wir nicht früh
genug den Mund aufmachen
haben wir später
nichts mehr
zu sagen
Es gibt ein im Hessischen viel gesungenes „goanz lusdisches Liedsche“ das lautet (etwas hochgedeutscht, zwecks besserem Verständnis im Ausland!!) so:Siehste net die Wutz im Garde
siehste wie se weule
wie se tiefe Löscher grabe
in die Geleroiwe
und beiß en in die Boa,
sunschd fresse dir die Missgeborde
alles korz un kloaEi die Wutz-Wutz-Wutz
Ei die Wutz-Wutz-Wutz
des is e lusdisch Poar
die brauch mer net zu berschde
die hoat joo gar koa Hoar“Nun die VollHochdeutsche Übersetzung:
Siest du nicht die Schweine im Garten, siehst du wie sie wühlen, wie sie tiefe Löcher graben in die GelbenRüben (oder Karotten). Wachhund komm hervor und beiß ihnen in die Beine, sonst fressen Dir die Missgeburten alles kurz und klein … Ei, die Sau, Sau, Sau .. das ist ein lustiges Paar, die braucht man nicht zu bürsten, die hat ja keine Haare.
Was da bis heute so folkloristisch und lustig klingt, hat wie die bayrischen TV-Musikantenstadl-geplätteten SchnaderlHüpferl viel subkutane Wurzeln: wie z.B. das Jennerweinlied im Bayrischen kommt das Wutzen-Lied in der hessischen Wetterau aus dem bäuerlichen Widerstand gegen den Feudaladel und seine städtischen Pantoffelverbündeten:
Die „Wutz“ sind nicht nur die Wildschweine und Rothirsche und Rehe, die der Adel in die Felder der Bauern zum Mästen treiben lässt, es sind auch die fürstlichen Jäger, die Steuereintreiber, die Zwangsrekrutierer, die Gerichtsvollzieher, die Scharfrichter usw. der gesamte Hof-Staat.
„Spitz“ nennt frau/man im Hessischen einen aufmerksamen und bissigen kleinen (Dorf-)StraßenKöter und seinen domestiziert-angeketteten Nachfahren, er ist auch mit spitzen Zähnen bewaffnet, den bäuerlichen umgeschmiedeten Sensen, den Lanzen gegen die herrschaftlichen Reiter, mit deren Hilfe man auch im Stabhochsprung Bäche überqueren kann, vor denen die Ritterpferde scheuen.
(„Schimmel de Wooch“ heißt oder hieß ein Dorf im Odenwald, im Finkenbachtal, wo ein Raubritter nicht über den reißenden Bach kam und er sich dort niederließ, wo ihm die Bauern entkamen. „Schimmel! die Wooge!“ hieß es auf HOCHDEUTSCH und die Gebietsreform hat Schönmattenwaag darausgemacht.. auch das ist unterschlagene Geschichte!!)
Die Stabhochspringer, die Staffelläufer mit Löscheimern statt Staffelhölzern (nur gings da hin und zurück, den nächsten Eimer holen, wenn die Reihe nicht geschlossen war, wenn Kriege Lücken gerissen hatten in unsere reihen bei der feuerwehr) sind auch die Vorgänger der freiwilligen FeuerWehren, der Turner, deren Übungen durchaus „wehrsportlichen“ Charakter hatten und haben, aber eben auch feuerwehrlichen, wenn die Dörfler ihre Holzhäuser, die Ställe und Scheunen und Dächer retten wollten, mussten sie den Aufschwung, den Unterschwung usw. beherrschen und zwischen Dach-(Sp)Barren herumturnen, und nicht so danebengreifen wie Herr Hammbüchen, der würde bei der Feuerwehrprüfung ganz einfach durchfallen oder in den Flammen umkommen. Der könnte vielleicht noch Schornsteinfeger werden, die gaaaanz früher eine Abteilung der Feuerwehr bildeten…
Missgeborde = Missgeburten, das war eines der schärfsten Schimpfwörter der Gegend. In der früh- und vormittelalterlichen Familienplanung und Erbschftsregelung in bäuerlichen Gemeinden, Siedlungen, Sippen usw war es nicht nur in der Wetterau- auch im Odenwald so usus, dass „Misgeburten“ entweder starben oder im Überlebensfall bestenfalls Hofknechte oder Dorfdeppen wurden mit Aufgaben auf der Allmende und der Waldweide: Gänse, Hühner, Schweine, Schafem, Ziegen hüten usw.. und wenn diese Plätze besetzt waren, wurden die „Missgeburten“ als „überflüssige Fresser“ getötet.
Wenn nun die Dörfler den Adel als Missgeburt bezeichneten, war die Stoßrichtung ziemlich klar – zumindest im historischen Kontext. Heute sind diese Lieder einfach nur noch „lusdisch!“ und für viele schwer zu entschlüsseln … so wie das Revolutionslied „auf einem Baum ein Kuckuck saß “ oder die romantisierte Form von „Winter adé, Scheiden tut weh,… “ Überhaupt haben die (meist adeligen aber auch die bürgerlichen) Romantiker in ihren Sammlungen von Volksliedern und Volksmärchen aufs Heftigste „geweult“, tiefe Löcher gegraben und zensiert, verfälscht, entschärft, höflich bereinigt, anständig umgestaltet von „Des Knaben Wunderhorn“ bis zu Grimms „Volksmärchen“- Sammlungen …