2015 hatte ich noch für ihn geschrieben, als ich noch nicht wusste, dass er gerade als „Kulturbotschafter“ der Heinrich-Böll-Stiftung unter Ralf Füchs und Rebecca Harms den RECHTEN SEKTOR des Maidan bejubelte:
Siehe auch meinen Nicht-Rückruf dieses Nachrufs http://www.barth-engelbart.de/?p=41808
Dich hat der Tod geholt
Den Du mit uns bekämpft hast
Ich will mit Dir und muss
Jetzt leider ohne Dich dagegen
singen, schreiben, komponieren, zeichnen
Du hast Dich zu früh holen lassen
Hättest doch noch ein paar Jahre
Mit uns singen sollen
Ach Walter,
ich wollte Dir die Lieder
wenigstens noch einmal
nein, ich will sie Dir immer wieder
vorsingen
wie vor so langer Zeit
im Wald bei Whyl
mit Dir
die andre Nacht
die andre Wacht am Rhein
am Lagerfeuer
Ich habe noch zu wenig
aber doch so viel
von Dir gelernt
Und konnte endlich auch mit Freunden im Dreyecksland, in Frankreich, Griechenland, Italien, in Spanien und Portugal, im Odenwald und Vogelsberg , in Frankfurt auf der Zeil
Volkslieder nicht nur auf Französisch, auf Italienisch, Spanisch, Portugiesisch nicht nur auf Englisch Folksongs, nein, jetzt auch auf Deutsch mit Freude singen „In Mueders Stübele, do goht der Wind …
Und eigene neue Lieder, die ich oft nach deinen Vorlagen zu anderen Themen geschrieben habe. Dein AKW-Nein-Rag war die Vorlage für unseren “Rag der arbeitslosen Jugendlichen” (ein besserer Titelist uns vor 40 Jahren nicht eingefallen): “Im letzten Schuljahr hast Du nix mehr gelernt…. bei euch ist doch alles zu spät hab’n die Leher gesagt und uns so überzeugt, dass es ohne Abschlusszeugnis geht …” Cäptn Sperrmüll, die Prolo-Rockband aus Maintal, die sich bei der Besetzung des Jugendzentrums gebildet hat…
Walter, ich möchte Dich in meine Arme nehmen,
dich noch Mal sehen, fühlen, hören
Ich kanns Dir schwören
Du singst und spielst
In unsren Liedern weiter
Und wenn es Engel gäbe
Die sängen dann bei jeder Demo
Von oben Deine Lieder mit
Grüß mir den Gundermann
Ihr beide könnt die Engelschöre
Zusammen dirigieren
Und uns beschützen
Dann, dann wird uns nichts passieren.
Das zu wissen
Macht uns Mut
Und Zuversicht
Theodor Wiesengrund Adorno hat gesagt, es gäbe nichts Richtiges im Falschen. Das gilt auch für meinen verstorbenen Ex-Freund Walter Mossmann. Der vor 40 Jahren unter dem Bundschuh-Pseudonym „Jos Fritz“ schreibende und singende Walter Mossmann hat als „Deutscher Kulturbotschafter “ bei den Bandera-Faschisten in Lwiw/Lwów/Lemberg agiert, finanziert durch die Heinrich-Böll-Stiftung. Ich habe erst nach dem Schreiben meines Nachrufes von Mossmanns Wirken in der Ukraine erfahren und von seinem Parteitagsauftritt bei der NATO-Oliv-GRÜNEN Kriegspartei 2010 in Freiburg.
Walter Mossmann musste wissen, für wen er in der Ukraine arbeitete. Da fällt mir nur der absurde Vergleich ein, dass damals Ernst Busch in Spanien den „Deutschen Kulturbotschafter“ bei Franco hätte machen müssen im Auftrag der Reichsmusikkammer
HaBE keinen Rückruf für meinen Walter Mossmann-Nachruf geschrieben
HaBE Walter Mossmann nachgesungen
Aber nach diesem Parteitags-Auftritt Walter Mossmanns 2010, kann ich nur hoffen, dass ich mich im Folgenden Nicht-Rückruf geirrt HaBE
aber auch zu seiner Widerstandsbiografie und seinen unvergessenen Liedertexten. Ich war immer stolz darauf, dass mich die Polizei mit ihm verwechselte, wenn ich seine Lieder bei Kundgebungen und Demos, Streiks und Platzbesetzungen gesungen habe. (den vollständigen Artikel aus dem Portal www.mitwelt.org poste ich am Ende meines Beitrags)
Mein Gott, Walter ! Es ist verdammt lang her seit unserer Wacht am Rhein am Lagerfeuer bei Whyl. Aber seit ich in Sachsen in Pirna die AfDler mit der Reichskriegsflagge und der BUNDSCHUH-Fahne habe aufmarschieren sehen, scheint mir: nix ist mehr unmöglich, wie schon der japanische Philosoph Toyota sagte. Hans Fallada feiert fröhliche Urständ: „Bonzen, Bauern, blaue Bohnen“. Dabei flöteten diese Bauernfänger auch etwas wie: „Wir kämpfen für die Freiheit !“ und skandierten vor der Erinnerungstafel an die im Auftrag Eberts und Noskes erschossenen aufständischen Kommunisten: „Merkel muss weg!““Weg mit den LINKEn Zecken!“. Und auf Falladas literarische Frage „Kleiner Mann , was nun?“, wird das „Was tun!“? -`von einem „Deutschen Christen“ beantwortet.“Wenn wir an die Macht kommen, wird es keine Minarette mehr geben!“ Die Abschaffung der arabischen Ziffern hat er nicht gefordert, auch kein Kaffee-Verbot, aber „der Islam gehört nicht zu Deutschland!“ Nathan der Weise wohl auch nicht!
Walter, was hast Du bei den ukrainischen Faschisten zu suchen ?
Natürlich ehrt es mich immer noch ungemein, dass sie uns so oft verwechselt haben – selbst die damals noch grünen Greifer, wenn sie mich wechselweise mit “Herr Rabehl” (wie der SPIEGEL in einer Titelstory über den SDS, dessen Bundesvorstandsbüro ich unter KD und Frank Wolf leitete und mir mein Honnefer-Modell-Geld von 125,-DM etwas aufbessern konnte) oder später mit “Herr Mossmann” anredeten, wenn ich zur Klampfe auch noch nach beschlagnahmtem Megaphon Kundgebungen, Demos und Fußgängerzonen, Werks- und Schuleingänge, Nuklearbetriebsgelände, End-& Zwischen- & NATO-Lager und US-Basen, BuWe- und Bereitschafts-Polizei-Kasernen, besetzte Autobahntrassen oder Startbahnwälder mit Deinen und meinen Liedern beschallte, bis sie mir auch den “megaphonartigen Einsatz meiner Stimme” verboten und die Gitarre zur Waffe erklärten
Nicht deine Rede auf dem Freiburger Parteitag der NATO-Oliv-GRÜNEN 2010 ist Gegenstand meiner späten Kritik an Dir … es ist die Tatsache, dass Du überhaupt vor dieser Kriegspartei gesprochen hast… nun könnte man Dir zu Gute halten, dass Du versucht hast, ihnen die Leviten zu lesen… war aber nix gewesen außer vielleicht Spesen.. nix von Dir zu Jugoslawien, nix zu Libyen, nix zu Syrien und auch nix zur Ukraine , wo 2010 bereits die Faschisten am Werk waren und die Freie Ukrainische Universität des OUM-Faschisten-Führers Bandera von CIA&BND gepäppelt wurde und das Institut des Herrn Jazeniuk noch lange “Goebbels-Institut” hieß und des “Führers” Werke ins Ukrainische übersetzte … das wußte die Heinrich Böll-Stiftung bereits 2010 schon lange und trotzdem oder warum auch immer wurden die Faschisten von den GRÜNEN verHARMSlost … Und Du bist dem alten Füchs, dem Ex-KBW-ZKler und HBS-Chef auf den Leim gegangen ? Und Du warst Deutsch-Ukrainischer Kulturbotschafter ! ? Mit welcher Botschaft denn ? Auch als VerHARMSloser ?
Mein Gott, Walter, ich hatte immer noch Dein Bild und Deine alten Lieder im Kopf, im Herz und im Bauch… Ich hoffe, sie haben Dich nicht so gedreht , wie sich der Biermann gedreht hat und nicht wenige der Alt68er auch …. nächste Woche bin ich auf der Waldeck.. Ich werde mich nach Dir erkundigen, vielleicht bist Du auch dort. Dann klären wir die Angelegenheit abends am Lagerfeuer so wie früher bei der etwas anderen Wacht am Rhein bei Wyhl.
Und wenn ich mir das richtig überlege, musste der sich gar nicht so viel drehen. Der hat schon vor seiner Ausbürgerung die Soldaten der Roten Armee, die jugoslawische Partisanen-Armee, die Soldaten der Vietnamesischen Armee mit denen der faschistischen Wehrmacht gleichgesetzt: “Soldaten sind sich alle gleich, lebendig und als Leich” … Und jetzt propagiert er zusammen mit Gauck, Merkel und Gabriel- seinen Fans und Förderern den Heldentod und den Aufmarsch gegen die russische Föderation.
Ich haffe noch inständig, dass Deine Botschaft in die Ukraine eine andere war als die der Faschistenförderer und Verharmsloser
HaBE noch etwas in Deinen Texten nachzulesen und mich hoffentlich geirrt.
OsterTag- OsterMarsch-Familien-Treffen im Donezk-Becken, in Odessa. HaBEs Ostermarschbeitrag
Ende eines Ostermarsches in ODESSA ? Oder wars nur ein Osterspaziergang ?
Liebe Ostermarschiererinnen, nicht nur in Hanau und Osthessen, in EZBankfurt und Offenbach,
neben anderen habe ich den folgenden Text am 23.03. 2015
bei der virtuellen Vernissage der Fulda-Berliner Anti-Kriegs-Bilder Malerin Ursula Behr im Rahmen der Aachener FriedensTage besonders für die Genossen Hunko und Gehrke gelesen und für die in Odessa und im nordöstlich gelegenen Donezk-Becken abgeschlachteten Borotba-GenossINNen und die dortige Bevölkerung. Hunko und Gehrke haben die Spendensammlung für die zerschossenen Krankenhäuser im Donezk-Becken in Gang und die Spenden auch dort hingebracht. Zusammen mit ernst Schwarz habe ich einige Lieder gesungen. u.a. einige von den Liedern aus dem Bundeswehr-Gesangbuch, die ich bei der Bundeswehr umgetextet und mit meinenKameraden gesungen habe, bis in den Bau: eines davon war “Ich hatt einen Kameraden..”, ich habe es geschrieben, weil vier Brüder meines Vaters vor Verdun im Giftgas krepiert sind und weil ich als Z-Sau mit einer Einzelkämpferausbildung begonnen und das BuWe-Handbuch dazu gelesen hatte.
Außerdem wusste ich schon von den Notstandsgesetzen und dem darin vorgesehenen Einsatz der Bundeswehr im Inneren gegen Streiks, Hungerrevolten, politische Unruhen usw… besonders die Bajonett-Strophe ist vom Einzelkämpfer-Handbuch inspiriert. Dass die Generalität fast komplett aus dem faschistischen Wehrmachts-Offiziers-Korps übernommen wurde, konnte ich auch erst in der Bundeswehr recherchieren.
“Nur der FAHNE gehört unser Leben, laß die Freiheit im Wind”, “Dran, drauf, drüber, wenns knallt dann mach ich rüber..” , “ABC die Bombe tut nicht weh, in 100 Kilometer da strahlt man etwas später und Krebs kriegt auch nicht jeder, auch Mütter nicht und Väter, das weiß doch jedes Kind, dass wir unsterblich sind..” Im Unterricht wurde uns der unglaublichts Blödsinnn erzählt und wie man die strahlenden teilchen aus dem >kampfanzug mit dem Miniteppichklopfer herauskloppft und sich dann in einem bach badet, der nicht aus der Richtung des Atompilzes kommt !!! WICHTIG!!!! AtomSchutz-Alufolie im Bach waschen , trocknen lassen und wieder in die ABC-SchutztASCHE EINPACKEN FÜR BZW. gegen die nächste Bombe…
Leider sind die Lieder bei Stubenkontrollen in der Regel gegessen worden und nur noch “Der gute Kamerad” ist übrig geblieben, naja fürn Zapfenstreich, den letzten
Der gute Kamerad
Ich hab einen Kameraden,
der soll zum Militär
Man lehrt ihn dort das Morden
umschreibts mit edlen Worten
Als wenn’s ne Tugend wär
Als wenn’s ne Tugend wär
Wo trifft der Schuß am besten
auf der Brust, im Unterleib
das Bajonett von oben stoße
von der Fresse in die Hose
bei Kindern, Mann und Weib
bei Kindern, Mann und Weib
Zerfetzt, zermatscht, verblutet
der Sauhund fault im Dreck
und hast Du ihn zerrissen
wirst Du krepieren müssen
ein andrer rotzt Dich weg
ein andrer rotzt Dich weg
Ich hatt einen Kameraden
der macht jetzt kräftig mit
Sie ziehen aus in Horden
und üben sich im Morden
im alten Schritt und Tritt
im alten Schritt und Tritt
1966
OsterTag-Familien-Treffen müsste der Text heute lauten und es ist nur einer von meinen US-EUkraine-Texten:
Vatertag-Familientreffen
in der Ukraine?
Gibt’s jetzt keine !
Oder doch?
Veröffentlicht am 29. Mai 2014 von Hartmut Barth-Engelbart
Würde Biermann, der MitGAUCKler, heute Lieder gegen diesen Krieg schreiben ?
So navch dem “Jeden Samstag geht der dicke fette Vater … “? Vielleicht so ?:
„In Odessa starben viele viele Väter,
Mütter, Kinder, die erschossen sie erst später
und dann wurd das Meer ganz rot
und dann wurd das Meer ganz tot
und zum Schwarzen kam das Rot
und das schwarze Meer ist tot ,
und das schwarzblutrote Meer
gab jetzt seine Farben her
für die Fahnen der Faschisten,
die sie auf dem Maidan hissten,
wo sie sich zum Schlachten rüsten ….
Wo die Mörder sich verstecken
bis zum Sturm ins Donezk-Becken…“
Biermann wird wohl eher eine EUSA-NATO-Hymne „Free Ukraine“ schreiben
Vatertag-Familientreffen
Zum Mutter- wie zum Vatertag
die Tochter erst, und dann der Vater
als Mutter auf dem Plaster lag
als der rotbekreuzte Laster
mit dem schon erschossnen Fahrer
losfuhr brennend an die Wand
wurden aus zwei Metern Abstand
die Verletzten liquidiert
Poroschenko prasidiert
haben Klitschkos Kettenhunde
ihren Mordsjob schon quittiert?
Zwischen Donezk und Odessa
Killen jetzt die Russenfresser
schon mit schweren NATO-Waffen
5 Milliarden Dollar schaffen
Democracy herbeizuzaubern
Mit Anti-Terror-Kampfhubschraubern
EADS-entwickelt, Marke TIGER
wird so die Traditions-SS
Namens Nachtigall noch Sieger
Oligoroschenko schäumt:
Jeder Streik wird weggeräumt
(wovon die Herrschaft hier noch träumt)
Von Braunbehrens, Schmierer, Hager
Kiew ist das Trainingslager
Für den Auslandseinsatz Ost
LEO-Export booomt, Na Prost,
Ach wenn das der Führer wüste
Die gesamte Schwarzmeer-Küste
Unschlagbar E U S A
Wo die Wolga grade war
Lag da nicht mal Stalingrad?
Was das zu bedeuten hat ?
etwas Sonne, 20 Grad !
Vatertag, Kein Bild, kein Blatt
Trübt die Stimmung, Fussball-Laune
Löw jagt ohne viel zu zielien
Zivilisten in Brasilien
Ohne LEO geht das auch
Helm auf und Durch
Der alte Brauch
Podolski macht die Sturmabteilung
HaBe jetzt aber Beeilung
Der ist schon lang nicht mehr dabei
Podolski wollt nach Polen rein
und weiter – nach oben endlich Champion sein,
Der Löw fährt ohne Führerschein
durch Südtirol mit Bruchpiloten
der Herrn vom Stern und beide Toten
waren Rentner aus Tirol
und die überleben wohl
fährt man Benz mit Alkohol
mit Schmapus, Wein oder mit Bier
hoff-endlich nicht mehr nach vier
Veddel fielmann plötzlich um
Formel 1 das Premium
War-Steinmeier auch dabei?
Poleposition koma drei
harte Männer, harte Werte
wer nur ohne Bein heimkehrte
kriegt die PlatterGoldProthese
wird gesponort bis zur Para
Nicki Lauda wird sein Fahrer
aber nur beim Heimtransport
Live-TV vom Spitzensport
irgendwo in der Ukraine
gibt’s jetzt günstig Austauschbeine
Morgen nehm ich mir noch frei
Aldi-Billigwein bringt Kater
Und erzähl mir nix vom Vater
Von der Mutter und dem Sohn
Kenn den Russen! Stiller Don!
Donkossaken, sagt ich schon
Hör doch zu, wenn ich Dir sag
Dass ich jetzt am Vatertag
Deine Bilder und Geschichten
Deine üblen Kriegsnachrichten
Ein für alle Mal nicht mag
Ich brauch den Kopf und beide Hände
Wenn ich am Grill die Kottletts wende
Nein, auch nicht übers Wochen-
Ende
Muttertag wie Vatertag
Familientreffen
Gibt’s jetzt keine
In der Ukraine
Oder doch?
Beim Artilleriebeschuß mit schweren Granaten haben die Kiewer Faschisten-Truppen in einem Wohngebiet von Slowjansk rund 50 Zivilisten getötet. Der Kindergarten im Innenhof wurde auch getroffen. Er war aber geschlossen. Die Kinder waren zuhause bei ihren Familien. Nach jüngsten Meldungen konnten die Faschisten ihre Mordrekorde bei Zivilisten auf über 500 erhöhen. auf. 11.55 Uhr fünf vor Zwölf schreiben die Demo-Aufrufer. Es schlägt schon so lange Dreizehn: wenn ich die in den letzten Zehn Jahren EUSA-NATO angefangenen, angestifteten Überfall-Raubkriege richtig mitgezählt habe. Es war zum verrückt werden, wenn medico international zum “adopt a revolution” aufrief, das PEN-Zentrum sich anschloss, amnesty zunächst folgte, und sich dann besser in amnesie hätte umnennen sollen, was Libyen und Syrien betrifft.. und jetzt nach langen Schweigen und Zögern endlich endlich hoffentlich Kriegs-beendlich… morgen 31. Mai 11.55 Uhr FFM-Hbf-Kaisersack.
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2 Gedanken zu “Vatertag-Familientreffen
in der Ukraine?
Gibt’s jetzt keine !
Oder doch?”
Danke lieber Dimid, für die junge Welt wars wieder mal zu lang.
- Dimid sagte am 20. September 2014 um 16:20 : Bearbeiten
Gut
Euregioprojekt Frieden e. V.
in der Friedens-Werk-Stadt Aachen
16. Aachener Friedenstage
Wenn Kunst unter die Leute geht – 23. März 2015
Im Rahmen der 16. Aachener Friedenstage besuchten uns in Aachen die Künstler Hartmut Barth-Engelbart und Ernesto Schwarz aus Frankfurt. In der Rotunde des Elisenbrunnens lasen und sangen sich die hessischen Barden in die Herzen der ZuhörerInnen hinein. Sie lenkten die Aufmerksamkeit der Gäste auf den Nato- Angriffskrieg mit deutscher Beteiligung in Jugoslawien 1999. Dies war der erste Angriffskrieg Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg. An diesen Friedensbruch erinnerten die beiden Künstler mit Liedern, Gedichten und Antikriegsbildern der Berliner Malerin Ursula Behr.
Der Krieg auf dem Balkan vor 16 Jahren war der Auslöser für die Gründung der Aachener Friedenstage ebenso wie die Gründung des Vereins Euregioprojekt Frieden e. V., der es sich zur Aufgabe macht, Kunst als politisches Stilmittel zu
erleben, um eine Erneuerung des Umgangs miteinander und mit Andersdenkenden vorstellbar zu machen.
Jeden Tag werden tausende Menschen in Kriegen ermordet.
Jeden Tag sterben in dieser Welt zigtausend Menschen an Hunger und Elend.
Jeden Tag arbeiten wir an einem irrsinnigen Wirtschaftswachstum und zerstören damit Mensch und Natur.
An den Grenzen Russlands werden derzeit beängstigende Manöver von der NATO inszeniert, was Russland mit einer gewaltigen Armee erwidert. Diesen Fakten und der beängstigenden Kriegsrhetorik setzen wir eine Friedenslogik entgegen: Die Ereignisse können nicht länger in der Verdrängung gehalten werden. Alles Verdrängte kehrt bei Nichtbeachtung in verschärfter Form zurück!
Den Auftraggebern und Regisseuren der weltweiten Kriege geht es um Macht und Geld, für die Menschen geht es um Leben oder Tod! Diese Verwicklungen können und dürfen nicht spurlos und unaufgeklärt bleiben. Immer mehr Menschen werden wach, organisieren sich, werden aktiv, zeigen Zivilcourage und demonstrieren gegen die niederen Beweggründe der Mächtigen in Politik und Wirtschaft.
Wir werden sie unterstützen!
Text: Veronika Thomas-Ohst
Fotos: Karl Heinz Otten
Walter Mossmann, Freund, Wyhl-Aktivist, Liedermacher, Redner, Autor, Journalist, Demokrat & Regisseur
Walter Mossmann – Unser Freund, Liedermacher, Aktivist, Redner, Autor, Journalist, Regisseur ist am 29.5.2015 in Breisach gestorben
Der erfolgreiche Protest gegen ein AKW im Wyhler Wald wurde von einer wunderbar unterschiedlichen und dennoch passenden Gruppe engagierter Menschen getragen, von Frauen und Männern, Kaiserstühler Winzern, von konservativen Bauern und linksalternativen Freiburger Freaks.
Einer dieser (nicht nur damals Aktiven) war unser Freund Walter Mossmann, ein analytisch kluger, scharfzüngiger Redner, Autor, Journalist, Regisseur und Liedermacher der (nicht nur!) bei der Erstellung wichtiger Texte der BI´s (Erklärung der 21 Bürgerinitiativen an die badisch-elsässische Bevölkerung) eine wichtige Rolle spielte. Sein „alemannisch“ war manchmal ein wenig holprig, (ähnlich unserem badischen Hochdeutsch) doch wenn es um gute, kluge Texte, Lieder, Reden und Analysen ging, war Walter Mossmann einer der wichtigen „Schreiber und Texter“ der damaligen Anti-Atom-Bewegung, nicht nur in Wyhl und Gorleben. Walter war ein „Meister der Wortes“ der uns in diesen schwierigen Zeiten fehlen wird.
Hier ein Auszug aus einem der vielen Lieder von Walter Mossmann:
Die Wacht am Rhein
Im Elsaß und in Baden
war lange große Not
da schossen wir für unsre Herrn
im Krieg einander tot.
Jetzt kämpfen wir für uns selber
in Wyhl und Marckolsheim
wir halten hier gemeinsam
eine andere Wacht am Rhein.
Auf welcher Seite stehst du?
He! Hier wird ein Platz besetzt.
Hier schützen wir uns vor dem Dreck
nicht morgen, sondern JETZT!
Walter Mossmann projizierte die Idee vom Dreyeckland («es hat keine Grenzen sondern fließende Übergänge») auch auf die damals real existente und am schärfsten bewachte Grenze Europas, den Eisernen Vorhang, der an der Elbe die BRD von der DDR trennte, also auch Gorleben von Morsleben. In seinem im deutschen Sprachraum weithin bekannten gewordenen «Lied vom Lebensvogel» sang er schon 1978:
da, wo die Elbe n’Zaun lang durch die grüne Stille fließt,
steht dreiunddreißig Jahre, viel zu lange schon,
eine zerbrochne Brücke als Sinnbild der Region,
wo rechts und links vom Wasser verwandte Menschen wohn’,
für die der Fluss so breit wie n’Weltmeer ist.
Da denk ich an den Oberrhein, die Grenze zwischen Wyhl und Marckolsheim –
Warum soll so’n Zusammenschluss hier ausgeschlossen sein?
Die Herrn in Ost und West spielen mit uns ein schlimmes Spiel,
schau, unter unsern Füßen brennt derselbe heiße Müll,
und doch sind uns die Nachbarn drüben fremd, «das Land ist still»
noch ist es still, noch …
So sing doch, Vogel, sing …“
„Sie trommeln uns die Ohren voll, sie wären unaufhaltsam,
und trotzdem, mein ich, kommt es auch auf unser Zutun an …“
Walter war ein kritischer Demokrat und undogmatischer Linker, dem alle „ismen“ und insbesondere der Antisemitismus zutiefst zuwider waren. Er zeigte Rudi Dutschke den Wyhl-bewegten Kaiserstuhl, erinnerte an den von US-Konzernen gesteuerten Umsturz 1973 in Chile und sang das UNRUHIGE REQUIEM für unseren in Nicaragua ermordeten Freiburger Freund Tonio Pflaum.
Die Umweltbewegung, die sozialen Bewegungen und auch ich haben einen angenehm-unbequemen Freund und Mitstreiter verloren. Wir sollten uns seiner erinnern, dort wo sich Menschen für Freiheit, Gerechtigkeit und eine nachhaltige Zukunft engagieren, aktuell z. Bsp. bei den TTIP-Protesten.
Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer & ehemaliger Wyhl-Aktivist
Ich beginne hier einige Wyhl-Texte von Walter Mossmann zusammenzutragen:
Zu den Texten:
- „LIED: IN MUEDERS STÜBELE“
- „In der Mitte angekommen“, Rede bei der Bundesdelegiertenkonferenz Bündnis 90/Die Grünen
- «Ich komm aus einer anderen Provinz», „S Eige Zeige. Jahrbuch des Landkreises Emmendingen für Kultur und Geschichte / Siebenunddreißig Wyhl-Geschichten“
Walter Mossmann
IN MUEDERS STÜBELE
In Mueders Stübele, do goht der hm hm hm
In Mueders Stübele, do goht der Wind.
Der Wind sait d’Wohret, nit äso wie d’Zittig sait
Der Wind sait d’Wohret, ich loos em Wind.
Der Wind sait, d’Büre, de hän jetz hm hm hm
Der Wind sait, d’Büre, de hän jetz Kriag.
Der Kriag, der dundret nit, kunnt nit vum Üsland här
Der Kriag, der kunnt üs dinem aigne Land.
Sin nit d’Franzose, s’isch’s große hm hm hm
Sin nit d’Franzose, s’isch’s große Geld.
Die riiche Herre hän d’Büre üsbrücht
Die brüche Arwetslitt fir in d’Fabrik.
Wel der Atomstrom, der git viel hm hm hm
Wel der Atomstrom git viel Profit.
Zerscht kunnt’s Atomkraftwerk, un dann kunnt d’Großchemie
Un bis dü «Au!» g’sait häsch, isch’s Ländle hi.
So gosch zur Arwet fir klaine hm hm hm
So gosch zur Arwet fir klaine Lohn.
Din Lohn isch immer klai, isch der Profit au groß
Un kunnt die Krise, bisch arwetslos.
Do bisch di Arwet los un bisch de Acker los,
Un dini Herre bliebe riich un groß.
So goht im Elsaß un in Bade hm hm hm
So goht im Elsaß un in Bade Kriag.
In Mueders Stübele goht erscht en andre Wind,
Wenn mange Litt emol erscht uffgwacht sind!
Walter Mossmann: In der Mitte angekommen
Von Walter Mossmann, Rede bei der Bundesdelegiertenkonferenz Bündnis 90/Die Grünen am 19.11.2010, Freiburg
Als mich Claudia Roth zu ihrem Parteitag in meiner Stadt eingeladen hat, habe ich Marianne Fritzen im Wendland gefragt: Was soll ich sagen? Sie hat geantwortet: „Erinnere sie an ihre Wurzeln!“.
Ich werde es versuchen.
Zu diesem Zweck greife ich einen Satz auf, den ein Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg am vorletzten Wochenende in irgendein Mikro gesprochen hat.
„Jetzt sind wir in der Mitte der Gesellschaft angekommen“.
Diese Aussage wurde dann wie üblich auf allen Kanälen tagelang wiederholt, und passenderweise trat zur selben Zeit in irgendeiner Talkshow eine Demonstrantin aus Stuttgart auf, die gestand, dass sie, obwohl normalerweise CDU-Wählerin, sich diesmal im Schlossgarten dem Wasserwerfer ausgesetzt habe. Offenbar ein lebendiger Beweis für die These: Jetzt sind wir in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Ich habe mich gefragt: Wo kam sie denn eigentlich her, diese Anti-AKW-Bewegung, dass sie einen derart weiten Weg in die Mitte der Gesellschaft zurücklegen musste?
In meiner Erinnerung k a m nämlich das, was wir „Anti-AKW-Bewegung“ nennen, aus der Mitte der Gesellschaft, und zwar fast zeitgleich in ganz Westeuropa und in den USA. Das war doch die Pointe der Geschichte, dass die regierende CDU in Baden-Württemberg einen Teil ihrer „angestammten“ Clientel an die Bürgerinitiativen verlor und nicht wusste, wie ihr geschah.
Die Organisationsform „Bürgerinitiative“ war zunächst schwer zu begreifen. Politik machen mit nur einem einzigen Thema! Sich organisieren quer zu sämtlichen Parteien, zu den Alterskohorten, zu den sozialen Schichten! Sich wildwuchernd weithin vernetzen, auch über die nationalen Grenzen hinweg!
Heute, scheint mir, hat sich das Konzept Bürgerinitiative als ein komplementäres Element in unserer Parteiendemokratie etabliert.
Die Orte der Auseinandersetzung waren zunächst die Dörfer, die sich die Atomindustrie als Standorte ausgesucht hatte. Dort entwickelten die Bürgerinitiativen ihr Konzept der zivilen Verteidigung, oder wie es 1974 in Wyhl wörtlich hieß, den gewaltfreien Widerstand „gegen die Gewalt, die uns mit diesen Unternehmen angetan wird“. (In Brokdorf wurde dann zwei Jahre später diese Erste Erklärung der 21 Bürgerinitiativen an die badisch-elsässische Bevölkerung im Wortlaut übernommen).
Was neu war: Auf den besetzten Plätzen in Marckolsheim, Wyhl oder Kaiseraugst trafen sich nicht mehr nur die üblichen Verdächtigen aus der linken Szene, auf die sich Polizei und Justiz längst eingeschossen hatten, vielmehr kamen dort Leute zusammen, die eigentlich gar nicht zusammen gehörten, deshalb ging es ja auch in Wyhl viel lustiger zu als bei den Parteimeetings der Moskau- oder der Peking-Kommunisten. Im Freundschaftshaus auf dem besetzten Platz in Wyhl trafen Winzergenossen und katholische Landfrauen auf eine Jugendgruppe der IG Metall aus NRW oder auf die Stuttgarter Gewerkschaftsopposition bei Daimler („Plakatgruppe“) mit Willi Hoss und Peter Grohmann, es trafen sich evangelische Pfadfinderinnen aus Heidelberg mit bündischen Jungs aus Hamburg und Grauen Panthern aus Westberlin, es kamen denkende Sozialdemokraten, die sich gerade mit Erhard Eppler gegen den Atompolitiker Helmut Schmidt aufrichteten, es kamen die Religiösen von den Anthroposophen bis zu den Zen-Buddhisten, dazwischen Linkskatholiken, Pfingstler, Basisgemeinden, orthodoxe Russen, reformierte Juden, laizistische Iraner, synchretistische und tolerante Brasilianerinnen, es kamen deutsche Männergesangsvereine, französische Feministinnen, geoutete Schwule, heimliche Heteros, Spontis, Maoisten, Trotzkisten, Anarchisten, Ornithologen, Vegetarier, Verteidiger des SED-Regimes, die absurderweise auf volkseigene Atomkraftwerke vom Typ Tschernobyl setzten, es kamen Leute vom Schwarzwaldverein, von den Vosges Trotter Colmar, von der Skizunft Brend, es kamen Pazifisten, Reserveoffiziere und die Schnapsnasen aus Webers Weinstuben, es kamen alte Leute, die ihre Ideen vom Naturschutz aus der nationalsozialistischen Erziehung mitbrachten, es kamen kritische Architekten, Mediziner, Pädagogen, Journalisten, frustrierte Orchestermusiker, grübelnde Polizisten, und sie trafen auf den Apotheker vom Kaiserstuhl, den Schmied, den Schreiner, die Ärztin, die Chemikerin, den Müller, den Fischereimeister, den Tabakbauer, die Winzerinnen, die Lehrer, die Pfarrer, und sie trafen Werner Mildebrath, den Elektriker aus Sasbach, der schon 1975/76 den Leuten seine Sonnenkollektoren aufs Dach setzte, denn die Bürgerinitiativen arbeiteten schon damals an erneuerbaren Energien, und sie organisierten 1976 die Sonnentage von Sasbach, als die Stuttgarter Regierung noch einfältig und doktrinär an das Perpetuum Mobile namens Atomkraft glaubten. Wenn ich heute die Herren Söder und Röttgen höre, wie sie sich brüsten mit ihrer Revolutionierung der Energieversorgung zugunsten der Erneuerbaren, dann denke ich: Schweigt Ihr doch lieber fein stille und pilgert hinaus nach Sasbach zu Werner Mildebrath und versucht ihm das Bundesverdienstkreuz anzudrehen, vielleicht nimmt er es an.
In der taz las ich dann gestern diesen zauberhaft ahnungslosen Satz:
„Wenige Kilometer weiter (von Freiburg aus gesehen), in dem Örtchen Wyhl, einte in den 70er Jahren der Widerstand gegen ein geplantes Atomkraftwerk eine breite Front Bürgerbewegter – einer der Vorläufer der Grünen entstand.“
Abgesehen davon, dass das „Örtchen“ Wyhl vielleicht etwas zu klein gewesen wäre für die „breite Front Bürgerbewegter“, die es damals im Dreyeckland mit einem halben Dutzend Atomanlagen zu tun hatte, mal abgesehen also von dieser eher spitzwegerischen Phantasie der taz – das Wort „Vorläufer“ bringt mich auf die Palme. Die Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen als Vorläufer, quasi wie Johannes der Täufer mit dem überlangen Zeigefinger hinweisend auf die eigentliche Verheißung, die Partei Bündnis90/Die Grünen. Derartige Hagiografie ist mir vollkommen zuwider.
Mir scheint, die Bürgerinitiativen waren keine Vorläufer der Grünen, sondern die grünen Parteien in Europa waren eine der zwangsläufigen Folgen der Anti-AKW-Bewegung. Eine Folge unter vielen anderen, denn das Neue Denken, das wir unter der Chiffre „ökologisch“ fassen, hat seither in alle Bereiche der Gesellschaft hineingewirkt, selbstverständlich auch in die anderen Parteien, übrigens auch in die Parteibasis der CDU, das musste schon der Vorläufer von Stefan Mappus, der damalige Ministerpräsident Hans Karl Filbinger erleben.
Umso grotesker, wenn heute immer noch die Regierungen in Stuttgart oder Berlin vor die Presse treten und mit dem Untergang des Abendlandes drohen, falls ihre Großprojekte nicht akzeptiert würden. Das Wort „Großprojekt“ wird dabei ohne jedes weitere Attribut gebraucht, als ob schon allein die schiere Größe ein Garant für Bedeutung und Nutzen wäre.
Ich gebe zu, Wyhl ist ein vergleichsweise kleines Großprojekt gewesen, aber es war damals ja auch nur ein Mosaikstein, Teil eines wirklich flächendeckenden Groß-Projektes. Hier am Oberrhein sollte ein neues Ruhrgebiet entstehen, basierend auf der unermesslichen Energieproduktion einer „Perlenkette von Atomkraftwerken am Rhein“.
1972 brachte der Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ heraus, und im selben Jahr veröffentlichte der Staatsanzeiger Baden-Württemberg einen Text, der alle technokratischen Tabularasa-Fantasien, die wir bisher kannten, bei weitem übertraf: „… rückt nämlich die EWG noch näher zusammen, was allgemein erwartet wird, so wird das Rheintal zwischen Basel und Frankfurt die Wirtschaftsachse überhaupt werden. Ob dann noch Platz für den Umweltschutz ist, muss bezweifelt werden. Sachverständige Leute sind deshalb der Ansicht, die Ebene solle für gewerbliche und industrielle Nutzung freigegeben werden, während die Funktionen Wohnen und Erholung in die Vorbergzone und in den Seitentälern angesiedelt werden sollen.“
Selten habe ich eine Technokratenprosa gelesen, die den eigentümlichen Irrsinn dieser Spezies so unverblümt auszudrücken in der Lage war. Ich lese den Text nicht nur als einen gewalttätigen und biedermännisch elitären (die höchste Instanz sind die „sachverständigen Leute“ – wer wohl?), sondern auch als eine hoffnungslos veralterte Industrie-Vision, schlechtes neunzehntes Jahrhundert, rückwärts gewandte Utopie. Und dann die Stuttgarter Prognose: „Kein Platz mehr für Umweltschutz“ – man schrieb das Jahr 1972!
Die Antwort auf diese Bedrohung war dann die Gründung der Föderation der 21 Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen und der Gewaltfreien Aktion Kaiseraugst (GAK). Allein in den Jahren 1974 und 1975 stoppte das Netzwerk der Bürgerinitiativen an drei Orten im Dreyeckland den Bau von zwei Atomkraftwerken in Wyhl (D) und Kaiseraugst (CH) und einem Bleichemiewerk in Marckolsheim (F), d.h. drei hochgerüstete Industriestaaten mussten vor diesem neuartigen gewaltfreien Widerstand zurückweichen. Dass das scheinbar Unmögliche möglich ist, das war dann in der Folge die ermutigende Botschaft von Wyhl. Gut, diese Erfolge sind nicht irgendwelchen genialen Strategien zu verdanken, sondern der Gunst der Stunde, will sagen, die Bürgerinitiativen wurden von den Machthabern glücklicherweise vollkommen unterschätzt.
Wohlbemerkt: Auch die Projekte in Wyhl, Marckolsheim und Kaiseraugst waren abgesegnet auf allen politischen und juristischen Ebenen, aber sie wurden dann sang- und klanglos eingestellt, weil sie politisch nicht durchsetzbar waren. Der Rechtstaat kam dabei nicht zu Schaden, die Demokratie auch nicht, ganz im Gegenteil, und sogar die Lichter gingen nicht aus, wie Filbinger prophezeit hatte, stattdessen ging vielen ein Licht auf, aber davon war ja heute schon die Rede.
Zum selben Schluss kam vier Jahre später Ministerpräsident Albrecht in Hannover. Die Plutoniumfabrik WAA sei politisch nicht durchsetzbar. Und nun, noch einmal 30 Jahre später, nachdem herausgekommen ist, dass sich die Betreiber ihre Genehmigung mit allerlei Tricks erschlichen haben, dass die Entscheidung für Gorleben eine politische war und den Gegebenheiten des Kalten Krieges geschuldet, und nachdem wir in der Asse gesehen haben, was die Versicherungen der sachverständigen Leute wert sind, erleben wir, dass eine neue Politiker-Generation wieder einmal die Stirn hat, Sicherheits-Garantien für ein Endlager Gorleben abzugeben – auf unabsehbare Zeit. Wer diesen Garantien glaubt, kann wohl nicht ganz bei Trost sein.
Am vorletzten Wochenende haben viele Medien und alle Politiker der schwarzgelben Koalition die Demonstranten im Wendland nur als Fußtruppen der grünen Parteiprominenz wahrgenommen, weil sie selbst eben nur in den Kategorien von Führern und Verführten denken. Ich meine, nach Euren vielbeachteten Auftritten im Wendland sollte nunmehr von diesem Parteitag ein Signal ausgehen, das als Euer Ziel unzweideutig formuliert: Der Standort Gorleben muss definitiv aufgegeben werden. Dreiunddreißig Jahre sind genug, mehr ist den Menschen im Landkreis Lüchow-Dannenberg nicht zuzumuten. Ich höre die richtige Mahnung, man sollte nichts versprechen, was man nicht halten kann. Richtig. Aber man kann auch etwas als Ziel formulieren, und dann wirklich alles dransetzen, dieses Ziel zu erreichen
«Ich komm aus einer anderen Provinz»
Ein Text von Walter Mossmann im Buch „S Eige Zeige. Jahrbuch des Landkreises Emmendingen für Kultur und Geschichte / Siebenunddreißig Wyhl-Geschichten“ vom Dezember 2014
Danke Walter für die Abdruckerlaubnis
Im Beitrag von Walter Mossmann gibt es eine Vielzahl von Querverweisen und Fußnoten. Diese finden Sie nur im lesenswerten Buch.
Die Auseinandersetzungen um die oberrheinischen Atomkraftwerke Kaiseraugst und Fessenheim
(1970) sowie Breisach (1971), mit denen heute jede Wyhl-Erzählung anfängt, sind mir damals schlicht entgangen. Ich habe davon nichts mitgekriegt. Ich denke, jenes vollkommen neue Epochen-Thema, für das wir heute die Chiffre «Ökologie» verwenden, hat mich Anfang der 70er Jahre noch nicht interessiert. Was mich aber sehr wohl interessiert hat, das war diese neuartige Organisationsform «Bürgerinitiative». Bürgerinitiativen schossen ab etwa 1970 wie die Pilze aus dem Boden, und man wusste nicht, ob sie bekömmlich sind oder giftig. Aber mir schien, diese neue Entwicklung versprach ein paar weitere Schritte in Richtung Demokratisierung, weg vom deutschen Obrigkeitsstaat, und das hat mich außerordentlich interessiert. Willy Brandt hatte 1969 angekündigt, seine Regierung wolle «mehr Demokratie wagen!».1 Das klang in meinen Ohren nun wirklich gut. Auch wenn Willy Brandt wohl etwas anderes gemeint hatte, als das, was dann kam, was in Gestalt der Bürgerinitiativen die Routine der repräsentativen Demokratie herausforderte. Da wurden plötzlich Leute politisch aktiv, die überhaupt nicht dazu vorgesehen waren, die sozusagen keine Lizenz für Politik hatten. Das waren keine Parteipolitiker, keine Gewählten, keine Leute aus der Administration. Das waren ganz normale Staatsbürger, normalerweise nur Stimmvieh, aber erklärten jetzt: «Da leider weder die Regierung noch die politischen Parteien unsere Interessen vertreten, müssen wir sie selber vertreten. Gezwungenermaßen machen wir Politik!» – wobei, nein, ich muss mich korrigieren, das Wort «Politik» haben sie bewusst vermieden, das hätte man ja als «Parteipolitik» missverstehen können, und das wollte niemand – aber in der Sache haben sie natürlich durchaus Politik gemacht.
Ich habe seit 1967 hauptberuflich als Radiojournalist gearbeitet,
und zwar in der Jugendfunkredaktion des SWF-Baden-Baden, die damals im Funkhaus Freiburg-Günterstal untergebracht war. Im Sommer 1973 habe ich zusammen mit meiner Freundin und Kollegin Freia Hoffmann1 für den Südwestfunk eine zweistündige Featuresendung über das Phänomen Bürgerinitiativen entwickelt. Die Sendung handelte vom Protest und vom Widerstand gegen einen Truppenübungsplatz auf dem Larzac2, gegen einen Bombenabwurfplatz in Nordhorn und gegen das geplante KKW in Wyhl. Freia und ich sind im Juni auf den Larzac geraten. Das wurde dann für mich so eine Art Schlüsselerlebnis. So etwas gibt es nicht oft, dass man in zwei Tagen viel mehr erlebt und begreift und bei sich selbst im Kopf verändert als sonst in zwei Jahren. Der Larzac! – Ich war hingerissen von der Art und Weise, wie diese Leute, die ja aus vollkommen unterschiedlichen Ecken kamen, gemeinsam an einer Sache gearbeitet haben. Da waren zunächst die Schafbauern, darunter auch beispielsweise ein Mann wie Guy Tarlier, der in den 50er Jahren noch Kolonialoffizier in Äquatorialafrika gewesen war und erst in den 60ern mit seiner Frau Marizette auf den Larzac zog, um dort Schafe zu züchten. Dann waren da diese Gauchisten3 aus Paris, die die Nase voll hatten von ihrer Maoisten-Partei4 und die sich nun überall in den fast entvölkerten südfranzösischen Dörfern ansiedelten und das alternative Leben probierten. Da waren Naturfreunde, okzitanische Heimattümler, Pazifisten, Anarchisten, Regionalisten, Ornithologen – diese Liste könnte ich endlos verlängern. Die Art und Weise, wie die Leute vom Larzac Politik gemacht haben, hat mich einfach begeistert. Das Prinzip Gewaltfreiheit war ihnen sehr wichtig. Die heiligmäßige, religiös begründete Nonviolence war nicht so meine Sache, aber Gewaltfreiheit als kluge, strategische Überlegung hat mich beeindruckt, und dafür stand auf dem Larzac Guy Tarlier1. Er hat u.a. auch die berühmte Aktion mit den Schafen unterm Eiffelturm organisiert. Er und seine Freunde schmuggelten im Herbst 1972 verbotenerweise 60 Schafe durch die Straßensperren nach Paris und machten dort Propaganda für ihre Sache: «Wenn uns das Militär unsere Weidegründe auf dem Larzac wegnimmt, müssen wir eben die Schafe auf dem Marsfeld weiden lassen!». Die Aktion hat mächtig gewirkt! «Öffentlichkeit herstellen» hieß das damals. Und die Schäfchen unterm Eiffelturm waren natürlich für die Medien ein gefundenes Fressen!
Im Spätsommer hat mich dann Freia dazu überredet, nach Weisweil zu fahren zu einer der ersten Versammlungen der Bürgerinitiativen gegen ein KKW in Wyhl. Das war am 28. August 1973. Im evangelischen Gemeindehaus von Weisweil habe ich fast alle die Menschen kennengelernt, mit denen ich danach ein Jahrzehnt lang sehr eng verbandelt war. (Die Elsässer aus Marckolsheim waren noch nicht dabei, die kamen ein Jahr später dazu.)
Bei diesem Meeting in Weisweil haben mich erstens die Leute überzeugt, als Einzelne, als Personen – eine wunderbare Auswahl von Menschen aus den Dörfern und aus Freiburg. Und dann ihre Aktionsformen, die ich als eine Art Widerstandspoesie erlebt habe: Alle diese theatralischen Inszenierungen wie etwa die Treckerdemo2 durch den Kaiserstuhl, u.a. auch mit Masken aus der Fasnet-Tradition. Überhaupt die Theatralik aus der historischen und aktuellen Volkskultur, aus der Fasnet, aus dem Dreikönigs-Volkstheater, dem Gesangverein, später dann die Dialektgedichte und Lieder, die wunderbare alemannische Rhetorik, mal direkt und unverblümt, mal hinterfotzig verblümt, je nach Bedarf. Sie haben an ihre durchaus lebendige Volkskultur angeknüpft und die traditionellen Muster ganz aktuell geschärft und eingesetzt. Das hat mir alles unglaublich gut gefallen. Über den Zusammenhang zwischen Volkskultur und Politik hatte ich schon jahrelang gearbeitet, mit Material aus Italien, Spanien, Schottland, Chile, Brasilien, und jetzt konnte ich feststellen: Aha, so etwas geht also auch hier! – 1977 habe ich zusammen mit Peter Schleuning und Frans van der Meulen beim WDR einen Dokumentarfilm für die ARD gedreht: «Zweierlei Volksmusik», in dem der Buki1 auftritt, der Karl Meyer2 , der Männergesangverein «Rheintreue» und die Kanonenwirtin Inge Sexauer und ihre Partnerin aus Weisweil («Die singenden Winzerinnen»). Und als Kontrast dazu das TV-Volksmusikduo Maria und Margot Hellwig3. Ein Dokumentarfilm, der ohne ein einziges Wort Kommentar auskam, der lief dann am 1. Mai 1977 im ersten Programm. Das war nämlich eine meiner Aufgaben im Rahmen der Bürgerinitiativen: Werbung, Reklame, Propaganda für die Bürgerinitiativen im Radio, im Fernsehen, in Zeitungen, Büchern, auf Schallplatten, und natürlich auch auf der Bühne, wenn ich als Liedermacher unterwegs war, nicht nur in Hamburg, Berlin oder Wien, sondern eben auch in Weisweil, beispielsweise im Gasthaus «Kanone». Wohlbemerkt: Wir rannten damals noch keine offenen Türen ein, ganz im Gegenteil: Der Begriff «Anti-AKW-Bewegung» existierte noch gar nicht, kein Mensch hatte je von Brokdorf oder Gorleben gehört (ganz zu schweigen von Tschernobyl!), die Anne Lund in Arhus hatte das berühmte Symbol «Atomkraft – nej tak!» mit der Sonne noch nicht erfunden, und wenn jemand «die Grünen» sagte, dann meinte er die baden-würrtembergische Landespolizei. Das ist heute schwer vorstellbar.
Zurück zu diesem 28. August 1973.
Damals haben mich in Weisweil die BI-Leute erstaunlich schnell davon überzeugt, dass die Idee von der allerneuesten industriellen Wunderwaffe, diesem Perpetuum Mobile namens Atomstrom eine blöde Idee ist, und eine verdammt riskante. Damals lernte ich ein «Neues Denken», um einen Begriff von Michajl Gorbatschow aufzugreifen, das neue Denken der Ökologen. Meine Kritik an der kapitalistischen Industrialisierung bekam eine neue Wendung. Erstmals wurde nicht nur die Produktionsweise kritisiert, sondern das Produkt selbst. In unserem Fall der Atomstrom und die Produkte einer Bleichemiefabrik. Damals begann eine ganz neue Sensibilisierung für derartige Probleme. Umweltkatastrophen hatte es zwar schon seit langem gegeben, aber in dieser Epoche traten sie erstmals ins öffentliche Bewusstsein, denn sie wurden aufgedeckt und dokumentiert, und die investigativen Kollegen von Presse, Funk und Fernsehen Alarm.
Wir – meine Freiburger Freunde und ich – haben uns dann im Herbst 1973 in kürzester Zeit in diese Thematik reingearbeitet, um zu den Kaiserstühler Aktivisten aufzuschließen. Denn die hatten einen gewaltigen Wissensvorsprung, beispielsweise Annemarie und Günter Sacherer1, Siegfried Göpper2, Lore Haag3, Balthasar Ehret4, Frank Baum5, Hans Erich Schött6, Margot Harloff7, alle diese BI-Menschen, die wir im evangelischen Gemeindehaus von Weisweil getroffen hatten, von den spezialisierte Wissenschaftlern ganz zu schweigen.
Wir haben dann in Freiburg – das war im Winter 1973 – eine weitere Bürgerinitiative gegründet, die «Initiativgruppe KKW NEIN». Der harte Kern kam aus der Freiburger Frauengruppe. Am Kaiserstuhl hießen wir «D Schtudänte», obwohl wir fast alle berufstätig waren, aber viele waren halt «Studierte» und mehr oder weniger von der 68er-Studentenbewegung beeinflusst. Allerdings verstanden wir uns als «undogmatisch» und lagen mit den Parteisoldaten von den K-Gruppen prinzipiell im Clinch.
Mir scheint, die Jahre 1972/73 markieren eine Wende.
Einen Paradigmenwechsel. Eine Umwertung von Werten. Dafür steht die berühmte Studie «Die Grenzen des Wachstums», die der Club of Rome 1972 in St. Gallen veröffentlichte. Und getragen wurde diese Wende nicht von irgendwelchen politischen Parteien – im Deutschen Bundestag gab es überhaupt nur Atomparteien! – sondern von den Bürgerinitiativen. Freia und ich haben in unserem Feature, das am 30. September und am 7. Oktober 1973 über den Sender ging, behauptet: «Die Bürgerinitiativen sind die außerparlamentarische Opposition der Siebzigerjahre.» Dass es dann tatsächlich so kam, konnten wir damals nicht wissen. Aber wir waren davon überzeugt, weil uns die Leute in Weisweil überzeugt hatten.
Zur Atomindustrie:
Ich hatte mich zuvor schon einige Jahre auch wissenschaftlich mit Entwicklungspolitik beschäftigt, vor allem mit Lateinamerika. Da bin ich erstmals auf das Thema Atomkraftwerke gestoßen. Denn 1968 war Gerhard Stoltenberg im Auftrag der BRD-Regierung nach Argentinien gereist, um das Atomkraftwerk Atucha I einzuweihen, das Siemens gebaut hatte. Sowas nannte man Entwicklungshilfe. Aber die Generäle der argentinischen Diktatur gierten natürlich nach dieser Technologie, sie kannten den militärischen Nutzwert. Soweit hatte ich schon etwas begriffen. Aber die ganze Tragweite der möglichen Proliferation1 – dazu brauchte ich Jahrzehnte, um diese Zusammenhänge zu verstehen.
Alle engagierten AKW-Gegner haben in den folgenden Jahren ziemlich viel riskiert, alle. Besonders die Landwirte, die sollten mit unglaublich hohen Schadensersatzforderungen eingeschüchtert und weichgekocht werden. Oder auch die Lehrer, überhaupt alle möglichen Angestellten im öffentlichen Dienst. Wir reden vom Jahrzehnt der Radikalenerlässe, der Berufsverbote und der «Schere im Kopf». Und selbstverständlich bekamen auch die Journalisten ganz spezielle Probleme. Ein Beispiel: Im Oktober 1979 fand in Ottenheim (Nähe Offenburg) eine Veranstaltung statt mit dem Titel «Heimat in einer bedrohten Umwelt», eine Veranstaltung im Rahmen der Männerarbeit der evangelischen Landeskirche Baden. Anwesend allerlei Publikum, drei Abgeordnete, ein Dekan und außerdem mein damaliger Kollege Thomas Lehner, Redakteur im SWF Landesstudio Freiburg mit seinem Tonbandgerät. Die Veranstaltung zog sich ohne Publikumsbeteiligung träge hin, und irgendwann schaltete Thomas Lehner sein Mikro aus und erklärte, er sei ja nicht nur Journalist, sondern auch betroffener Bewohner dieser Region und als solcher wolle er nun auch über den Fall Wyhl reden. Zumal an diesem Tag die größte Demonstration der bundesrepublikanischen Geschichte stattfand1. 150.000 Menschen, darunter sehr viele aus Südbaden, waren in Sonderzügen nach Bonn gefahren, um gegen die Projekte der Atomindustrie zu demonstrieren. Es habe sich nach Lehners Einmischung eine lebhafte Diskussion entwickelt, nur der CDU-Abgeordnete für den Ortenaukreis sagte kein Wort. Aber am nächsten Tag schrieb er an seinen CDU-Parteigenossen Willibald Hilf einen Brief – der Mann war damals Intendant des SWF. Der Abgeordnete beklagte sich bitter über den Journalisten und forderte Hilf auf, doch bitte «Maßnahmen zu ergreifen». Kurz danach bekam Lehner eine Abmahnung, was bekanntlich im Arbeitsrecht der halbe Weg zur Kündigung ist. Der Abgeordnete, der sich derart engagierte, um dem Journalisten das Maul verbieten zu lassen, hieß Wolfgang Schäuble. Ich sollte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es damals noch keinen Hörfunk außerhalb der ARD gab, wer also bei der ARD rausflog, konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben.
Meine politische Aktivität fing ja nicht an mit Wyhl,
ich war schon fünf Jahre früher aktiv in der Studentenbewegung, und habe mich seit Anfang der 60er Jahre mit meinen Liedern am deutschen Obrigkeitsstaat gerieben. Wir – d.h. meine Generation, die Nazikinder – sind aufgewachsen mit der Entschuldigungssuada der Erwachsenen: «Man musste damals gehorchen, man musste mitmachen, alles wurde oben entschieden, wir hatten nichts zu sagen, Widerstand war zwecklos». Anscheinend hatte die gesamte Nazigeneration im permanenten Befehlsnotstand gelebt und war infolgedessen für nichts verantwortlich. Und wir, nun wir sind mit den Ideen der amerikanischen Demokratie aufgewachsen. Einer meiner Freunde, der gerade von einem Studienjahr in Amiland zurückkam, wurde nicht müde, diese Idee zu predigen: «Jeder erzogene Amerikaner», so hat er das educated übersetzt, «ist für sein Tun wie für sein Nichtstun selbst verantwortlich und ist mitverantwortlich für Staat und Gesellschaft». Das war nun der schärfste Widerspruch zur Untertanengesinnung im Obrigkeitsstaat, und diese Idee hat möglichweise die sogenannten 68er mehr geprägt als sämtliche marxistische Theorien, die später aufkamen.
Was die Arbeit in den Bürgerinitiativen betrifft –
da war nichts einfach. Sie hat verdammt viel Zeit und Nerven und Kraft gekostet, gerade weil es kein formales, hierarchisches, autoritäres System gab. Natürlich gab es Autoritäten, Dorfkönige am Kaiserstuhl oder Frontmen in der Stadt, manche hatten mehr Einfluss, andere weniger. Aber das konnte sich auch ändern, und zwar nicht bei irgendwelchen Kampf-Abstimmungen, sondern infolge dieser komplizierten persönlichen Beziehungen. Die Bürgerinitiativen – das waren ein paar hundert Personen diesseits und jenseits der Grenze, und die waren sehr kompliziert miteinander vernetzt, und alles ging – persönlich, Aug in Aug sozusagen. Ich nenne mal ein Beispiel: Ich glaube, es war am 25. August 1974, als wir im Gasthaus Fischerinsel feierlich die Föderation der 21 badisch-elsässischen Bürgerinitiativen gegründet haben. Da kam die Idee auf, wir bräuchten jetzt eine Erklärung, eine Art Charta 74, ein Manifest, in dem wir uns hieb- und stichfest erklären, sowohl der Welt gegenüber als auch untereinander, als Verabredung und Selbst-Vergewisserung. Der Zufall wollte es, dass ich damit beauftragt wurde, das war mir grad recht, und ich hab mich sofort an die Arbeit gemacht. Aber die Arbeit – das war nicht nur das bisschen schreiben, das war vor allem das herumfahren und jede kleine Wendung durchsprechen mit allen möglichen Leuten. Ich musste zum Schött1 nach Endingen fahren, mit ihm den Text durchdiskutieren, nach Weisweil, mit dem Belz2 und mit der Lore3 jeden Satz, jede Wendung durchdiskutieren, und alles noch mal, und hin und her und vorwärts und rückwärts. Und dann ins Elsass. Jean Jacques Rettig4 war damals in Saales in den Vogesen Volksschullehrer und er hat den Marckolsheim-Teil der Erklärung geschrieben. Er und seine Frau Inge haben den ganzen deutschen Text ins Französische übersetzt und daran auch noch dies und das nach ihrem Geschmack geändert. Ich hatte geschrieben: «Passiver Widerstand», und die haben «friedlicher (pacifique) Widerstand» daraus gemacht. Aber das war okay. – Irgendwann war dieser Text mit allen besprochen und akzeptiert. Das passierte also nicht in einem bestimmten Moment und nicht in irgendeiner Versammlung, wo sich der beste Volksredner durchsetzt. Das war ein sehr komplizierter und langwieriger Prozess, und alles wurde geklärt bei persönlichen Begegnungen.
Die Erklärung der 21 wurde bei der Druckerei Vollherbst in Endingen auf ein DIN-A3-Plakat gedruckt, auf der einen Seite Deutsch auf der andern Seite Französisch. Über die Initiativgruppen haben wir dann 30.000 Plakate rechtsrheinisch und linksrheinisch verbreitet. Ich weiß ein Hoftor in Königschaffhausen, da hing es über zehn, vielleicht zwanzig Jahre. Die Erklärung wurde auch sonst überall ausgelegt und angepinnt: beim Zahnarzt, im Laden, in der Kneipe, in der Kaiserstühler Winzergenossenschaft, in der Freiburger Wohngemeinschaft, und sie wurde verschickt an Sympathisanten in der BRD, in Frankreich, in der Schweiz, Österreich, und nachgedruckt, und übrigens anderthalb Jahre später von den Brokdorfern Anti-AKW-Initiativen als ihre eigene Erklärung fast wörtlich übernommen.
Was meine Liedermacherei angeht:
Ich hatte damals meine Karriere als «Chansonpoet» schon hinter mir, die hatte stattgefunden zur Zeit der Waldeck-Festivals1, also von 1965 bis 1969. In der Zeit habe ich meine ersten beiden LPs gemacht, das hatte mir gereicht. 1969 war das für mich zu Ende, da habe ich aufgehört. Seltsamerweise gibt es ein Lied, das einen Bogen schlägt von 1967 zu zu 1976, es heißt «Meine Provinz». Als ich es 1967 geschrieben habe, kannte ich weder Wyhl noch Marckolsheim noch Fessenheim, aber ich hatte offenbar einen Wunsch. Die Strophen arbeiten sich an der Idee des Nationalstaates ab, und die Refrainzeile lautet: «Ich komm aus einer anderen Provinz».
Da ist ein Land, wo wir in vielen Zungen reden
Ein Weinberg im Markgräfler Land
Der Wind aus Burgund, aus der Campagna die Reben
Und Schnee von den Alpen kühlt die Hand
Im Westen das Siècle des lumières –
»Democratie – ma femme!«
Im Norden vor dem Barbarenheer
Der Limes, der nützliche Damm!
Das war so eine poetische Utopie. Eine Wunschfantasie. Ich wollte nicht zuhause sein im starren Rahmen eines Nationalstaates, sondern in einer Region, die keine Grenzen hat, sondern fließenden Übergänge, und wo wir «in vielen Zungen reden». Fast ein Jahrzehnt später hatten wir dann diese Provinz – das Dreyeckland, und der Widerstand war dort in der Tat vielsprachig: deutsch, französisch, alemannisch, und für internationalen Besuch haben wir selbstverständlich auch noch unsere Englisch- oder Spanisch-Kenntnisse hervorgekramt.
1973 bin ich nicht als der Liedermacher nach Weisweil gekommen,
sondern als der Typ vom Südwestfunk. Und die BI-Menschen in den Dörfern waren halt kluge und moderne Leute, die genau wussten: Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig, und die Journalisten sollten wir uns warm halten, mit denen müssen wir arbeiten – insofern hatten Freia und ich es leicht, dort zu landen. Schließlich habe ich dann aber doch wieder Lieder gemacht, weil sie offenbar gebraucht wurden, z.B. im Oktober 1974, auf dem besetzten Platz in Marckolsheim. Auslöser war ein tolles Transparent, das dort der Jean Gilg (Elsässer, Volksschullehrer, Sozialist) in den Schlamm gepflanzt hatte: «Deutsche und Franzosen – die Wacht am Rhein.» Das fand ich eine geniale Idee, dass man die dämliche Formel der alten Franzosenfresserhymne aus dem 19. Jahrhundert vom Kopf auf die Füße stellt. Dass wir diesmal nämlich nicht gegeneinander die Wacht halten, als mörderisch feindselige Nachbarn wie in allen diesen Kriegen seit 1870, sondern dass wir gemeinsam gegen die neuartige Bedrohung der Region eine ganz neuartige Wacht am Rhein halten. Und dazu habe ich ein Lied gemacht nach dem Modell eines amerikanischen Streikliedes, das ich von Pete Seeger1 kannte: «Which Side Are You On?», übersetzt «Auf welcher Seite stehst du?» Ich habe «Die andere Wacht am Rheim» geschrieben, damit man nachts am Lagerfeuer nicht nur La Paloma und solche Sachen bei der Hand hat, sondern, dachte ich, vielleicht auch einen Song, womit wir uns als Platzbesetzer ausdrücken können. – Dieses Lied wanderte in der Folge durch die Lande und wurde auch überregional in Gebrauch genommen, umgesungen, umgetextet. Le Monde2 hat es als eine neue deutsch-französische Hymne am Oberrhein bezeichnet. Es war für eine bestimmte Periode sozusagen unsere musikalische Fahne. Annemarie Sacherer hat im Wyhl-Buch 13 wunderbar darüber geschrieben, wie die Besetzer bei der Polizeiräumung dieses Lied gesungen haben. Das ging mir sehr zu Herzen, als ich es gelesen habe.
Jedenfalls bin ich dann nach sechs Jahren Abstinenz wieder gelegentlich zur Folk- und Chanson-Community gegangen und habe dort die Bühne genutzt, um die Trommel zu schlagen gegen die Atom-Mafia. Ich bin an Pfingsten 1975 das erste Mal nach langer Zeit wieder zum Open-Ohr-Festival nach Mainz gefahren und habe dort sofort einen Workshop über Wyhl und die Atomindustrie gemacht und dafür noch ein paar weitere Lieder geschrieben. Dann hat die Evangelischen Studentengemeinde (ESG) eine Tournee organisiert, bei der es fast nur um die Frage der Atomindustrie und der Bürgerinitiativen ging. Ich war nur zufrieden, wenn sich sofort nach dem Konzert eine Bürgerinitiative gründete, und ich hatte sehr oft Grund zur Zufriedenheit. So kam ich also wieder herum und hatte eine gute Möglichkeit, unsere Geschichten zu verbreiten. Wichtig war natürlich nicht, was ich über die Gefahren der Atomindustrie zu sagen hatte – da gab es überall schon längst Leute, die zum Teil viel mehr wussten als ich – aber wir aus dem Dreyeckland waren die Einzigen, die sagen konnten: wenn man es so und so anstellt, dann kann es erfolgreich sein! Wir haben es bewiesen in Marckolsheim, Wyhl, Kaiseraugst! Das war ja das absolut Neue. Das gab es sonst nirgends. Die Botschaft war eigentlich ziemlich einfach: Schaut her, bei uns gibt es Leute, die kommen von sehr weit rechts und von sehr weit links, und die meisten sind mittig oder halbrechts oder halblinks, aber wir haben bestimmte Regeln gefunden, wie wir alle unsere Energien für die gemeinsame Sache nutzbar machen können. Wir haben gelernt, wie wir den Karren nicht an die Wand fahren, wie wir verhindern, dass irgendeine Parteipolitik den Widerstand in die Hand kriegt und instrumentalisieren kann. – Gerade die K-Gruppen1 hatten sich ja die Aufgabe gestellt, die Führung zu übernehmen und uns unwissende arme Leute so nach und nach in die Klassenkämpfe und zur politischen Reife zu führen. Aber Bürgerinitiativarbeit – das war eben das absolut Andere. Es gab in den Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen beispielsweise nie einen Vorsitzenden. Kein Zentralkomitee und kein Zentralorgan. Und es gab zwar in einigen Fragen Einigkeit, aber niemals Einheitlichkeit. Es handelte sich um eine Föderation von zunächst 21 ganz selbstständigen Gruppen. Allein in Freiburg gab es die Aktion Umweltschutz, die Aktionsgemeinschaft, die Fachschaft Chemie an der Uni, die Initiativgruppe KKW NEIN und die GAF (Gewaltfreie Aktion Freiburg)2. Jede dieser Gruppen war für sich eine eigene Community, die ihrerseits Zugang zu vielen andern mit uns verbandelten Menschen hatte, und von denen war auch wieder jeder Einzelne eingebunden in diverse Netzwerke.
Und dann haben wir uns zusammengesetzt, sehr oft informell, aber gelegentlich auch offiziell, und haben Verabredungen getroffen. Und eine der wichtigen Verabredungen war: Keine Parteipolitik! Diejenigen, die für die Bürgerinitiativen reden, dürfen nicht im Auftrag ihrer Partei reden! Das musste ausbalanciert werden und war nicht immer leicht durchzusetzen. Aber es gab eigentlich nur zwei wichtige Leute, die sowohl Bürgerinitiativler als auch prominente Parteimitglieder waren: der Hans-Erich Schött mit seiner FDP-Kandidatur und der Belz mit seiner DKP-Mitgliedschaft3. Die haben es selber begriffen, dass sie hier keine Parteireden halten dürfen, und sie haben es auch nicht gemacht. Das föderative Element war deshalb so wichtig, weil es den einzelnen Gruppen, die alle selbstverantwortlich waren, sehr viel Spielraum ließ. Allerdings immer im Rahmen unserer Verabredungen. Also: Keine Parteipolitik! Und zweitens: Keine Gewalt! Das war nach links wie nach rechts gar nicht so leicht durchzusetzen. Es kam beispielsweise auch mal vor, dass irgendwelche Jungs aus dem Dorf, die beim Bund gewesen waren und die ihre Flinten im Kofferraum hatten, wegen irgendeiner Provokation wütend wurden und sagten: «Jetzt zeigen wir aber den Ja-lern1, wo der Bartl de Moscht holt!» – Man musste nach allen Seiten immer wieder aufs Neue darüber diskutieren, weil die Gewaltfreiheit nunmal eine sehr ungewohnte und unübliche Idee war.
Mir scheint, die Kaiserstühler waren nicht weniger erfinderisch
als die Schafbauern vom Larzac, angefangen von der Kahn-Demonstration auf dem Altrhein bis hin zu Einzelkämpfern wie dem Meyer Karle aus Bottingen, der ja immer alles ganz alleine ausgebrütet hat und zu jeder Demonstration mit einer neuen Installation kam. Einmal zum Beispiel montierte er echten NATO-Stacheldraht vom Wyhlerwald auf ein Schild, darunter das Portrait von Filbinger und dazu die Schrift: «Des Landesvaters Heiligenschein».
Ich fand es großartig, als der Männergesangverein in Weisweil das Lied «Freiheit, die ich meine» umgetextet hat, Freiheit wurde in der neuen Version ganz aktuell und konkret so definiert: «Freiheit für den Kaiserstuhl: Kein Kernkraftwerk am Rhein!». Wunderbar!
Und dann die Elsässer wie Franz Brumbt oder Jean Dentinger oder Francis Keck oder der große Dichter André Weckmann. Denen ging es ja zunächst vor allem um ihre elsässische Sprache, aber in Marckolsheim und Fessenheim und in Wyhl haben sie auch dazugelernt und ihr Repertoire erweitert – und unseren Liedschatz bereichert! Oder der Buki, der damals angefangen hat und diesen wunderbaren Strauß von kaiserstühlerischen Anti-AKW-Liedern gemacht hat, die dann von allen Leuten in den Dörfern und in der Stadt gern übernommen wurden – dieser Poet hat Volkslieder geschrieben.
Es gibt 28.000 Wyhl-Erzählungen, die alle voneinander abweichen,
weil jeder, der damals dabei war, seine eigene Erzählung hegt und pflegt und abwandelt und anpasst an seine neuen Ideen und an seine Tagesform. Aber wenn Leute auftreten und eine angeblich verbindliche, weil angeblich wahre und wissenschaftlich erhärtete Wyhlerzählung zum Besten geben, dann sträuben sich bei mir die Nackenhaare. Dann wird ganz gewiss in irgend eine Richtung ideologisiert. Da wird dann beispielsweise eine linke Geschichte draus, oder eine ganz gemütliche Kaiserstühler Dorfgeschichte, oder eine religiöse oder eine typisch deutsche oder eine typisch grüne – alles Quatsch. Man muss alle 28.000 Geschichten gleichzeit anhören, dann kriegt man aus dem chaotischen Gesumm und Gequiecke und Gekreisch eine Ahnung davon, was damals wirklich abging.
Es ist wichtig, sich klar zu machen,
dass da Leute über lange Zeit sehr eng zusammengearbeitet haben. Leute, die sich sonst wahrscheinlich nie getroffen hätten. Man wusste genau, mit dem oder mit der habe ich das und das zusammen erlebt und durchgestanden. Auf die oder auf den kann ich mich verlassen, auch wenn sie jetzt gerade einen Stuß erzählen, der mir gar nicht gefällt – egal, die Bindung hält! Da hat sich eine menschliche, aber auch eine politische Verlässlichkeit entwickelt. Und wir hatten Glück in diesem dramatischen historischen Moment gerade an diesem Ort zu leben, hier am Oberrhein, wo uns die Regierung glücklicherweise so unterschätzt hat, dass wir tatsächlich gewinnen konnten. Ganz anders verlief die Sache zwei Jahre später in Brokdorf1. Dort war die Staatsmacht schon vorbereitet, als die Demonstranten kamen. Die Regierung von Stoltenberg wusste, was auf sie zukommt, und sie hat sich bemüht, die Auseinandersetzung zu militarisieren, und ein Teil der Demonstranten ist darauf reingefallen und hat das Spiel mitgespielt. Und in Hamburg, wo das Zentrum der Brokdorf-Widerstandes lag, dort haben die Genossen dann fruchtlose parteipolitische Linienkämpfe durchgespielt, um herauszukriegen, wer denn nun «die Führung übernehmen» darf. – Der Ort, wo ich mich später fast wie zuhause fühlte, war Gorleben, also das Wendland. Die haben dort eine ganz ähnliche Widerstandskultur entfaltet wie die badisch-elsässischen Bürgerinitiativen einige Jahre zuvor.
Wenn man aus der Wyhl-Erzählung einen Teil wegnähme,
egal welchen, den linken, den rechten, den mittigen, den rationalen, den irrationalen, den feministischen, den spinnerten, den träumerischen – egal, ein Steinchen weg, und das historische Gebäude würde lautlos in sich zusammenfallen.
Und auch die Vorgeschichte darf man nicht wegretouchieren. Die Wyhlerzählung fängt 1970 in Kaiseraugst und in Fessenheim an. Von dort kamen wichtige Ideen und Ideen-Kuriere nach Breisach und nach Wyhl, in Kaiseraugst haben die jungen Leute eine «Probebesetzung» inszeniert, als bei uns das Wort «Besetzung» noch gar vorkam. Kurz: aus diesem unglaublichen explosiven Gemisch kann man kein Teilchen wegnehmen. Sonst hat man nur ein bisschen Ideologie und Erinnerungskitsch in der Hand.
Es war eine Riesenarbeit, die unübersehbar viele Leute geleistet haben,
und zu keinem Zeitpunkt konnte jemand wissen, wie es wirklich ausgehen würde. Für mich war es das Großartigste, was ich in meiner inzwischen doch ziemlich langen politischen Biografie erlebt habe. Die wichtigste Erfahrung, und ein großer Genuss: über die Grenzen der eigenen, gut bekannten Gruppe mit ihren Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten hinausgehen, aus dem gemütlichen Vorurteil über die guten «Eigenen» und die verdächtigen «Fremden» ins Vorurteilsfreie zu gelangen, sozusagen «ins Offene». Und dann nicht versuchen, die Differenzen wegzulügen oder gewaltsam eine Vereinheitlichung zu erzwingen – alles Unfug! Aus diesen Differenzen ergeben sich Reibungen, die Funken schlagen, sie können lästig sein oder produktiv – nun ja, meistens beides, gleichzeitig.
Ein Text von Walter Mossmann im Buch
„S Eige Zeige. Jahrbuch des Landkreises Emmendingen für Kultur und Geschichte / Siebenunddreißig Wyhl-Geschichten“ vom Dezember 2014
Danke Walter für die Abdruckerlaubnis
Im Beitrag von Walter Mossmann gibt es eine Vielzahl von Querverweisen und Fußnoten. Diese finden Sie nur im lesenswerten Buch.
Weitere Links:
- Die Wacht am Rhein
- Webseite von Walter Mossmann
- taz-Nachruf auf Walter Mossmann
- Nachruf der Süddeutschen Zeitung auf Walter Mossmann
- Nachruf der Frankfurter Rundschau zum Tode von Walter Mossmann
- Nachruf von Melodie und Rhythmus auf Walter Mossmann
Mehr Infos und Links zum Thema Wyhl:
Links: Protest & Bauplatzbesetzungen in Wyhl, Kaiseraugust, Marckolsheim, Gerstheim…
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- Der neue Wyhl-Film des SWR
- Kein Bleiwerk in Marckolsheim Elsass: Erste erfolgreiche, grenzüberschreitende Bauplatzbesetzung 1974-1975
- Wyhl-Plakate: Eine umfangreiche Sammlung von Protest-Plakaten
- Kein AKW in Gerstheim (F)
- AKW Kaiseraugst: d Ballade vo Kaiseraugscht von Aernschd Born
- Am 29.5.15 gestorben: Walter Mossmann
- Ein hörenswerter Wyhl-Beitrag in SWR 2, vom 18.2.15
- Umweltgeschichte, Regionalgeschichte & Geschichte am Oberrhein in Südbaden, Elsass und Nordschweiz
- Ein SWR2 Beitrag über den elsässischen Dialekt und über die Rolle des Dialekts in den frühen ökologischen Konflikten am Oberrhein
<a href=“http://www.mitwelt.com/walter-mossmann-akw-wyhl.html“>Walter Mossmann, Freund, Wyhl-Aktivist, Liedermacher, Redner, Autor, Journalist, Demokrat & Regisseur</a>Weitersagen
Delicious StudiVZDieser Artikel wurde 3161 mal gelesen und am 5.10.2015 zuletzt geändert.
Schönen Gruß auf die Atlantik-Brücke. Nur so nebenbei: die in Odessa Ermordeten waren alles Ukrainer. Die Mörder waren ukrainische Faschisten. Über die Longo-Mai-Kooperative war ich schon lange vor beginn des Maidan-Putsches mit Freunden in der Ukraine vernetzt, forsche seit über 40 Jahren zur Geschichte der Ukraine und der Krim, da mein Urgroßvater als Militärarzt am Krimkrieg auf russischer Seite gegen England 1853 teilgenommen hat. Seit 30 jahren interviewe ich Wolgadeutsche zur Vor- und WW2-Kriegs-Geschichte der Krim und der Ukraine. Ein sehr naher verwandter hat bis 1945 noch die Aussiedlung deutscher Kleinbauern in durch Stefan Bandera von Juden, Polen und Russen gesäuberten den neuen Lebensraum auch in das Donezk-Becken im Rahmen des Hartmann-Planes der Reichsnährstandskammer propagiert. Ob der von den Neo-Faschisten in der West-Ukraine gejagte Arzt Dr. Martin Liehn noch lebt, weiß ich nicht. Seine letzten Hilferufe erreichten mich so ca. 2011. Übrigens hatte sich der informelle Chef der west-ukrainischen Longo-Mai-Kooperative mit den herrschenden Proto-Faschisten arrangiert und sich auf Kosten der Kooperative mit einem teuren SUV-Dienstwagen ausgestattet. Was aus der Kooperative und ihrer BIO-Käserei mittlerweile geworden ist? Ich weiß es nicht. Die Baseler Zentrale des „Europäischen Bürgerforums“ müsste es wissen. Wo die hingewandert ist, nachdem sie die terroristische „FSA“ in Syrien unterstützt hat, muss man Mal herausfinden. Fehler kann man auch korrigieren. Die entsprechende Auseinandersetzung mit den Baselern habe ich hier auch dokumentiert. Ihr Zentralorgan nennt sich „ARCHE“. Wenn man das hier als Suchbegriff eingibt, findet man die Artikel. Ach ja, dann noch was: Walter Mossmann kenne ich aus Wyhl, Rebecca Harms aus dem Wendland. Josef Fischer habe ich beim Bücherklauen im LIBRESSO am Opernplatz in FFM gerne beobachtet und Heiner Hügel immer erst nach seinem Verlassen Richtung „Karl-Marx-Buchhandlung“ über fehlbestände in formiert, durch einen mir unbekannten Ladendieb entstanden, War mir irgendwie peinlich, dass ein „Linker“ eine linke Buchhandlung beklaut, denn Joschka Fischer kannte ich schon seit 1967, als er noch mit Reimut Reiche und Peter Gäng im Salzhaus am Roßmarkt in einer WG wohnte, bevor er den Wehr- und Ersatzdienst durch sein Abtauchen nach Westberlin vermied. In Arbeitsvermeidung war er immer schon Spitze: er kommandierte als RK-Sponti-Chef Reimut Reiche und Frank Wolf zur Bandarbeit zum OPEL. Er hielt dort an seinem ersten Arbeitstag in Rüsselsheim am Arbeitsplatz eine „revolutionäre“ Rede und wurde immer noch antiautoritär-revolutionär maulend sofort entlassen. Auf seinen Befehl mussten Reimut Reiche und Frank Wolf am Band weiterarbeiten. Wie lange sie sich hielten, weiß ich nicht mehr. Aber Joschka war fein raus aus der Ausbeutung. Wie Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer sich durchfinanzierten bis zu den Diäten in den Parlamenten und zum Minister-Gehalt und den Beraterverträgen? Ich will das gar nicht weiter untersuchen.
Ich weiß jetzt nicht, warum Sie über die Straßenschlacht in Odesa am 2. Mai 2014 wie eine Stephen-King-Geschichte erzählen. Oder wie ein Hollywood-Film. So nach dem Motto: Die Schurken sind immer die Ukrainer. Vermutlich halten Sie es auch für eine besonders gute Idee, wenn man auf Fußballfans mit einer Waffe ballert, wie es Vitaly Budko tat, der unter dem Kampfnamen Bootsmann bekannt ist. Glauben Sie nicht? Lesen Sie in der Novaya Gazeta nach, sofern Sie sich überhaupt mittels russischer Medien informieren können und wollen: https://novayagazeta.ru/articles/2019/05/04/80424-budut-novye-prigovory
Beachten Sie besonders folgenden Satz in dem verlinkten Artikel: „Wenn wir die Videoaufnahmen mit den Audioaufnahmen vergleichen, kann man sehen, dass Bodalan, wenn er befiehlt, die Feuerwehr nicht zu verlassen, vor dem Gewerkschaftshaus steht und das Feuer beobachtet.“ (Ruslan Sushko). Bodalan ist wie so viele andere nach Russland geflüchtet. Russland scheint ja gerne Terroristen und Mörder aufzunehmen: https://www.freitag.de/autoren/wilfried-jonas/gefangenenaustausch-ukraine-und-russland
Man merkt beim Lesen Ihrer Artikel deutlich: Sie haben keine Ahnung von der Ukraine und keine Ahnung von den Ereignissen. Mossmann lebte vor Ort und hat sich mit den Menschen unterhalten. Sie zitieren Hunko, der kein Problem mit Antisemiten wie Kotsaba hat: https://www.dailymotion.com/video/x6u7xo6 Erst nach öffentlichem Druck wurde ihm denn doch nicht der Aachener Friedenspreis verliehen…
Ich habe übrigens ein paar interessante Artikel über die kriminellen Republiken geschrieben, die Herr Hunko so gerne bereist und die er unterstützt:
https://www.freitag.de/autoren/wilfried-jonas/krieg-der-spezialeinheit-sie-sind-nicht-da
https://www.freitag.de/autoren/wilfried-jonas/folter-in-der-volksrepublik-donezk-luhansk
Was Hunko nicht besichtigt hat, ist das berüchtigte Gefängnis in Donezk im Stadtteil Budyony. Auch Journalisten wie Ulrich Heyden, der in seinen Artikeln gerne die wichtigsten Details verschweigt, ignoriert dies ebenso erfolgreich.
Und wenn Sie wissen wollen, wie viele Faschisten es in den „Volksrepubliken“ gibt – bei Linksunten erschien darüber ein hervorragend recherchierter Dreiteiler. Mit dem vielsagenden Titel:
Wie Teile der deutschen Linken Faschisten in der Ukraine unterstützen
https://linksunten.mirrors.autistici.org/node/158919/index.html
https://linksunten.mirrors.autistici.org/node/163651/index.html
https://linksunten.mirrors.autistici.org/node/164630/index.html
Vielleicht informieren Sie sich doch lieber mal, statt irgendwelchen Reflexen nachzugehen, die nur das Produkt der eigenen Vorurteile ist.
Neudeutsche Raubzüge in der Ukraine
Die Westliche Wertegemeinschaft ist an der Fortdauer des Bürgerkriegs interessiert – und die Tagesschau führend in Desinformation
Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
Ukraine? Gibt´s da was? Die umfangreichsten Berichte der Tagesschau über den osteuropäischen Krisenstaat handeln im Juli von einer glimpflich abgegangenen Geiselnahme im west-ukrainischen Luzk. „Unblutig beendet“, heißt das in der verluderten Boulevard-Sprache, der sich auch die Redaktion ARD-aktuell bedient. (1) Desinformation und Angebote zur Befriedigung der Sensationsgier gehören im Krieg um Marktführerschaft und Deutungshoheit auch auf dem ARD-„Flaggschiff“ zur Standardbewaffnung. Hingegen herrscht Mangel an informativen Nachrichten über den ukrainischen Alltag, über den endlosen Bürgerkrieg mit seinen ungezählten, namenlosen Opfern. Wann hat die Tagesschau zuletzt Erhellendes darüber berichtet? Ohne billige, einseitige Propaganda?
Der jüngste Fall ihrer Nachrichtenunterschlagung: Kein Wort über das ergebnislose Treffen der sogenannten „Minsk-Kontaktgruppe“ am 3./4. Juli in Berlin. (2) Sie verhandelt gemäß dem „Abkommen Minsk II“ (3) über ein Ende des Krieges zwischen der Zentralregierung in Kiew und den Autonomisten der Ostprovinzen Lugansk und Donezk. Zwar fand das Treffen nur „auf Beraterebene“ statt. Aber seine Ineffizienz bestätigt das überdeutliche Interesse der Westlichen Wertegemeinschaft an der Fortdauer dieses Bürgerkrieges.
Solange er nämlich anhält, dient er den Transatlantikern als zwar objektiv haltlose, aber öffentlichkeitswirksame „Begründung“ dafür, Russland verantwortlich zu machen und zu sanktionieren. (4) Über das bittere soziale Elend, den politischen und ökonomischen Korruptionssumpf, über die Raffgier der transnational aktiven Plutokratie und die permanente westliche Agitation und Destruktion gibt es keine Tagesschau-Nachrichten. Schon gar nicht über Waffenschieber, den Menschenhandel und darüber, dass auch deutsche Unternehmen sich Land und Leute der Ukraine zur Beute machen wollen. Die Ukraine ist neu-demokratisch, Punkt.
Terror der Neofaschisten
Deshalb informiert die Tagesschau auch mit keinem Wort darüber, dass der Neofaschismus das Land wieder in Griff nimmt und dass seine Todesschwadronen die Bevölkerung nach Nazi-Methodik terrorisieren. Wieviele Menschen z.B. dem „Asow-Bataillon“ bereits zum Opfer gefallen sind – und nicht nur bei dessen Angriffen auf die Ostukrainer! – bleibt im Dunklen. (5) Die Umtriebe dieser Verbände eifern einem historischen Vorbild nach: dem Wehrmacht-Bataillon „Nachtigall“. (6) Im Internet häufen sich Informationen über die neu-ukrainischen Freikorps. Obwohl die ARD-aktuell sich mit ihrer „rund um die Uhr besetzten“ Fachredaktion für das Online-Portal tagesschau.de dicke tut (7), muss man auch dort kritische Berichte über die Rolle der Neofaschisten mit der Lupe suchen.
Das Orwellsche Muster, nach dem die “Westliche Wertegemeinschaft” zugunsten der Kapitalisten ihre Kriegs- und Unterwerfungspolitik gestaltet und sie mithilfe ihrer Staatsmedien als Friedensbemühung verkauft, ist in allen Fällen gleich und unverkennbar: Wirtschaftlich schwächere, von sozialen und ethnischen Unterschieden geprägte Staaten forciert destabilisieren, sich massiv in ihre inneren Angelegenheiten einmischen, einen Umsturz provozieren, finanzieren und gegebenenfalls mit eigens angeworbenen Mördern realisieren, um hernach völlige wirtschaftliche und finanzielle Abhängigkeit herzustellen. Neudeutsch: „regime change“.
Gelingen die Angriffe auf die vorgeblichen „Schurkenregime“, so werden deren „Machthaber“ gegen willfährige Vasallen ausgetauscht. Den Vorwand, es gehe um Freiheit und Demokratie, übernimmt unsere Qualitäsjournaille gern. Ebenso die Feindbilder, die der Elite unserer Parteienoligarchie dazu dienen, Ängste zu schüren, Militär, Polizei- und Geheimdienstapparate aufzublähen und mit dieser Mixtur die eigene Machtposition abzusichern. Das Schicksal der von Umsturz und (Bürger-)Krieg heimgesuchten Menschen interessiert nicht. Institute wie die Tagesschau dienen der Funktionsfähigkeit dieses typisch westlichen Gewalt-Systems mittels Indoktrination des Zuschauers, nicht zu dessen Aufklärung und Emanzipation.
Am Ukraine-Konflikt lässt sich die menschenverachtende Vorgehensweise des “Wertewestens” im Zusammenspiel mit seinen Medien eindrucksvoll belegen. Die „Maidan Demokratiebewegung“ war nichts weniger als das, sie war vielmehr ein Staatsstreich, überwiegend organisiert und durchgeführt von Rechtsextremisten und neonazistischen Terroristen sowie etlichen hundert ausländischen Söldnern. (8)
Pars pro toto: Die Kumpanei zwischen Frank-Walter Steinmeier, damals Außenminister, heute Bundespräsident, und dem rechtsextremistischen Antisemiten Oleg Tjagnibok von der Partei Swoboda (9, 10) wurde der deutschen Öffentlichkeit weitgehend verschwiegen oder bagatellisiert. Unter tatkräftiger Mitwirkung einer ARD-aktuell-Redaktion, die sich ansonsten bei jeder Gelegenheit als Wächter gegen Rechts aufführt. Journalistische Handlanger vom Schlage Kay Gniffke, Golineh Atai, Thomas Roth, Birgit Virnich oder Udo Lielischkies drückten gegenüber dem schändlichen Vorgehen die Augen zu.
Verbale Schleiertänze
In der Ukraine gibt es selbst nach sechs Jahren westlicher Abhängigkeit weder „mehr Demokratie“ noch staatliche und wirtschaftliche Stabilität oder eine “gute Regierungsführung”. Daran hat sich auch mit dem neuen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nichts geändert.
Die ARD-aktuell tarnt das ukrainische Elend mit sprachlichen Nebelschwaden: Der neue Präsident sei inzwischen „in der Politik angekommen“, er habe es verstanden „wichtige Reformen durchzusetzen“. (11) Seit dem „Maidan“ pflegt die Redaktion diese widerliche Ukraine-Berichterstattung, häufig faktenfrei, aber immer orientiert an der Berliner Politlinie. Solche „Nachrichten“ sind nichts weniger als ein Attentatsversuch auf die mentale Integrität des Zuschauers. Aussagekräftige Informationen, zum Beispiel darüber, dass und warum seit dem „Euro-Maidan“ mindestens 8 der vormals 52 Millionen Ukrainer ihre Heimat verlassen haben (12, 13), gibt es in der Tagesschau nicht. Ukrainische Armutsemigranten? Kein Thema.
Im Wahlkampf hatte Selenskyj noch verkündet, er werde die Konflikte mit der Ostukraine lösen. Als Präsident hat er hernach zwar einige vorsichtige Schritte in diese Richtung getan, fortgesetzt hat er das aber nicht. Inzwischen hat ihn sein politisches Handeln meilenweit von seinem Befriedungsziel entfernt. Alexey Reznikov, stellvertretender Ministerpräsident und erster stellvertretender Leiter der ukrainischen Delegation bei der Minsk-Kontaktgruppe, verkündete jetzt in einem Interview, dass “die Wiedereingliederung des Donbass in die Ukraine 25 Jahre dauern” werde, und forderte das ukrainische Volk auf, dies zu akzeptieren. (14)
Das ist eine vom „Abkommen Minsk II“ deutlich abweichende Position. Noch vor vier Monaten, am 11. März, hatte der Leiter der ukrainischen Präsidialverwaltung, Andrij Jermak, der Minsk-Kontaktgruppe ein Papier vorgelegt, in dem von direkten Verhandlungen zwischen Vertretern der Ukraine und den sogenannten Volksrepubliken Donezk (DNR) und Lugansk (LNR) die Rede war; die hatte Kiew bis dahin immer ausgeschlagen.
In der Opposition und in Teilen der Zivilgesellschaft löste das Papier Kritik aus, es schwäche Kiew im Verhältnis zum Donbass. Die Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew hatte sich ebenfalls mit dem Papier befasst und befunden, die Anregung Jermaks käme einer diplomatischen Anerkennung der Unterhändler aus der Ost-Ukraine gleich. Es sei zu „befürchten“, dass die Vorschläge den „Russen“ im Donbass einseitig Vorteile verschafften. (15)
Stellungskrieg auf kleiner Flamme
Die beflissene Einschätzung dieser einflussreichen CDU-Organisation erlaubt es, anzunehmen, dass sie ganz im Sinne der deutschen Außenpolitik und der Bundeskanzlerin ist. Berlin ist nicht daran gelegen, den innerukrainischen Friedensprozess und entsprechende Vorschläge der Regierung in Kiew zu unterstützen. Die Bundesregierung zieht es vor, Krieg und Krise auf kleiner Flamme köcheln zu lassen. Sie lassen sich als Gründe für die Russland-Sanktionen vorschieben, mit denen unsere Regierung und die EU insgesamt den USA zu Diensten sind. Sie haben zusätzlich den Vorteil, die ukrainische Regierung schwach zu halten und an der kurzen Leine zu führen.
Was die Tagesschau so natürlich nicht aufzeigt. (16) ARD-aktuell ist eine gleichermaßen eifrige und bedeutende Mittäterin, wenn Präsident Putin als Krisenverursacher, als der an allem Schuldige bezichtigt wird. Fakten sind dabei ebenso vollkommen egal wie die Interessen der ukrainischen Bevölkerung.
Die Durchsetzbarkeit von Reformen hängt nicht von der persönlichen Kompetenz des Präsidenten ab, sondern davon, wie weit der „Wertewesten“ Einfluss nimmt und seine unverschämten Erpressungsversuche treibt. Deren kann sich Selenskyj als Oberhaupt eines gescheiterten und völlig abhängigen Staates kaum erwehren. Er muss machtlos mitansehen, wie seine Ukraine vom Ausland geplündert wird. Klassisches Beispiel dafür ist der postkolonialistische Landraub.
Die Ukraine verfügt über 43 Millionen Hektar an fruchtbaren Schwarzerde-Böden; nicht von ungefähr war sie einst die Kornkammer der Sowjetunion und schon damals ein Kriegsziel der Nazi-Wehrmacht. Die Bauern bewirtschaften die riesigen Flächen zumeist auf Basis von Pachtverträgen mit dem Staat. Agrarland-Eigentum gab es kaum. Bis voriges Jahr war der Verkauf von mehr als zwei Hektar Anbaufläche verfassungsrechtlich verboten, und Ausländer durften überhaupt keinen Landbesitz erwerben. Die EU, der Internationale Währungsfonds IWF und die Weltbank üben seit Jahren massiven Druck aus, dieses „Moratorium für den Verkauf von Ackerland“ abzuschaffen.
Parieren oder krepieren
Präsident Selenskyj musste dem erpresserischen Druck seiner westlichen „Unterstützer“ schließlich nachgeben. (17) Bedingung für einen IWF-Kredit von 5.5 Milliarden Euro: Das Moratorium über den Verkauf von Ackerland aufheben. Die Alternative hieß „kuschen oder Staatsbankrott“. Das zu berichten vermied die Tagesschau allerdings sorgfältig. Sie ließ ja auch jegliche Information unter den Tisch fallen, dass die Schuldenpolitik nach dem „Euro-Maidan“ vom Westen veranlasst und vom vormaligen Präsidenten Poroschenko vollzogen worden war. Dessen Regierungshandeln zielte von Beginn an darauf ab, das ukrainische Tafelsilber zu privatisieren und zugunsten ausländischen Kapitals zu verramschen.
Ein Gesetz regelt nun die umfassende Privatisierung von Agrarland. Das Kaufrecht gilt zunächst für Ukrainer. Regelungen für Ausländer sollen folgen. (s. Anm. 16). Die Entscheidung sorgte für heftige Proteste, vor allem der ukrainischen Bauern. Die befürchten das Ende ihrer Pachtverträge, Entstehung von privaten Grundeigentums- Monopolen und den Zugriff mächtiger Kapitalgesellschaften. Laut einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie (KMIS) aus dem April lehnten 60 Prozent der Befragten das Gesetz ab. (18)
Zusätzlich ist die IWF-Kreditvergabe von weiteren Kürzungen der Sozialausgaben und einer Erhöhung des Gaspreises abhängig. Millionen verarmte Ukrainer stehen im Winter vor der Wahl „essen oder frieren oder flüchten“. Sogar von Schulschließungen zwecks Senkung der Staatsquote ist die Rede. All das vor dem Hintergrund, dass die Ukraine ohnehin seit dem Maidan zu den ärmsten Ländern Europas zählt (3000 Euro jährliches Pro-Kopf-Einkommen), die Wirtschaft seit Ende der Sowjetzeit um 60 Prozent geschrumpft ist und in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie mit einem weiteren Rückgang des Brutto-Inlandsprodukts um 7.7 Prozent gerechnet wird. (19)
Welchen beherrschenden Einfluss der IWF auf die ukrainische Politik ausübt und wie demokratiefern die Ereignisse in Kiew sind, skizzierte ein Abgeordneter aus der Partei des Präsidenten:
„… wir sind ein Land unter der Regierung des IWF, der hier günstige Bedingungen für den Markteintritt transnationaler Gesellschaften und Investoren gewährleistet, mit der Sicherstellung einer gewünschten Profit-Rate … Wenn man es vereinfacht, sagen sie: Wir geben euch zwei, drei Milliarden und wir werden nicht fragen, wofür ihr sie verwendet, solange ihr uns euren Boden, eure Straßen, Häfen und Flughäfen verkauft.” (20)
Demokratische „Liebesakte“
Die sechs Jahre nach dem Maidan-Umsturz zeigen, wie gleichgültig dem “Wertewesten” das Wohl der ukrainischen Bevölkerung ist und wie hohl die Sprüche über “Demokratie und Menschenrechte” im Februar 2014 auf dem Maidan tatsächlich waren. Der Bundesregierung und ihrer Vormacht USA im aggressiven NATO-EU-Bunde ging und geht es um geopolitische Machtinteressen und zu deren Erfüllung um die Pflege des Feindbilds Russland; ihre transatlantisch agierenden Eliten wollen eine vielversprechende Wirtschaftsregion ungehemmt ausrauben. Und in der höchst mangelhaften Berichterstattung der ARD-aktuell ging und geht es darum, diese Vergewaltigungsprozesse entweder zu übersehen oder sie als demokratische Liebesakte und schiere Mildtätigkeit zu schminken. (“Hilfe für die Ukraine”).
Ihre dürftigen journalistischen Erzeugnisse über das Nachbarland handelten in allerjüngster Zeit zumeist von der besagten Geiselnahme; dass ein psychisch Durchgeknallter einen Omnibus mit zehn Passagieren in seine Gewalt gebracht hatte und sich schließlich festnehmen ließ, hielt die ARD-aktuell mehrdutzendmal für mitteilenswert. In drei anderen Beiträgen wurde die Ukraine nur im Zusammenhang mit der Verlängerung der Sanktionen gegen Russland erwähnt, und in einem besonders abscheulichen, geschichtsklitternden Feature durfte die Barrikadenbraut Golineh Atai die ukrainischen Hilfstruppen der SS und der deutschen Wehrmacht zu heimatliebenden Helden verklären. (21)
Die Tagesschau-Beiträge über die Sanktionen gegen Russland waren und sind übrigens nicht weniger geschichtsvergessen und gewollt desinformativ. Obwohl das 13 Punkte umfassende Abkommen „Minsk II“ nur (Selbst-)Verpflichtungen der ukrainischen Kriegsparteien festlegt und die Begleitrolle der OSZE beschreibt (s. Anm. 3), behauptet auch die ARD-aktuell seit Jahren unverdrossen, Russland müsse „den Friedensplan für die Ostukraine umsetzen“, komme aber „seinen Verpflichtungen nicht nach“. Typischer Tagesschau-Sermon:
„Mit der Koppelung der Sanktionen an den Friedensplan wollen die EU-Staaten den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu bewegen, seinen Einfluss auf die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine stärker für eine Beilegung des Konfliktes zu nutzen.“ (22)
Dass andererseits der Oberbefehlshaber USA und seine politischen EU- Subkommandeure nicht mal im Traum daran denken, ihren Einfluss auf die Regierung in Kiew zu nutzen und sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu „bewegen“, verschweigt die Tagesschau. Was sonst. Penetrant und permanent nennt sie hingegen die Ostukrainer „Separatisten“ (23) und unterstellt ihnen damit, sich vollständig vom ukrainischen Staat trennen zu wollen. Dass Lugansk und Donezk als „Volksrepubliken“ nur existieren, weil ihnen die Zentralregierung in Kiew die innerukrainische Autonomie verweigert, das ignorieren unsere öffentlich-rechtlichen Falschmünzer. Dabei ist diese regionale Selbstverwaltung der Ost-Ukraine im Abkommen Minsk II ausdrücklich vorgesehen.
Da staunt der Laie
„Wer regieren will, muss lügen können,“ deklamierte der Philosoph Philipp Hübl im Deutschlandfunk. (24) Na gut, und der Altvater des seriösen Journalismus, Wolf Schneider, warnte schon vor 40 Jahren davor, „typische Lügen der Politiker in den Stand der Wahrheit zu erheben.“ Genau damit nimmt die Tagesschau einen Spitzenplatz ein. Ihre sogenannten „Nachrichten“ über Russland und die Ukraine können Qualitätsredakteure vermutlich nur verfassen und anbieten, wenn sie sich anhaltend in einen intellektuellen Ausnahmezustand versetzen.
Beeindruckend ist an diesen Leuten eigentlich nur, dass sie es schaffen, die anhaltende kollektive Gesinnungslumperei ohne Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch zu überleben.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-733221.html
(2) https://www.anti-spiegel.ru/2020/kiew-bleibt-stur-wieder-keine-nennenswerte-fortschritte-beim-t
reffen-der-kontaktgruppe-in-berlin/
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Minsk_II
(4) ttps://www.tagesschau.de/ausland/russland-sanktionen-eu-111.html
(5) https://www.stopfake.org/de/fake-faschismus-kehrt-in-die-ukraine-zurueck/
(6) https://de.wikipedia.org/wiki/Bataillon_Nachtigall
(7) https://intern.tagesschau.de/redaktionen/tagesschau-de/
(8) https://www.vice.com/de/article/vdnpy4/im-nationalis-tischen-interesse-0001318-v12n4
(9) https://opablog.net/2014/02/21/steinmeier-mit-faschist-tjagnibok-in-der-brd-botschaft-in-kiew/
(10) https://www.dw.com/de/regierung-und-opposition-unterzeichnen-vereinbarung-zur-krisenl%C3%B6sung/a-17449594
(11) https://www.tagesschau.de/ausland/selenskyj-ukraine-ein-jar-101.html
(12) https://112.international/article/will-emigration-undermine-ukraine-25342.html
(13) https://www.freitag.de/autoren/enduringfreedom/verlassenes-land
(14)https://zagittya.com.ua/news/zajavlenija/vlast_nesposobnaja_prinesti_mir_v_ukrainu_dolzhna_izvinitsja_pered_ukraincami_i_slozhit_polnomochija.html
(15) https://www.kas.de/de/web/ukraine/laenderberichte/detail/-/content/ukrainische-politik-im-schatten-der-pandemie-teil-1
(16) Selbstzitat: https://publikumskonferenz.de/blog/2018/07/29/das-ukraine-bild-der-ard-falschmuenzer/
(17) https://www.dw.com/de/ukraine-gibt-handel-mit-agrarland-frei/a-52967077
(18) https://www.neues-deutschland.de/artikel/1137743.neue-iwf-kredite-fuer-kiew.html
(19) https://www.gtai.de/gtai-de/trade/wirtschaftsumfeld/wirtschaftsausblick/ukraine/coronakrise-stoppt-wirtschaftliche-erholung-der-ukraine-249700
(20) https://ukraine-nachrichten.de/parlamentsabgeordneter-alexander-dubinskij-sind-eine-republik-unter-kuratel-iwf_4948
(21) https://www.tagesschau.de/ausland/russland-ukraine-ende-weltkrieg-siegesfeiern-101.html
(22) https://www.tagesschau.de/ausland/eu-gipfel-russland-sanktionen-101.html
(23)https://www.tagesschau.de/suche2.html?query=Ukraine%2C+Separatisten&sort_by=date
(24) https://www.deutschlandfunkkultur.de/politik-und-wahrheit-wer-regieren-will-muss-luegen-koennen.1008.de.html?dram:article_id=465912
Das Autoren-Team:
Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.
Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 Mitarbeiter des NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1992 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehrauftrag an der Fu-Jen-Universität in Taipeh.
Anmerkung der Autoren:
Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog
Is doch klar. Auch Rebecca Harms hat die nicht verharmslost. . Und die Menschen im Gewerkschaftshaus in Odessa haben sich ja selbst erwürgt und anschließend noch erschossen uund verbrannt oder umgekehrt. Die Integrati9on der Nachtigall-Traditionsverbände in die regulären Sicherheitskräfte ist ja ganz toll gelungen und Bandera der Russen-Juden-Polen-Schlächter wird auch gar nicht mehr als neuer Volksheld laut besungen.
Stichwort „Hirn abgegeben“. Ich möchte gerne mal wissen, ob bei Teilen der deutschen Linken das Hirn ausgesetzt hat. Ukrainer mit Faschisten gleichzusetzen und bar jeder Information Mossmann vorzuwerfen, er sei „Kulturbotschafter bei den ukrainischen Faschisten“. Mag ja sein, es ist eine deutsche Tradition, einem Volk Eigenschaften nachzusagen. Was Teile der Linken, zu der Hinko ausdrücklich auch gehört, prima hinbekommen. Dafür nominiert ausgerechnet dieser MdB Hunko einen Antisemiten namens Ruslan Kotsaba für den Aachener Friedenspreis.
Mein Respekt für Walter Mossmann wuchs, als ich seine Gespräche mit Jurko las, als ich seinen Film über Lviv aus dem Jahre 1993 gesehen habe. Für den Autor dieses Artikels habe ich keinerlei Respekt. Der urteilt nach Vorurteilen. Ein Zitat aus Mossmanns Dokumentation „Lwiw (Lemberg) – Geöffnete Stadt“ lautet: „Wenn ich irgendetwas verstehen will, muß ich Geschichtsunterricht nachholen.“
Ach ja. Wer gerne mehr Infos zu dieser seltsamen Sponsortour von Hunko in die kriminelle und semifaschistische „Volksrepublik Donezk“ haben möchte – gespendet wurde für ein Kinderkrankenhaus in Horlivka. Angekommen ist es in einem Krankenhaus, in dem auch verletzte Söldner behandelt wurden. Es gibt noch mehr nette Informationen…
Also: Walter Mossmann war alles Mögliche. Aber ganz bestimmt kein Botschafter für ukrainische Faschisten, die es seit 2014 übrigens nie ins ukrainsche Parlament schafften. Aber gut – wer nicht auf seine geliebten Vorurteile verzichten will und nicht wie Mossmann selbst vor Ort war, was Anfang der 90er absolut ungewöhnlich war. Damals in den Straßen von Lviv dürfte man eher einen Marsmenschen als einen Deutschen angetroffen haben.
Mon dieu,
auch du, Walter?
Würde gerne wissen, in welchem Büro er sein Hirn
abgegeben hatte.
In dem Zelt haben wir auch ein paar Male gesessen.
Wie wenig haben wir erreicht.
Aber schämen brauchst DU dich nicht deines Nachrufs.
Mit liebem Gruß
Einar