Lieber Barlo, Du 30 Jahre Tenever, und viele sagen doch Barlo for ever, naja, weiß ich nicht, ob das auf Englisch ging, aber gut, Tenever ist ungefähr so groß wie China im Vergleich zu Japan , wenn man Bremen-Osterholz-Tenever mit dem Hanauer Brennpunkt „Lamboy-Tümpelgarten“ vergleicht, in dem ich von 1974 bis 2006/7 gearbeitet habe, auch zum großen Teil während meiner 13 Jahre Berufsverbot – als Streetworker, Bewährungshelfer, Sozial- &Jugendarbeiter, Erwachsenenbildner, Drogenberater, Nachbarschaftshelfer, Nachhilfelehrer, pädagogisch-psychologischer Berater und Schulpfadfinder, Gewerkschafter und Obmann, Kinderchorleiter, Grundschullehrer für Alles, Zirkus-Lehrer, Betreuer von „Beruflich Reisenden“ – klar, auch Kommunalpolitiker, na ja, bei mir waren von den 32 Jahren die Häfte komplett ehrenamtlich, nebenberuflich und die andere Hälfte hauptberuflich und über einen internet-HilfeRuf zur Rettung des Projektes „Lamboy-Kids“ mit Spenden, weil sie uns den Saft abdrehten, trotz Ehrenmitgliedschaft in der Menhuin-Stiftung … haben wir uns erst kennen gelernt.
Dich möchte ich gerne einladen zum Linken Liedersommer auf der Burg Waldeck, zu meinem WorkShop zum Brainstorming über Jugend-Kultur-Arbeit, generationsübergreifend, ethnien- und religionsübergreifend, wie wir sie beide über 30 Jahre geleistet haben.. Wir müssen es organisieren, dass die Youngsters unsere ArbeitsGreise auffrischen, neudenken und füllen mit ihren Wünschen und Zielen und Sehnsüchten und Gefühlen, ihren lebensnotwendigen gemeinsamen Forderungen – die Eingeborenen zusammen mit ImmigrantINNen. Lieber Barlow, komm auf die Burg Waldeck am 19.-21. Juni 2015. Ich freu mich auf Deine Beiträge, Vorschläge
Dein HaBE
den folgenden Beitrag habe ich bei den BREMER LINKEn geklaut. Ich hoffe, dass mir jetzt der Mark Seibert nicht wieder ne Abmahnung schickt. An seinen Abmahnungen habe ich heute noch über 5.000 € abzubezahlen…
Joachim „Barlo“ Barloschky feierte am 22. Juni im großen OTe-Saal im OTe-Zentrum mit zeitweise bis zu 600 Gästen sein großes, buntes, fröhliches und allen zu Herzen gehendes Abschliedsfest. Nach 30 Jahren Quartiersmanagement in Tenever. Eigentlich waren die vielen Gäste eingeladen zur „außerordentlichen 177. Sitzung der Stadtteilgruppe Tenever“. „Bloß keine Geschenke!“ stand auf der Einladung. Aber die Kinder und ihre Eltern (und Barlo) würden sich freuen über eine Spende an den „Arbeitskreis Tenever“. Bloß keine falsche Förmlichkeit und Feierlichkeit, das hatte sich der scheidende Quartiersmanager für das, was dann ein großes Fest wurde, gewünscht.
Was werde ihm fehlen, später, in den Zeiten des Ruhestands? „Es werden die Kinder sein“, sagte er, „die vielen, die bunten, die unschuldigen Kinder, für die wir eigentlich da sind, um ihnen eine tolle Zukunft zu ermöglichen, mit viel Liebe und mit der Forderung nach besseren gesellschaftlichen Bedingungen. Es werden die Jugendlichen sein (eine Gruppe hatte gerade vor seiner Rede eine Tanznummer gebracht), nicht, weil ihr hier so toll getanzt habt, sondern weil ihr unsere Zukunft seid, weil ihr viele seid, weil ihr bunt seid. Und es gefällt mir so, dass ihr wie Brüder und Schwestern miteinander auskommt – meistens jedenfalls. Das ist einfach große Klasse.“ Und mit lauter Stimme: „Vergesst nie das Grundrecht der Jugend auf Rebellion und auf Parties – yeah -, nehmt euch die griechischen und die spanischen Jugendlichen zum Vorbild. Es gibt leider genügend Gründe, sich zu empören. Ihr braucht Arbeit, ihr braucht Ausbildung, gute Schulen, Kultur und Teilhabe am Leben. Dafür muss man sich engagieren und muss man kämpfen, muss man sich solidarisch einsetzen. Also nutzt das Recht zur Rebellion und vergesst nicht die Parties. Ich wünsche euch das!“ (großer Jubel und Beifall im Saal)
Barlo bedankte sich bei allen Nachbarinnen und Nachbarn, bei allen Akteuren und Charakteren aus der gemeinsamen Arbeit in der nun bald legendären „Stadtteilgruppe Tenever“ und bei allen, die ihn in Politik und Verwaltung unterstützt hätten bei seiner Arbeit in den letzten Jahren. „Dass wir es geschafft haben, aus einer schedderigen, von sozial schwachen Eigentümern heruntergewirtschafteten, zu einem Teil schon leer stehenden und überhaupt sozusagen runtergekommenen Quartier … dass daraus jetzt ein ganz normales internationales Dorf geworden ist. Wo man sich wohl fühlen kann, wo man sich nicht schämt, wenn man mal Besuch kriegt, wo man zusammenhält, wo man gemeinsam lebt, wo man Feste feiert und wo man, wenn es Stress gibt, in die Stadtteilgruppensitzung kommen kann… das ist unglaublich!“
In seiner nun 30-jährigen Amtszeit hat Barlo schon viele Ehrentitel in Tenever erhalten. Dieses Mal kam ein neuer dazu: Barlo ist jetzt auch der „Che“. Es war der Vertreter der Gewoba, immer noch im öffentlichen Eigentum und immer noch nicht privatisiert, der ihn verlieh. Überhaupt war die Veranstaltung sehr politisch. Es gab Arbeiterlieder und in den Reden politische Anspielungen en masse. Sogar der Bürgermeister, Jens Böhrnsen, konnte nicht umhin, an die Zeit der 68er und an die Zeit der Revolten und der großen Politisierung zu erinnern. Ansonsten war der Bürgermeister freundlich, locker, teilte viel Lob aus und gratulierte Barlo von ganzem Herzen. Aber auf die sozialen Grausamkeiten, die der neue Koalitionsvertrag des Senats gerade für die hier so fröhlich feiernden Bewohner dieses Stadtteils mit sich bringen wird – darauf ging er nicht ein. Es wäre wohl nicht gut für die gute Stimmung im Saal gewesen!
Barlo erinnerte auch an Murat Kurnaz, der dafür bestraft worden war, dass er sich am falschen Ort zu einem falschen Zeitpunkt befunden und darüber fünf Jahre seiner Jugend verloren hätte. Die Bundesregierung und der Bremer Innensenator hätten daran ihren aktiven Anteil gehabt. Als Murat Kurnaz aber dann endlich zurückkam, dann hätten sie es hier in Tenever geschafft, ihn in der Projektgruppe und im Mütterzentrum über eine Beschäftigung wieder in die Arbeitslosen- und Sozialversicherung und überhaupt zurück in die Gesellschaft zu holen, aus der er quasi verstoßen worden war. Barlo: „Jetzt ist er wieder ein normaler integraler Bestandteil unseres Lebens in Bremen mit Frau und Kind. Es geht ihm gut und ich soll schön grüßen! Und die Bildzeitung und erst recht die vielen Anonymen, die geschrieben hätten, wir seien Terroristenunterstützer, Schweinebacken und wer weiß was sonst noch alles, die sollen sich schämen!“ (großer herzlicher Beifall)
Cindi Tuncel, der mit dem höchsten Stimmenanteil der LINKEN (über 10%!) in Tenever frisch gewählte neue Bürgerschaftsabgeordnete, hielt die Abschiedsrede, was sich Barlo gewünscht hatte. Angefangen hatte er nach seinem Studium als einer der vielen Praktikanten, die ihr Anerkennungsjahr in Tenever gemacht haben. Er wolle sich in der Bürgerschaft mit aller Kraft einsetzen für die Leute, die ihn hier so sehr unterstützt und gewählt haben. Und wenn die Parlamentsarbeit nicht immer erfolgreich sei, dann müsse eben der außerparlamtarische Kampf geführt werden. Im Wahlkampf hätte die K-Frage, die Kommunismus-Frage, ja eine große Rolle gespielt. Cindi Tuncel, so erklärte er, wäre kein Kommunist, er wäre natürlich auch kein Kapitalist. Er wäre „Barloist“. (Beifall) (Siehe auch das Interview „Der Überraschungsgewinner“ mit Cindi Tuncel hier)
Barbara Matuschewski, über lange Jahre zuständig für die Pressearbeit und für die Homepage des Quartiersmanagements www.bremen-tenever.de, wurde in die Lobeshymne auf die vielen Helfer und Unterstützer eingeschlossen. Sie wäre auch nach ihrem Ruhestand aktiv geblieben und hätte ihn unentgeltlich weiter unterstützt.
Jörn Hermening, der jetzige Quartiersmanager in Hemelingen, soll Barlos Nachfolger werden. Auch er war schon im Anerkennungsjahr bei Barlo. Ihm wurde mit großer Geste der Schlüssel für das Büro übergeben, dazu ein Geschenk mit vielen Namen und Adressen und der Gesamtausgabe von Bert Brecht. Dann, wenn es mal schwer werde, dann solle das eine gute Grundlage sein.
Es wurden noch viele Namen genannt an diesem Nachmittag, und viele Gruppen bedankten sich auf ihre Weise mit viel Musik, Theater, Sketchen, Tanz- und Hip Hop-Einlagen. Es war ein großer Nachmittag, mit viel Herzlichkeit, Fröhlichkeit, guter Laune und immer wieder mit viel Beifall, zum Schluss mit standing ovations für den Quartiersmanager, der seinen Abschied feierte. Und der doch nur die „außerordentliche 177. Sitzung der Stadtteilgruppe Tenever“ sein sollte.
Was wird Barlo machen in seinem (Un-)Ruhestand? Er hat sich schon beworben beim „Kinderhafen Tenever“, dem Familien- und Kinderzentrum, und will dort einen oder einen halben Tag in der Woche ehrenamtlich ein bißchen helfen. Er wüsste nur noch nicht, ob er sich mehr in der Puppenecke bei den Mädchen oder in der Fußball AG bei den Jungen aufhalten solle. Wahrscheinlich beides.
Was war hier in diesem jetzt so schönen Stadtteil Tenever eigentlich in den letzten Jahren passiert? Zur Erinnerung: Hier war in den 70er Jahren im Beton-brutal-Stil der damaligen Zeit am Stadtrand eine „hochverdichtete Siedlung“ mit 4.600 Wohnungen geplant und mit 2.600 Wohnungen für 7.700 Bewohner realisiert worden. „Klein Manhattan“ wurde es genannt. Die zunehmende Spaltung der Städte in arme und reiche Stadtteile traf Tenever besonders hart, was innerhalb weniger Jahre in eine „urbane Katastrophe“ führte. Auf dem Tiefpunkt, wo der Leerstand 65% betrug, wohnten hier fast nur Transferbezieher. Die Bürgerzeitung schlechthin, die Frankfurter Allgemeine, kommentierte in einem Artikel am 24.10.2010 die Lage schließlich so: „Angezogen am Ende fühlten sich irgendwann nur noch Fernsehproduzenten, die in dem ‚Getto‘ eine geeignete Kulisse für ihre Krimiserien sahen.“ Dann passierte das „Wunder von Tenever“, das heute an moderner Urbanität interessierte Besucher aus aller Welt anzieht. Es wurde rückgebaut, es wurden 930 Wohnungen abgerissen, 640 auf Neubaustand modernisiert; dazu neue Grünflächen, Spielplätze und viel Licht und Glas in den verbliebenen Großsiedlungen. Heute gibt es keinen Leerstand mehr, im Gegenteil, die Wartelisten sind lang, Tenever ist ein begehrter Stadtteil und es wird schon bedauert, dass seinerzeit zu viele Wohnungen abgerissen worden wären.
Die bauliche Sanierung war das eine. Ein unglaublicher Prozess der Teilhabe, Mitbestimmung, des Engagements und der Basisdemokratie in der „Stadtteilgruppe Tenever“ war das andere. Joachim Barloschky war die Lokomotive in diesem Prozess. Und wohl deshalb wollten so viele bei seinem Abschiedsfest dabei sein.
Sönke Hundt
Lamboy-Kids in Concert beim Kongress „schule kreativ 2000“ von Hartmut Barth-Engelbart auf Vimeo.
Lamboy-Kids in Concert von Hartmut Barth-Engelbart auf Vimeo.
Thomas Reuters Interview mit Hartmut Barth-Engelbart
(TR war damals Musikalischer Leiter der Bad Vilbeler Burgfestspiele, HaBEs Wunschkandidat für die Fortführung der „Lamboy-Kids“, Gitarrist und Front-Man bei diversen Formationen. Das Interview war Bestandteil seiner Diplomarbeit.)
Du hast vorher in verschiedenen Berufen gearbeitet. Wie kamst du dazu
Grundschullehrer zu werden?
Das ist relativ kompliziert. Ich habe verschiedene Sachen durchlaufen. Ich war vorher Reserveoffiziersanwärter. Da habe ich auch schon Ausbildungstätigkeiten machen müssen. Nachdem ich den Kriegsdienst verweigert habe, wurde ich zwangsweise zum Ausbilder für Unteroffiziere, die sich auf ihre Stabsfeldwebelprüfung vorbereiten mussten. Das war meine erste Lehrtätigkeit. Ansonsten war der Entschluss Lehrer zu werden schon relativ früh da. Zunächst wollte ich Journalist werden, das ich wegen eines Berufsunfalls nicht werden konnte und habe dann angefangen mit einem Pädagogikstudium, Psychologie, Philosophie, Ethnologie, Germanistik. Es war möglich damals, ganz viel zu machen, weil es selbstorganisierte Studiengänge, in studentischer Selbstverwaltung zum Teil waren. Ich habe ein Doktorantenstudium bei Heydorn abgebrochen nach vier Semestern. Ich habe bei Mollenhauer studiert, bei Heydorn, Koneffke, bei Jui und bei Professor Dr. Meyer später. Ich habe nach vier Semestern meine Unikarriere, also im Forschungsbereich mir aus dem Kopf geschlagen und wollte in die Praxis, mit Kindern arbeiten. Deswegen bin ich in einen praxisbezogenen Studiengang, den ich auch unter Prof. Dr. Meyer zum Teil mitentwickelt habe, direkt in die Grundschule gegangen, im Zug der Aktion „kleine Klasse“ in Frankfurt.
Es gab auch große Demonstrationen und ich war vorne mit dabei, wie immer. Dann bin ich mit einem Lehrauftrag, zwischen 6 und 12 Stunden schwankend, in die Grundschule am Biedenkopfer Weg in Frankfurt gegangen. Das war eine integrative Klasse mit 21 Kindern.
Welche Fächer außer Musik, hast du an der Gebeschusschule gelehrt?
Es gibt eigentlich nichts, was ich nicht gelehrt habe. Ich habe Sport gemacht, solange dies mit meiner Behinderung noch möglich war bis 1997. Entscheidend warum ich alles gemacht habe ist, weil die Musik, die ich mache und den Musikunterricht den ichgegeben habe, der integriert zum großen Teil sportliche Elemente, Polytechnik, Deutsch, Mathematik, Ethik. Es kommen alle Geschichten darin vor: Wir haben hier bis zu 15 Religionen vertreten. Diese Fragen kommen auch in die Textgestaltung, in die Gespräche, in die Lieder, die wir machen, Musikstücke usw., das ist alles mit drin.
Deswegen war es wichtig, das ich querbeet, ich war auch Religionslehrer nebenbei ohne in der Kirche zu sein, tätig war. Das ist alles ist mit eingeflossen in diesen Musikunterricht. Polytechnik, bildende Kunst, Sport, Mathematik, frühenglisch, das geht alles..
Hat das Fach Musik dabei eine zentrale Stellung eingenommen in Verbindung zuden anderen Fächern?
Ich meine dass die Musik, ähnlich, wie die bildende Kunst, bei den Kindern
bewusstseinsbildende Schichten erreicht, die durch andere Fächer, so trocken wie sie vermittelt werden in der Regel, ich will da jetzt keinem anderen Kollegen ans Bein pinkeln, nicht erreichen. Das schafft Musik spielend. Entscheidend ist, das die Kinder spielend an sich selbst herankommen, sich selbst entdecken, ihre Potenzen entdecken und zwar ohne Sanktionen. Es muss ein sanktionsfreier Raum sein. Sie müssen sich, wenn überhaupt selbst sanktionieren. Sie müssen selbst erfahren, das kann ich, das ist schön, das ist nicht schön, das gefällt mir. Sie müssen eigene Strukturen und eigene
Kriterien entwickeln und dann können sie solche Leistungen, die sie nachher
sanktionsfrei im musikalischen Raum entwickelt haben, relativ problemlos auf andere Leistungsbereiche in Deutsch, Mathematik, Sport, egal, übertragen. Es gibt wahnsinnige Transferpotenzen.
Wie hast du die verschiedenen Fächer miteinander verknüpft?
Ich habe immer fächerübergreifenden Unterricht gemacht. Wir waren ja hier eine Modellschule für einen neuen Schulanfang. Wir haben jahrgangs-übergreifend gearbeitet, offenen Unterricht gemacht. Die Türen standen eigentlich immer auf. Wir sind von Klasse zu Klasse gependelt. Die Kinder haben auch von Klasse zu Klasse pendeln können. Je nach Anforderungsprofil haben sie sich bei anderen Klassen angedockt in bestimmten Unterrichts-bereichen. Das ging sehr gut. Ich habe immer die Elemente aus anderen Unterrichtsbereichen in den Musikunterricht integriert und ich habe auch aus
dem Musikunterricht wesentliche Elemente in den anderen Unterricht integriert. Ich habe z.B. in Deutsch oder Mathe, Musik gemacht. Was ganz bestimmte Symmetrien betrifft, Rechenoperationen oder Zähloperationen im Hunderter Raum, das waren alles Takt halten, Rythmusgefühl, abstrahierendes Denken etc., die vom Medium her miteinander verbunden sind, die aber auch, was ich mittlerweile weiß, in der Neurophysiologie und Neuropsychologie ganz klar miteinander Verschränkungen haben. Mathematik und Musik.
Gute Musiker sind meistens auch ausgezeichnete Mathematiker und oft ist es
auch umgekehrt so. Das ist ein Erfahrungswert, der ist mittlerweile nicht nur empirisch nachgewiesen, sondern de facto auch durch die Neurophysiologie.
Welches sind deine künstlerischen Vorbilder oder Leitideen?
Gibt es eigentlich wenig. Es gibt ein paar Musiker oder Wissenschaftler, die ich während meiner Arbeit kennen gelernt habe. Das sind der Professor Bastian und der Karl Adamek. Die sind schon ein bisschen Brüder im Geiste, oder wie man so sagen kann. Ich habe eigentlich wenig Vorbilder. Es gibt noch den Frederick Vahle. Den finde ich als Kinderliedermacher und als Pädagogen relativ fit, seine ehemalige Partnerin ebenfalls.
Je mehr ich jetzt von deiner Arbeit höre, merke ich, das ich auch sehr nahe an John Cage bin. Wobei er ganz gewisse akademische Ausdehnungen hat, die ich so nicht mit vollziehe. Aber in wesentlichen Bereichen stimme ich mit ihm überein. Finde ich auch phantastisch was er macht. Er nimmt das vorfindliche Material. In so fern ist John Cage für mich ein brother in soul, das heißt, ich arbeite gerne mit dem, was ich vorfinde. Ich finde Kinder vor, ich suche auch Kinder, aber ich finde Kinder vor und muss mit den Kindern arbeiten, die zu mir kommen und mit mir zusammen arbeiten wollen. Ich mache mit dem Material Musik, das ich vorfinde. Ich gehe auf Schrottplätze oder die Kinder kommen zu mir und bringen mir ganz bestimmte Sachen und sagen Barth-Engelbart, das
kannst du bestimmt gebrauchen, da können wir bestimmt Musik mit machen. Sie bringen mir z.B. einen Grill aus dem Herd und sagen, das macht ganz klasse Musik. Sie machen Transferleistungen und machen plötzlich mit den vorfindlichen Geschichten kreativ Produkte und Leistungen und ganz schöne Sachen, Musikstücke. Wenn sie mir kaputte Fahrräder bringen und sagen, die machen wir in der Fahrradwerkstatt wieder ganz, dann ist es genauso, wie wenn sie mir ein Stück Eisen bringen und sagen, das macht Musik.
Nehmen wir das zum nächsten Musikstück, wunderbar.
Das ist eine idealtypische Geschichte, das erlebe ich fast jeden Tag und wenn ich das alles nehmen würde, hätte ich die Bude voll und könnte keine Kinder mehr mit rein nehmen.
Was verstehst du unter dem Begriff kulturelle Bildung?
Das ist ein ganz hoher Begriff. Kulturelle Bildung ist, wenn die Kinder in der Lage sind, auf der Grundlage ihrer gut verstandenen und gut gelernten Muttersprache differenziert zu denken und differenziert sich ausdrücken, sprachlich, auch musikalisch, bildnerisch etc. Wenn sie dazu in der Lage sind, dann sind sie auch in der Lage sich selbst auch kulturell zu bilden, weiter zu bilden, das heißt, sie brauchen einen kulturell gesicherten Grundsockel. Sie müssen eine möglichst wenig gebrochene Entwicklung in ihrer Muttersprache und in ihrer Herkunftskultur mitgekriegt haben. Wenn dieser Sockel bejaht
ist, ist es mir egal, ob jemand aus dem hohen Vogelsberg oder aus dem Spessart
kommt. Wenn dieser Spessartbub oder das Spessartmädchen im Dialekt eine gute Entwicklung, in einer angenehmen Umgebung, die kann sehr rauh aber intakt sein, erfährt, dann ist dieses Kind, wenn man ihren Spessartdialekt nicht diszipliniert und nicht sanktioniert, in der Lage jede Fremdsprache zu lernen und sie differenziert zu beherrschen, weil sie in der Lage ist, ihren Spessartdialekt differenziert anzuwenden und darin auch zu denken. Spessartdialekt ist eine Muttersprache, Hochdeutsch ist eine Fremdsprache und wer den Dialekt beherrscht, kann auch lernen, das Hochdeutsch differenziert zu nutzen. Ich muss dazu sagen, das, das Hochdeutsch ein kastrierter Dialekt ist oder eine kastrierte Dialektmischung, weil ganz viele wesentliche Differenzierungspotenzen der eigentlichen Mutterdialekte oder Muttersprachen im Hochdeutschen weggesäubert wurden. Das ist eine gesäuberte Sprache. Deswegen muss man die hochdeutsche Sprache beleben und die Belebung der Sprache geschieht dadurch, das Kinder in ihrer Muttersprache gelernt haben differenziert zu fühlen und zu denken und sich selbst zu erfahren und wenn sie das übertragen auf die deutsche Hochsprache, dann sind sie in der Lage, diese tote Sprache zu beleben.
Welche Formen von Projektarbeit gibt es, z.B. in Kooperationen mit anderen
Lehrern oder sonstigen Personen?
Es gibt eine ganze Reihe. Die Gebeschus-Schule ist dafür bekannt, das sie jedes Projekt oder Pilotprojekt mitmacht. Wir haben die Fahrradwerkstatt, wir haben eine Theater AG gehabt, wir haben die Lernwerkstatt. Im Moment ist es etwas enger, weil die Wolfsgesetze herrschen ( Anm. hessische Kultusministerin ). Es wird auf den sogenannten Kernunterricht etwas abgehoben und die sogenannten Randbereiche werden ausgedünnt. Da gibt es kein Geld mehr und keine Stellen mehr dafür. Da muss man zusehen, dass man das irgendwie unter der Hand trotzdem weiterführt, weil man weiß, das diese Randbereiche gar keine Randbereiche sind, sondern, die sind die eigentlichen Kernbereiche. Das was ich vorhin zur Musik gesagt habe und zur Herausbildung des eigenen bewussten Ichs und des Unbewussten, das findet in der Musik statt, jedenfalls wesentlich mehr als in der furztrockenen Mathematik. Wenn diese zentralen Bereiche gerade in der Grundschule, mal abgesehen von Kindergarten oder
Kinderkrippe, weggestrichen werden, ist das im Grunde genommen geplante oder organisierte Körperverletzung. Alle Projekte, die wir gemacht haben, wären nie möglich gewesen ohne eine sehr warme Unterstützung aus dem Lehrerkollegium und von der Schulleitung, die erkannt hat, welchen Stellenwert so eine Arbeit hat und durch die Akzeptanz bei den Eltern. Die haben sehr schnell gemerkt, wie sich diese Musikarbeit auf das Verhalten und die Entwicklung ihrer Kinder auswirkt. Da gibt es ganz viel positives Feedback, bis hin zu, das die ersten Enkel jetzt schon wieder in die Musiksphäre geschickt werden, beginnend bei den Lamboykids.
Kann ein Lehrer in der heutigen Zeit nach den im Lehrplan vorgegeben Richtlinien, den Schülern überhaupt noch eine Orientierungsgrundlage geben, oder sind die Lehrer überfordert? Was sollte sich ändern?
Die Lehrer sind insofern überfordert, als von der offiziellen Kultus- und Schulpolitik nicht das gemacht wird, was dringend notwendig ist und was seid Pisa die Spatzen von allen Dächern pfeifen. Die Lerngruppen müssten normalerweise gesenkt werden auf maximal 25, idealer weise unter 20 Schüler. Dann könnten Kinder im Unterricht auch die Chance haben ausreichend zu Wort zu kommen, das heißt sich zu äußern und in der Äußerung sich selbst zu erfahren und auch den eigenen Lernstand demonstrieren zu können, praktizieren zu können und praktisch unter Beweis zu stellen. Die Zeit, die, die Lehrer für die Kinder haben wird immer weiter reduziert und dies führt zu Überforderung. Die Kinder brauchen mehr Zeit von Erwachsenen, an denen sie sich orientieren können, mit denen und von denen sie lernen können. Wir brauchen wesentlich mehr Lehrer und die Möglichkeit für Lehrer sich weiter zu qualifizieren, um überhaupt ihre eigenen Qualitäten in der Schule richtig anbringen zu können.
Was hältst du von dem Vorwurf, Lehrer sind ausgebildete Fachidioten?
Es gibt die schon und nicht zu wenig, aber wenn man ihnen die Möglichkeit gibt in den vernachlässigten sogenannten Randbereichen sich etwas aktivieren zu können – , es ist nicht umsonst so, wenn wir Konzerte machen mit den Lamboykids, hinterher ganz viele Lehrerinnen und Lehrer kommen und sagen, Mensch das ist toll, das würden wir auch ganz gerne machen können. Die Schule ist zum Teil, wie sie jetzt organisiert ist, eine Institution zur Verhinderung von Lernen. Ich meine selbst organisiertes Lernen, lustvolles
Lernen, Spaß haben am Lernen, Spaß bei der Arbeit haben oder mit der Arbeit
rumspaßen usw. Da werden Fachidioten daraus gemacht. Wenn man Lehrer andauernd daran hindert, das zu tun was eigentlich sinnvoll und schön ist, dann verkümmern die auch. So kümmerlich werden letztendlich auch ihre Kinder, die sie erziehen. Das ist ein Weitergeben und so ähnlich, wie bei Sklavenhaltergesellschaften. Die Eunuchen kastrieren ihre Nachfolger oder so ähnlich.
Glaubst du, das es in der heutigen Zeit notwendig ist, infolge einer zunehmenden Pluralisierung und auch Individualisierung unserer Gesellschaft, mehr Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen in die Schulen zu holen?
Was hältst du z.B. von Schulsozialarbeit und sollte diese an jeder Schule integriert sein?
Es muss möglicherweise sozialpädagogischer und sozialarbeiterischer,
psychotherapeutischer, psychoanalytischer Sachverstand an die Schulen kommen. In welcher Form ist zunächst einmal egal. Ich bin eher gegen so eine Arbeitsteilung. Ich wäre eher dafür, das nicht so spezifiziert immer abgegeben wird, das ist ein Fall für den Schulpsychologen, das ist ein Fall für den Sozialarbeiter, für die Krankenschwester, für den Gefängniswärter, für die nächste Polizeistreife. Wir müssten im Grunde Möglichkeiten haben als Lehrerinnen und Lehrer, soviel Potenzen freizusetzen oder freigesetzt bekommen, wo wir uns diese Qualifikationen selbst erarbeiten können ohne
unter Stress zu geraten. Ich glaube, das diese nachgefragten Qualifikationen eigentlich schon vorhanden sind. Die werden bloß nicht genutzt, nicht weiter entwickelt, nicht gepflegt und kommen nicht zum Einsatz. Ansonsten, Fortbildung wunderbar und während der Arbeitszeit gerne. Wir brauchen wesentlich mehr gegenseitige Vertretungsoptionen, damit man sich gegenseitig auch freistellen kann aus dem täglichen Geschäft, um sich weiter zu bilden bzw. auch mit der Arbeit, geht auch, wenn die nicht total stressbeladen ist.
Welche Fortbildungsmöglichkeiten gibt es für Lehrer und was müsste verbessert
werden?
Das habe ich vorwegahnend fast beantwortet. Die Fortbildungsgeschichten müssten in die Schulen eingelagert werden. Es müsste während der Arbeitszeit passieren und nicht das schon wieder Zusatztermine sind und man eh schon belastet ist.
Daher integrierte Fortbildungen in den Schulen, ohne das die außerschulische
Fortbildung verboten würde. Man kann an der Städelschule eine Fortbildung in Kunst machen oder an der Musikhochschule einen Intensivkurs belegen, wie auch immer, aber das muss mit Freistellung passieren, bei Fortzahlung des Gehaltes und nicht immer auf eigene Kasse. Sonst wirst du nämlich zwei verschiedene Klassen von Lehrer haben. Die erste Klasse ist die, wo z.B. der Ehemann soviel verdient, das die Frau auch noch unbezahlt Fortbildung machen kann und dann gibt es Andere, die haben keinen reichen
Ehesponsor und die können die Fortbildung nicht bezahlen. So läuft es. Das ist immer eine Geldfrage.
Welche schulischen Gesetze sind deiner Meinung nach reformbedürftig?
Ich habe auf die herrschenden Schulgesetze nicht einen Eid geleistet. Ich habe nur die Verschlechterungen zum Teil wahrgenommen. Es gibt einen eklatanten Abbau von Mitbestimmung der Kollegen und Kolleginnen in den Schulen. Es gibt eine dramatische Verlagerung von Arbeitgeberfunktionen in die Kollegien hinein. Die Schulleitungen werden im Grunde genommen Betriebsleiter und die Schulen werden betriebswirtschaftlich gerechnet, wie die Zulieferindustrie für die Automobilbranche. Aber, wir beliefern hier keine Rohlinge, die man als Ausschuss dann mal irgendwann wieder verwerten kann, sondern wir arbeiten mit Kindern und Menschen. Da gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen Automobilen und Menschen.
Worin liegen deiner Meinung nach die Gründe, das Musikunterricht immer mehr
abgebaut wird?
Es gibt zwei Tendenzen. Erstens, in den staatlichen Schulen wird sich immer mehr von den Peripherbereichen verabschiedet. Theater ist Luxus und Musik kann man irgendwo in einer Eliteschule machen. Ein bisschen zeigt her eure Hände, zeigt her eure Schuhe, ein bisschen tralala, das reicht dann. Das reicht eben nicht. Wenn die Leute die Ergebnisse von Pisa oder die Ergebnisse aus der Neurophysiologie oder Neuropsychologie kapiert hätten, dann wüssten sie was Musik heißt. Ich gehe mal davon aus, das, das Kultusministerium und ihre zuarbeitenden Fachkräfte wissen was sie tun. Sie haben ja auch studiert und können Leute kennen, die wissen könnten, was die Wissenschaft mittlerweile alles rausgekriegt hat. Wenn dem der Fall ist, dann würde ich sagen, das Streichen der Musikunterrichtsversorgung in den Grundschulen, in den
Haupt-, Real- und Gymnasialen Bereichen ist organisiertes Verbrechen. Um die
Potenzen der Kinder zu entwickeln braucht man dringend in den Kernbereichen Musik. Wenn man das bewusst streicht, wegrationalisiert, wider besseres Wissen, denn ich gehe mal davon aus, das in Wiesbaden oder Berlin keine Stümper sitzen, dann ist das kriminell. Es zeitigt Spätfolgen, körperliche Folgen und es ist nachweisbar, das ganz bestimmte Bereiche im Gehirn nicht entwickelt werden, weil Musik gestrichen wird und Teilvernarbungen in der Hirnrinde hinterlassen werden. Da sollten sich die Herrschaften mit der Uni in Hannover mit der neurophysiologischen Abteilung in Verbindung setzen und kundig machen, dann wissen sie was das bedeutet.
Welchen Stellenwert hat in deiner Sichtweise das Fach Musik in der Schule?
Es hat mindestens einen gleich hohen Stellenwert, wie Kunst, Mathe, Deutsch, Physik, Biologie oder sonst was. Grundlegend sind Sprachentwicklung, Musikalität, Rhythmusempfinden etc., die vorgelagert sind, vor allen anderen Kulturregionen-, Bereichen-, Techniken. Das erste, was Kinder lernen im pränatalen Bereich ist Rythmus, Rythmusempfinden, muttersprachliche Elemente und zwar passiv gespeichert. Die Kinder kommen eigentlich schon mit ausgeprägter Sprache auf die Welt, die aktiviert werden muss. Wenn die nicht aktiviert wird, verkümmern sie. Die entscheidenden Phasen der menschlichen Entwicklung liegen im pränatalen Bereich bis hin in die Pubertät. Wenn hier bestimmte Hirnregionen nicht entwickelt werden, sind die in späteren Zeiten nicht mehr entwickelbar, irreversibel. Das Kultusministerium weiß das oder ich gehe davon aus und deshalb finde ich, das da eine ganz heftige
Körperverletzung stattfindet.
Der Musikunterricht wird meistens noch nach klassischen traditionellen Richtlinien vermittelt. Bist du der Meinung, dass er sich mehr an den Interessen der Schüler orientieren sollte?
Das ist ähnlich, wie das Lernen von Deutsch als Fremdsprache von deutschen Kindern. Da wird die Grammatik von oben draufgestülpt, ausgelehnt aus dem lateinischen Bereich und es wird eigentlich gar nicht in der eigenen Struktur Sprache entwickelt. Es kommt einem sozusagen als drohendes Fremdelement entgegen. Das ist vielleicht ein schlechtes Beispiel. Ich meine, das die ganze Musiktheorie auf die Kinder draufgestülpt wird. Das es ein Katechismus von auswendig lernbaren Geschichten ist. Ich habe nichts gegen das Auswendiglernen. Wenn aber die Basis von unten nicht gewachsen ist und
die Beziehung zur Musik und das mentale, emotionale Verständnis von Musik, von Tönen, wo sie herkommen, wie man sie macht, wie sie entstehen nicht da ist. – Musik muss begreifbar sein und zwar nicht intellektuell sondern physisch. Man muss es richtig anfassen können. Man muss die Gitarre schwingend spüren und begreifen, was eine Schwingung ist. Man sagt zu den Schwarzafrikanern,- Amerikanern z.B. die hätten good vibrations. Die wissen aber was eine Schwingung ist. Das könnte jedes andere Kind auch. Man muss einfach nur in das Instrument reingreifen und erfahren, was das ist oder auch begreifen, wenn es singt. Good vibration und bad vibration hängt sehr
miteinander zusammen. Es müssen physische und vermittelt auch psychische
Erfahrungen mit Musik sein, die, die Basis bilden. Da müssen wir erst einmal ansetzen, denn da haben die Kinder ein großes Repertoire an eigenen Erfahrungen mit einzusetzen. Wenn man die negiert und nicht da ansetzt und zwar in der Art und Weise, wie sie sich schon weiterentwickelt haben, dann wird schon wieder etwas veröden. Man muss mit den Instrumenten, die, die Kinder schon im Bauch und im Kopf haben, mit denen muss man arbeiten und man muss in der Lage sein, das bei den Kindern zu entdecken. Man muss Sensoren entwickeln, die Ohren aufhaben, das Herz und den Mund auf haben, um mitzukriegen, was tatsächlich da ist und dann wird man entdecken,
das ganz viel da ist. Deswegen bin ich auch sauer, wenn Kinder andere Kinder
auslachen, dieses hämische Auslachen, verstehen die Kinder auch relativ schnell, weil ich sie auch verteidige, wenn sie mal vorne stehen und was vorsingen. Ansonsten sage ich den Kindern, mache die Augen zu, guck sie gar nicht an. Du bist nur bei dir und machst die Musik, die du lebst und in dir drin hast und lässt die raus. Wenn du mich brauchst, kannst du auch meine Hand nehmen. Das ist eine entscheidende Geschichte, das die Kinder auch Nähe spüren. Daher arbeite ich auch viel körperlich mit den Kindern. Ich nehme ihre Hände und trommele mit ihnen, so lange bis sozusagen mein Rythmus,
den ich ihnen in ihre Hand gebe, bei ihnen angekommen ist. Das ist eine Sache von Vertrauen, sich gegenseitig auch anfassen dürfen. Ich bin sehr nah an den Kindern dran, wenn ich mit der Gitarre rumfahre. Ich habe ja auch einen Behindertenrollstuhl und kann da im Kreis herumfahren und dann singe ich. Da habe ich einen Trick gezeigt. Ihr könnt das genau überprüfen, ob das stimmt mit dem Ton, den ihr macht. Ihr haltet euch ein Ohr zu, dann hört ihr euch selber und ihr hört den Ton, den ich mache. Wenn die so auf die gleiche Schwingung kommen, dann haben wir es. Das haben sie relativ gut kapiert. Jede
Musikgruppe hat so einen Kontrolllautsprecher auf der Bühne, deswegen halten sie auch manchmal das Ohr zu. Das habe ich ihnen gesagt. Die Musiktheorie kann dann ansetzen, wenn die Kinder so sicher sind und so eine positive Erfahrung mit Musik haben. Musik ist dann ein Medium, in dem sie sich sicher und emotional ausdrücken können. Dann sind sie auch stabil genug in diese theoretischen Geschichten einzusteigen.
Sollten auch praktizierende Musiker als Musiklehrer tätig sein können? Welche Voraussetzungen müssten erfüllt sein?
Es gibt ganz bestimmte Erfahrungen. Ich habe 1974/75 mit Kindern in der Villa
Kunterbunt in Bischofsheim gearbeitet. Da kamen Musiker von der Rockformation Captain Sperrmüll und von anderen Rockformationen mit rein, mit denen ich nebenbei dann auch noch gearbeitet habe. Die haben mit den Kindern gespielt und das war ein schönes Erlebnis, denn das waren alles keine ausgebildeten Profis, sondern Amateurrockformationen. Mental und sozial ziemlich auf der Ebene der Kinder, die dort in der Schule waren. Da war ein unmittelbarer Zugang möglich. Die haben mit denen Musik gemacht. So ein Einlassen gibt’s oft nicht bei den akademisch ausgebildeten Musikern.
Ich habe ein bisschen Schwierigkeiten bei dem Reinschneien z.B. Klassik für Kinder oder so. Das kommt ein bisschen stark von oben, aber da gibt’s auch Ausnahmen. Der Wolfgang Stry, der Christoph Korn, der Oliver Augst oder du, ihr seid ja alles Profis. Ihr kommt von eurem intellektuellen Ross gut runter und könnt euch auf die Ebene der Kinder gut einlassen und könnt von den Kindern lernen. Man muss merken, das die akademischen Grade manchmal nur Papier sind. Man muss von dem Ross runterkommen und sich auf die Kinder einlassen und mit dem Material arbeiten, was man vorfindet. Natürlich finde ich in einem philharmonischen Orchester ganz bestimmtes Material vor. Wenn ich dem gewachsen bin, die entsprechende Qualifikation habe und sozusagen zu diesem Material gehöre, dann kann ich auch mit diesem Material arbeiten.
Aber hier muss ich in der Lage sein herunter zu steigen, bzw. mich auf der gleichen Augenhöhe zu bewegen und mit den Kindern zusammen arbeiten, mit dem, was die selbst an Musik produzieren.
Es sollen seitens der Schule jetzt Musik AGs eingerichtet werden? Was wäre
deiner Meinung nach notwendig um diese effektiv gestalten zu können?
Ich bin der Meinung, dass es eine breitgestreute Arbeit geben muss für alle Kinder, auf jeden Fall der Musikunterricht zeitlich ausgedehnt werden müsste, sowohl im Vormittags und im Nachmittagsbereich und das man aus diesem Musikunterricht selbst dann ganz bestimmte Spezialisierungen oder Verneigungsgeschichten anbietet, wie Klavier, Gitarre, Trommel, Flöte oder irgendwelche Instrumente, die, die Kinder gerne spielen würden. Es müssten dann kleinere Gruppen gebildet werden, damit man mit den Kindern besser
arbeiten kann, als das im Musikunterricht der Fall ist. Es gibt im Moment so eine gegenläufige Geschichte. Für mich war dann immer der Musikunterricht der intensivere Bereich, während der Großchor von 40 – 80 Kindern weniger intensiv war. Es gab dann hinterher auch die Gitarren AG und die Trommel AG nachmittags. Die wurden dann auch etwas intensiver. Wir brauchen mehr Leute, die das anbieten und die müssen abgesichert sein. Das dürfen nicht irgendwelche halbbezahlten Jobs sein, wo man gerade das Benzin mit bezahlen kann. Das müssten Leute sein, die eine feste Anstellung als Grundschullehrer, Musiklehrer haben in der Grundschule und darüber hinaus über diese Kernarbeitszeit Unterrichtsverpflichtungen vormittags, nachmittags haben und somit die Möglichkeit haben, unbelastet und relativ stressfrei auch solche AGs anzubieten. Es soll Spaß machen und zwar den Lehrern, wie den Kindern und die Kinder merken hier sehr schnell, ob das eine Pflichtleistung für ein Gehalt ist.
Wie ist die räumliche Situation in der Gebeschusschule für musikalische
Aktivitäten?
Die sieht hier sehr gut aus, weil im Parterre neben dem Lehrerzimmer und der
Lernwerkstatt, ein spezieller Raum für Musik und Polytechnik zur Verfügung steht, für den Chor und die Nachmittags AGs, also Gitarre und Trommeln. Das wird auch bejahend positiv besetzt. Es gibt zwei Hallen, in denen kleinere und größere Konzerte stattfinden können. Zwei Turnhallen, kleine oben und große unten. Da kann man einige Sachen machen und es gibt eine große Akzeptanz von Seiten des Kollegiums, vom Hausmeister und der Frauen, die hier putzen. Insofern ist das optimal und man kann damit viel anfangen, wenn es erhalten wird.
Was hältst du von der Idee, die Schulen auch für externe Interessenten zu öffnen, z.B. auch abends, in Hinsicht der vielen räumlichen Möglichkeiten?
Das müsste mit dem Hausmeister arrangiert werden. Das ist ein offenes Haus. Es muss aber auch behütet werden. Ich finde es generell sehr gut und je mehr desto besser, wenn Initiativen von außen rein kommen, wie Vereine, Gruppen etc. aus sämtlichen Bereichen. Es gibt z.B. die Töpferwerkstatt, die Fahrradwerkstatt. Es gäbe möglicherweise auch noch Raum für einen Proberaum, der relativ schalldicht ist. Das ist eine Sache, die die Schulgemeinde beschließen und noch weiterentwickeln müsste. Es gibt auch noch andere Bereiche z.B. im Nachbarschaftshaus Lamboy-Tümpelgarten. Die haben auch viele Sachen. Das verteilt sich. Was die anbieten, machen wir nicht und umgekehrt, das geht arbeitsteilig weiter und das ist eigentlich eine gute Entwicklung, weil da auch die, die der Schulsphäre entwachsen sind mit ihren weiteren Freizeitaktivitäten angedockt sind.
Wie kam es zu der Idee mit den Lamboykids eine Musikgruppe aufzubauen?
Das ist eine Mischung aus einer sozialpädagogischen Nachmittagsgruppe, die Kinder aus schwierigen Verhältnissen, was ihren Leistungsstand, wie auch der häuslichen und beruflichen Umgebung betrifft, betreut. Dies ist der erste Kern. Der zweite Kern kam aus dem fächerübergreifenden, verschränkten Musik-, Deutsch-, Kunst-, Polytechnikunterricht, Mathematik auch. Da haben wir entsprechende Experimente gestartet mit der Eingangsstufe, der Primarstufe. Aus Elternarbeit, aus Sozialarbeit hier im Viertel. Das ist ein ganzes Bündel und aus der erarbeiteten Erkenntnis, das Musik ein sehr zentrales Medium ist, in dem sich die Kinder entwickeln. Die Integration in Musik ist auch ein internationales Medium, das heißt, Kinder aus über dreißig Nationen, die hier
zusammen lernen, finden sehr schnell in der Musik gemeinsame Rhythmen und ein gemeinsames Ausdrucksmedium, das nicht primär an die Beherrschung einer anderen Sprache gebunden ist. Man kann sozusagen spielend oder singend die andere Sprache erarbeiten. In diesem Bereich macht das Lesen einen Sinn. Das heißt, sie hören ein Lied und so wie sich viele Kinder ihr Frühenglisch, weniger an der Schule, als am PC bzw. am Multiplayer aneignen durch Songs, da erleben sie Frühenglisch mehr, als in der Schule. Sie singen teilweise schon englische Lieder, ohne zu wissen, was sie da eigentlich
singen. Sie beherrschen Sprachmelodie, ganz bestimmten Wortschatz ohne zu erahnen, was das heißen könnte. Es waren sozialtherapeutische Ansätze. Ich habe getrommelt mit den Kindern. Ich habe mir bei der Firma Heraeus-Quarzschmelze die ersten Trommeln besorgt. Das waren Transportfässer für Quarzsand und dann haben wir getrommelt, wie die Weltmeister. Wir haben die Trommeln bemalt. Das war ein fächerübergreifendes Projekt, Kunst, Polytechnik usw. Die Kinder haben bei dieser Arbeit auch gut deutsch gelernt. Allein auseinander zu halten, was grün, gelb, blau und die Mischfarben betrifft, welche Pinsel es gibt und welche Größen und was man mit denen alles machen kann. Das sind Sprachanlässe, die du sonst künstlich erarbeiten müsstest. Die haben sie gemacht, weil sie Trommeln bauen wollten. Oder sie wollten ein ganz bestimmtes Lied lernen und wir haben gesagt, OK, schreib es auf, wir wollen es dann erlernen. So ist ein kleines Liederbuch entstanden. Die Kinder, die hier in der ersten Klasse anfangen und noch nicht lesen können, die gucken mittlerweile in dieses Liederbuch und suchen die Lieder nach der Gestaltung der Seite und finden dann teilweise auch die richtigen Lieder in dem Buch. Wenn sie das gepackt haben, gehen sie an den nächsten Schritt. Sie finden Seiten, die teilweise ähnlich gestaltet sind und merken, da steht aber was anderes. Sie können zwar immer noch nicht lesen, aber sie können schon differenzieren.
Bei dem einen steht z.B. Lamboypark und beim anderen steht Lamboykids. Sie lernen, ohne das ich Deutschunterricht gebe, plötzlich Ganzwortlesen. Sie lernen, ohne das ich es sage, analytisch. Diese Sachen sind nicht bewusst gesetzt, sondern die entwickeln sich aus dem Prozess und ganz spontan auch ohne Lehrer. Hier gibt es keine Lernpflicht. Die entscheidenden Lernphasen haben sie dann ohne Noten, ohne Lehrer, ohne Schule, ohne Sitzenbleiben, ohne Kriffel, ohne Kopfnoten gemacht. Das ging ohne Lehrer. An dieser Art des Lernens anknüpfend und weiterführend läuft ein Leselernprogramm in
diesem Chor oder dem Musikunterricht ab, was ein Lernen ist, was nicht von oben diktiert oder nach Pisa geregelt ist.
Welche Förderleistungen erhältst du für deine Arbeit ? a) in der Schule, b)
außerhalb der Schule?
Es gibt manchmal Gelder außerhalb der Schule für ein Konzert. So was wie ein
Unkostenbeitrag. Ich habe mich da immer eingesetzt für Instrumente, Saiten oder Material zum Instrumentenbau. Ich habe vom hessischen Ministerium ein kleines Gehalt bekommen für meine Arbeit. Da bin ich unheimlich dankbar. In der Schule gibt es eine ganz zentrale Sache. Über fünfzehn Jahre lang hat das Gesamtkollegium und die Schulleitung wirklich Steine aus dem Weg geräumt oder zumindest Bretter drüber gelegt, das der Chor, die Trommelgruppe arbeiten konnte. Manchmal war es den Kollegen zuviel, die wollten dann nicht mit zu den Konzerten, weil das unbezahlte Überstunden waren. Viele Eltern haben mitgemacht und die Aufsicht mit unterstützt und beim Aufbau
mitgeholfen. Das ist auch nach wie vor so. Bei den Kollegen hat es ein bisschen in der Weise nachgelassen, weil zusätzlich aufgebrummte Arbeit aus Wiesbaden zugenommen hat. So ist nur noch wenig Energie frei, die sie dafür zusätzlich einsetzen könnten. Aber die Schulleitung hat unheimlich mitgeackert.
Welche Kooperationen gibt es?
Es gibt zum Heilig-Geist-Kindergarten und der Kindertagesstätte der katholischen Kirche ein sehr schönes und intensives Verhältnis. Wir haben ein oder zwei Konzerte gemacht. Die Kinder von dort haben schon Kontakte zu uns. Die hören den Chor, wenn sie hier vorbeilaufen oder kriegen die Gitarrengruppe mittags mit. Denen ist klar, wenn wir hierher kommen, dann gehen wir zu den Lamboykids. Das ist sehr positiv aufgenommen worden. Da gibt es eine mentale Kooperation. Es gibt über die gemeinsamen Konzerte, Veranstaltungen und über den Lamboyladen gemeinsame Geschichten. Es gibt gemeinsame Konzerte mit der Folkloregruppe. Teilweise sind hier Kids in der Folkloregruppe und im Chor und es gibt Überschneidungen, wenn es Auftritte gibt. Das lässt sich aber alles wunderbar organisieren. Im Nachbarschaftshaus Lamboy-Tümpelgarten gibt es jedes Jahr und regelmäßig das LaTü-Fest. Dafür habe ich auch das Logo entwickelt. Es gibt auch einen Austausch zwischen NLT und Gebeschusschule
hie und da. Das lässt sich noch intensivieren. Mit den Kindergärten insgesamt ist es ähnlich, wie mit dem Heilig-Geist Kindergarten. Was eine sehr schöne Geschichte ist, ist die kurzgeschlossene Sache zwischen dem Lamboypark und der Gebeschusschule mit der Nutzung des gemeinsamen Sportfeldes. Das ist das gleiche Klientel. Da kommen dann ehemalige Lamboykids mal rüber zum Chor oder bei Konzerten sind sie dabei. Auch bei Festivalitäten zwischen Albert-Schweizer Kinderdorf und Lamboypark sind wir auch immer regelmäßig dabei. Aus dem Chor und der musikalischen Arbeit haben sich noch andere Sachen entwickelt. Es gibt eine Rappergruppe, die bestückt ist aus ehemaligen Lamboykids, die dort ihre tänzerischen und musikalischen Optionen da
weiterentwickeln. Es gibt eine Breakdancergruppe im Lamboypark, die auch Teile von der Gruppe sind oder aus früheren Zeiten entsprungen sind. Aus dem Musikunterricht, wo ich Sachen teilweise mit übernommen habe, mich da reingeschafft habe, die mir vorher fremd waren. Ich komme ja aus dem Bereich der Kirchenmusik und war früher mal Chorknabe, insofern habe ich das Rappen nicht unbedingt von Geburt an mitgekriegt. Das habe ich auch gefördert. Hier im Chor und im Musikunterricht haben die dann Breakdance gemacht, bis zum Umfallen. Das war ein Heidenzirkus, aber das finde ich gut. Ich merke jetzt, ohne das ich da meine Finger drin habe, wie die sich verselbstständigt haben und sozusagen auf die eigenen Füße kommen. Die haben eine ganz tolle Gruppe aufgebaut, die unheimlich tollen Rap macht und eine Breakdancergruppe, die regional oder schon überregional einen Namen hat. Da sind natürlich auch Leute dabei, die nicht aus den Lamboykids kommen. Aber es sind auch welche von meinen Lamboykids dabei und da bin ich ganz schwer stolz darauf( lacht ).
Welche Voraussetzungen sollten mitgebracht werden, um ein Projekt, wie die
Lamboykids zu leiten?
Das ist eine Mischung. Es muss außerschulische Berufserfahrung sein. Man muss möglicherweise auch wissen, wie der Schweiß riecht, nach einer Vollzeitschicht bei Dunlop. Man muss wissen, was Arbeitslosigkeit, Hartz IV und Ein-Eurojobs sind und wenn mal im Winter die Füße abfrieren, wenn die Winterbrandbeihilfe der Stadt Hanau nicht gezahlt wird. Das muss nicht alles sein, aber im Normalfall sollte man auch mal die Füße auf dem Boden gehabt haben des Klientels, das man hier auch unterrichtet. Wenn man die Entscheidung getroffen hat, hier mit den Kindern zu arbeiten, dann hat man
auch ganz bestimmte eigene Vorerfahrungen gemacht. Wenn man nicht mentale Erfahrungen gemacht hat und sich nicht auf die Ebene der Kids begeben hat, dann wird man sich auch nicht dafür entscheiden, hier zu arbeiten. Die sagen dann, o Gott, die stecken uns hier das Auto an oder klauen wie die Perücke. Das ist überhaupt nicht war. Wenn die Kinder dich ins Herz geschlossen haben, dann stellen sie dir ein zweites neben dein erstes oder bringen dir den zweiten Geldbeutel, wenn du deinen ersten verloren hast. Kein Problem. Hier wird dir kein Haar gekrümmt. Wie man in den Wald reinschießt,
so schießt es auch wieder raus. Du musst keine Berührungsängste haben. Du musst die Kids zu Hause besuchen. Du musst mit der Mama reden, nicht wenn du wie der Onkel Doktor kommst und fragst, wie geht es denn. Du musst nicht Mitleid haben, sondern eventuell ein Stück mitleiden. Zumindest auch mal das anhören, was die alles am Hals haben, um sich praktisch mal vorstellen zu können, was das für die Kinder heißt. Dass es überhaupt eine Wahnsinnsleistung ist, dass die morgens in die Schule kommen. Ich würde als Kind unter den Bedingungen gar nicht in die Schule gehen. Ich würde mich
irgendwo vergraben. Für die ist es entscheidend, dass es verlässliche Ansprechpartner gibt und keine Eventkasper, die zweimal im Jahr kommen und Tschüss sagen, vielleicht kommen wir nächstes Jahr wieder. Theatervorführung in der Schule ist etwas schönes, nur es muss verlässlich sein. Das darf kein Verzehrbon sein, dass sie meinen, jetzt kriege ich mal ein bisschen Kultur reingestopft. Die müssen eine eigene Theater-AG haben, wo sie das, was Theater, was sie vorgeführt bekommen haben, auch selber produzieren können oder reproduzieren oder eigenes Machen können, das ist entscheidend. Die brauchen, wo die Alten ihnen unter dem Arsch weggezogen werden, in Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Drogen, Prostitution, Abschiebung etc., da brauchen sie ein Areal wo sie ihre Füße sicher hinstellen können und ihr Herz und ihren Arsch und ihren Kopf. Du brauchst, um hier arbeiten zu wollen, Mut zum Chaos und zur Katastrophe. Du musst katastrophenresistent sein. Jeder Tag ist eine Katastrophe, aber das ist normal. Wenn du diese Normalität akzeptiert hast und du verstehst, dass du in dieser herrschenden Katastrophe überleben musst und man sich überlebensfähig und lebensfähig macht, dann macht man das mit den Kindern zusammen und dann wird man stark. Du musst die Kinder stärken. Das ist eine Grundsatzentscheidung und die darf nicht komme ich heute, komme ich übermorgen oder vielleicht komme ich doch nicht
bedeuten. Wenn die, in Wiesbaden nicht dafür die Voraussetzungen schaffen, damit die Leute sich dafür entscheiden können, – ich habe schon ein Kapitel über organisierte Kriminalität abgelassen.
Hast du für dich eine bestimmte Arbeitsmethode entwickelt?
Ich bin selbst ein Chaot. Ich bin flexibel. Ich entscheide meist was ich hier mache, wenn ich hier reinkomme. Ich sehe wie die Kinder drauf sind, ich sehe wie ich drauf bin. Ich habe einen Vorteil, den muss ich der Schulleitung hoch anrechnen. Dieser Raum, den ich zur Verfügung habe mit seiner Fülle an Material und Aktivitätsoptionen, der macht es mir auch möglich auf die Situation der Kids jederzeit einzugehen. Ich habe innerhalb von dreißig Jahren improvisieren gelernt. Das ist eine Sache, die kann man nicht im Schnellschritt hinkriegen. Man muss mit dem arbeiten, dass man vorfindet. Man muss von einer wunderbar vorbereiten Schulstunde, die man zu Hause theoretisch vorbereitet hat, absteigen können und sagen können, ne Leute wir machen was ganz anderes. Man kann das dann machen, wenn es dran ist. Was aber dran ist bestimmen eigentlich die Befindlichkeiten der Kinder. Ich kann natürlich auch Befindlichkeiten bestimmen oder befehlen, nur das ist vergeblich. Ich muss sehen, was bei den Kindern reingeht und was möglich ist und das muss ich noch mal abgleichen mit dem Lehrplan. Wenn das eigentlich heute dran ist nach dem Lehrplan, dann muss ich sagen, lieber Lehrplan, du bist heute nur ein Lehrplan. Die Kinder haben mit anderen Sachen den Kopf voll und dann füllen wir den Lehrplan mit den Sachen, die, die Kinder gerade im Kopf haben.
Ich muss da variieren und mich mit dem auseinandersetzen. Ich darf natürlich auch nicht das, was ich will aus dem Kopf verlieren. Die Kids müssen schon merken, was ich erreichen will. Deswegen hole ich mir auch eine demokratische Rückmeldung und frage, wer jetzt mehrheitlich dafür ist. Das mache ich aber nicht jedes mal, dass ich frage ob wir Unterricht machen. Ich mache natürlich Unterricht. Die Kinder sind davon nicht gestorben. Die Kinder kommen manchmal an und fragen, Herr Barth-Engelbart, können wir nicht das machen? und ich denke mir, OK, machen wir heute was anderes. Sie haben eigene Vorschläge. Wenn du Kindern andauernd einen Plan vorhältst, welcher Kopf kann sich daraus denn entwickeln. Der kann doch nur nach Vorschrift arbeiten. Wenn du ihnen aber die Leerstelle lässt, dann kommen sie von selber und wenn sie dann sagen, wir wollen…, dann hast du gewonnen.
Jetzt hast du hier ja einen sehr schönen Raum zur Verfügung. War das schon immer so oder musstest du dir dieses Privileg erst erkämpfen?
Ich habe eine Klassenleitung gehabt, die war ziemlich chaotisch und da kann eine Kollegin Bände drüber schreiben. Die haben wir zusammen gemacht, das war sehr schön. Wir hatten eine Doppelbesetzung für eine schöne Klasse, die sogenannte Elefantenklasse. Da hatte ich schon diese Materialfülle, teilweise zum Leidwesen meiner Kollegin. Die war etwas anders. Manche haben gemeint, das ist eine permanente Reizüberflutung. Die Kinder können sich ja gar nicht richtig konzentrieren und ich sagte, dann schafft doch einfach die Welt ab. Das ist eine einzige Reizüberflutung. Die Kinder lernen sich in diesem Panoptikum zurecht zu finden. Die wissen ganz genau, wo mein Chaos Struktur hat und wo ich etwas hingelegt habe und wenn ich etwas nicht finde, dann frage ich die Kinder, hier Kinder, ich weiß nicht wo die Scheren sind? oder so was und innerhalb von fünf Minuten haben die Kinder das Chaos durchsucht und sagen, Herr Barth-Engelbart, da haben sie es hingestellt: Die Kinder lernen sich in diesem Chaos zurecht zu finden. Learning bei doing. Die räumen auch hier ganz gerne auf. Die bleiben auch gerne mal länger drin, wenn sie mal frei haben und sagen, Herr Barth-Engelbart, wir räumen jetzt hier mal auf. Dann räumen sie auf und ich finde hinterher gar nichts mehr, aber sie finden es ( lacht ).
Welche Instrumente gibt es und woher kommen diese?
Die meisten Instrumente haben wir selber gebaut. Die Backmitteleimer sind die kleinen Trommeln. Die großen Trommeln haben wir bemalt. Das sind Transportfässer von Quarzschmelze-Heraeus. Jetzt habe ich aber keinen Kunstunterricht mehr und müsste den Restunterricht benutzen, um die Trommeln zu bemalen. Deswegen ist es auch wichtig, dass du auch in den geordneten Unterricht gehen kannst und diese Kernaufgaben übernehmen kannst. Wir müssen das mit der Qualifikation da irgendwie hinkriegen oder nachreichen. Die Gitarren haben sich die Kinder zu fünfzig Prozent ersungen. Wie z.B. bei IKEA.
Gibt es auch manchmal Honorare für die Auftritte?
Ja, manchmal. IKEA hat uns mehrfach honoriert. Einmal haben wir dort gespielt und haben sieben Gitarren gekriegt von IKEA. Das war ein Sonderangebot und die haben sowieso nur dreißig Euro gekostet. Egal. Da haben wir mal ein Konzert gegeben. Das war ein affengeiles Konzert und da haben wir dann die Gitarren gekriegt. Das zweite Konzert bei IKEA haben wir für eine Erstausrüstung unserer Kantine gemacht. Da bekamen wir Geschirr usw. Wo waren wir.?
Bei den Musikinstrumenten…..
Daher haben wir die Gitarren. Wir haben ein paar Xylophone, über zwanzig
Metallophone, diese Glockenspiele. Die sind sehr wichtig für Tonfindungsaktionen. Das ist ein sehr gutes Spielgerät, z.B. machen die Kinder die Augen zu und ich spiele einen Ton vor und die Kinder müssen den Ton finden. Oder wir versuchen irgendwelche Lieder nachzuspielen. So wie man früher Blockflöte gequält hat, so quälen wir manchmal dieses Metallophon. Flöte ist ein Folterinstrument. Du musst koordinieren und die richtige
Atemtechnik entwickeln, musst Notenlesen und das alles in der ersten Klasse. Das finde ich nicht kindgemäß. Mit den Metallophonen geht das viel einfacher. Die Kinder wollen Elefantenmusik machen. Daher haben wir auch abgesägte Rohre. Damit machen wir ein Elefantenorchester. Wir haben selbst gebaute Panflöten. Die haben wir in Polytechnik und Kunst gebaut. Ganz einfach und simpel herzustellen. Wir haben für afrolateinamerikanische Rhythmen diese Metalltrommeln. Die Weiterentwicklung sind die Ölfässer, aus denen man die Steeldrums macht. Wir machen das mit Konservendosen, die zusammengeschraubt sind. Die Kinder müssen sich dabei die richtigen Tonhöhen aus allen Konservendosen heraussuchen. Die werden dann auch nach Tonhöhen sortiert. Dann haben wir ein Flaschenglockenspiel. Das macht ganz tolle Klänge und ich habe dafür auch eine Selbstbauanleitung. Die kann ich jedem nur empfehlen und man kann hier vorbeikommen, um zu hören, wie das klingt und wie man das bauen kann. Ein Sprachheillehrer sagte mir einmal, das was du hier machst, ist das gesamte Repertoire, was du als Logopäde und Sprachheillehrer tust und du machst Gehörschulung bis zum Anschlag. Das ist eine Grundvoraussetzung für ganz bestimmte Rezeptoren für Fremdsprachen. Das Sprachverständnis als Gehörschulung für die eigene Sprache.
Diese Tonfindungsarbeiten mache ich sehr oft, manchmal die ganze Stunde. Dabei frage ich auch immer die ganze Gruppe und es gibt immer ein riesiges Hallo, wenn sie den Ton gefunden haben. Die Trefferquoten werden immer besser. Mein Grundsatz ist sowieso der, das kein Kind aus dem Unterricht rausgeht, wenn wir bestimmte Übungen machen, ohne das es eine eins bekommt. Manche Kollegen fragen dann, wie kommst du dazu, denen alle eine eins zu geben? und dann sage ich, weil sie es alle können und wer es kann, der kriegt von mir eine eins. Wenn wir morgens im Musikunterricht einen ganz
bestimmten Rhythmus, den ich vorgebe oder den ein Kind vorgibt üben, dann gibt’s für jedes Kind, das es packt eine Eins und so gibt es Konkurrenz zwischen den einzelnen Klassen. Ich sage vorhin hat die erste Klasse auf den ersten Schlag siebzehn Einser gemacht, mal sehn, ob ihr das auch packt?, dann packen es dreizehn und ich sage OK, bei der nächsten Stunde schaffen wir mehr und dann üben die zu Hause auf dem Tisch oder sonst wo im Keller und kommen beim nächsten Mal und dann schaffen es zwanzig oder mehr. Das geht dann als so weiter, bis es alle können und da helfen dann die, die es schon können mit, weil sie mit den anderen üben. Ich gebe keine Einheitsnoten. Ich gebe die Noten für jedes Kind individuell und jedes Kind hat es gepackt und darum bekommen alle eine eins. Die leisten was und die leisten es gerne. Wir haben da auch schon Dienstgespräche geführt und das ist manchen Kollegen suspekt. Die geben ihre
Noten knallhart. Da gibt’s Unstimmigkeiten, weil sie meinen, ich würde meine Noten verschenken. Das würde ich in Deutsch oder Mathe aber genauso machen. Ich möchte das benoten, was die Kinder an Lernschritten machen und das bedeutet auf der Stufe, auf dem sich das Kind befindet. Ich möchte nicht einen bestimmten Level erreichen, sondern ich möchte, dass das Kind etwas lernt.
Gibt es musikalische Produktionsmöglichkeiten in der Schule, z. B.
Aufnahmegeräte oder existieren auch schon Aufnahmen von der Gruppe z.B. in Form einer CD?
Wir haben einmal für einen Musikwettbewerb ein Verkehrssicherheitslied produziert, da war aus einer Gesamtschule ein Musikprofi da, der hatte ein kleines mobiles Tonstudio. Da haben wir eine Musikkassette produziert und die eingeschickt, aber keinen Preis dafür gewonnen. Zu den Kindern habe ich dann trotzdem gesagt, natürlich haben wir einen Preis gewonnen, denn wir haben daran teilgenommen. Ich habe dann auch eine Urkunde selbst entwickelt und zu ihnen gesagt, für die Teilnahme. Das war alles gefälscht, aber das macht nichts. Wir haben noch keine CDs gemacht, sind aber auf einigen Response CDs, zwei- dreimal, vertreten. Das ist eine Schwachstelle, die ich habe. Ich kenne mich mit dieser ganzen Technik überhaupt nicht aus. Das fängt schon damit an, dass ich Aversionen habe mit der E-Gitarre zu spielen. Es fängt mit der Elektrik an und wenn es in die Elektronik geht, dann bin ich sozusagen auf dem Mars gelandet. Das ist mein Schwachpunkt. Normalerweise müsste das alles auf CD oder Video dokumentiert sein, aber ich habe nur Zeitungsartikel, Bilder und vielleicht schlummern bei irgendwelchen Eltern Mitschnitte von irgendwelchen Konzerten. Es hat mir ein Studio mal angeboten, das zu machen, aber das ist mir alles zu kompliziert. Aufnahmegeräte gibt es nicht und damit sind die technischen Voraussetzungen für solche Aufnahmen nicht gegeben. Man kann eine MC-Aufnahme machen, aber das hört sich dann auch so an.
Sind die Lamboykids alles Schüler der Gebeschusschule oder gibt es auch welche, die nicht an der Schule sind?
Es kommen manchmal auch Kinder zu den Konzerten dazu, die über ehemalige Kids erfahren haben, das, das Konzert stattfindet und das auch ganz toll ist. Die kommen dann dazu und singen an der Peripherie auch die Texte mit. Das ist aber seltener der Fall. In der Regel sind es ehemalige Kinder von der Schule oder aus der Schule. Über Kindergärten kommen gelegentlich nachfragen, ob man auch von außen dazu kommen kann. Das würde wahrscheinlich im Nachmittagsbereich der Fall sein. Man müsste das schulversicherungstechnisch absichern. Weiß ich jetzt nicht genau, wie das möglich ist. Interesse besteht schon. Wir hatten schon bei Konzerten die Anfragen von anderen Eltern aus anderen Schulen, wie man da denn mitmachen könne. Man müsste einen
Gestattungsantrag stellen, das Kind an der Gebeschusschule anmelden und dann ist das dann automatisch dabei. Es gibt eine ganze Reihe von Kindern, die ab und zu kommen und wenn Konzerte sind, dann kommen noch viel mehr. Da existieren auch Bilder von ehemaligen Kids bei den Konzerten. Das ist offen. Die kommen auf eigene Verantwortung und die kommen auch mit und passen auf ihre Geschwister auf, wenn die Mutti oder der Vati nicht kann. Das passiert relativ häufig. Auch wenn ich mal auftauche in den weiterführenden Schulen, z.B. der Georg-Büchner Gesamtschule in Erlensee, in Bruchköbel oder hier in der Hessen-Homburg, da würde ich am liebsten mal mit allen Ehemaligen ein Zentralkonzert machen, so mit fünfhundert bis sechshundert Kids. Das
wäre mal was, so wie die Fischerchöre.
Welche Ideen bringen die Kids selbst ein?
Erstens mal, jederzeit und zweitens mal sind die auch gefordert. Sie bringen sich von sich aus ein, sagen auch mal was sie nicht mögen, schon wieder, das ist mir langweilig und mache mal was anderes. Ich gehe aber nicht auf alles ein. Ich lasse mir da auch was vorsingen, da gibt’s ja auch den Bohlen usw., das ist mir aber egal. Gerade diese Superstargeschichte ist eine Tendenz, die fördert, was ich eigentlich bekämpfe. Da habe ich eine ganze Reihe von solchen Ersatzkings. Denen muss ich teilweise wirklich die Zähne ziehen. Ich möchte die Kids einsetzen und einbinden in das Kollektiv des Chors, wo sie sich einordnen können um ihr vermeintliches Können abzuprüfen und weiterzugeben. Man muss die individuellen Leistungen der Kinder einbetten. Sie müssen sie geben können, aber so, das sie nicht dabei angeben. Die anderen müssen aber auch
neidlos anerkennen, das sie etwas können. Nehmen und geben können ist das, was sie lernen müssen und da brauche ich nicht den Superstar zu suchen. Wenn die Kinder eine schöne Stimme haben und ihre Stimme entwickeln, dann bestärke ich sie darin. Wenn jemand eine nicht so tolle Stimme hat, dann bestärke ich sie, in dem sie sich im Chor einbringen und sozusagen sich mitsingen lassen. Das habe ich von afrikanischen Chören gelernt. Die lassen zum Teil ältere Frauen vorsingen, die eigentlich überhaupt nicht singen können. Die fangen dann ganz falsch an. Wenn sie mal was reproduzieren, dann
werden sie auch merken, ob es gut ist oder nicht. Ich tabuisiere das nicht, signalisiere aber auch schon, wenn ich etwas nicht gut finde. Ich bin nicht so ein Superpädagoge, der immer sagt, Oh, ist das toll. Die merken das sowieso, wenn es gelogen ist. Was manchmal schwierig ist, aber was ich bewusst mache, ich animiere sie dazu, ihre Heimatlieder mit einzubringen und ihre Muttersprachen zu reaktivieren. Zumindest soweit, dass sie diese Lieder noch mal vortragen können oder das sie deutsche Kinderlieder in ihre Muttersprache übersetzen und wir sie dann zusammen singen. Dasselbe auch umgekehrt, Muttersprachenlieder auf deutsch übersetzt. Da sind die Eltern auch miteinbezogen und die kriegen auch signalisiert, Mensch sie zu, das die
Kinder auch weiterhin ihre Muttersprache beherrschen, weil das eine Potenz ist, die nicht nur für die psychische Entwicklung sondern auch für die berufliche Karriere dringend gebraucht wird. Wer russisch und auch englisch kann hat doppelt so viele Optionen, wie jemand der nur russisch kann. Das gilt natürlich auch für deutsch.
Welche Ideen bringen die Kids ein?
Die bringen also auch ihre eigenen Rythmen ein und bei der Textarbeit auch ihre eigenen Texte ein. Die fertigen da teilweise Rohmaterial für die Texte oder liefern Ideen, witzige Textwendungen usw. oder schon vorgefertigte Reime, die ich dann zu Hause am PC vervollständige. Die lege ich dann wieder vor und das wird dann für gut befunden oder abgelehnt, dann machen wir halt was Neues daraus. Auf Zuruf kommen ganz viele Sachen und ich sehe zu, dass sie metasprachlich arbeiten können. Nehmen wir z.B. das Wort überlaufen. Eine Badewanne kann überlaufen. Ein Soldat kann überlaufen. Oder übergehen, ich übergehe dich, was bedeutet das? Ist da jemand über dich gelaufen oder was? Ein Kind muss muttersprachlich in der Lage sein, das zu erklären, um das zu verstehen. Solche Dinge müssen die Kinder sich sehr differenziert gegenseitig erklären, möglicherweise in der differenzierten Sprache, die sie beherrschen, nämlich in ihrer Muttersprache oder zumindest, die sie besser beherrschen, als die deutsche Sprache und dann sind sie nachfolgend in der Lage dieses Wort auch in der deutschen Sprache anzuwenden und auch passend anzuwenden und zu benutzen. Soviel zum Muttersprachverbot in den Pausenhöfen – .
Welches sind für dich die größten Probleme in dem Projekt?
Dass es nicht weitergeht, weil keine Finanzen zur Verfügung gestellt werden. Das ist das erste Problem. Das nächste ist, dass die Kinder von den sie umgebenden Problemen erdrückt werden, das heißt, Abschiebungsangst, Angst vor Arbeitslosigkeit, Angst vor Trennung, von Liebes- und Zuwendungsverlust, weiß der Teufel. Das sind soziale Probleme, die mit der Lage hier im Viertel zusammenhängen, mit der politischen Lage in der Republik und der Welt insgesamt. Das sind Sachen, die dieses Projekt täglich bedrohen und vor allem die Kinder bedrohen. Das wirkt sich natürlich manchmal auf die Gesamtstimmung aus und auf die Fähigkeit Sachen zusammen zu machen. Die
verdrängen ganz viel und das ist auch gut so. Die fünf Stunden im Musikbereich helfen ihnen auch diese Sachen ganz einfach zu vergessen. Es muss also so sein, dass du mit ihnen nicht nur Musik machst, sondern das du mit Ihnen dagegen stehst, dass es ihnen noch dreckiger geht. Ein Problem ist, dass es zu wenig Leute gibt. Die Kollegen sind überlastet. Ich schaffe es manchmal nicht alleine. Ein Chor mit sechszig bis hundert Kids, manchmal mehr, zu managen ist eine Knochenarbeit. Wenn man dann darauf angewiesen ist, dass andere mitmachen, die aber auch schon selbst überlastet sind, dann wird es eng. Zum Glück gibt es noch die Eltern, die zum großen Teil mithelfen und auch bei der Aufsicht, beim Aufbau usw. Die haben kapiert, was das für ihre Kinder bedeutet. Sonst fallen mir im Moment keine weiteren Probleme ein.
Wie erlebst du die verschiedenen kulturellen Bezüge bei den Kids?
Glaubst du, das sich das soziale Gefüge in der Schule gebessert hat, seit dem es
die Lamboykids gibt?
Das ist ein Bestandteil der ganzen Arbeit der ganzen Schule. Das kann man nicht isoliert sehen. Ohne die Arbeit der gesamten Schule, die sich hier nach außen geöffnet hat und die Arbeit in das Viertel getragen hat, wären die Lamboykids nicht möglich gewesen. Die Lamboykids sind schon ein integraler Bestandteil des Viertels. Es hat Identität geschaffen. Man sieht es an der Hymne. Der ganze Stadtteil kennt das Lied. Ich denke dazu habe ich auch einen Teil dazu beigetragen, allerdings auch mit Vorarbeit, denn ich habe hier schon seit 1974 Nachbarschaftshilfe gemacht.
Wie ist diese Hymne, Hey Lamboykids, entstanden?
Das ist eines der ersten Lieder, das ich mit den Kids gemacht habe. Das ist ein langer Prozess. Das Lied hat im Grunde zehn, bis zu zwölf Strophen. Ich drohe dann manchmal, wir singen alle vierundzwanzig Strophen und dann haben wir ein abendfüllendes Konzertprogramm damit. Es spiegelt bestimmte Situationen wieder. Die Verkehrssituation, Wohnsituation etc. , das ist alles mit drin. Die Kinder bearbeiten in ihren Liedern, ihre Situation in entfremdeter Form. Die Lieder entstehen in einer Externalisierung der eigenen Probleme. Es gibt da auch Horrorfassungen von den Liedern, aber ich bin meist für ein Happyend. Das haben die Kinder verdient und das brauchen sie auch.
Wie kommst du an Auftritte für deine Kids?
Das sind die Geschichten, die wir selbst hier in der Schule organisiert haben, die Schulauftritte und über das Nachbarschaftshaus oder dem Lamboyladen. Wir haben über Kinderfeste, über das Spielmobil viele Sachen gemacht. Über das Sommerfest der Familienhilfe. Auf dem Ausländerfest waren wir nicht, weil ich versucht habe, eine politische Instrumentalisierung der Kinder zu verhindern. Über Parteien habe ich da auch meist abgewunken. Diese Konzerte haben sehr viel Mundpropaganda gegeben und es hat sieben oder acht Jahre gedauert, bis wir dann auch auf dem Lamboyfest spielen konnten. Auf dem Bürgerfest sind wir aufgetreten. Wir sind auch bei einem Kongress, Schule kreativ in Frankfurt aufgetreten. Da haben wir alles abgeräumt. Mit zwei Stunden Verspätung sind wir da aufgetreten. Der Saal hat gebrüllt und die Leute wollten uns nicht
mehr von der Bühne lassen. Da war auch der Rihm, einer von diesen neuen renommierten Musikern. Wir haben in diesen Kreisen einen sehr guten Namen. Vieles lief über den Wolfgang Stry, vom Ensemble Modern, dann was über den Christoph Korn. Oliver Augst ist erst später mit eingestiegen. Das hängt sicherlich auch mit dieser Art zusammen, so mit Kindern Musik zu machen, die bis dato in dieser Region noch nicht vorgekommen ist. Ich mache die Musik mir den Kindern, die kommt nicht von oben, sondern von unten. Teilweise hat das aber auch Konkurrenzängste mobilisiert. Die Lamboykids sind aber leider noch ein Unikat.
Die Lamboykids sind ein multikulturelles Projekt. Gab es schon
Auseinandersetzungen mit rechtsgerichteten Gruppierungen wegen deiner Arbeit?
Nein, das gab es noch nicht. Wenn dann vielleicht indirekt. Wir haben ein Benefizkonzert in der Kreuzkirche gemacht. Da waren ganz viele muslimische Kinder in der Kreuzkirche und haben in dieser evangelischen Kirche ihre Musik gemacht. Unter anderem mit einem drogenabhängigen und jetzt wieder cleanen türkischen Jungen, der wahnsinnig gut Saz spielt und einem Mädchen, das gesungen hat, wie eine Göttin. Da hat die Kirche gerockt. Die Lamboykids haben in der älteren restdeutschen Bevölkerung einen relativ großen Stellenwert. Wir haben bei Nachbarschaftsfesten gesungen. Da gab es anfänglich etwas Motzerei, die sollen doch deutsch singen. Aber wir haben auch deutsch gesungen. Das sind aber ganz wenige gewesen, die etwas rumgemault haben. In der Regel ist es so, das wir einen großen Stellenwert haben, weil wir auch den Kontakt zu den älteren Leuten herstellen und suchen und bei ihren Festen auch mitmachen. Da sind die Leute auch von dem Optischen her, wahnsinnig beeindruckt und wenn die dann trommeln, das gibt schon eine ganz schöne Power. Wir beschallen dann teilweise den ganzen Stadtteil, auch ohne PA. Die Kinder haben aber auch einen tollen Charme.
Wie könnten sich die Eltern an diesem Projekt beteiligen und wie ist da das
Verhältnis?
Wenn die Eltern ihren Kindern vermitteln, das sie es gut finden, was sie machen. Die Eltern merken auch, das ich die Kinder annehme. Das heißt, ich nehme sie auch an die Hand und ich akzeptiere sie so, wie sie wirklich sind. Manche Sachen finde ich auch weniger gut. Die Eltern können sich daran beteiligen, dass sie das ernst nehmen, was ich mit den Kindern mache. Das sie die Kinder zu den Proben in die Schule schicken, z.B. Montag morgens, wenn alle Anderen noch schlafen. Das die Kinder zu den Konzerten da sind. Das sie zu den Konzerten mitfahren und dort mithelfen. Wichtig ist, dass die Kinder
spüren, dass sie mit dem was sie machen von den Erwachsenen ernst genommen und wertgeschätzt werden. Ihr Selbstwert wird positiv geschätzt. Das kostet auch kein Geld. Die Lamboykids haben bei den Eltern einen guten Ruf und sie kommen trotz der Probleme, die sie selbst haben auch zahlreich mit. Geld haben sie fast alle keins. Es herrscht aber sozusagen eine warme Akzeptanz.
Was hast du in der Arbeit mit den Kids gelernt?
Ich habe viel Sprachen rudimentär gelernt. Auch in dieser Arbeit vergessen, was ich an sonstigen Problemen selbst habe. Wenn es mir psychisch mal schlecht ging, haben das die Kinder gemerkt und mich da rausgekickt. Die haben mich auch schon weinen sehen und waren dann ganz irritiert und wissen im ersten Moment gar nicht, wie sie damit umgehen sollen, haben sich dann aber ganz lieb verhalten. Ich habe gelernt, dass ich mich auch auf die Kinder verlassen kann. Ich habe gelernt von meinem Sockel herunterzusteigen und ich habe gelernt, dass ich viele Pläne gemacht habe, aber diese Pläne ohne die Beteiligung der Kinder nicht gut waren. Das haben übrigens der Wolfgang
Stry und der Christoph Korn auch gelernt in der Zusammenarbeit. Beim ersten
gemeinsamen Response Projekt war es so, dass die Kinder sich gegen diese beiden Profis durchgesetzt haben. Es wurde dann meist das Stück der Kinder und nicht das von Ihnen.
Wie kam der Kontakt zu Response zustande?
Es war so, dass der Wolfgang Stryi um 1990 im Internet eine ganze Reihe meiner Texte gelesen hat. Der hat in Frankfurt beim Ensemble Modern Musik gemacht und hat dort auch am Yellow Shark von Frank Zappa mitgearbeitet. Christoph Korn war auch in diesem Kreis, der hat Filmmusik für Eislerfilme gemacht beim hessischen Rundfunk und war hessischer Filmpreisträger. Dann habe ich 1991 zusammen mit Wolfgang Stryi angefangen, in Schlüchtern in der Synagoge die ersten Lesungskonzerte zu machen. Das habe ich auch mit ihm durchgezogen bis 2005, bis er gestorben ist. Das waren so um die 150 Konzerte. Wolfgang Stryi war in dem Projekt Response mit drin beim Ensemble Modern, die das mit organisiert und gesponsert haben und der hat uns dann auch für das Projekt empfohlen. Er hat dann über mich die Lamboykids gekannt und hat
auch die Lieder gekannt. Zu erst war ich da skeptisch, wegen dem für mich, aber auch für die Kinder etwas akademischen Ansatz. Die Kinder müssen da schon was für sich haben.
Welches sind für dich die wichtigsten Gründe für die Aufrechterhaltung dieses
Projekts?
Das ist die Arbeit mit den Kindern und die Selbstfindung und Selbstversicherung der Kinder und das Entdecken von Selbstwert. Das kann man sehr gut in der Praxis vermitteln. Dann kann man entdecken, was in den Kindern steckt und was sie aus sich machen können. Deswegen will ich dieses Projekt weiter führen, will das es auch hier weitergeführt wird. Ich werde es wahrscheinlich nicht mehr endlos weiterführen können und deshalb bist du ja auch da, unter anderem. Das Projekt muss weitergehen. Du kannst da andere Lieder machen, oder so, aber du musst in diese Struktur hinein. Mit und in diesen kindlichen Strukturen musst du arbeiten. Natürlich wird sich die Methode ändern, aber das Material, das du vorfindest ist das gleiche Material wie immer. Es werden ähnliche Problemlagen und Bewusstseinslagen vorhanden sein, wie sie jetzt da sind. Das wird nie ein Nobelviertel werden. Glaube ich nicht.
Welche Chancen gibst du dem Musikunterricht für die Zukunft?
Wenn die Rahmenbedingungen so eng zusammen gezogen werden, wie das von der Regierung weiter zusammengezurrt wird, dann wird es eng für die Musik. Dann ist das eine Frage der Quadratur des Kreises, wie das eine Schulleitung hinkriegt, noch genügend Freiräume hinzubasteln, in denen Musik möglich ist. Es gibt eine zunehmende Verschulung der Musik. Es wird aus Musik ein Leistungsfach gemacht und das möglichst früh schon. Da müssen die Grundlagen der Musiktheorie in der ersten Klasse schon angepeilt sein, in der Zweiten müssen die dann schon fast richtig sitzen und die Kids müssen sozusagen theoretisch bepackt in die fünfte Klasse reingehen, damit der
Übergang in die gymnasiale Eingangsstufe nahtlos passt. Und dann gibt es dort dann Musiklehrer, die das alles weiterführen. Das Notensystem ist auch nur eine Sprache, die hilfreich ist, aber nicht unbedingt notwendig. Entscheidend ist das Praktizieren der Musik.
Ich danke für dieses ziemlich ausgedehnte aber sehr ergiebige Interview….
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Mark Seibert (mit der WELT die LINKE säubern) gewinnt Revision ./. HaBE Bitte(t) um Spenden !
Veröffentlicht am 2. Juli 2014 von Hartmut Barth-Engelbart http://www.barth-engelbart.de/?p=11233
Schaffen Mombach-SPRINGERS “Ruhrbarone” jetzt bei der LINKEn, was den Kohlebaronen mit ihrem Hugenberg einst bei und mit der SPD gelang?
Das Revisionsverfahren in der Sache Mark Seibert (wohl immer noch Internetbeauftragter des Bundesvorstandes & Assistent des Bundesschatzmeisters der LINKEn) gegen Hartmut Barth-Engelbart HaBE ich vor dem Berliner Kammergericht verloren. Die Veröffentlichung der Recherche-Ergebnisse zur geschäftlich-politischen Karriere des Chefs des gescheiterten (GEW-geförderten)„Gute Quelle“-Berufsschüler-Kneipen-Projekts in Gelnhausen, PDS-Wahlkampfleiter in Hessen, BAK-Shalom-Mitgründers, GAZA-Bombardierungs-Befürworters & jungeWelt-Boykott-Mitorganisators hat mir eine Reihe von Abmahnungen eingebracht & erhebliche Kosten, die ich mit meiner berufsverbotsbedingt halbierten Rente/Pension nicht alleine schultern kann.
Das Scheitern der Revision vor dem Kammergericht bringt bei einem Streitwert von 10.000,-€ jetzt noch Mal eine erhebliche Forderungssumme: Gerichtskosten, Kosten des gegnerischen & meines Anwalts. Die Rechtsschutzversicherung zahlt keinen Pfennig.
All jene, die ich in ihrer Abwehr gegen Seibert’schen Segen unterstützt habe, wie zum Beispiel Hermann Dierkes, die LINKEn Passagiere auf den Schiffen nach GAZA, Sevim Dagdelen, Dieter Dehm, die junge Welt, die MdBs, die dem israelischen Kriegsverbrecher die Ehrerbietung verweigert haben, …. aber auch alle anderen FreundINNeN, KollegINNen und GenossINNen bitte ich jetzt um Spenden zur Finanzierung dieses Verfahrens.
Einzahlung unter dem Kennwort „MARK & PEIN“ auf mein Konto
Kto-Nr: 1140 086 VR-Bank Main-Kinzig-Büdingen BLZ: 506 616 39
Mit einem ziemlich hilflosen Soligruß HaBE
€€€€€€€€€€€€€€€€€€€€€ ENDE MIT SPENDE €€€€€€€€€€€€€€€€€€€€