Wladimir Tschernosenko war der Held von Tschernobyl
Liebeserklärung
an einen strahlenden
Verlierer
Ich möchte
nicht erst
durch Tschernobyl gehn
Wladimir Tschernousenko
ihnen
den Spaltstofffluss
vorher abdrehn
Wladimir Tschernousenko
Ich möchte
bevor sie
die Wälder rasieren
verzeih, Wladimir Tschernousenko
sie durch das
Ozonloch
katapultieren
bevor wir plutoniumgesättigt verhungern
schutzlos verstrahlen, verglühn und erfrieren
Und hinter ihnen
könnte sich dann
die Erdenhülle regenerieren.
sie sollen im Nebel des Saturn
Profiten nachjagend
Runde für Runde
Rekorde brechen
zum Mars aufsteigen
und ihn erobern
sich hinter ihm finden
oder verlieren
Es soll noch passieren bevor Du gehst
bevor Dich die Mörder
ins Heldengrab legen
Wladimir Tschernousenko
Wenn wir es nicht schaffen
bevor Du gehst
dann bleibt mir Tschernousenko
nur eine wahnsinnige Hoffnung
Die stummen Schreie
der ungezeugt ungeboren schon toten
der toten noch lebenden
Tschernobyllionen
im Halbwertszeitkreis
des Sarkophags
wären nicht zu ersticken
in Massengräbern
zugebaggert mit Schweigeminuten
und Butterrationen
und Päckchen schickender
Selbstberuhigung
wären laut genug, uns zu wecken
bevor wir verrecken
uns zu lehren
uns zu wehren
umzukehren
Dein strahlendes Lächeln zu verstehn
Dir ins Leben zu folgen
und nicht in den Tod
Wladimir Tschernousenko
3.10.92 2.23.92
Zur Tagesordnung
Die Päckchen
sind verschickt
die Knochenmarkrationen
sind gespendet
die ausgewählte Leukämie
kriegt Chemotherapie
schnuppert Höhenluft
im Schwarzwald
und inhaliert
jodierte Brisen
an Nord- und Ostsee
der Rest glaubt
an die Heilkraft
der Ikonen
der heuchelnde Halbmast
zeigt wieder Flagge
strahlendes Wetter
vereint die Nationen
auf höchster Ebene
gerechte Verteilung
aktiver Ionen
Headline
verwurschtelte
Martyrien
verbleichende
Ladenhüter
die Trauerchöre
haben vor dem Ausklingen
des Requiems
noch vor dem letzten Akt
des Trauerspiels
die Koffer schon gepackt
die Moratoriumsschreie
liegen von uns
aufgenommen
als Konserven
im Archiv
Der nächste Reaktor
geht beben-
bombensicher
berstgeschützt
ans Netz
was dagegen?
die Energie
reicht grade noch
für eine letzte
nur noch eine
zappelnde Bewegung
wir hängen
wie leblos
in den Maschen
gefesselt und gelähmt
von der Hochspannung
vor dem nächsten
GAU
geschrieben 1995/96 zum zehnten Jahrestag von Tschernobyl
Der Gott der toten Schlote: ausgeräuchert |
Von Hartmut Barth-Engelbart am Montag den 19. August 2002 um 23:31
für Breulhand
Ausgeräuchert-Der Gott der toten Schlote-Der Schlot ist tot. Er fraß die schwarz und braunen Kohlen. Nun danken wir dem lieben Gott,wir können uns erholen. Ein Atmen geht jetzt auf und ab und an durchs Land. Wir haben Zeitdank seiner treuen Hand.
Ausgeräuchert
-Der Gott der toten Schlote-
Der Schlot ist tot
er fraß die schwarz und braunen Kohlen
nun danken wir dem lieben Gott
wir können uns erholen
ein Atmen geht
jetzt auf und ab
und an durchs Land
wir haben Zeit
dank seiner treuen Hand
kein Smog mehr weit und breit
Jetzt rauchen halt
die Schlote
weit hinter unserm Horizont
und bringen als versprochen Brot
tagtäglich um die vierzigtausend Tote
als Opfer für den großen Gott
den Gott der toten Schlote
wir ahnen’s: hintern Weltenrand
da werden Kinder nicht sehr alt
das Elend lässt auch ihn nicht kalt
dann schickt er warme Suppen
und Socken und ein Kinderbett
und dann auch Friedenstruppen
Egal ob Gott in Frankreich wohnt
in England oder in Berlin
was unten aus den Schloten kommt
und was zuletzt die Toten lohnt
ist der Profit, ist der Gewinn
da hat der Tod doch einen Sinn
Der Schlot ist tot
Gott Money makes
the smoke go round
so stirbt Gott auch
mit Sicherheit
im Überlebenstrakt
zwar nackt
doch nicht allein
(wir dürfen alle bei ihm sein)
und auch nicht gleich
an seinem eignen
Rauch
10.07.2002