…. eine immense Fleißarbeit von SchülerINNEN und LehrerINNEN im Main-Kinzig-Kreis könnte mit seiner detaillierten Dokumentations an vielen Orten im Speckgürtel um
Bankfurt erst einigen Staub aufwirbeln, Mauern des immer noch Verschweigens
aufbrechen und dann aber im besten Sinne vorbeugend wirken: Eine bessere
Verbreitung könnte dazu beitragen, dass im 70. Jahr der „Reichspogromnacht“
nicht weitere Häuser in Flammen aufgehen, in denen islamische Familien
wohnen und erste Moscheen brennen.Zum 20 Jahrestag des Beginns eines mutigen Lokalforschungsprojektes im
Speckgürtel von Bankfurt am Main (zum damaligen 50. der Reichspogromnacht)
soll hier daran erinnert werden, dass es die Dokumentation des Projektes
noch gibt. Und das, obwohl der Main-Kinzig-Kreis sie in schlechtester
Druckqualität auf schlechtestem Kopierpapier und mit Lumback-„Bindung“ aus
Kostengründen in der eigenen Hausdruckerei hat produzieren lassen, wo sonst
nur die EINWEG-Produkte wie Kreistags- Beschlussvorlagen, Protokolle,
Haushaltsentwürfe etc. ausgespuckt werden.
Foto- und DokumentenRepros sind in diesem Werk kaum zu entziffern, Gesichter
nicht zu erkennen, Texte unleserlich, zu schwach und dünn gedruckt ab und zu fehlt die obere oder die untere Hälfte einer Zeile.
In ähnlicher Sorglosigkeit, Wurschtigkeit hat der Main-Kinzig-Kreis auch die
Dokumentation der überlebenden Zwangsarbeiter zur fast gleichen Zeit
publiziert, die ein internationales Komitee erstellt hatte.
Mehrfach wurde der Main-Kinzig-Kreis aufgefordert, beide Publikationen in
einer Form wieder zu veröffentlichen, die es den nachwachsenden Generationen
ermöglicht, sich mit diesen Themen zu beschäftigen, ihnen den Zugang dazu zu
erleichtern und den Schulen von diesen verbesserten Neuauflagen jeweils
mehrere Klassensätze zurVerfügung zu stellen. Zu finanzieren wären diese
Bücher durch die Kreissparkassen, kommunale Körperschaften, Städte und
Gemeinden und alle Betriebe , die „kostengünstig“ an „arisierte“ Gründstücke
und andere Vermögenswerte kamen, die von Zwangsarbeit profitierten und wenn
das alles so schnell nicht möglich sein sollte, dann wenigstens aus den
Zinsen der seit spätestens1938 bei den Kreissparkassen liegenden
„arisierten“ Guthaben der enteigneten jüdischen Familien.
Wenn mit den an die Schulen vor 20 Jahren ausgegebenen Exemplaren dieser
Dokumentationen gearbeitet wurde, dann dürften an diesen Schulen nur noch
zerfledderte Reste übrig sein – oder es wurde nicht mit ihnen gearbeitet.
Das vorweg.
Nun zur Dokumentation selbst. Das 155 DinA4 Seiten starke Werk ist eine
immense Fleißarbeit aller inhaltlich Beteiligter und könnte von seiner
detaillierten Dokumentationsfülle an vielen Orten des Main-Kinzig-Kreises
erst einigen Staub aufwirbeln, Mauern des immer noch Verschweigens
aufbrechen und dann aber im besten Sinne vorbeugend wirken: Eine bessere
Verbreitung dieser Bücher könnte dazu beitragen, dass im 70. Jahr der
„Reichspogromnacht“ nicht weitere Häuser in Flammen auifgehen, in denen
islamische Familien wohnen und erste Moscheen brennen.
Und für eine bessere Verbreitung ist der Main-Kinzig-Kreis verantwortlich.
Alt-Landrat Eyerkaufer schrieb zwar in seinem Vorwort von „Anerkennung für
diese Leistung“ und davon, dass die Dokumentation „weniger fürs Archiv
sondern mehr als Anregung und Grundlage für die Arbeit mit Jugendlichen
ertellt worden“ ist, Aber überleben konnte die Dokumentation in ihrer Form
höchsten in Archiven.
Der jetzige Landrat ist gefordert, für einen brauchbare Neuauflage zu
sorgen. Und nicht nur zum 9. November Sonntagsreden zu halten. Und möglicher
Weise dann mehr zum Fall der Mauer zu sprechen (nicht die in Bethlehem
sondern die in Berlin!).
Warum aber ist diese Dokumentation eine „abgrundtief ehrliche
Entschuldigung“?
es ist bereits der Titel, der bei nur wenigem Nachdenken über die
ethymoloischen Wurzeln deutlich signalisiert, dass hier die Sprache der
Verdrängung und Entschuldung zum Tragen kommt:
SCHICKSAL bedeutet „göttliche Bestimmung“; „heute gewöhnlich im Sinne der
leidvollen Fügung gebraucht oder als Ersatz für „göttliche Vorsehung“ – so
stehts im Duden – Das Herkunftswörterbuch -Etymologie der deutschen Sprache
(Mannheim 1989).
Hier hätten die Verantwortlichen aus dem Hessischen Institut für
Lehrerfortbildung und aus dem Jugendbildungswerk des Main-Kinzig-Kreises
vielleicht das Schicksal in Anführungszeichen setzen müssen. Oder einen
anderen Titel wählen sollen. Schon deshalb, weil Adolf Hitler immer von der
„Vorrrsehung“ aus den Volksempfängern brüllte.
Dass eine Neuauflage doch etwas stärker überarbeitet werden sollte, machen
einige Passagen in den Schülerarbeiten überdeutlich:
Über die Ermordung des jüdischen Salmünsterer Sattlermeisters Jakob Korn
schreiben die SchülerINNEN: …In aller Öffentlichkeit wurde er von
Salmünsterer Nazis verprügelt und anschließend durch die Hauptstraße
getrieben, wobei er an einem schweren Holz ein schild tragen musste mit
folgender Aufschrift: „Ich, Jakob Korn, bin ein Schwein und ein
Sittlichkeitsverbrecher!“
Danach verschwand er im Konzentrationslager Auschwitz, wo er wohl umgekommen
ist. Die Verwandten des besagten Mädchens bestreiten bis heute, dass der
Vorwurf zu recht erhoben worden war…“
…wo er wohl umgekommen ist…, solche Sätze finden sich häufig in der
Dokumentation.
Und da stellt sich die Frage, ob man nicht bei einem Autounfall umkommt,
oder durch einen Tornado oder durch ein Erdbeben oder einen Blitzschlag …
aber in einem KZ, da kann man nicht umkommen, das „umkommen “ dort heißt
umbríngen, vernichten, ermorden, erschlagen, erschiessen aber nicht durch
eine Naturgewalt -überhöhte Geschwindigkeit, Hochwasser irgendwie UMKOMMEN !
Und etwas selbst schuld ist man rein grammatikalisch ja schon:
ein Opfer kann nicht umgekommen werden, es kommt immer selbst um.
Möglicher Weise sind auch viele Täter des dritten Reiches mit milden Starfen
davongekommen worden, weil ihre Opfer durch strafmildernde unglückliche
Umstände umgekommen sind. Schicksal!
Dass an vielen Stellen die SchülerINNEN Zeitzeugen ungeschoren lassen, wenn
sie treuherzig -mitten in einer Kommunistenhochburg wie Langenselbold-
behaupten, außer der „Stürmer“-Propaganda nichts mitbekommen zu haben, dann
wäre es hier die Pflicht der LehrerINNEN gewesen, spätestens bei der
Fertigstellung der Dokumentation solche Aussagen nicht völlig unkommentiert
stehen zu lassen.
Es ist aber neben diesen inhaltlichen Schwachpunkten eine riesige Leistung
der SchülerINNEN und LehrerINNEN, die eine gute Grundlage für die
Weiterabeit in lebendiger Geschichtsforschung bietet.
Böte!!, wenn diese Dokumentation endlich vom Main-Kinzig-Kreis angemessen
gewürdigt würde.
Die Art und Weise ihrer Schein-Veröffentlichung ist nichts anderes als eine
Entwürdigung der Schülerarbeiten und noch viel mehr der Nazi-Opfer
Sie ist der abgrundtief ehrliche Versuch einer SelbstEntschuldung einer
NachfolgeKörperschaft des Dritten Reiches bzw einer seiner
Untergliederungen, die nicht ausreichend tätige Reue zeigt, praktiziert.
Nachbemerkung:
Nicht in der Verantwortung der SchülerINNEN sondern in der der Herausgeber
liegt die zunächst verdienstvoll klingende Bemerkung im „Leitfaden“ dieses
Projektes: „Dem Main-Kinzig-Kreis ist bewußt, dass in der Nazi-Zeit auch
gegen andere Menschengruppen, wie z.B. gegen Sinti und Roma, vorgegangen
wurde.“ Dass im Leitfaden dabei ausgerechnet die „Menschengruppen“ nicht
erwähnt werden, die aktiven, organisierten Widerstand gegen die
faschistische Diktatur geleistet haben, ist bezeichnend. Besonders wenn man
bedenkt, dass die Nazis in den roten Hochburgen der SPD und der KPD im
Kinzigtal und am Main mit Greulpropaganda und brachialer Gewalt gegen die
„bolschewistisch-jüdische Verschwörung“ losgingen. Unter den Sozialisten,
Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern, die die Nazis in die
Zuchthäuser und KZ brachten und dort meist umbrachten, waren viele Menschen
aus jüdischen Familien. Es kommt dabei etwas der Verdacht auf, dass bei der
Beschränkung der „Spurensuche“ auf jüdische „Schicksale“ bei den
SchülerINNEN der Eindruck vermittelt wird, dass Widerstand zwar moralisch
geboten aber leider nicht oder höchstens nur passiv und caritativ möglich
gewesen wäre.
In diesem Zusdammenhang ist es sehr aufschlussreich, wenn man weiß, dass der
Altlandrat des Main-Kinzig-Kreises -Karl Eyerkaufer- zwar die Historikerin
Dr. Christine Wittrock mit der Erforschung der Geschichte des Widerstandes
gegen die Nazis in der KPD-Hochburg Langenselbold beauftragt hat und ihre
Arbeit als Buch herausgeben wollte, dann aber wegen der Prozess-Drohungen
der Erben des Langenselbolder Reichswirtschaftsführers Kaus das Buch nicht
drucken lassen wollte. Kaus wurde nach dem Krieg Ehrenbürger der Stadt
Langenselbold, stiftete ein Freibad und konnte so seine Terrorherrschaft
über Langenselbold während des dritten Reiches vertuschen. Unter anderem war
er verantwortlich für die Ermordung des kommunistischen Bauarbeiters
Schmidt, der Flugblätter gegen die Nazis verteilt hatte.
Auch einige der enteigneten Gewerkschaftshäuser in Langenselbold und in
Hanau hat sich Kaus angeeignet.
Bitte hier die besprochene Dokumentation in Klassensätzen
anfordern/bestellen: info@mkk.de <info@mkk.de> z.Hd. Herrn Landrat Erich
Pipa
Bitte um Mitteilung, was dies BUCH kostet. Wenn möglich, möchte ich es kaufen oder als Rezensionsexpl. für unseren friedenspolitischen Rundbrief bekommen.