verurteilt, in die gefängnisse gesteckt, in die sie die Nazis schon gebracht hatten. Trotzdem … Aber die Teilung Deutschlands war bereits bei den Westalliierten , bei Adenauer und Schuhmacher beschlossene Sache: Der Volkskongress gegen Deutschlands Spaltung Kurt Wolfgang Ringel, Celler Heerstraße 34, 38114 Braunschweig, Tel.: 0351-2503744 Mitglied im Deutschen Freidenkerverband Landesverband Niedersachsen
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In diesem Jahr wird der 20. Jahrestag des Mauerfalls gefeiert. Auch in der Bundesrepublik Deutschland liegen Dichtung und Wahrheit nah beieinander. Und dies nicht nur, was die Ereignisse des Jahres 1989 betrifft. Hier soll deshalb über eine Bewegung berichtet werden, an die wir uns wohl kaum noch erinnern. Es ist die Bewegung für ein ungeteiltes Deutschland: 1. Deutscher Volkskongress 1947 – Ein Zeitzeuge Erinnert sich und ruft zur Wiederholung auf
Um die Spaltung zu verhindern
Von Manfred Gerlach
Am 6. und 7. Dezember 1947 fand der erste Deutsche Volkskongresses für Einheit und gerechten Frieden in Berlin stattfand. Im November des Jahres hatte sich die SED an das deutsche Volk gewandt. Zuvor hatte der Vorsitzende meiner Partei, der LDPD, Dr. Wilhelm Külz, die Bildung einer deutschen Repräsentanz allein aus Vertretern der politischen Parteien angeregt; das war am Widerstand von Kurt Schumacher (SPD) gescheitert. Auch Dr. Eugen Schiffer, Reichsminister in der Weimarer Republik, Präsident der Zentralverwaltung der Justiz in der SBZ und führender Liberaldemokrat, hatte die Schaffung einer Nationalen Repräsentanz vorgeschlagen. Trotz Verfolgung und Verbot kamen allein aus Westdeutschland 650 Delegierte. Meine Zustimmung zu einem Volkskongress ergab sich aus prägenden Ereignissen: Als Jugendlicher hatte ich in den Kriegsjahren »Heldentod« und schwere Kriegsverletzungen vieler Kameraden erlebt. Nach Bombenangriffen auf meine Heimatstadt Leipzig hatte ich helfen müssen, die Opfer in den Trümmern zu bergen, auch die Leichen der Besatzung eines abgeschossenen USA-Bombers. Meine Ablehnung des Naziregimes wurde immer konsequenter und aktiver. Das HJ-Gericht Sachsen verurteilte mich 1944 wegen der Bildung einer illegalen Jugendorganisation zu Jugendarrest. Mit 18 Jahren verfasste ich 1946 und 1947 als Resultat meiner Erfahrungen für mich und meine Freunde eine Studie unter der Überschrift »Gedanken zum kommenden pazifistisch-humanistischen Weltbild«. Folgerichtig nahm ich als Delegierter der FDJ, in Übereinstimmung mit meiner Partei, am 1. Volkskongress wie auch anschließend am 2. Volkskongress im März 1948 und am 3. Volkskongress im Mai 1949 teil. Ich arbeitete von 1947 bis 1949 in dieser Bewegung mit, nahm an vielen Veranstaltungen in Ost und West teil und war in Sachen der deutschen Einheit oft unterwegs. Hierbei spürte ich deutlich die wirkliche Chance für die Einheit. Der auf dem 2. Volkskongress gewählte Deutsche Volksrat, dem ich angehörte, konstituierte sich am 7. Oktober 1949 als vorläufiges Parlament und rief die Gründung der DDR aus. Ich war nun also Abgeordneter der Volkskammer und blieb es bis zum Ende der DDR. Welche Ziele verfolgten wir seinerzeit? Die programmatische und praktische Grundlage für die Volkskongressbewegung war das Potsdamer Abkommen, das bekanntlich in der SBZ und dann in der DDR konsequent, dagegen in der BRD gar nicht durchgeführt wurde. Für uns galt die Losung, die mit dem 8. Mai 1945, dem Tag der Befreiung, verknüpft ist: »Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!« Kampf um die Einheit Deutschlands bedeutete in jener Nachkriegsperiode Kampf um die Beseitigung der Überreste des faschistischen Regimes und seiner monopolkapitalistischen Grundlagen, bedeutete Kampf um den Aufbau einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung in ganz Deutschland. Ein früher Versuch zur Einheit scheiterte: Im Juni 1947 kamen in München zum ersten und zugleich letzten Mal die Ministerpräsidenten der Länder aus ganz Deutschland zusammen. Die Ministerpräsidenten aus der sowjetischen Besatzungszone schlugen vor, als erstes über Maßnahmen zur Herstellung der politischen und wirtschaftlichen Einheit zu verhandeln. Die der CDU/CSU und der SPD angehörenden Vertreter der wert- und süddeutschen Länder weigerten sich, zu dieser Grundfrage der Nation Stellung zu nehmen. Für sie war die Spaltung Deutschlands schon eine beschlossene Sache. Die Münchner Konferenz endete ergebnislos. Und im Herbst 1947 wurde endgültig deutlich, dass die Schaffung einer gesamtdeutschen Volksbewegung für die Herstellung der Einheit Deutschlands und den Abschluss eines Friedensvertrages nicht mehr verzögert werden durfte. Die Ziele des Volkskongresses wurden nicht erreicht. Die Spaltungspolitik der Westmächte und westdeutscher Politiker verhinderte die deutsche Einheit und führte zur Bildung des Bonner Separatstaates, zur Einbindung der Bundesrepublik in die NATO und zur Remilitarisierung. Als es schließlich 1990 zum »Tag der Einheit« kam, erfolgte dies nicht – wie im Grundgesetz vorgezeichnet – durch Vereinigung zweier gleichberechtigter deutscher Staaten, sondern durch den erzwungenen Anschluss der DDR an die BRD mit all seinen schlimmen Folgen. Zu ihnen gehört auch die Rolle des vereinten Deutschland als ein Hauptproduzent von Waffen aller Art und als Beteiligter an Aggressions- und Unterdrückungskriegen in aller Welt. Die untergegangene DDR wird bis zum »Geht nicht mehr« verunglimpft. Neue Höhepunkte in diesem Bestreben mussten wir zum 17. Jahrestag der Herstellung der staatlichen Einheit erleben. Die herrschenden Kreise, ihre Geschichtsschreiber, ihre Medienmacher haben Grund, die DDR im Nachhinein zu verleumden. Sie wollen den Sozialismus als mögliche Alternative zu den derzeitigen Gesellschaftsverhältnissen aus dem Bewusstsein der Menschen, vor allem der Jugend, verdrängen und aus ihren Gedanken tilgen, damit er nicht noch einmal Macht auf deutschem Boden gewinnt. Vom zunehmenden Demokratie- und Sozialabbau in der BRD, gegen den sich ungezählte Bürgerinnen und Bürger wehren, soll abgelenkt werden, indem die Lügen über den Sozialismus in der DDR umso dicker aufgetragen werden. Was ich mir wünsche? Da die Lage in Deutschland innen- und außenpolitisch in vielen Punkten mit der vor 60 Jahren vergleichbar ist, sollte im Frühjahr 2008 ein neuer Volkskongress für Einheit und Frieden stattfinden, auf dem ein Programm für die Schaffung und Gestaltung eines wirklich neuen Deutschlands erarbeitet und beschlossen wird. Zur Vorbereitung sollten sich schon jetzt alle Linken und Demokraten aus Ost und West, alle Friedenskämpfer, Umweltschützer, Repräsentanten humanitärer Vereinigungen und Gewerkschaften zusammenfinden. Das Berliner Alternative Geschichtsforum, dem ich angehöre, würde – da bin ich sicher – einen Beitrag dazu leisten.
Prof. Dr. jur. Manfred Gerlach war seit 1945 Mitglied der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD)), seit 1954 ihr Generalsekretär, von 1967 bis 1990 Parteivorsitzender. Ab 1960 war er Stellvertreter des Vorsitzendem des Staatsrates der DDR, von Dezember 1989 bis April 1990 dessen amtierender Vorsitzender. /* Neues Deutschland vom 08/0912-2007 */
Wählerwille brüskiert
Von Manfred Gerlach
Auf der Londoner Außenministerkonferenz (25. November bis 5. Dezember 1947) hatte die Sowjetunion vorgeschlagen, sofort eine demokratische Regierung für ganz Deutschland zu bilden und mit dieser einen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Die Westmächte lehnten jedoch ab, am gleichen Tage, an dem sie auch den Empfang der Delegation des 1947 ins Leben gerufenen Deutschen Volkskongresses verhinderten. Es handelte sich um ein abgekartetes Spiel mit dem Ziel, Deutschland endgültig zu spalten. Sehr deutlich brachte das die führende amerikanische Tageszeitung »New York Herald Tribune« am 20. Dezember 1947 zum Ausdruck: »Wir sind am Ende der Straße angelangt; das Zeitalter Jaltas ist vorbei … Die Aufteilung Deutschlands wird uns freie Hand geben, Westdeutschland in ein System der Westmächte einzubauen.« Der Spaltung Deutschlands versuchte die Volkskongressbewegung entgegenzutreten. Sie wuchs zu einer umfassenden demokratischen Bewegung an, wie es sie bis dahin in der deutschen Geschichte nicht gegeben hatte. Sie betrachtete sich als Erbin der besten demokratischen und humanistischen Traditionen deutscher Geschichte. Der am 17./18. März, zum 100. Jahrestag des Ausbruchs der 1848er Revolution in Berlin zusammentretende 2. Volkskongress forderte die Schaffung einer ungeteilten deutschen demokratischen Republik. Er beschloss, vom 23. Mai bis 13. Juni 1948 ein Volksbegehren zur Herbeiführung eines Volksentscheids für die Einheit, Deutschlands durchzuführen. Obwohl die Volksbefragung in den Westzonen Deutschlands verboten wurde und viele Aktive wegen der Sammlung von Unterschriften verhaftet wurden, trugen sich immerhin 15 Millionen von 38 Millionen Wahlberechtigten in ganz Deutschland in die Listen für ein Volksbegehren ein. Die westlichen Besatzungsmächte sowie führende Politiker der bürgerlichen Parteien und der SPD brüskierten jedoch dieses demokratische Willensbekenntnis. Im Juni 1948 wurden die sogenannten Londoner Empfehlungen angenommen, an denen Adenauer und Schumacher mitgewirkt hatten. Sie sahen die Bildung eines separaten westdeutschen Staates vor. Als erster Schritt auf dem Weg dahin wurde am 18. Juni 1948 eine separate Währungsreform für die drei Westzonen und am 23. Juni auch in den Westsektoren Berlins verkündet. /* Neues Deutschland vom 15/1603-2008 */
Die beiden Artikel des ehemaligen Vorsitzenden der Liberaldemokratischen Partei Deutschlands zeigen, das es nach dem Zweiten Weltkrieg ein ernstes Bestreben gab, ein ungeteiltes, friedliches und demokratisches Deutschland aufzubauen. Von deutschem Boden sollte nie wieder ein Krieg seinen Anfang nehmen. Dieser Wille des deutschen Volkes scheiterte an den Machtinteressen der Alliierten und an deutschen Politikern, die den Kapitalismus retten wollten. Nutzen wir als deutsches Volk insgesamt unsere Kraft und alle Möglichkeiten, dieses hohe Ziel, welches sich der Volkskongress gestellt hatte, in die Tat umzusetzen.
Kurt Wolfgang Ringel |
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