Diese Antwort erhielt ich von ReferendarINNen auf meine ersten Sätze zum Thema Berufsverbote, Unvereinbarkeitsbeschlüsse am Rande eines Kulturfestes in der strahlend, grimmigen Märchenstadt Hanau, die gerade komplett privatisiert wird…
Der folgende Beitrag ist eine Weiterentwicklung meines Kurzbeitrages bei der Göttinger Bundes-GEW-Veransaltung „40 Jahre Berufsverbote“ (Links zu weiteren Texten und Dokumenten folgen noch)
Bei der „Geschichte der Berufsverbote“ sind meiner Meinung nach zwei sehr wesentliche Elemente in den Vordergrund zu stellen, ohne die eine solche Geschichte zu stark im politischen „Überbau“, präziser in den (Nicht-, Fehl-, Über-)Reaktionen der Reaktion, der Regierungen und ihres Apparates auf grundlegende Anforderungen der Kapitalinteressen verharrt. Die Berufsverbote müssen einen bestimmten Zweck erfüllen und der muss analysiert werden, sonst bleiben sie die Taten böswilliger Konservativer, rechter Sozialdemokraten in der SPD und in den Gewerkschaften, die ja in den 60ern Großdemonstrationen z.B. in Berlin und in Bremen zur Unterstützung des US-Krieges gegen Vietnam organisiert haben, wo dann mit Unterstützung von SPRINGERS BILD die „Freiheitsglocke“ geläutet wurde … die zögerliche bis bremsende Rolle des DGB bei den Massenaktionen gegen die Wiederbewaffnung und gegen das heraufziehende KPD-Verbot sowie gegen die atomare Bewaffnung. die NATO-Einbindung usw. will ich hier jetzt nicht weiter detailliert behandeln…
Die SPD hat mit dem Godesberger Programm ihre Parteinahme für die Kapitalinteressen im Wesentlichen komplettiert. Und viele darauf ausgerichtete DGB-Topp-Funktionäre haben auf dieser Mitspielwiese ihre Neue Heimat gefunden. Bis hin zum Ausverkauf der Streikkassen (BfG) und der gewerkschaftlichen Immobilien((Gewerkschaftshäuser -hier besonders die in den neuen Ostkolonien, aber auch viele im Westen-, die NEUE HEIMAT, was Hunderttausende um ihre Sozialwohnungen brachte und was heute noch den DGB gewaltig schwächt, weil man ihm den Widerstand gegen den Verkauf der „Nassauischen Heimstätte“ nicht so recht glaubt und sich dann lieber auf die eigene Kraft, örtliche DGB-Kartelle, regionale DGB-Ebenen verlässt und so den DGB und den (SPD-besetzten)Karteileichen-Mieterbund zum Jagen trägt))
Willy Brandt als der Erbe Ernst Reuthers als Frontstadt-Kommandant von westallierten Gnaden, wusste doch schon vor seiner Inthronisation über seine Funktion Bescheid. Hat die westberliner Polizei notstandsmäßig aufgerüstet, (was der spätere US-begnadete Shah-Reza-Pahlewi-Schutzpatron Schütz weiter ausgebaut hat), hat die Notstandsgesetze zur Beherrschung der Heimatfront, zur Ausschaltung der Opposition mitgetragen und mitgeschaffen, hat das Verbot von politischen Streiks (z.B. für die Wiedervereinigung und die Neutralität Deutschlands nach österreichischem Vorbild) und die Unterdrückung der Generalstreik-Debatten gegen Wiederbewaffnung und Notstandsgesetze in den DGB-Gewerkschaften nach Kräften so unterstützt, wie schon vorher das KPD-Verbot 1956.. und die Kaltenkriegssäuberungen von Länderparlamenten, Gemeinderäten, Sportvereinsvorständen, Redaktionen, Ortskrankenkassen usw… ab 1948/49..
Die Berufsverbote etc.. Radikalenerlass usw. sind sozusagen Ausführungsbestimmungen der Notstandsgesetze, zu deren praktischer Umsetzung ein gesäuberter Staatsapparat, entrechtete Gesamtbelegschaften im „öffentlichen Dienst“, solchermaßen gereinigte systemisch-strategische Betriebe & die gesamte staatliche Infrastruktur gehörten…. Die sozialdemokratisch beherrschten Gewerkschaften sorgten denn auch flankierend dafür, dass auch in den „nicht-öffentlichen Diensten“ und systemischen Betrieben Ruhe an der Heimatfront herrschte…
Besonders die Hoch-Zeit der Berufsverbote, die 1970er waren auch die Hoch-Zeit der wilden Streiks, in denen die Aufkündigung der „Arbeitsgemeinschaftspolitik“ in großen Teilen des DGB drohte. Hier trafen die Unvereinbarkeitsbeschlüsse nicht in der Hauptsache Beamte und etwa besonders Lehrer, nein es waren Mittel zur Aufrechterhaltung der Arbeitsgemeinschaftspolitik, zur Eliminierung gewerkschaftlichen Widerstands an der Basis, zur Disziplinierung der damals für (west-)deutsche Verhältnisse zwar zahlenmäßig recht starken, aber durch die 1956er Verfolgung inklusive erneuter Folter in den schon gewohnten ehemaligen GESTAPO-Lokalitäten – wie z.B. in den Hanauer Fronhof-Polizei-Arrestzellen in der berüchtigten Marienstraße, und durch die Verfolgung zwischen 1948 und 55 nicht minder erneut traumatisierten, verschreckten, teilweise domestizierten DKPler in den Industriegewerkschaften, soweit, dass die sich in nicht wenigen Fällen zur eigenen Rettung, zur Rettung der Partei und des mittlerweile aufgebauten und Existenzen sichernden Apparates und der davon abhängigen „Massenorganisationen“ wie dem VVN und ihrer TAT, dem Druckhaus Neuss-Plambeck, dem Pläne-Verlag usw… als „Kalfaktoren“ anboten und die Umsetzung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit betrieben…
das ging bisweilen noch so lange und so dreist zu, dass ein VVN-organisierter Vorsitzender des Frankfurter FAG-(jetzt FRAPORT) Vertrauensleute-Körpers im ÖTV-Landesvorstand den Ausschluss von Startbahn-West-Gegnern forderte… wohl wissend was diese Startbahn neben Waldvernichtung und Lärmterror in den bereits laufenden Globalen Kriegen bringen sollte …Dass jetzt Leipzig das Logistik-Zentrum für die BundeswehrAuslandseinsätze ist, konnte der Kollege Weber damals ja noch nicht wissen. Sein bester Verbündeter in dieser Frage war der ÖTV-Chef Herbert May und der ist heute Arbeitsdirektor bei der FRAPORT.
Für mich hätte diese Weber-Forderung den zweiten Ausschluss aus dem DGB bedeutet, denn ich war einer der führenden hessischen ÖTVler gegen die Startbahn-West.
Meinen ersten Ausschluss aus dem DGB, aus der GEW hat ein Redakteur der TAT, VVN-Mitglied wie Weber und DKP-Mitglied mit einer Denunziation beim hessichen und beim Bundes-Vorstand der GEW ausgelöst. Hessen-GEW-Vorsitzender Ludwig und Bundes-GEW-Vorsitzender Frister schlossen mich gegen die Beschlüsse der Basis 1978 aus GEW und DGB aus.
Wo die Kollegen Weber und Poweleit geblieben sind oder hin versetzt oder befördert wurden, wie einst der May, weiß ich bis heute nicht.
In diesem Szenario bekommen die Berufsverbote wie die Unvereinbarkeitsbeschlüsse ihren materiellen Stellenwert und der ist auch für damals Nichtbetroffene und Nachwachsende einsichtig..
Es ging in den 70ern in den Gewerkschaften um die Niederhaltung der „wilden Streiks“ und die Aufrechterhaltung der Arbeitsgemeinschaft mit der Kapitalseite ( Helmut Schmidts SPD-„Modell Deutschland“ und die „Blaupausenexport-Offensive“ u.a. zur Unterstützung des Appartheit-Systems in Süd-Afrika mit U-Booten und Nucleartechnologie via Militärdiktaturen in Chile, Brasilien und Argentinien) .
Die Säuberungen in den Gewerkschaften in den 70er Jahren hatten damals eine ähnliche Funktion wie die aktuellen Bemühungen der Arbeitsgemeinschaft von Arbeitgeber-, Industrie- und Finanzkapitalverbänden das defakto Verbot der kampfstarken kleineren Spartengewerkschaften (GdL, Cockpit; GdF usw.) zusammen mit der DGB-Spitze und den Vorständen der betroffenen Einzelgewerkschaften zu erreichen, ihnen die Tariffähigkeit per Richterspruch und Gesetzgebungsnovellen abzusprechen.
In der „Geschichte der Berufsverbote“ müssen die aktuell wirkenden modernisierten Versionen analysiert werden, sonst bleibt eine solche Geschichte eine Gute Nacht-Geschichte für die innergewerkschaftliche Lebensabendgestaltung durch Seniorenbeauftragte, eine Alibi-Veranstaltung für Nostalgiker-Selbstversammlungen
Und eine solche Darstellung schafft dann auch die Brücke zur aktuellen Lage der nachwachsenden Generationen, wo bereits im Vorfeld via totaler Überwachung und Datenerfassung gesiebt wird und solche mittelalterlich-STASI-VS-Schlapphut-mäßigen Klopper wie die Berufsverbote gar nicht mehr gebraucht werden, weil und so lange sich gegen solch offenbar-antidemokratischen Methoden, die der DDR so plakativ angekreidet werden, doch noch Widerstand regen könnte ….
Der Staatsapparat arbeitet zum gleichen Zwecke, aber man merkt es dank der hightech-Entwicklung kaum noch und meistens zu spät…
Meine Verpflichtung 1966 als Reseveoffiziersanwärter wäre heute – besonders nach der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht – völlig ausgeschlossen, denn die Kreiswehrersatzämter wären heute detailliert darüber informiert, dass man sich da einen „Wehrkraftzersetzer“ in die Bundeswehr holen würde, man würde mich einfach bei der Eignungsprüfung durchfallen lassen.
So einen, der noch zwei Jahre vor seiner Freiwilligenmeldung zur „Z2“-Reserveoffizierslaufbahn IGMetall-Streiks unterstützt hat, der gegen die Aussperrung Lieder geschrieben hat, so einen kann man in der Truppe für die Einsätze nach den Schubladen(Notstands-)Gesetzen und auch für kommende Auslandseinsätze nicht gebrauchen. Solche Elemente werden heute weder bei der Profi-Bundeswehr noch bei der Entwicklungshilfe eingestellt, dafür liefert der Friedrich dem Niebel automatisch die Daten genauso wie demnächst(?) die Daten über genetische Besonderheiten, Imunschwächen, Allergien usw…nur noch politisch zuverlässige und gesundheitlich stabile Kräfte dürfen demnächst für deusche Entwicklunginteressen in den Dschungel, in die Wüste oder ins schmelzende nordische Polareis.. Und Jobs bei den Global-Players? Auch nicht. Die haben dafür dann auch ihre eigenen Datenbanken. Nö, nicht die Schufa, auch nicht facebook oder google, das ist viel zu popelig. Die sitzen mit unauffällig seriösen Namen in der Schweiz oder auf den Bermuda-Bahamas oder in Frankfurt-Sachsenhausen oder weils biliger ist in Frankfurt/Oder. „Das sind dann doch keine Berufsverbote !! Berufsverbote gibt’s bei uns doch gar nicht! Früher, bei der STASI, im Leben der Anderen, ja da gabs so was…..“ sagt im Vorbeigehen die Sekretärin des Staatssekretärs des Ministers des Inneren und lächelt dabei mitleidig, fast barmherzig … Aber sicher bin ich mir da nicht so ganz, es könnte auch die Sekretärin des stellvertretenden Vorsitzenden des Innenausschusses des Bundestages oder auch eine Mitarbeiterin eines Mitglieds des Innenausschusses gewesen sein oder jemand vom Petitionsausschussbüro, der damit beschäftigt ist die abgelehnten Petitionen zu entsorgen: „Petitionsausschuss“….
Sehr geehrter Herr Barth-Engelbart,
bitte erlauben Sie mir zunächst, Ihnen meine aufrichtige Hochachtung dafür zu bekunden, daß Sie – trotz äußerst widriger Umstände – Haltung bewahrt haben und nicht, wie so viele ehemalige K-Grüppler, vor den Machthabenden eingeknickt oder ganz zu ihnen übergelaufen sind (was Letzteres betrifft, verweise ich auf die Einleitung des 2011 bei Zambon erschienenen Buchs von Anton Stengl, »Zur Geschichte der K-Gruppen«).
Was speziell den »materiellen Stellenwert« der Berufsverbote und das von Ihnen skizzierte »Szenario«, in dem sie verhängt wurden, anbelangt, muß ich jedoch gestehen, daß mir hier einige nicht ganz unwesentliche Gesichtspunkte fehlen.
Insbesondere vermisse ich die Stichworte (und verweise auf das Ahriman-Buch: »Willy Brandts vergessene Opfer. Geschichte und Statistik der politisch motivierten Berufsverbote in Westdeutschland 1971-1988«):
– Studentenbewegung
– Lehrerstudium
– »Entspannungspolitik«
– »freiheitlich demokratische Grundordnung«
– die unrühmliche Rolle der DKP innerhalb der Bewegung gegen Berufsverbote
Es steht zu befürchten, daß es ohne entsprechende Erläuterung jener Stichworte Nachwachsenden schwerfallen dürfte, Ursache und Wirkung der Berufsverbote adäquat nachzuvollziehen.
Hochachtungsvoll,
Stefan Breitenbach
Danke, dass Du den Hinweis auf die wilden Streiks in den 70ern gibst. Bisher wusste ich nur von den Streiks bei Ford in Köln 1972.
Wieso die Gewerkschaften GDL, GDF, Cockpit, Marburger Bund von den DGB-KollegInnen immer als egoistisch dargestellt werden habe ich noch nie verstanden. So versuchten die Fluglotsen für die Flugfeldmitarbeiter eine bessere Bezahlung zu erkämpfen – mit Egoismus hat das wohl wenig zu tun.
traurig, daß das alles weitgehend vergessen, verdrängt oder eben vollkommen unbekannt ist.