HaBE einen Wunsch: Lesungen mit Titos Patrikios, Ferruccio Brugnaro, Manolis Glezos, Mikis Theodorakis

Neue Gedichte Ferruccio Brugnaros, (na ja, so neu sind sie nicht, sie sind bereits als Buch bei ZAMBON erschienen) ihr werdet die linearen Übersetzungen von meinen Nachdichtungen sicher unterscheiden können. – zumal ja nur bei einem Gedicht das Original und die lineare Ubersetzung dabei sind. Ich habe mich in Ferruccios Gedichten wieder gefunden, nachdem ich mich nach schweren Schlägen schon verloren hatte. Er weckt in mir die Erinnerungen an (Halb-)Sklavenarbeit, Akkordschinderei, Abwehr-Kämpfe, Folter, Isolationshaft, und ich spüre die Nähe zwischen seinen und meinen Schreib- und Publikationsweisen.  Para la gente, con la gente.

Lärm erdrosselt

Das Getriebe,
die Turbine
atemluftfressendes Trichtermaul
des Fleischwolfs mit den dreitausend Umdrehungen
Saugt mir mein Blut
Zermalmt mir die Gelenke
frisst meine Worte
Druckkessel dröhnen
Der Lärm krümmt mir den Rücken
Würgt die Stimme
erdrosselt meine Lunge
Bis Hirn und Herz erschüttert
Zweifelnd fragen
Ob in dieser Mordsmaschine
Das Leben Sterben ist

ein letzter Winkel meines Kopfes
läßt sich vom Riesenmaul nicht niederbrüllen
Der sieht und hört und fühlt und weiß
Dort draußen
Außerhalb der Mauer
Jenseits des Stacheldrahts
Grad hinterm Zaun
Einen kleinen freien Flecken
Versteckt für mich
Geschützt in Trümmern zwischen Brombeerhecken
In dieser Zeit der Rückgrad-brechenden Fabriken
und leergeschafften Augenhöhlen

Nicht unermüdlich

Kilometer
Schlangen Rohre
Sich um meinen Hals
Bagger Schaufeln
Presslufthämmern
Tag und nacht durch meinen Schädel
Stücklohn Lasten Voll
Die Conti-Schichten
Zeitdiktate im Akkord
haben mich im Halbschlaf
schon erdrückt
SekundenMesser in den BlutHundBlicken
Meiner Vorarbeiter und der Chefs
jeder Atemzug wird ausgemessen
noch der Pulsschlag automatisch
auf Reserven kontrolliert
Ich bin es müde,
so unendlich müde
Meine ausgebrauchten Hände anzusehn
Wie die toten  Instrumente
Der Missachtung,
und Zerstörung meines Lebens
Mir entfremdet,  feindlich
Wie sie mir
Luft und Lebenslust
abdrehn

DUE MIEI COMPAGNI ORA
Brinacelo.
E‘ un freddo incredibile.
Due miei compagni ora
a dieci metri circa di altezza
stanno saldando
attaccati a una grossa tubazione. Di tanto in tanto si rizzano
sulla schiena e si mettono attorno alla fiamma sprizzante del cannello. II
silenzio è profondo.
La vita                   ‚
non si muove quasi più,è lontana.

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Zwei meiner Genossen, jetzt  (Ü.:Felix Ballhause)

Rauhreif um uns.
Es ist unglaublich kalt.
Zwei meiner Genossen, jetzt
In 10 Meter Höhe circa
sind am Schweißen
angeklebt an eine große Rohrleitung. Ab
und zu richten sie sich auf  und rücken
dicht zur spritzenden Flamme aus dem
Brenner. Die Stille ist tief.
Das Leben
Rührt sich fast nicht mehr, es ist weit weg.
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Jetzt zwei aus meiner Kolonne

Der Morgentau
Ist schon erfroren
In klirrendem Frost
Zwei meiner Kollegen
Zehn Meter über mir
Im Schweiß erstarrt
Zu Eis
Beim Schweißen
Die Hände angefroren
An rostigen Rohren
gesichert vor dem Sturz
Bis sie der Schneidbrenner befreit
Kurz aufheizt brüllt
Erstarrtes wärmend
Ein letzter Hauch
In tiefster Stille
Rührt sich
Das Leben?
weit entfernt !

 

 

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(Linear-Übersetzung von Felix Ballhause)

 

L’ERBA TRA I  CEMENTI

Marzo.L’erba è cresciuta dappertutto in fabbrica dove ha trovato

un pò“ di terra La più fine e luminosa è venuta su tra i cementi nelle strisce di terra grigie e nere. La più bella ha messo fuori

il capo

tra scorie di plastica e ferro. E‘ una cosa stupenda. La primavera ha portato

in fàbbrica in questi giorni la vita con tutta la sua forza e la sua gioia.

 

Kräuter  im Zement

 

März. Unkraut ist gewachsen überall in der Fabrik

wo es ein wenig

Erde gefunden hat. Die feineren und

leuchtenden sind in den Fugen zwischen den Zementplatten , den grauen und schwarzen Erdstreifen gewachsen. Die schönste  hat

ihr Köpfchen

zwischen den Abfällen aus Plastik und Eisen  herausgeschoben. Es ist  einfach

wundervoll. Der Frühling hat in diesen Tagen

das Leben in die Fabrik getragen mit all seiner

Kraft und  Freude.

 

Unkraut zwischen Beton-Platten

Blumen blühen im Beton

 

März . Unkraut – Blumen wachsen überall in der Fabrik

Wo sie ein wenig Erde fanden.

Aus den gräulich schwarzen Streifen

Blühn die kleinsten

Leuchtend bunte Farben

In den Fugen

Zwischen Wand-und Bodenplatten

aus Beton. Die schönste streckt

ihr Köpfchen

durch Plastikabfall-Eisenspäne

ins Licht. Es ist einfach

wundervoll. Der Frühling hat in diesen Tagen

das Leben bis in die Fabrik getragen

voller Kraft mit all seiner Freude

 

((bei der letzten Zeile wollte ich unbedingt auch den leisesten Anklang von „Kraft durch Freude“ vermeiden.))

 

Einige Lesungen wünsche ich mir noch vor meinem 70.:  in Kalamata, im historischen Stadion oder im Theater von Messene, in Distomo und Kalavrita, Athen und Monemvasia und in Thessaloniki: zusammen mit Titos Patrikios, auch weil unsere zweite gemeinsame Lesung -die erste beim 1. Europäischen Poesie Festval in Frankfurt – in Kalamata ausgerechnet an einem Streik des öffentlichen Dienstes gescheitert ist,  und die in Athen wünsche ich mir zusammen mit Manolis Glezos und Mikis Theodorakis, auch wenn ich da nur einen Sechszeiler für Jannis Ritsos beitragen darf…

Zusammen mit Ferruccio Brugnaro, dem italienischen Fabrikdichter würde ich gerne in einer Fabrikhalle in Mestre bei Venedig lesen. Und die italienische Freundin Titos Patrikios würde ich bitten, meine Texte ins Italienische zu übersetzen, so wie sie seine aus dem Griechischen ins Deutsche und Italienische übersetzt hat – bei der Lesung  beim 7. Europäischen Poesie-Festival im Café WIESENGRUND.

Ich bin der Meinung, dass lineare Übersetzungen nicht die Bilder herstellen in den Köpfen der Lesenden/ Hörenden, die der Dichter im Original mit seinen Worten intendiert.  Es braucht Nachdichtuingen von Menschen, die in den jeweiligen Kulturkreisen ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie der Dichter selbst. Wer nicht den Druck der Akkordhetze erlebt und überlebt hat, wer nicht gefoltert wurde, wer nicht im Knast gesessen hat, wer niemals aus dem Blechnapf fraß, der kann entsprechende Prosa wie Lyrik nicht richtig übersetzen…besonders, wenn er die Texte nur technisch-linear übersetzt.

Lieber Titos, lieber Ferruccio, lieber Mikis, lieber Manolis,  schreibt mir, sagt mir wann und wohin ich kommen, fliegen soll … ich lasse dafür alles stehn und liegen

  • Eine Faust voll Sonne

Eine Faust voll Sonne

von Ferruccio Brugnaro | |

Über­le­bens­ge­dich­te

Eine Samm­lung von Ge­dich­ten eines Che­mie­ar­bei­ters aus Mar­ghe­ra (bei Ve­ne­dig). Brug­na­ro war aktiv in der Ar­bei­ter­be­we­gung in den 70er Jah­ren. Seine Ge­dich­te spie­geln die re­vo­lu­tio­nä­ren Im­pul­se, den bit­te­ren Ge­schmack der Nie­der­la­ge sowie die Mühe, die man auf­brin­gen muss sich eine rea­lis­ti­sche, aber nicht re­si­gnier­te, Vi­si­on der Welt an­zu­eig­nen.

Die Ge­dich­te von Fer­ruc­cio Brug­na­ro for­dern uns her­aus, sie zu­nächst ein­mal ein­zu­ord­nen. Aber sie las­sen sich nicht in den zahl­rei­chen Strö­mun­gen der ita­lie­ni­schen Li­te­ra­tur un­ter­brin­gen. Jed­we­de Zu­ord­nung in diese oder jene Strö­mung der ita­lie­ni­schen Poe­sie wäre an­zu­zwei­feln. Zahl­rei­che und teil­wei­se lo­bens­wer­te Ver­su­che wur­den un­ter­nom­men, um eine Ver­bin­dung zwi­schen dem Humus, in dem Brug­na­ros Lyrik ent­steht, und den na­tu­ra­lis­ti­schen Er­fah­run­gen der Nach­kriegs­zeit (1945-1956) zu zie­hen. Auch wenn diese Ver­su­che uns als An­re­gung die­nen, weit zu den Wur­zeln einer li­te­ra­ri­schen Pro­duk­ti­on zu­rück­zu­ge­hen, die ab den sech­zi­ger Jah­ren des 20. Jahr­hun­derts sich au­ßer­halb der Kul­tur der herr­schen­den Klas­se ent­wi­ckelt, über­wie­gen ge­wich­ti­ge Grün­de, die uns über­zeu­gen, dass im Rah­men der heu­ti­gen ita­lie­ni­schen Li­te­ra­tur das Werk Brug­na­ros eine Ein­zel­er­schei­nung ist.

Zwei­spra­chi­ge Aus­ga­be: Ita­lie­ni­scher Ori­gi­nal­text „Un pugno di sole“ mit deut­scher Über­set­zung

Seiten: 158
ISBN: 978-3-88975-175-1
Sprache: Deutsch
Cover: Broschiert
Jahr: 2011

Preis: 9,90 €

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Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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