Nix Neues aus Gel-NS-hausen: Aktenzeichen A-Z ungesühnt

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NS-Aufarbeitung EXEMPLARISCH! Aktenzeichen von A bis Z ungesühnt. Von „A“risierung bis „Z“wangsarbeit – im Streit um das Scheuer/Stern’sche Haus in Gelnhausen hat die Historikerin/Autorin Dr. Christine Wittrock in einem Offenen Brief an den neuen und jungen (SPD) Bürgermeister der Stadt den Enkel eines lokalen NS-Prominenten und Arisierungsbetreibers aufgefordert, das von seinem Großvater den jüdischen Besitzern enteignete Haus und Grundstück wieder zurückzugeben aus historisch-moralischer Verantwortung:
 
Die Besitzerfamilie Scheuer/Stern war in den 50er Jahren inmitten einer streng antisemitischen Umgebung von einem Amtsgericht eine „Entschädigung“ von circa 3.000 DM gewährt worden. Den Überlebenden/Nachkommen bot man jüngst einen Zuschuss von rund 5.000 Euro für den Kauf einer Eigentumswohnung in Gelnhausen an. Allein im Vergleich zum Immobilienwert billige Almosen, ein Alibiakt. Vor zwei Jahren musste das Ehepaar Stern bei einer Veranstaltung in der Gelnhäuser Synagoge in der ersten Reihe schweigend zwischen den Erben der Täter sitzen und sich die eigene Verfolgung als „Schicksal“ anhören. Die Veranstaltung war offizieller Bestandteil der „Ökumenischen Friedensdekade“ des Dekanats Gelnhausen. Die Referentin hatte die Auflage, bei ihrem Vortrag keine Gelnhäuser Täternamen zu nennen, das Thema Zwangsarbeit und „Vernichtung durch Arbeit“ mit keinem Wort zu erwähnen.
 
Ihre Aufforderung an das Publikum am Schluss ihr noch Fragen zu
stellen (in der Hoffnung, aus dem Publikum würden diese Themen angesprochen und eventuell konkrete Namen genannt – und nicht nur die allgemein bekannten und nicht mehr zur Rechenschft zu ziehenden Berliner Führer, dieser Appell blieb ohne Folgen: kein Mensch machte den Mund auf. Im Publikum saßen auch führende Persönlichkeiten aus der Gelnhäuser Wirtschaft u.a. Herr Kriechbaum vom Vorstand der Firmas „VERITAS“, Kirchenvorstands-mitglied, Sponsor, ……
(siehe dazu auch „Wegfeiern in Gelnhausen – Wie in der deutschen Provinz das
Gedenken an Faschismus, Judenpogrome und -vergasung, Arisierungsplünderungen und Zwangsarbeit … weggefeiert wird. “ 
Siehe dazu:
 
Doch, Folgen hatte dieser Appell dann doch noch: einige Tage später erklärte
sich die örtliche Pax Christi-Gruppe bereit , außerhalb der
„Friedens-Dekade“ eine Veranstaltung im „Exil“ zum Thema „Zwangsarbeit“ in Gelnhausen durchzuführen. Die von der Satdt Gelnhausen dafür zur Verfügung gestellte „Herrenscheune“ war jedoch am Abend der öffentlich angekündigten Veranstaltung verschlossen. 50 Menschen warteten vergeblich auf einen Hausmeister. Der war auch an seiner Privatadresse nicht aufzufinden.
Gelnhausen liegt nicht im Osten, heißt nicht Halberstadt oder Mügeln. Es
hatte auch damals keinen NPD- oder REP-Bürgermeister. Nur vor der
Veranstaltung kam aus dem Hause VERITAS resp. aus dem Munde eines mit der
Vorstandsetage eng verbundenen Menschen der Vorschlag, zum Thema
Zwangsarbeit keine öffentliche Veranstaltung zu machen, nicht öffentlich auf
längst fälliger Entschädigung von Opfern von Zwangsarbeit und
Zwangsabtreibung und deren Nachkommen zu bestehen, sondern sich stattdessen privat mit diesen Leuten zu treffen und für sie etwas zu tun. Auch könne man Mittel für „Stolpersteine“ in Gelnhausen beisteuern mit den Namen von „umgekommenen“ ZwangsarbeiterINNEn.
Die Veranstaltung fand dann trotz des verschwiegenen Boykotts der
Stadtverwaltung statt – in einem benachbarten Gasthaus: „Zur Burgschänke“
im völlig überfüllten Nebenraum – etwas Besseres konnte der Veranstaltung
nicht passieren: im Vormärz und den 1848ern war diese Kneipe im ArmeLeute-
und Judenviertel „Burg“ der Treffpunkt der Aufständischen. Hier trafen sich
die Wandergesellen und die jüdischen fliegenden Händler, die verarmten
Landjuden, die Hausierer. Die Kneipe spielt eine zentrale Rolle im Roman
„Die Buxweilers“ des staatenlos-jüdischen Schriftstellers deutscher Zunge
Valentin Sänger und sie liegt in nächster Nachbarschaft zum Stern’schen
Haus, das sich die Stadt Gelnhausen in höchst unmoralischer Art und Weise
angeeignet hat.
In einer Stadt, die in den letzten 20 Jahren von einem ehemaligen lokalen
Vorsitzenden der rechtsradikalen Wiking-Jugend regiert wurde, wäre es schon
ein Zeichen von längst überfälligem Umdenken im Umgang mit dem Faschismus in Gelnhausen, wenn das Scheuer/Stern’sche Haus von der Stadt an die Familie zurückgegeben würde.
Wenn jetzt die Rückgabe-Aufforderung der Historikerin Dr. Chrsitine Wittrock
von den beiden Lokalhistorikern Hans Kreutzer und Brigitte Noeske als „in
höchstem Maße verwerflich“ und als „vornehmlich Werbung für ihre Bücher“
diffamiert wird, dann ist es höchste Zeit, das Stillschweigen über die
„Arisierungs“-gewinnler, Judenvertreibungs- und -vernichtungsprofiteure und die tatkräftigen Helfer der Nazis in Gelnhausen zu brechen: Wer hier
schweigt macht sich mitschuldig.
Beim geplanten Neubau einer Kantine für das Gelnhäuser
Grimmelshausen-Gymnasium sollte eine Gedenktafel für den aus Gelnhausen
vertriebenen und im KZ ermordeten KFZ-Werkstattbesitzer Blumenbach
angebracht werden, denn im Gelände des ehemaligen Opel-Hauses Hempel – in
seinem Immobilienwert steckt das über 70 Jahre verzinste durch Hempel
arisierte Vermögen der Familie Blumenbach. Das Geldvermögen hat die
Gelnhäuser Kreissparkasse „arisiert“, Blumenbach durfte auch nicht mehr an
sein Guthaben, um die Flucht seiner Familie eventuell zu finanzieren. Auch
am Hause der ehemals dort ansässigen Firma Betten-Schmidt am Untermarkt
sollte eine Gedenktafel angebracht werden: hier hatten die Gelnhäuser Nazis
die Schaufenster und Türen erst zugemauert, bevor das Haus durch die Firma
Schmidt „arisiert“ wurde. Der Main-Kinzig-Kreis sitzt mit einer Behörde in
der „arisierten“ Villa des Rechtsanwalts und ehemaligen
F(A)Z-Mitherausgebers Sondheimer, die „arisiert“ erst KdF-Haus der Nazis
und dann nach dem Krieg zum „Eigentum“ des Elly-Heuss-Knapp’schen
„Müttergesesungswerkes“ wurde und dann in öffentlichen „Besitz“ überging und als Landwirtschaftschule diente.
An jedem Gelnhäuser Industriebetrieb sollten Gedenktafeln angebracht werden,
die aufzeigen wieviel Kapital aus Überausbeutung und unbezahlten
Zwangsarbeiter-Löhnen in diesen Firmen steckt: besonders in den
Rüstungszulieferbetrieben, in der Kautschuk-Industrie: Gummi-Joh, Veritas,
…….. Die Extragewinne aus dem Nazi-Programm „Vernichtung durch Arbeit“
sollten extra-beziffert werden mit dem Hinweis auf das STALAG-Wegscheide,
aus dem die sowjetischen Kriegsgefangenen zur Vernichtung am Fließband
geliefert wurden. An dem einen oder anderen Betrieb müssten Tafel stehen mit
dem Hinweis: Hier wurden an Zwangsarbeiterinnen Zwangsabtreibungen
vorgenommen, um jede Sekunde Zwangsarbeitszeit für den NAZI-Endsieg zu
erzingen !
oder: Hier wurden Zwangsarbeiterinnen ermordet, erst um „Rassenschande zu
verbergen“ vor den NaziKumpanen und danach, um die ZeugInnen für die
Vergewaltigungen und die Opfer zu beseitigen, bevor sie gegenüber der
Befreiern aussagen konnten.
Natürlich muss man nicht jede Familie aufzählen, die bei der Versteigerung
des Hausrates der vielen Gelnhäuser jüdischen Familien ein Schnäppchen
machten. Aber die Hauptakteure sollte man schon nennen. Und weil Die
Historikerin Dr. Christine Wittrock damit begonnen hat, solche namen zu
nennen, ist es auch sehr gut, für ihre Bücher Werbung zu machen., bei denen
sich in Falle des Buches über den Faschismus in Langenselbold selbst der
Alt-Landrat Eyerkaufer als Auftraggeber nicht mehr getraute, das Buch
drucken zu lassen, aus Angst vor den Erben der Täter.
Würden Verantwortliche der Stasi so geschont, ein Aufschrei der Empörung
ginge durch die Republik.
Hartmut Barth-Engelbart
(für Hinweise auf Fehler in meinem Artikel wäre ich sehr dankbar)

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

Ein Gedanke zu „Nix Neues aus Gel-NS-hausen: Aktenzeichen A-Z ungesühnt“

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