jW jetzt ohne Elsässer ? Ohne HaBE schon viel länger !

Hallo, geschätzter Genosse Jürgen Elsässer, könnten es auch inhaltliche Gründe sein, dass die jungeWelt außer der Sache mit dem Zeilen-Geld mit Dir nicht mehr zusammen hält ? Auf einige der auch von Dir mitgepflegten Lafontaine’schen Heuschreck-Fabeln werde ich am Schluss deshalb noch Mal eingehen. Schade, dass Du gehst, dass dir dort gegangen wird, wo viele meiner Texte stapelweise im Papierkorb liegen müssen. Auch Du hast trotz vieler Anschreiben nur auf einen einzigen reagiert.
Nicht erst mit dem Text „es rettet uns kein höhres Wesen, kein Gysi und kein Lafontaine ..uns aus dem HARTZE zu erlösen, dazu müssen wir schon selbst aufstehn!“ habe ich in der jW keine Silbe mehr unterbringen können, trotz mehrfacher Zusagen von Dietmar Koschmieder, Wera Richter, Gerd Schumann u.a.. Christof Meuler hat so um die 2005 im Frühjahr noch Mal was zu den Beschlagnahmungen und Vernichtungen meiner Texte geschrieben aber dann war Sense. Meine Bücher wurden nicht rezensiert, meine Leserbriefe ignoriert, meine Kritik am bürgerlichen und dazu noch schlechten Feuilleton wanderte in die Ablage … Bei mir waren es in der Regel „technische“ Gründe… inhaltlich kam gar nix.
Dass die jW über die Vernichtung meiner Texte durch die deutsche Delegationsleitung auf der Buchmesse Havanna nichts geschrieben hat, wo sogar einige jW-GenossINNen dabei waren, dafür habe ich sogar noch Verständnis -irgendwie jedenfalls – obwohl es schon härtester Tobak ist, gerade in der Situation des erneuten propagandistischen Angriffs auf Kuba den Kubanern diese selbstgemachte Zensurmaßnahme in die Schuhe zu schieben. Im Gegenteil haben mich die Kubanische Messeleitung und viele kubanische GenossINNen bei der Rekonstruktion meiner Wandzeitungen, Texte und Bilder herzlich und offen unterstützt. Nachher sagten mir dann die werten Genossen der Delegationsleitung, dass sie es selbst eigenhändig waren, die die Texte vernichtet haben. Aber erst, nachdem ich sie mit kubanischen Genossen direkt konfrontierte.
Das ist eine ungeheure Scheiße. Und die jW tut so als wäre nix gewesen. Ich kann dieses betonköpfige Gehabe nicht ab, diese linksgetarnte deutsche Kolonialoffiziersatitüde, die auch noch in Kuba bestimmen will, was der Kubaner zu lesen bekommt, was für ihn gut ist.
(Kleine Episode ganz nebenbei: als Publikumsmagnet hatte die deutsche (linke) Delegation allen erdenklichen Fussballschnickschnack zur WM in die deutsche Halle gepackt mit Ballak-Bildern, BilligFußbällen, Nationalmannschaftstrikots, offiziellen Bildbänden zur WM, SpielerPoster … als die ganze Bandbreite des CommerzFussballGeschäfts mit den Fans. Klar, die Sachenwaren schnell weg, toller Erfolg ! Nur als dann die Trabajadores Sociales ((also die Studis, die nach Abschluss ihres bezahlten Studiums (((mit Studentegehalt!!!))) für das weitergezahlte Studentengahalt einen zweijährigen Sozialdienst machen . Die Trabjadores/ras Sociales sind eben keine Sozialarbeiter im deutschen Sinn, wie es neulich in der jW bei einem Bericht über die Buchmesse 2008 stand)) –
also, als dann die Trabajadores Socieles die deutsche Delegation darum baten im Jhr der WM in Deutschland doch hier auf der Buchmesse ein kleines Fussballtournier auszurichten zwischen kubanischen Jugendmannschften (u.a.der Trabajadores Sociales, die de Aussteller bei allen Ar beiten unterstützten) und den ausstellenden Ländern, da kam die linke deutsche Antwort: „Der ganze Fußballtrubel sei im Sog des kapitalistischen Kommerzfußballes und das wolle man nicht auch noch hier unterstützen.)
Es war herrlich am Tag darauf wieder mit den kubanischen Massen zu diskutieren, die Trabajadores Sociales haben mir einen großen Kubus-größer als eine Litfaßsäule, auf dem Zentralplatz der Buchmesse zur Verfügung gestellt und mich ermutigt. Sie haben mit mir zusammen Gedichte und Prosa ins Spanische übersetzt und aufgeschrieben. Ich hatte eine stundenlange öffentliche Diskussion -während meiner öffentlichen Schreibung mit einem höheren Beamten der kubanischen Staatssicherheit unter breiter öffentlicher Beteiligung. Das war wie Wellness gegenüber dem deutschen Mief.
Und ich habe unangemeldete Lesungen in kubanischen Schulen gemacht. in Havanna, in Trinidad, in Santa Clara, wo Ernesto Che Guevara begraben liegt und all das, die ganzen Berichte, die Bildreportagen, die ich der jW geschickt habe, keine Silbe… Dafür aber dazu noch die Scheiße von Brie und Co im Europaparlament und in Teilen der LINKEN gegen „Menschenrechtsverletzungen“ Kuba. Ich kann nicht so viel essen, wie ich kotzen muss.
Schade, dass Du gehst. Ich habe Deine Texte mit Erkenntnisgewinn gelesen , auch da, wo ich kontroverse Standpunkte vertrete. Ich bin schon der Meinung, dass die Linke die Lufthoheit über den Stammtischen erobern soll, muss ! Aber ob es mit den einführenden Märchen vom „gerechten Lohn“ und der These „Ausbeutung = Billiglohn“ so geht, da wage ich zu bezweifeln. Die Sagen vom Heuschreck und vom RaffZahn lassen den Stammtisch im dumpfen Dunst, auch wenn sich der Stammtisch nun nicht mehr so nennt, der heißt jetzt halt „AfterWorkParty“ und ist leider ähnlich beschränkt. Aber manchmal klarer als manche Linken. „Rettet unsere Kohle“ KlAR, NUR MUSS SIE DAS ERST MAL WIEDER WERDEN ! , was sie eigentlich schon immer ist, nur wird sie uns seit hunderten von Jahren permanent genommen. Und die die sie nehmen, verwenden sie gegen uns – wir brauchen eben nicht nur Winterbrandbeihilfe, wir brauchen das ganze Bergwerk. Aber die Winterbrandbeihilfe brauchen wir jetzt sofort, sonst sind wir erfroren bevor wir den Pott übernehmen und bestimmen, was mit der Kohle geschieht.. Und ein bißchen Mitbestimmen wollen wir aber auch schon jetzt! Lafontaine&Co hat schon den starken Hang die Leute im PRAGMATISMUS ZU ERTRÄNKEN UND DANN KOCHT ER WOMÖGLICH SEIN EIGENES SOZIALDEMOKRATISCHES SÜPPCHEN DARAUS: DAS DARF MAN NICHT AUS DEN AUGEN VERLIEREN. Bei aller Notwendigkeit der Realpolitik. ((Na ja und frei vom Dang zu den Futtertrögen sind wir allesamt nicht! Und über die kapitalistischen Regeln auch im linken Mediengeschäft, im linken Kultursektor und über die dazugehörigen Figuren, Kulturagenturen, Geschäftsführer und Oberkassierer brauche ich Dir ausgefuchstem Profi nix weiter zu erzählen. Früher gabs das hauen und Ausstechen vor den Auftritten bei den Ostermärschen und den gelegentlichen GroßDemos, jetzt sind es schon größere medienumworbene Parteitage, Großkonferenzen. Das gehts um Kohle ! „Rettet unsre Kohle“ Klar ! Gerne, aber sie muss erst mal unsre werden. Und wie krieg ich denn nun einen Vertrach mit Dieter dehm ? Wann rezensiert der Herz-Jesu-Sozialist Norbert Blüm denn meine Bücher ? Wann darf ich mit seiner Heiligkeit attac-Novize Heiner Geissler zu Anne Will ? Es soll hier auf der Linken nicht so getan werden, als sei man nicht von dieser Welt. egal wie alt oder wie jung sie ist!) )
Finanziell kann ich mir die jW und das ND nicht gleichzeitig leisten (und die Frankfurter Frontschau wg. der lokalen Dinge noch dazu )
Für einen offenen Diskurs der Linken !
Für einen offenen Diskurs der Linken mit den Massen, um es mal etwas pathetisch auszudrücken oder, wie ich es in Kuba geschrieben habe bei meinem Essay „Sobre las obligatcionas …“ : Siempre con la gente siempre para la gente !
Hartmut Barth-Engelbart
—– Original Message —–

Sent: Tuesday, March 18, 2008 1:42 AM
Subject: jW ohne Elsässer

Liebe Freundinnen und Freunde,

junge Welt hat meinen Arbeitsvertrag gekündigt, ab April werde ich
fürs Neue Deutschland schreiben. Über die Hintergründe dieser
Zuspitzung informiert mein unten folgender Abschiedsbrief an jW vom
10. März. Da er mittlerweile ohnedies durchs Internet geistert, zum
Teil arg verkürzt, will ich auf diesem Weg dafür sorgen, daß er
wenigstens einige Menschen in meiner Originalversion erreicht.

Außerdem füge ich den letzten Kommentar an, den ich für Junge Welt
geschrieben haben, und der nach Meinung der Geschäftsführung nie hätte
erscheinen dürfen: „Rettet unsere Kohle!“ vom 23. Januar. Einige kenne
ihn schon. Im Lichte der eskalierenden Finanzkrise der letzten Tage
hat sich gezeigt, daß der Text zu hundert Prozent richtig lag. Es
handelt sich übrigens nicht, wie mir auch Wohlmeinende unterstellten,
um eine gelungene Satire. Das alles ist bitter ernst gemeint!

Wie immer bin ich für Anregungen und Kritik dankbar.

Herzliche Grüße
Jürgen Elsässer

—————

Jürgen Elsässer

An

Junge Welt

-Redaktion

-Verlag

-Geschäftsführung

10. März 2008

Liebe Genossinnen und Genossen,

die Geschäftsführung hat meinen Arbeitsvertrag zum 29. Februar
gekündigt. Der von ihr neu angebotene Vertrag war für mich unter
keinen Umständen annehmbar. So endete zu meinem Bedauern meine
Mitarbeit an der Zeitung zu dem von der Geschäftsführung gesetzten
Datum.

Der neue Vertrag hätte für mich wesentliche finanzielle Einbußen
bedeutet. Wichtiger noch: Er hätte meine Möglichkeiten signifikant
verschlechtert, kontroverse Denkanstöße in der Zeitung unterzubringen.
Ich hatte deshalb bereits bei Vorgesprächen darum gebeten, den alten
Vertrag beizubehalten und ggf. zu modifizieren. Leider fand ich kein
Gehör.

Im Hintergrund stehen inhaltliche Differenzen: Artikel von mir, die
die Minderheiten- und Randgruppenorientierung der Linken kritisierten
und stattdessen ein Volksfront-Konzept favorisierten, das auf die
Gewinnung von Mehrheiten in der Bevölkerung setzt, wurden im Verlauf
des letzten Jahres immer stärker geblockt. Um Mißverständnissen
vorzubeugen: Es ging mir nicht darum, den Kurs der Zeitung zu
bestimmen. Ich wollte lediglich ab und zu einen eigenen Farbtupfer auf
die Palette setzen. Wenn aber political correctness den Pinsel führen
will, wird kreatives Arbeiten unmöglich. Verantwortlich für diese
Entwicklung ist die Geschäftsführung, unterstützt vom Gros der
Mitarbeiter in Redaktion und Verlag. Demgegenüber versuchte die
Chefredaktion, den Pluralismus der Zeitung zu verteidigen, geriet
dabei aber selbst unter Druck.

Ich scheide nicht im Zorn. Eher mit Wehmut. Unterm Strich werde ich
unsere Zusammenarbeit in den letzten fünf Jahren in positiver
Erinnerung behalten. Es gibt sehr viele sehr gute Redakteure und
Autoren, zu denen ich unbedingt weiter Kontakt halten will. jW hat
eine wichtige Rolle in der Linken gespielt, und daran wird sich, so
hoffe ich, auch in Zukunft nichts ändern. Vielleicht könnte man es so
sagen: Unsere Wege trennen sich, aber wir marschieren weiter in
dieselbe Richtung. (Für diejenigen, die die Geschichte der Zeitung
kennen: Das ist der große Unterschied zum Bruch 1997.)

Ich selbst werde ab April für das Neue Deutschland arbeiten. Nach den
beeindruckenden Erfolgen bei den Landtagswahlen im Westen und im
Vorfeld der Bundestagswahlen 2009 stehen die LINKE und ihre
auflagenstärkste Zeitung vor großen Herausforderungen. Die Situation
birgt Chancen und Risiken, die sorgfältig diskutiert werden müssen.
Ich freue mich außerordentlich, daß mir die ND-Redaktion die
Möglichkeit bietet, in diesen spannenden Zeiten meinen Beitrag zu
leisten.

In diesem Zusammenhang werde ich weiter dafür werben, daß sich die
Linken nicht in fruchtlosem Gegeneinander aufreiben, sondern ihre
Differenzen produktiv austragen. Wetteifern wir also darum, wer der
gemeinsamen Sache am besten dienen kann! Dies möge, wenn ich einen
Wunsch äußern darf, auch für das Verhältnis von jW und ND gelten.

Mit solidarischen Grüßen

Jürgen Elsässer

——————

23.01.2008 / Ansichten / Seite 8

Rettet unsere Kohle!

Wirtschaftskrach trotz Zinssenkung

Von Jürgen Elsässer

Seit dem gestrigen Dienstag verleiht die US-Zentralbank Geld für fast
umsonst. Der Börsenkrach hat damit ein Stadium erreicht, in dem man
keine akademische Analyse mehr benötigt, sondern praktische
Handlungsvorschläge. Wenn selbst die Bild-Zeitung »das Risiko einer
globalen Krise« beschwört, braucht es keine marxistische Tageszeitung
mehr, die das nachbetet.

Beginnen wir mit einem guten Rat an unsere Leser: Legen Sie einen
größeren Batzen Geld unters Kopfkissen und lassen Sie nicht alles auf
der Bank. Bei der weiß man nämlich nicht, ob sie morgen wegen
Illiquidität ihre Automaten abschaltet – »aus technischen Gründen«
oder »vorübergehend«, wie es dann heißen wird. Sofern Sie Rücklagen
haben, sollten Sie einen Teil davon in Gold tauschen. Damit werden Sie
zwar nichts gewinnen, da dessen Kurs schon das Allzeithoch erreicht
hat, aber wenigstens werden Sie nicht alles verlieren. Die Inflation
der Papierwährungen jedenfalls wird weitergehen, und ein neues 1923
sollten wenigstens die nicht ausschließen, die ansonsten vor einem
neuen 1933 warnen.

Wenn Ihr Betrieb à la Nokia dichtmachen will, müssen Sie ihn besetzen.
Sichern Sie das Grundstück, die Immobilie, die darin vorhandenen
Maschinen und am besten auch die Konten. (Schon in Zeiten des
scheinbaren Friedens sollten Sie mit Hilfe professioneller Hacker die
Paßwörter der Buchhaltung etc. ausspähen.) Betrachten Sie diese Werte
als Faustpfand für Ihre Existenzsicherung. Setzen Sie, wenn möglich,
den Betrieb wieder in Gang oder veranstalten Sie auf dem Gelände
irgendeinen Rummel, für den Sie Eintritt verlangen können. Bitte nicht
der Gewerkschaft oder der SPD vertrauen, da besteht
Verarschungsgefahr!

Nach den Tips für den einzelnen nun die Ratschläge an die Linke,
respective Die Linke. Sie steht vor einer epochalen Herausforderung.
Die Krise bedroht nicht nur die unteren Klassen, sondern die
Produktionsbasis insgesamt, wie Anfang der dreißiger Jahre. In dieser
Situation werden sich nur noch Besserverdienende für den postmodernen
Schnullipulli – Ökologie, Feminismus, offene Grenzen, Klimaschutz –
begeistern können. Auch der simple Klassenkampf der ewigen Trotzkisten
wird nur eine kleine Minderheit ansprechen. Denn schon der
Daimler-Facharbeiter und erst recht der Mittelständler rechnen sich
gar nicht zum Proletariat. Notwendig wäre vielmehr eine »Politik für
alle« (so ein Buchtitel Lafontaines), das heißt, ein Programm zum
Schutz der Volkswirtschaft vor den Stürmen der Globalisierung. Ein
wichtiges Element davon wäre der Neuaufbau einer nationalen
Energiebasis. Wolfgang Clement hat durchaus recht, wenn er den
kohlefeindlichen Kurs der Hessen-SPD angreift – er hätte nur dazusagen
sollen, daß schon im Kabinett Schröder mit ihm als Wirtschaftsminister
das Todesurteil über die Bergwerke gesprochen wurde. Hat die Linke den
Mut, ihre Wiederöffnung zu fordern? Oder wartet sie, bis der Ölpreis
auf 200 Euro pro Barrel steigt?

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert