Fahrradwerkstatt

Antrag an das Staatliche Schulamt zur Förderung der Fahrradwerkstatt der Gebeschusschule

Seit Beginn den Schuljahres 95/96 betreibe ich zusammen mit 15 Schülern der Klassen 3 und 4 der Gebeschusschule eine Fahrradwerkstatt, in der die Schüler weitgehend selbständig defekte Fahrräder reparieren, umbauen, verkehrssicher machen.
Die Schüler bringen ihre eigenen Fahrträder mit, um sie zu reparieren. Die Fahrradwerkstatt wird von der Stadtreinigung unterstützt, die uns mit Fahrrädern aus den Sperrmüllsammlungen versorgt. Stark defekte Fahrräder werden demontiert, um brauchbare Ersatzteile zu erhalten.
Die Fahrradwerkstatt ist eine Arbeitsgemeinschaft. Sie krankt zur Zeit etwas an Werkzeugmangel, der z.T. durch Elternspenden und durch den Einsatz meines Privatwerkzeuges kompensiert wird.
Des weiteren fehlen der Werkstatt chronisch Verbrauchsmaterialien, wie Chromputzmittel, Flickzeug, Bremsbeläge, Ventile, Beleuchtungsanlagen, Luftpumpen, Reparaturständer, Schläuche, Mäntel usw. Diese Teile und Materialien zahle ich z.Zt. wieder aus eigener Tasche, da die Erstausstattungsmittel (DM 200,-) mittlerweile verbraucht sind. (auch für fehlendes Werkzeug).

In der Werkstatt wird jahrgangsübergreifend gearbeitet, deutsche. türkische, ex-jugoslawische, rußlanddeutsche, afrikanische etc. Kinder arbeiten zusammen, betreiben nebenher Werkzeug- und Materialkunde, erwerben ebenfalls als Nebenprodukt erhebliche sprachliche Kompetenz, erarbeiten und entdecken physikalische Gesetze, lernen aus der zwingenden Struktur der Werkstatt und der Materialien und Werkzeuge soziales Verhalten.

Die im Planungsansatz zu Schuljahresbeginn genannten Lernziele konnten (soweit ich das in der Werkstatt beobachten kann) zumindest tendenziell erreicht werden.

Notwendig erscheint mir eine zeitliche und personelle Ausdehnung des Angebotes, sowie die Einbeziehung der Jahrgänge 1 und 2 in die Werkstatt. Die Zeitliche Ausdehnung ist sowohl vormittags wie nachmittags notwendig, um dem Bedarf gerecht werden zu können.

Sinnvoll und notwendig wäre eine Öffnung der Werkstatt zum Stadt- teil hin. Die Form der Arbeitsgemeinschaft schließt zu viele Kinder aus, die Interesse an der Werkstatt haben und sie als Ergänzung zum „schulischen“ Angebot gern wahrnehmen würden. Die AG ist eine Pflichtveranstaltung. Ihren „schulischen“ Charakter vergessen die Kinder zwar meist bei ihrer Arbeit, aber sie trägt auch für die Kinder spürbar immer noch den Stempel einer „Schulpflichtsangelegenheit“, die bei entsprechender Verletzung Sanktionen nach sich zieht.

1,5 Stunden pro Woche sind zu wenig, auch, um die erforderliche Kontinuität des Arbeitsprozesses zu gewährleisten.

1,5 Stunden sind insbesondere dann zu wenig, wenn die Arbeit oft an Ausstattungsmängeln scheitert oder erheblich verzögert wird.

Die bei einigen Kindern nicht sonderlich hohe Frustrationstoleranz wird oft überstrapaziert, wenn wg. Materialmangels sich Reparaturen um Wochen verzögern, oder ich zunehmend genervt bin, weil ich fehlendes Material und Werkzeug aus eigener Tasche finanzieren muss. Auch ist es einzelnen Kindern auf Dauer schwer zuzumuten, die von ihren Eltern im Einzelfall gekauften Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

Weiterentwicklung der Fahrradwerkstatt

Über die Schulleitung, die Schulkonferenz, die Stadtteilkonferenz sollte die Werkstatt geöffnet werden. Um ein nachmittägliches offenes Angebot für den Stadtteil realisieren zu können, müssten sich kompetente Menschen aus den im Stadtteil arbeitenden Institutionen zusammenfinden, interessierte, kompetente Eltern einbezogen werden. Voraussetzung für eine solche Entwicklung ist die materielle Konsolidierung des bisherigen Ansatzes und die verläßliche Zusage von Mitteln zum Ausbau der Werkstatt.
Die grundlegende Voraussetzung für eine so geöffnete Werkstatt ist jedoch eine im Stadtteil verankerte und präsente Trägerschaft, die Kontinuität der Betreuung und die für Kinder und Jugendliche kalkulierbare Ansprechbarkeit (feste Zeiten und Kompetenzen) über die klassische Schulzeit hinaus.

Es ist nicht intendiert, den Stadtteilkindern (-Eltern, ehrenamtlichen SozialarbeiterInnen etc.) eine fertig eingerichtete und ausgebaute Werkstatt zu übereignen. Sie soll gemeinsam errichtet werden, damit sich die Kinder mit dem Laden identifizieren können. Notwendig ist aber eine erste Hilfe zur Selbsthilfe, die die Ochsentour von Planung, Überstunden, Sponsorensuche, Koordinationsterminen mit greif- und begehbaren Trittsteinen belegt und ein Minimum von institutionellem Rahmen sichtbar macht.

Zum materiellen Rahmen:

Die Werkstatt benötigt

zwei Werkbänke (gebraucht oder neu) mit abschließbaren Fächern ca. 600,-DM
zwei auch als Ambos geeignete Schraubstöcke ca. 150,-DM
Regale zur Lagerung von Werkzeug, Ersatzteilen und Verbrauchsmaterial
(teilweise Schwerlastregale)
ca. 1.000,-DM
vier Reparaturstative für Fahrräder 800,-DM
Farbe, Holz, Nägel, Schrauben etc. zum Ausbau der Arkaden
auf dem vorderen Schulhof
ca. 500,-DM
einen Ersatzteil- und Verbrauchsmaterialfonds für zwei Jahre ca. 1.000,-DM
Summe ca. 4.050,-DM

Mit einer solchen Fördersumme wäre einerseits die Konsolidierung der derzeitigen Werkstatt wie ihre Öffnung zum Stadtteil hin zu bewerkstelligen.

In einer zweiten Ausbauphase sind Selbsthilfemaßnahmen eher möglich als zum jetzigen Zeitpunkt. Nach einer Anlaufzeit von anderthalb Jahren hatten sich bei der Fahrrad- und Mopedwerkstatt in Mittel-Gründau genügend kompetente Menschen gefunden, um z.B. Schweißarbeiten durchführen zu können (Tandembau, Stativbau, Bau von Basketball/Streetballinstallationen, Reparatur von Rahmenschäden werden damit möglich). Notwendig würde dabei aber auch ein zweiter Betreuer, um die Gefährdung der Jüngeren ausschließen zu können.

Dies nur als Hinweis darauf, daß die Werkstatt kein Fass ohne Boden ist. Bei kontrollierter Einbeziehung von (arbeitslosen) Jugendlichen und Eltern wäre sogar mittelfristig eine Refinanzierung der Werkstatt zu erreichen (Übernahme von kleineren Reparaturen gegen Spenden, Instandsetzungsarbeiten im Schulhaus an Schulmöbeln, Spiel- und Turngeräten, wie es in der Mittel-Gründauer Fahrradwerkstatt bereits praktiziert wurde).

Dass dabei Einsparpotentiale genutzt werden können, ist sicherlich nur ein kleiner Nebeneffekt. Solche Arbeiten in und an der Schule erhöhen aber wesentlich die Identifikation der Menschen im Stadtteil mit ihrer Schule und führen in der Regel zu sorgfältigerem Umgang, was wiederum Einsparungen zur Folge haben kann.

Hartmut Barth-Engelbart Mittel-Gründau, 12.06. 1996