Wer als „Eugeplackter“, „Zugraster“ oder Gründauer Neubürgerin die Mittel-Gründauer Adresse „Beis Tobiase“ als Aufforderung versteht, den heiligen Tobias und seine Namensvetter anzubeißen, der liegt falsch. Es hat auch nichts damit zu tun, dass ab 1878 hier das „Sterbeglöckchen“ geläutet wurde. Wenn die „Back-Gretel“ aus dem höchsten Fenster des Schul-&Feuerwehr-Glockenturms die von der Niedergründauer Bergkirche kommenden Leichenzüge an der Dorfgrenze eintreffen sah, musste sie die Glocke läuten – die Feuer- und Sterbeglocke – bis der Leichenzug auf der „Kirchgass“ – wie die heutige Haingründauer Straße früher hieß – am Mittel-Gründauer Friedhof angekommen war. Der lag zwischen dem früheren Gasthaus „Zum Löwen“ (heute Nahkauf) und der früheren Gaststätte Noss (dann Metzgerei Reichard) – dort wo später das Kriegerdenkmal aufgestellt und der Friedhof noch späzter abgeräumt wurde. Die „Back-Gretel“ war eben nicht nur für die Backordnung im „Unterdorfer-Backhaus“ zuständig, sondern auch fürs „Sterbeglockenläuten“. (Fürs Hochzeitsgeläut, für Taufen und andere schönere Anlässe auch).
Der heilige Tobias ist zwar der Schutzpatron der Totengräber ( auch der Pilger&Reisenden und gut gegen Augenleiden!!), was ja von der Lage des Anwesens und seiner Stichstraßenanbindung an die Bachgasse kurz vor dem (alten) Friedhof zu der Bezeichnung „Bei’s Tobiase“ hätte führen können – doch weit gefehlt!
„Beis Tobiase“ ist nicht nur für viele Eingeborene, für nach-45er Flüchtlinge und Vertriebene/Neusiedler die schmerzerregende Zahnarztadresse sondern auch der Hinweis auf den kulturellen und sozialen Mittelpunkt des Dorfes Mittel-Gründau:
von hier aus wurde der Widerstand gegen die klerikale und feudale Ausplünderung der Einwohner organisiert: nach dem 30-jährigen Krieg verweigerten sie bis über 26 Jahre hinweg unter der Anführung der Bauern Meininger, Mohn und Co die Abgaben an Fürstlich Büdinger und Fürstbischöflich Mainzer „Hofmänner“, die als Eintreiber in Gelnhausen residierten.
Hier befand sich der Ausgangspunkt der „Oberhessischen Bauernaufstände“ 1830 und der Kern des „Demokratischen Vereins“, der 1848/49 für die demokratische-soziale Republik mit der PaulskirchenVerfassung kämpfte.
Hier fanden 1932/33 entscheidende Kämpfe gegen die Machtübernahme der Nazis statt: die SA wollte die Schule, den sozial-kulturellen Mittelpunkt des Dorfes für die NSDAP erobern: Versammlungsraum, Bürgermeisterei, Feuerwehrhaus, ….
Nach der Niederschlagung der demokratischen Revolution durch die (Büdinger, Darmstädter, Kasseler …..) Fürsten
unter der Führung Preussens gaben sich die Mittel-Gründauer Demokraten nicht geschlagen: sie wurden zwar zu Teil mit Gefängnis und Zuchthaus, mit Zwangsauswanderung und mit Frondiensten für den Büdinger Fürsten
und seine HofgutPächter/-Verwalter bestraft ( so zum Aufbau des Hofgut-Torbogens 1852)
aber sie sammelten gleichzeitig Geld für die Zukunft ihrer Kinder: für den Neubau ihrer Schule 1878. ……
Neben dem 1850 nach Zuchthausstrafe zur Auswanderung gezwungenen Lehrer Bernhard Kaffenberger und dem Bürgermeister Günther war Tobias Meininger einer der führenden Köpfe des demokratischen Vereins in Mittel-Gründau. Der Verein wurde verboten, die Mitglieder -soweit nicht noch in den Zuchthäusern, trafen sich dann eben in der freiwilligen Feuerwehr, im Gesangsverein und in den Vorformen der Gewerkschaften der Bau- und später auch Bahnarbeiter. Bei diesen Treffen entstand der Plan für eine neue, größere Schule. „„Bei’s Tobiase“: eine Adresse als Widerstands-Denkmal ? !“ weiterlesen