HaBE bei Droste ? Nicht ganz, aber diese Geschichte hätt ich gern geschrieben

Ich würd die gern in meinen Kinderroman „Funny und die Salzdiebinnen von Wien“ einbauen. Aber der Wiglaf darf nix davon mitkriegen !

Feuilleton

Wiglaf Droste

Mausoleum

Der Regionalzug an diesem Sonntagmorgen ist pünktlich, kostet nicht viel und ist ziemlich leer und leise. Reiseproviant nimmt man sich selbst mit, Lektüre sowieso, es ist wie Zugfahren früher, friedlich, ohne schneidige »Zugbegleiter« und ohne eingeschweißten, vakuumierten angeblichen »Sterneküchen«-Mikrowellenfraß. Ein Schaffner kontrolliert die Billetts; als ich meins aus der Jackeninnentasche zerre, spricht er mit ruhiger Stimme: »Lassen Sie sich Zeit. Wir sind hier bei der Arbeit, nicht auf der Flucht.«

Der Spruch ist alt, aber die Haltung wirkt in Zeiten der permanenten Selbstoptimierung, des Bis-zum-tot-Umfallen-Leistungszwangs, des chronischen Überdrucks beinahe re-innovativ und widerständig. Der Schaffner setzt seinen gemächlichen Gang fort, eine Frau von vielleicht Ende Dreißig und ihre zirka zehnjährige Tochter fragen, ob noch Platz im Abteil sei; davon ist reichlich vorhanden, und nachdem sie ihr Gepäck verstaut und ihre Plätze eingenommen haben, lesen wir alle drei.

Nach vielleicht zehn Minuten scheint das Mädchen in ihrer Lektüre auf ein Rätsel gestoßen zu sein und fragt: »Mama, was ist ein Mausoleum?«; so wie sie es ausspricht, klingt es tatsächlich wie »Mausoloim«. »Hat das etwas mit Mäusen zu tun?«

Die Mutter lacht und sagt: »Das heißt Mausole-um und ist ein Grabmal.«

»Eins für Mäuse?« fragt ihr Kind ungläubig.

»Nein«, antwortet ihre Mutter. »Ein Mausole-um ist ein ganz großes Grab. Ein Monument.«

Das Kind denkt nach und sagt: »Also ein Riesengrab für Riesenmäuse!«

»Riesengrab stimmt«, sagt die Mutter, »aber es ist ein Grab für Menschen, für ganz besonders große Menschen.«

»Wie groß sind die denn?« wundert sich das Kind erschrocken. »Fünf Meter groß oder sieben oder noch größer?«

Die Mutter spielt weiter geduldig mit. »So große Menschen gibt es gar nicht. Das Grab ist so groß, weil diese Menschen Großes geleistet haben und hochangesehen werden. Und das soll man nach ihrem Tod sehen. Deswegen ist ein Mausoleum größer als ein Grab für normale Menschen.«

Das Kind scheint nicht recht zufrieden mit der Antwort. »Aber wieso heißt das dann Mausoleum? Mäuse sind doch ganz klein. Das ist doch dann Quatsch, oder?«

»Tja«, sinniert die Mutter und strahlt ihr Kind an. »Da hast du eigentlich recht. Elefantoleum, Giraffoleum oder Pottwaloleum wäre besser.«

Dann kichern beide, und ich freue mich. »Grab mal bei Mausi …«, summe ich in Gedanken zur Melodie der alten Otto-Katalog-Reklame. Jede Kirche ist ein Mausoleum für einen Mann, der, sofern man der Geschichtsschreibung trauen kann, die Mäuse, die sich zu Größerem aufplusterten und aufbliesen, davonjagen wollte. Und dass Che Guevara, Lenin und Bob Marley sich selbst ein Mausoleum gewünscht oder hingestellt hätten, darf bezweifelt werden.

Der Regionalzug setzt seinen Weg fort, und ich bin sehr froh, kommod und in Ruhe auf Reisen zu sein und nicht auf der Flucht.

 

Diese Geschichte habe ich aus der Tageszeitung „junge Welt“ geklaut, deren Feuilleton mir sonst selten gut gefällt. Schaumerma, ob ich jetzt ne Abmahnung kriege, wie sonst  von Kram Säubert üblich :-O))))))))

Von Dietmar Koschmieder oder vom Künstler persönlich? merwaasesnedd, wie die Hessen das so sagen. Oder: Nixgenaues waas mer nedd, oder vollständig ausgeschrieben: Merwaasesnedd, mer mungkelts nor !

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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