Opfer, Täter, Herrenmenschen / Recherchen zu HaBEs Mannheim-Roman
„Vertreibung aus dem Rosengarten“
Mein bester Freund, der Rebell und spätere Fahnenflüchtige Gerd Albrecht, der Pfarrerssohn aus Neckarelz, mit dem ich 1967 zusammen mit unserem Vorarbeiter dem Ingenieur Maletz – der berliner Schnauze – das Hallenbad in Stuttgart-Fellbach gebaut und erfolgreich für den Einsatz von Maschinen und Lohnerhöhung gestreikt habe. Gerd ist Mitte der 70er an der Ardeche im Exil an einem Hirntumor gestorben, Renate Hallstein hat ihn bis zum Tod gepflegt. Daneben meine beste Freundin und spätere Verlobte Anita Düring-Süßenguth, während einer Fotopause beim Rock’n-Roll-Tanzen beim Presseball im Mannheimer „Rosengarten“
vor etwas über einem Jahr habe ich mich nach über 50 Jahren zum ersten Mal getraut, gegenüber der evangelischen Landeskirche Hessen-Nassau/Kurhessen-Waldeck und der badischen Landeskirche ein Gespräch, die öffentliche Bitte um Entschuldigung und auch materielle Wiedergutmachung einzufordern, für Misbrauchsfälle von 1961 bis 1966.
Das Gespräch in der Darmstädter Zentrale der Hessen-Nassauischen Landeskirche (in Begleitung eines befreundeten Anwalts) ging aus wie das berüchtigte “Hornberger Schießen”. Stillschweigende Registrierung verstrichener Verjährungsfristen, justiziarübliche Pokerminen, keine Nachfragen, “Wir danken für das Gespräch.” Eiskalter Händedruck -passend zu den Gesichtern der OberkirchenRätinnen und bis heute keine Reaktion.
Die ersten beiden mir erinnerlichen Fälle sexueller Gewalt gegen 9,10 und 11 Jährige gab es in einem evangelischen Zeltlager am Edersee 1961 unter der Leitung des Jugendpfarrers Hörr aus Steinbach bei Michelstadt im Odenwald. Nicht er hat die Kinder misbraucht sondern ein Diakon. Ich habe die Kinder nachts wimmern hören, war damals 13 Jahre alt und, trotz dem ich noch nicht konfirmiert war, bereits Kindegottesdiensthelfer. Ich hatte aber noch keinen Schimmer einer Ahnung von Vergewaltigung, Misbrauch. Na ja, wir Jungs untereinander, da probierten schon Mal die etwas älteren meist mit stillschweigender Erduldung durch die jüngeren das Éine oder Andre aneinander aus. Aber in der Hauptsache herrschte Heile Welt-vorstellung, die Mädchen verschwiegen den Eltern meist die Übergriffe der Lehrer und Pfarrer aus Angst …. Ich dachte, die Kinder im Zeltlager weinten wegen Heimweh. Am Morgen haben mir dann zwei meiner Kindergottesdienst-Kinder erzählt warum sie geweint haben: der Diakon sei zu ihnen in die Feldbetten gestiegen und habe sie abgefingert, penetriert…
Als ich dann beim “Morgenapell” den Diakon wegen dieser Kinderschänderei angriff, bekam ich vom leitenden Pfarrer mehrere Fußtritte, wurde übelst beschimpft, abgekanzelt und sofort aus dem Zeltlager ausgeschlossen. Der Kontakt zu den Kindern des Jungschar-Zeltlagers wurde mir verboten und die anderen Kinder gegen mich aufgehetzt, so dass sich fast alle nicht Mal mehr trauten, mit mir zu sprechen. Meine Eltern wurden davon nicht unterrichtet, die benachbarte DLRG-Jugendgruppe nahm mich für zwei/drei Wochen ins Exil auf. Zuhause wurde ich, als ich davon berichtete, von meinem Vater verprügelt, der dem Pfarrer mehr glaubte als mir… Ab diesem Zeitpunkt habe ich solche Misbrauchstendenzen sehr früh und scharf wahrgenommen und es mir dabei mit einer langen Reihe alter Kameraden im LehrerKollegium meiner Schule verscherzt, von denen einige in den 5., 6., 7. und noch in den 8. Klassen die Mädchen gern auf den Schoß nahmen … mein Aufbegehren und meine Nachforschungen über die (politische)Herkunft einiger Lehrer führte zum Schulverweis…
Wurde es “dem Alten” zu viel, drang etwas in die Öffentlichkeit, beschwerte sich jemand darüber lautstark, gab es Prügelstrafe, wobei die geschlagenen Täteropfer meterweit durch Flure und Speisesaal flogen: “Was uns nicht umbringt, macht uns hart!”
Mit den Renner-schen Panzerfäusten wurden dann zigtausende von Hitlerjungen noch kurz vor Kriegsende in den Endsieg verhetzt und verheizt. Vereidigt auf den “Führer” im Berliner Olympia Stadion durch Karl Diem, dem Erfinder des Olympischen Fackellaufes, dem Gründer der Kölner Sporthochschule unter Adenauer, dem Bundesjugendspiele-Gründer und Mit-Unterzeichner aller Ehrenurkunden zusammen mit Theodor Heuss, die in vielen Zimmer noch heute überm PokalRegal hängen!
Bilder aus meiner „Egon Schiele-Phase“ 1963/64
Heidelberg
Heidelberg
auf deinen Brücken
stand ich
den schalen Nachgeschmack
glänzender Feste
im Gaumen
den beklemmenden Rauch
deiner engen Altstadt
atmend
und deiner Schönheit
nicht gedenkend
Heidelberg
du grausame Schöne
zerschneidest mir mein Ich
läßt mich den Mittelpunkt
das Gleichgewicht
verlieren
und meine Gedanken
den Neckarwellen gleich
in ein Meer
von Heimweh fließen –
Wohin?
Ich kannte mein Ziel
doch du bringst mich ab
vom Wege
und fesselst mich
wie eine Frau
für vierundzwanzig Stunden
Und mittags
Heidelberg und abends
und nachts
auf deinen Brücken
stehe ich
den schalen Nachgeschmack
glänzender Feste
den Rückblick
deiner Augen
im Nacken
den beklemmenden Rauch
deiner engen Altstadt
zitternd fiebernd
röchelnd atmend
und deine Schönheit
nimmt mich in ihre
feuchten kalten Arme
deckt über mich
ihr Nebelschleierhaar
das mir im Fallen noch
den Blick
zum Sternenhimmel
nimmt
(1966)
Das Leben ist ein Badesee
Das Leben ist ein Badesee
es lässt sich kaum ergründen
so lang ich noch am Ufer steh
kannst du mich ganz leicht finden
Mein Ufer ist ein steiler Hang
Mit starkem Hang zum Rutschen
der steile Zahn der Zeit nagt lang-
e schon mit Fletschen statt mit Knutschen
dem trotzend tanz ich bis zum Rand
schlafwandelnd bis zum Fallen
träum mich in deiner warmen Hand
Eindämmern, wortlos lallen
Ich stürze und ertrinke fast
Nur du kannst mich noch retten
Ich greife dich, nicht Lust nur Last
Und will mich an dich kletten
Oh lass dich in dem Badesee
Von mir nicht heilig taufen
Schlag mich bis ich den Himmel seh
Lass mich allein ersaufen
HaBE 1966
und etwas umgeschrieben und ergänzt
2002 mit einem Schlussvers:
Doch dann ganz unten stoß ich mich
Mit Schmackes aus der Gülle
Dann leb ich wieder, liebe (d?m?) ich
Bis an den Rand in Fülle
Ob ich dann noch der Alte bin?
Wer weiß? Vielleicht nur Hülle
“Dein Kuss schmeckt bitter”- HaBE ich für Anita Düring-Süßengut 1965 geschrieben
Veröffentlicht am 4. November 2013 von Hartmut Barth-Engelbart
Dein Kuss schmeckt bitter
(ein neuer Tanz?)
Es ist wie das erste Frühlingserwachen
es gleicht einer täglichen Renaissance
es kann mich fast grundlos glücklich machen
es beginnt, es ist wie ein lieblicher Tanz
Ein Sinken, ein Schweben, ein Fliegen und Ziehen
Es drängt wie die dralle Brandung am Meer
Es gleicht einer Knospe vor dem Erblühen
Es kommt wie ein Schauer auf Wolken daher
Es gleicht dem aus Schwüle erlösenden Regen
wenn der Tanz im Flug über Wipfel streicht
und Winde in weichgrüne Felder sich legen
Wenn Hagel schmilzend der Sonne weicht
Es geht vorüber wie ein Gewitter
Blitze zucken , der Donner verhallt
der Sommer war kurz und dein Kuss schmeckt bitter
mich schaudert, es herbstet, das Jahr wird alt
Ich möchte für immer im Frühling erwachen
der lindgrün strahlende Sonnenglanz
das wärmende Licht und das Vogel-Lachen
und Düfte und Küsse, ein neuer Tanz
März/April 1965
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