James Petras: Amerikanisch-israelischer Krieg gegen Iran – Der Mythos vom begrenzten Waffengang

Washington und Tel Aviv glauben, daß ihr geplanter Angriff auf Iran ein „begrenzter Krieg“ sein würde mit einer begrenzten Zahl von  Zielen und einer Dauer von wenigen Tagen oder Wochen – ohne ernste Konsequenzen.

(Übersetzung aus dem Englischen:Jürgen Jung/ PfaffenhofenLink zum Original des Petras-Aufsatzes,
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HERR ODER KNECHT?
Über das beispiellose Verhältnis zwischen Israel und den USA
James Petras
Zwischen den USA und Israel gibt es eine besondere Allianz. Petras geht der Natur dieser Verbindung auf den Grund. Im Sinne der Theorien über den Imperialismus geht die Linke davon aus, dass die USA Israel beherrschen. Petras kommt zu einem gegenteiligen Schluss. Der linke amerikanische Soziologe entwickelt eine Reihe von Argumenten,
die ihn veranlassen festzustellen, dass tatsächlich die Zionisten die amerikanische Politik sehr stark beeinflussen.
Ein durchaus brisantes Buch, das sicherlich eine Reihe von Kontroversen auslösen wird.
2. überarbeitete, erweiterte und aktualisierte Auflage
Euro 13.80  Broschiert  200 Seiten  ISBN 978-3-88975-143-0     Best.-Nr. 14018        ZAMBON-Verlag FFM

Amerikanisch-israelischer Krieg gegen  Iran:

Der Mythos vom begrenzten Waffengang


Washington und Tel Aviv glauben, daß ihr geplanter Angriff auf Iran ein „begrenzter Krieg“ sein würde mit einer begrenzten Zahl von  Zielen und einer Dauer von wenigen Tagen oder Wochen – ohne ernste Konsequenzen.

Einführung

Die wachsende Gefahr eines amerikanisch-israelischen Militärschlags auf Iran beruht auf verschiedenen Faktoren:

1.      Die jüngste Geschichte der militärischen Aktionen beider Länder in der Region

2.      öffentliche Erklärungen amerikanischer und israelischer Politiker

3.      jüngste und laufende Operationen gegen Libanon und Syrien, wichtige Verbündete Irans

4.      Ermordungen von iranischen Wissenschaftlern und Sicherheitskräften durch terroristische Gruppen im Auftrag von Mossad und CIA

5.      der Fehlschlag ökonomischer Sanktionen und diplomatischer Zwangsmaßnahmen

6.      eskalierende Hysterie und extreme Forderungen an Iran zur Beendigung der ihm rechtlich zustehenden Uran-Anreicherung zu zivilen Zwecken

7.      provokative Militär-„Übungen“ an der Grenze zu Iran und Kriegsspiele, die der Einschüchterung dienen, sowie eine Generalprobe für einen präventiven Angriff

8.      mächtige Gruppen von Kriegsbefürwortern in Washington und Tel Aviv, einschließlich der größeren israelischen Parteien und der einflußreichen AIPAC (American Israel Public Affairs Committee) in den USA, und schließlich

9.      der „National Defense Authorization Act (Obamas Orwell’scher Notstands-Erlaß vom 16. März 2012)

 

Der US-Propaganda-Krieg fährt auf zwei Gleisen:

1.      Die dominante Botschaft betont, daß der Krieg nah ist und daß die USA gewillt sind, Zwang und Gewalt anzuwenden.

2.      Auf dem zweiten Gleis richtet sich eine Handvoll ansonsten marginaler „sachkundiger Akademiker“ (oder progressiver Mitarbeiter des Außenministeriums) an die „liberale Öffentlichkeit“ und spielt die Kriegsdrohung herunter mit dem Argument, daß vernünftige Politiker in Tel Aviv und Washington sich bewußt seien, daß Iran über keine Nuklearwaffen oder die Fähigkeit, sie gegenwärtig oder in naher Zukunft zu produzieren, verfügt. Der Zweck dieses liberalen Zurückruderns besteht darin, die Mehrheit der Öffentlichkeit, die zusätzliche Kriegsvorbereitungen eindeutig ablehnt, zu verwirren und zu schwächen, und die wachsende Anti-Kriegs-Bewegung aus dem Gleis zu bringen.

 

Es ist kaum erwähnenswert, daß die Bekundungen der Kriegsbefürworter leichthin absehen von allen historischen und empirischen Beweisen, die gegen einen Krieg sprechen.

 

Wenn die USA und Israel von Krieg reden, ihn vorbereiten und Vorkriegs-Provokationen inszenieren, dann wollen sie den Krieg auch  – so wie sie 2003 gegenüber dem Irak verfuhren. Unter den gegenwärtigen internationalen politischen und militärischen Bedingungen ist ein Angriff auf Iran, zunächst durch Israel mit amerikanischer Unterstützung, hochgradig wahrscheinlich, selbst wenn die weltwirtschaftlichen Umstände eigentlich etwas anderes gebieten sollten, und selbst wenn die strategischen Konsequenzen sich höchstwahrscheinlich in den kommenden Jahrzehnten auf die gesamte Welt negativ auswirken werden.

                                                                                                                                           

 

Einschätzungen von Irans militärischen Fähigkeiten durch die USA und Israel

 

Amerikanische und israelische Strategen stimmen nicht überein, was die Konsequenzen eines iranischen Gegenschlags auf einen Angriff betrifft.  Die Israelis spielen die militärische Fähigkeit des Irans herunter, den jüdischen Staat anzugreifen und zu schädigen, was ihre

einzige Sorge ist. Sie verlassen sich auf die geographische Distanz, auf ihr Raketen-abwehrsystem und den Schutz durch amerikanische Luft- und Seestreitkräfte im Persischen Golf, die einem Überraschungsangriff Rückendeckung geben. US-amerikanische Militärstrategen dagegen wissen, daß die Iraner US-Kriegsschiffen, die iranische Verteidigungsanlagen an der Küste angreifen müßten, um die Israelis zu unterstützen oder zu schützen, schwere Verluste zufügen können.

 

Der israelische Geheimdienst ist bestens bekannt für seine Fähigkeit, die Ermordung von Personen weltweit zu organisieren: der Mossad hat erfolgreich terroristische Aktionen auf anderen Kontinenten gegen palästinensische, syrische und libanesische Führer durchgeführt.

Andererseits hat er eine sehr dürftige Erfolgsbilanz vorzuweisen, wenn es um seine Einschätzung größerer militärischer und politischer Unternehmungen geht. Während des Libanonfeldzugs 2006 wurde die militärische Stärke und Organisationsfähigkeit der Hisbollah sowie ihr Rückhalt im Volk sträflich unterschätzt. Ähnlich falsch schätzte der israelische Geheimdienst Fähigkeit und Stärke der demokratischen Volksbewegung in Ägypten während ihrer Entstehung und beim Sturz des strategischen regionalen Alliierten, der Mubarak-Diktatur, ein.

 

Während die israelischen Führer „Paranoia simulieren“ – indem sie floskelhaft die „existentielle“ Bedrohung beschwören -, lassen sie sich von ihrer narzisstischen Arroganz und ihrem Rassismus blenden, die wiederholt zur Unterschätzung der technischen Kompetenz und politischen Intelligenz ihrer arabischen und regionalen islamischen Gegner geführt haben. Dies gilt zweifellos auch für ihre leichtfertige Geringschätzung der iranischen Fähigkeit, nach einem geplanten israelischen Luftangriff zurückzuschlagen.

 

Die amerikanische Regierung hat sich nun offen zur Unterstützung eines israelischen Angriffs auf Iran verpflichtet, wenn er unternommen wird. Insbesondere macht sie geltend, daß sie Israel „bedingungslos“ verteidigen wird, falls es „angegriffen“ wird. Wie kann Israel vermeiden, „angegriffen“ zu werden, wenn seine Flugzeuge Bomben und Raketen auf iranische Einrichtungen regnen lassen, auf militärische Verteidigungs- und Nachschub-systeme, ganz abgesehen von iranischen Städten, Häfen und der strategischen Infrastruktur? Darüber hinaus wird angesichts der engen Zusammenarbeit mit den israelischen Streitkräften (IDF) und der koordinierten Geheimdienstsysteme die Rolle des Pentagons bei der Identifizierung von Zielen, Routen und anfliegenden Raketen sowie bei der Integration der Waffen- und Versorgungsketten entscheidend sein für einen israelischen Angriff. Die USA haben keine Möglichkeit, sich von dem Krieg des jüdischen Staates gegen Iran, sobald der Angriff einmal begonnen hat, zu distanzieren.

 

 

Die Mythen vom „begrenzten“ Krieg: Geographie

Washington und Tel Aviv behaupten – und scheinen auch zu glauben -, dass ihr geplanter Angriff auf Iran ein „begrenzter Krieg“ sein wird, mit einer begrenzten Zahl von  Zielen und einer Dauer von wenigen Tagen oder Wochen – ohne ernste Konsequenzen. Man erzählt uns, dass Israels brillante Generäle alle wichtigen Nuklearanlagen identifiziert hätten, die sie durch „chirurgische“ Luftschläge ohne horrende Kollateralschäden in der benachbarten Bevölkerung zerstören würden. Sobald das vermutete „Nuklearwaffen“-Programm vernichtet sei, könnten die Israelis ihr normales Leben in voller Sicherheit wieder aufnehmen im Bewusstsein, dass eine weitere „existentielle“ Bedrohung abgewendet worden sei. Die israelische Vorstellung von einem„in Zeit und Raum“ begrenzten Krieg ist absurd und gefährlich – und unterstreicht nur die Arroganz, die Dummheit und den Rassismus ihrer Urheber.

Wenn sie sich den iranischen Nuklearanlagen nähern, werden die israelischen und amerikanischen Streitkräfte mit gut ausgerüsteten und verteidigten Stützpunkten, Raketenstellungen, maritimen Verteidigungsanlagen und ausgedehnte Befestigungen konfrontiert sein, die unter dem Kommando der Revolutionsgarden und iranischen Streitkräfte stehen. Zusätzlich sind die Verteidigungssysteme, die die Nuklearanlagen schützen, verknüpft durch zivile Fernstraßen, Flugplätze, Häfen und abgesichert durch eine duale (zivil-militärische) Infrastruktur, die Ölraffinerien und ein riesiges Netzwerk von administrativen Einrichtungen. Um die mutmaßlichen Nuklearanlagen auszuschalten, wird also die geographische Ausweitung des Krieges erforderlich sein. Der wissenschaftlich-technologische Umfang des zivilen iranischen Nuklearprogramms umfasst einen weiten Bereich von Forschungseinrichtungen, einschließlich Universitäten, Laboratorien, Fertigungsstätten und Entwicklungszentren. Um das zivile Nuklearprogramm Irans zu zerstören, müsste Israel (und folglich die USA) also sehr viel mehr angreifen als bloß die unter einem weit entfernten Berg versteckten Forschungseinrichtungen oder Laboratorien. Dazu wären wiederholte, großflächige Angriffe auf Ziele im ganzen Land erforderlich – mit anderen Worten: ein umfassender Krieg.

Irans oberster Führer, Ayatollah Ali Khamenei, hat erklärt, dass Iran „in äquivalenter Weise“ zurückschlagen wird. Iran wird jedem möglichen Angriff mit einem in Umfang und  Reichweite entsprechenden Vergeltungsschlag begegnen. Wir werden sie auf derselben Ebene angreifen, auf der sie uns angegriffen haben.“ Das bedeutet, Iran wird seinen Gegenschlag nicht beschränken auf den bloßen Versuch, israelische und US-Bomber abzuschießen oder Raketen auf US-Kriegsschiffe in seinen Gewässern abzufeuern, sondern wird den Krieg zu entsprechenden Zielen in Israel und in amerikanisch besetzten Ländern rund um den Golf tragen. Israels „begrenzter Krieg“ wird ein umfassender Krieg im gesamten Mittleren Osten und darüber hinaus werden.

Israels gegenwärtiger illusionärer Fetisch, nämlich sein ausgefeiltes Raketenabwehrsystem, wird entlarvt werden, wenn Hunderte leistungsstarker Raketen von Teheran, dem südlichen Libanon und von jenseits der Golan-Höhen abgefeuert werden.

Der Mythos vom begrenzten Krieg: der Zeitrahmen

Die israelischen Militärexperten vertrauen darauf,  ihre iranischen Ziele innerhalb weniger Tage wegfegen zu können – einige scheinen da an ein Wochenende denken -, und dies vielleicht ohne den Verlust auch nur eines einzigen Piloten. Sie hegen die Erwartung, dass der jüdische Staat seinen brillanten Sieg in den Straßen von Tel Aviv und Washington feiern wird. Ihr Überlegenheitsgefühl gaukelt ihnen da etwas vor. Iran hat nicht einen brutalen, ein knappes Jahrzehnt dauernden Krieg gegen die von den USA unterstützten irakischen Invasoren und ihre westlich-israelischen Militärberater geführt, bloß um dann eine begrenzte Zahl von israelischen Luftschlägen und Raketenangriffen untätig hinzunehmen. Iran ist eine junge, gut ausgebildete, mobilisierte Gesellschaft, die auf Millionen von Reservisten, Männern und Frauen aus dem gesamten politischen, ethnischen und religiösen Spektrum zurückgreifen kann, die zur Unterstützung ihrer angegriffenen Nation nur zu bereit sein werden. In einem Krieg zur Verteidigung des Heimatlandes verschwinden alle internen Differenzen, um dem unprovozierten israelisch-amerikanischen Angriff  zu begegnen, der ihre gesamte Zivilisation bedroht  –  ihre fünftausend Jahre alte Kultur und Tradition, wie auch ihre modernen wissenschaftlichen Errungenschaften und Einrichtungen. Die erste Welle amerikanisch-israelischer Angriffe wird zu heftiger Gegenwehr führen, die weder auf die ursprünglichen Konfliktgebiete begrenzt sein wird, noch wird ein solcher Akt israelischer Aggression beendet sein, wenn und falls Irans Nuklearforschungseinrichtungen zerstört sind und einige seiner Wissenschaftler, Techniker und hochspezialisierten Arbeitskräfte getötet wurden. Der Krieg wird sich zeitlich hinziehen und geographisch ausweiten.

Mehrere Konfliktherde

So wie jeder US-israelische Angriff auf Iran sehr viele unterschiedliche Ziele einbeziehen wird, wird auch das iranische Militär eine Fülle von leicht erreichbaren strategischen Zielen haben. Obwohl es schwierig ist, genau vorauszusagen, wo und wie Iran zurückschlagen wird, eine Sache ist klar: der anfängliche US-israelische Angriff wird nicht unbeantwortet bleiben.

Angesichts der israelisch-amerikanischen Überlegenheit bei Lang- und Mittelstreckenwaffen zur See und in der Luft, wird Iran vermutlich Ziele im Kurzstreckenbereich ins Visier nehmen. Diese würden die hochbewerteten US-Militäranlagen und Nachschublinien in angrenzenden Gebieten einschließen (Irak, Kuwait und Afghanistan) sowie israelische Ziele, die mit Raketen aus dem südlichen Libanon und möglicherweise aus Syrien angegriffen würden. Falls nur einige der iranischen Langstreckenraketen die vielgepriesene „Anti-Raketen-Kuppel“ des jüdischen Staates durchdringen würden, dürften israelische Bevölkerungszentren einen hohen Preis für die Leichfertigkeit und Arroganz ihrer Führung zahlen.

Der iranische Gegenschlag wird zu einer Eskalation durch die US-israelischen Streitkräfte führen, die ihren Luft- und Seekrieg auf das gesamte iranische Sicherheitssystem ausweiten werden – Militärbasen, Häfen, Kommunikationssysteme, Kommandoposten und Verwaltungszentren – viele in dicht besiedelten Städten. Iran seinerseits wird mit seinem bedeutendsten strategischen Aktivposten kontern: einer koordinierten Bodenoffensive der Revolutionsgarden im Verbund mit ihren Alliierten unter den irakisch-schiitischen Truppen gegen die (verbliebenen) US-Streitkräfte im Irak. Er wird Angriffe gegen US-Einrichtungen in Afghanistan und Pakistan mit dem wachsenden nationalistisch-islamischen bewaffneten Widerstand koordinieren.

Der anfängliche Konflikt, zunächst konzentriert auf sogenannte militärische Objekte (Forschungseinrichtungen) wird sich rasch auf ökonomische Ziele ausweiten, bzw. was US- und israelische Militärstrategen „duale zivil-militärische“ Ziele nennen. Eingeschlossen wären Ölfelder, Fernstraßen, Fabriken, Kommunikationsnetzwerke, Fernsehstationen, Wasserauf-bereitungsanlagen und -speicher, Kraftwerke und Verwaltungszentren, wie das Verteidigungsministerium und die Hauptquartiere der Revolutionsgarden. Iran würde angesichts der unmittelbar bevorstehenden Zerstörung seiner gesamten Wirtschaft und Infrastruktur (was im benachbarten Irak durch die unprovozierten US-Invasion von 2003 geschah) sich revanchieren mit der Blockade der Straße von Hormuz und mit Kurzstrecken-raketen auf die wichtigsten Ölfelder und Raffinerien der Golf-Staaten, einschließlich Kuwait und Saudi-Arabien – eine Distanz von gerade einmal 10 Minuten -, wodurch der Ölfluß nach Europa, Asien und den Vereinigten Staaten unterbrochen und die Weltirtschaft in eine tiefe Depression gestürzt würde.

Dabei sollte nicht übersehen werden, dass die Iraner sich vermutlich mehr als jeder andere in der Region der totalen Verwüstung bewusst sind, die die Iraker nach der US-Invasion erlitten, welche das Land ins totale Chaos stürzte sowie seine weit entwickelte Infrastruktur und den zivilen Verwaltungsapparat zerschlug, ganz zu schweigen von der systematischen Auslöschung seiner hochgebildeten wissenschaftlich-technischen Elite. Die durch den Mossad organisierten Morde an iranischen Wissenschaftlern, Akademikern und Ingenieuren sind nur der Vorgeschmack dessen, was die Israelis mit herausragenden iranischen Wissenschaftlern, Intellektuellen und exzellent ausgebildeten Technikern vorhaben. Die Iraner dürften sich keinerlei Illusionen über die Absicht der Amerikaner und Israelis machen, Iran ins brutale finstere Mittelalter Afghanistans und Iraks zurückzuwerfen. Es wird ihnen keine andere Rolle in einem zerstörten Iran zugestanden werden als ihren Kollegen im Irak nach Saddam.

Der US-General Mathis, der Oberkommandierende der US-Streitkräfte im Nahen Osten, dem Persischen Golf und Südwest-Asien, meinte, „ ein israelischer Erstschlag* hätte fatale Folgen für die gesamte Region und für die Vereinigten Staaten vor Ort“ (New York Times vom 19. 3. 2012). General Mathis’ Einschätzung der „fatalen Folgen“ berücksichtigt aller-dings nur die militärischen Verluste von vermutlich mehreren Hundert [amerikanischer] Soldaten auf Kriegsschiffen in Reichweite iranischer Raketen.

Die wahnwitzigste und ganz und gar selbstbezogene Einschätzung des Ergebnisses und der Konsequenzen eines israelischen Luftschlags gegen Iran kommt allerdings von höchsten israelischen Regierungsstellen, von Akademikern und Geheimdienstexperten, die eine Überlegenheit der Intelligenz, des Verteidigungssystems und den genauesten (wenn auch rassistischem) Einblick in die „iranische Denkweise“ für sich in Anspruch nehmen. Typisch ist hier der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak, der damit auftrumpft, dass jede denkbare iranische Vergeltung im schlimmsten Fall zu minimalen Verlusten in der israelischen Bevölkerung führen würde.

Die „Israel-zentrierte“ Vorstellung einer Neuordnung der Kräfteverhältnisse in der Region, die in führenden israelischen Militärkreisen vorherrscht, übersieht, dass der Krieg wahr-scheinlich nicht durch israelische Luftschläge und Raketenschutzschilde entschieden wird. Irans Raketen lassen sich nicht leicht abwehren, insbesondere wenn sie zu Hunderten pro Minute aus drei Richtungen – Iran, Libanon, Syrien und möglicherweise von iranischen U-Booten – kommen. Des weiteren wird der Kollaps der israelischen Ölimporte die hochgradig energieabhängige Wirtschaft des Landes zu Grunde richten. Und drittens werden Israels Hauptverbündete, vor allem die USA und Europa, im höchsten Maße durch die Verwicklung in Israels Krieg belastet werden, der dazu führt, dass sie die Straße von Hormuz, ihre Garnisonen in Irak und Afghanistan und ihre Ölfelder und Militärstützpunkte am Persischen Golf verteidigen müssen. Ein derartiger Konflikt könnte zum Aufstand der schiitischen Bevölkerungsmehrheit in Bahrain und in den strategisch wichtigen, ölreichen Provinzen Saudi-Arabiens führen. Der umfassende Krieg wird verheerende Auswirkungen auf den Ölpreis und die Weltwirtschaft haben. Er wird die Wut der Verbraucher und den Zorn der arbeitenden Bevölkerung überall hervorrufen, wenn Fabriken schließen und mächtige Schockwellen im so fragilen Finanzsystem in einer Weltwirtschaftskrise enden.

Israels pathologischer „Überlegenheitskomplex“ hat zur Folge, dass seine rassistischen Führer ihre eigenen intellektuellen, technischen und militärischen Fähigkeiten durchweg überschätzen, während sie das Wissen, die Fähigkeiten und den Mut ihrer regionalen islamischen (in diesem Fall iranischen) Gegner unterschätzen. Sie ignorieren Irans bewiesene Fähigkeit, einen langen, komplexen, an vielen Fronten geführten Verteidigungskrieg durchzustehen, sich von einem Erstschlag zu erholen, geeignete moderne Waffensysteme zu entwickeln und seinen Angreifern schwere Schäden zuzufügen. Zudem Iran wird den bedingungslosen und aktiven Rückhalt der muslimischen Bevölkerung weltweit haben, vielleicht auch die diplomatische Rückendeckung durch Russland und China, die einen Angriff auf Iran offenkundig als eine weitere Generalprobe zur  Eindämmung ihrer wachsenden Macht betrachten werden.

Fazit

Ein Krieg, insbesondere ein israelisch-amerikanischer Krieg gegen Iran ist unauflöslich verknüpft mit der asymmetrischen Beziehung zwischen den USA und Israel, die jede kritische militärische und politische Analyse in den Vereinigten Staaten ins Abseits drängt und zensiert. Da die Vertreter von Israels zionistischer Machtkbasis in den USA gegenwärtig die US-Militärmacht zur Unterstützung von Israels Streben nach regionaler Dominanz einspannen können, fühlen sich die politischen Führer und die meisten Militärs in Israel frei, sich in die gewagtesten destruktiven militärischen Abenteuer zu stürzen in der felsenfesten Überzeu-gung, dass sie sich von Anfang an und bis zum Schluß auf die USA verlassen können, die sie mit amerikanischem Blut und Geld unterstützen werden. Aber angesichts dieser grotesken [amerikanischen] Willfährigkeit gegenüber einem rassistischen, isolierten Land – wer wird den Vereinigten Staaten zu Hilfe eilen? Wer wird die Versenkung ihrer Schiffe im Persischen Golf und den Tod und die Verstümmelung von Hunderten seiner Matrosen und Tausenden seiner Soldaten verhindern? Und wo werden die Israelis und die Zionisten sein, wenn Irak von iranischen Elitetruppen und ihren irakisch-schiitischen Bundesgenossen überrannt wird und es zu einem allgemeinen Aufstand in Afghanistan kommt?

Die selbstbezogenen israelischen Politiker übersehen den wahrscheinlichen Kollaps der Weltölversorgung als Folge ihres geplanten Krieges gegen Iran. Realisieren ihre zionistischen Agenten in den USA, dass  – nachdem die USA in Israels Krieg hineingezogen wurden – die iranische Nation gezwungen sein wird, die Ölfelder am Persischen Golf in Flammen zu setzen?

Wie billig ist es geworden, in den USA „einen Krieg zu kaufen“? Für ein paar Millionen Dollar Wahlkampfunterstützung korrupter Politiker und aufgrund der wohlüberlegten Unter-wanderung der Kriegsmaschinerie der US-Regierung durch „Israel zuerst“-Agenten, -Akademiker und –Politiker und wegen der moralischen Feigheit und Selbstzensur führender Kritiker, Publizisten und Journalisten, die sich weigern, Israel und seine Agenten als die ausschlaggebenden Entscheidungsträger in der Nahost-Politik unseres Landes zu benennen, steuern wir geradewegs auf einen Krieg weit jenseits jeden regionalen militärischen Flächenbrands zu, auf  den Zusammenbruch der Weltwirtschaft und die brutale Verarmung von Hunderten von Millionen Menschen in Nord und Süd, in Ost und West.

* General Mathis verwendet hier – genau wie Günter Grass in seinem Gedicht „Was gesagt werden muss“ – den Begriff „Erstschlag“ (first strike) in einem nicht-nuklearen Sinne!

 

Übersetzt von Jürgen Jung

Lektoriert von Eckhard Lenner

Englisches Original unter:

http://mycatbirdseat.com/2012/04/us-israel-war-on-iran-the-myth-of-limited-warfare/general-mattis-afp-94-3/

James Petras (* 17. Januar 1937 in Boston, Massachusetts) ist ein emeritierter Professor für Soziologie der Saint Mary’s University in Halifax (Nova Scotia), Kanada. Er publiziert über politische Fragen Lateinamerikas und des Mittleren Ostens. Petras promovierte an der University of California in Berkeley. 1972 trat er in das Soziologie-Department der Binghamton University (New York) ein. 1982–1984 war er Direktor des Instituts für mediterrane Studien in Athen. Petras ist Autor von 62 Büchern, die in 29 Sprachen, übersetzt wurden, sowie von 600 Fachartikeln und 2000 Presseartikeln und beschreibt sich selbst als „revolutionären und anti-imperialistischen Aktivisten und Autor“. Er arbeitete für die brasilianische Landlosen-Bewegung MST und war 1973-76 Mitglied des Russell-Tribunals zu Repression in Latin America.

SALAM SHALOM  Arbeitskreis Palästina-Israel e.V.

www.salamshalom-ev.de       salamshalom.ak@googlemail.com

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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