Wie der Westen den Islamischen Staat erschuf

Wie der Westen den Islamischen Staat erschuf

Wie der Westen den Islamischen Staat erschuf (aus RUBIKON)

Auch die EU und Deutschland haben den sogenannten Islamischen Staat miterschaffen.

Der lange Krieg

Folge dem Geld

Medienberichte nach der Eroberung großer Teile des nördlichen und zentralen Irak durch ISIS in diesem Sommer (2014) kennzeichneten diese Gruppe als der Welt super-effizienteste, selbstfinanzierte terroristische Organisation, die imstande gewesen sei, sich ausschließlich durch ausgiebige Plünderung der Banken des Irak und durch Gelder aus Schwarzmarkt-Ölverkäufen zu konsolidieren. Viel von dieser Darstellung kam jedoch aus zweifelhaften Quellen und übersah störende Einzelheiten.

Eine hochrangige anonyme Geheimdienstquelle berichtete z.B. dem Guardian-Korrespondenten Martin Chulov, dass mehr als 160 aus einem ISIS-Versteck stammende Computer-Flashsticks Informationen über die Finanzen des ISIS preisgegeben hätten, welche für die Geheimdienst-Gemeinde völlig neu gewesen seien.

„Vor Mossul (dem angeblichen großen Bankraub, s.u.) belief sich ihr gesamtes Vermögen auf 875 Millionen Dollar (515 Millionen Pfund)“, sagte der (Geheimdienst-) Mitarbeiter über die Gelder, welche großenteils über „massive Geldzuflüsse von den Ölfeldern des östlichen Syrien, die er (=ISIS) Ende 2012 in Beschlag genommen hatte“ erhalten wurden. Danach „konnten sie dem mit dem Geld, das sie von Banken raubten, und dem Wert des Militärmaterials, das sie eroberten, weitere 1,5 Milliarden hinzufügen“. Der Tenor dieser aus Geheimdienstquellen stammenden Darstellung war einfach: „Sie machten das alles selbst. Es gab überhaupt keinen staatlichen Akteur hinter ihnen, den wir lange gekannt hätten. Sie brauchen keinen“.

„Der halbe-Milliarde-Bankraub des ISIS macht ihn zur reichsten Terrorgruppe der Welt“, behauptete der Telegraph und fügte hinzu, dass diese Zahl noch nicht mal zusätzlich gestohlene Goldbarren und weitere von Banken „quer durch die Region“ erbeutete Millionen einschließe.

Diese Geschichte von ISIS‘ fantastischer Bankraub-Tour durch den Irak machte weltweit Schlagzeilen, stellte sich aber als Desinformation heraus.

Wie konnte diese Geschichte zustande kommen? Eine ihrer ersten Quellen war der irakische Parlamentsabgeordnete Ahmed Chalabi – derselbe Mann, der unter dem Fittich seines ‚Irakischen Nationalkongresses‘ (eine mit finanzieller Unterstützung der US-Regierung gegründete Organisation mit dem Ziel des Sturzes von Saddam Hussein) mit der Geheimdienst-Falschinformation über Saddams Massenvernichtungswaffen und Al-Kaida-Verbindungen hausieren ging.

Im Juni (2014) traf Chalabi den US-Botschafter für Irak, Robert Beecroft, und Brett McGurk, den stellvertretenden Vize-Außenminister des Auswärtigen Amts für Irak und Iran. Laut Quellen, die im Juni von Buzzfeed zitiert wurden, hat Beecroft „Chalabi über Monate hinweg getroffen und in seiner Villa in Bagdad gespeist“.

Folge dem Öl

Während aber ISIS eindeutig Unterstützung von Geldgebern in den Golfstaaten erhielt, nachdem sich viele seiner Kämpfer von den traditionellen, mit Al Kaida verbundenen Gruppen wie Jabhat al-Nusra getrennt hatten, hat er auch seine Kontrolle über syrische und irakische Ölfelder erfolgreich ausgedehnt.

Im Januar (2014) berichtete die New York Times, dass „islamistische Rebellen und extremistische Gruppen die Kontrolle über die meisten Öl- und Gasquellen Syriens an sich gerissen haben“, wodurch sie „das Vermögen des Islamischen Staats von Irak und Syrien (ISIS) und der Nusra-Front, welche beide Abspaltungen von Al Kaida darstellen, vergrößert haben“. Mit Al Kaida verbundene Rebellen hatten „die Kontrolle der über den Norden und Osten des Landes verstreuten Öl- und Gasfelder übernommen“, während eher gemäßigte „vom Westen unterstützte Rebellengruppen nicht in den Ölhandel verwickelt scheinen, hauptsächlich deshalb, weil sie keine Ölfelder übernommen haben“.

Aber der Westen hat diesen islamistischen Gruppen direkt bei ihren Bemühungen geholfen, Syriens Ölfelder in Betrieb zu nehmen. Im April 2013 schrieb beispielsweise die Times, dass Al Kaida-Rebellen die Schlüsselregionen Syriens übernommen hätten: „Die Hand von Al Nusra kann man am stärksten in Aleppo spüren“, wo dieser Al Kaida-Verbündete in Abstimmung mit anderen Rebellengruppen einschließlich ISIS „eine Scharia-Kommission“ eingerichtet hatte, welche „eine Polizei und einen islamischen Gerichtshof“ unterhielt, der „Strafen verhängt, die Auspeitschungen eingeschlossen haben“. Al Kaida-Kämpfer „kontrollieren“ auch „das Elektrizitätswerk und verteilen Mehl, um die Bäckerei am Laufen zu halten“. Zusätzlich „haben sie Ölfelder der Regierung“ in der Provinz Deir al-Zour und Hasaka „an sich gerissen und machen jetzt Gewinn mit dem Rohöl, das sie produzieren“:

Im Nebel des Medienrummels ging die verwirrende Tatsache verloren, dass diese Brot- und Ölaktionen Al Kaidas in Aleppo, Deir al-Zour und Hasaka direkt und indirekt von den USA und der Europäischen Union (EU) unterstützt wurden.

Ein Bericht der Washington Post nimmt beispielsweise Bezug auf eine Geheimmission in Aleppo zur „Lieferung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfen an bedürftige Syrer – alles von der US-Regierung bezahlt“, einschließlich der Mehllieferung. „Die Bäckerei wird vollständig mit Mehl versorgt, welches von den Vereinigten Staaten bezahlt wurde“, fährt die (Washington) Post fort und schreibt, dass jedoch die Verbraucher vor Ort „glaubten, dass Jabhat al-Nusra – eine Rebellengruppe, die die Vereinigten Staaten wegen ihrer Verbindungen zu Al Kaida als terroristische Organisation eingestuft hatten – die Region mit Mehl versorgte, obwohl diese zugab, dass sie nicht sicher sei woher es stamme“.

Genau zwei Monate später ließ ein früherer leitender Mitarbeiter der Syrien-Unterstützungsgruppe (SSG) in (Washington) DC, David Falt, interne E-Mails der SSG durchsickern, die bestätigten, dass diese Gruppe „besessen“ war, „Spitzen“ölgeschäfte zugunsten der FSA („Freie Syrische Armee“, eine bewaffnete Oppositionsgruppe, s. z.B. diesen Wikipedia-Artikel) für Syriens von Rebellen kontrollierte Ölregionen zu vermitteln. „Die Idee, dass sie hunderte Millionen Dollar aus dem Ölverkauf erheben könnte, begann die Arbeit der SSG bis zu dem Punkt zu beherrschen, dass keine wirkliche Aufmerksamkeit mehr der Natur des Konflikts gewidmet wurde“, sagte Falt, wobei er sich besonders auf den Direktor der SSG, Brian Neill Sayers, bezog, der vor seiner Funktion beim SSG mit der Abteilung für Operationen der NATO zusammenarbeitete. Ihr Ziel war es, Geld für die Rebellen durch den Verkauf der Rechte am syrischen Öl zu beschaffen.

Stillschweigende Komplizenschaft mit dem IS-Ölschmuggel

Sogar noch als Al Kaida-Kämpfer zunehmend dazu übergingen, sich dem IS anzuschließen, funktionierte allem Anschein nach die von den islamistischen Gruppen in Syrien aus dem Stegreif errichtete Schwarzmarkt-Ölproduktions- und -Ölexport-Infrastruktur weiterhin mit der stillschweigenden Unterstützung regionaler und westlicher Mächte.

Laut Ali Ediboglu, einem türkischen Parlamentsabgeordneten für die Grenzprovinz Hatay, verkauft der IS den Großteil seines Öls aus Gebieten in Syrien und aus Mossul im Irak über die Türkei, mit dem stillschweigendem Einverständnis türkischer Behörden: „Sie verlegten Pipelines von Dörfern nahe der türkischen Grenze nach Hatay. Ähnliche Pipelines gibt es auch in [den türkischen Grenzgebieten von] Kilis, Urfa und Gaziantep. Sie transferieren das Öl in die Türkei und setzen es in Bargeld um. Sie nehmen das Öl von den Raffinerien zum Nulltarif. Unter Verwendung primitiver Mittel raffinieren sie das Öl in Gebieten nahe der türkischen Grenze und verkaufen es dann über die Türkei. Das hat einen Wert von 800 Millionen Dollar“. Er merkte auch an, dass das Ausmaß dieser Vorgänge sowie dazugehörender Operationen auf die offizielle türkische Komplizenschaft hinweisen.

„Kämpfer aus Europa, Russland, asiatischen Ländern und Tschetschenien gehen in großer Zahl sowohl nach Syrien als auch in den Irak, wobei sie türkisches Territorium durchqueren. Es gibt Informationen, dass mindestens 1000 türkische Staatsangehörige diesen ausländischen Kämpfern dabei helfen, heimlich nach Syrien und in den Irak einzureisen, um sich ISIS anzuschließen. Der nationale (türkische) Geheimdienst (MIT) soll angeblich darin verwickelt sein. Nichts davon kann sich ohne die Kenntnis des MIT abspielen.“

Ebenso deutet vieles darauf hin, dass Behörden im kurdischen Gebiet des Irak ebenfalls ein Auge beim IS-Ölschmuggel zudrücken. Im Juli (2014) sagten irakische Beamte, der IS habe den Verkauf von Öl begonnen, welches in der nördlichen Provinz Salahuddin gewonnen wurde. Ein Beamter betonte, dass „die kurdischen Peschmerga-Kräfte den Ölverkauf zunächst stoppten, später aber Tankfahrzeugen den Transport und Verkauf von Öl erlaubten“.

Die Parlamentsabgeordnete Alia Nasseef, Mitglied der Rechtsstaat-Koalition (des früheren irakischen Ministerpräsidenten al Maliki) beschuldigte auch die Kurdische Regionalregierung (KRG) (des Irak), heimlich Ölhandel mit dem IS zu betreiben: „Was sich hier abspielt, zeigt das Ausmaß der massiven Verschwörung gegen den Irak durch kurdische Politiker“… Der [illegale] Verkauf irakischen Öls an ISIS ist etwas, was uns nicht überraschen würde“. Obwohl kurdische Beamte diese Anschuldigungen entschieden zurückgewiesen haben, berichteten informierte Quellen der arabischen Tageszeitung Asharq Al-Awsat, dass von ISIS erbeutetes irakisches Rohöl „an kurdische Händler auf beiden Seiten der Grenzregionen des Irak, Irans und Syriens verkauft und nach Pakistan verschifft“ wurde, „wo es für weniger als die Hälfte seines ursprünglichen Preises‘ verkauft wurde“.

Eine offizielle Stellungnahme seitens des irakischen Ölministeriums im August (2014) warnte davor, dass sämtliches nicht von Bagdad lizensiertes Öl illegal vom IS geschmuggeltes Rohöl enthalten könne: „Internationale Abnehmer [von Rohöl] und andere Marktteilnehmer sollten sich darüber im Klaren sein, dass jedwede Ölexporte, die ohne die Genehmigung des Ölministeriums durchgeführt werden, Rohöl enthalten können, welches von Ölfeldern unter der Kontrolle von [ISIS] stammt“.

„Länder wie die Türkei haben weggeschaut bei der Praxis“ des IS-Ölschmuggels, sagte Luay al-Khateeb, ein Mitglied des Brookings Doha Center, „und es sollte internationaler Druck aufgebaut werden, um Schwarzmärkte in ihrer südlichen Region zu schließen“.

Bisher gab es noch keinen derartigen Druck. Währenddessen geht der Ölschmuggel des IS weiter, wobei Beobachter innerhalb und außerhalb der Türkei vermerken, dass die türkische Regierung dem IS stillschweigend das Aufblühen erlaubt, weil es ihn als Rebellen gegen das Assad-Regime bevorzugt.

Nach Aussage des früheren irakischen Ölministers Islam al-Jalbi „ist die Türkei der größte Gewinner beim Handel mit geschmuggeltem IS-Öl“. Sowohl Händler als auch Ölfirmen sind darin verwickelt, sagte er, wobei der niedrige Preis den Ländern, die den Schmuggel unterstützen,“massive“ Gewinne ermöglicht.

Öl von ISIS kaufen?

Früh in letztem Monat (= August 2014) kam ein Tanker mit über einer Million Barrel Rohöl im texanischen Teil des Golfs von Mexiko an. Das Öl war im kurdischen Gebiet des Irak raffiniert worden, bevor es durch eine neue Pipeline der KRG (kurdische Regionalregierung) gepumpt wurde, die in Ceyhan in der Türkei endet, wo es dann in den Tanker zur Verschiffung in die USA umgeladen wurde. Bagdads Bemühung, den Ölverkauf auf der Grundlage seines vorhandenen nationalen Rechtssystems zu stoppen, wurden von amerikanischen Gerichten zurückgewiesen.

Früh im September (2014) berichtete die Botschafterin der Europäischen Union im Irak, Jana Hybásková, dem EU-Komitee für auswärtige Angelegenheiten, dass „mehrere EU-Mitgliedstaaten Öl von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS, früher ISIS) gekauft haben, welche große Teile des Irak und Syriens brutal erobert hat“, so Israel National News. Aber sie „weigerte sich, die Namen dieser Länder preiszugeben, obwohl sie mehrfach danach gefragt wurde“.

Ein dritter Endpunkt für das Rohöl der KRG, welches erneut über den türkischen Hafen von Ceyhan verschifft wurde, war Israels südwestlicher Hafen Ashkelon. Das ist jedoch kaum etwas Neues. Im Mai (2014) enthüllte Reuters, dass israelische und US-Ölraffinerien regelmäßig das umstrittene Öl der KRG gekauft und importiert hatten.

Mittlerweile, wo dieses Dreieck heimlicher Ölverschiffungen, in welche ISIS-Rohöl hoffnungslos verstrickt zu sein scheint, schon stärker etabliert wird, hat die Türkei zunehmend gefordert, dass die USA formale Maßnahmen ergreift, um Hindernisse für kurdische Ölverkäufe an globale Märkte aufzuheben. Die KRG plant, täglich 1 Million Barrel Öl im nächsten Jahr durch ihre Pipeline in die Türkei zu exportieren.

Unter den vielen in der Hauptstadt der KRG, Erbil, aktiven Öl- und Gasfirmen befinden sich ExxonMobil und Chevron. Sie bohren in der Region unter KRG-Verträgen nach Öl, auch wenn die Operationen infolge der Krise gestoppt wurden. Es verwundert nicht, wenn Steve Coll im New Yorker schreibt, dass Obamas Luftschläge und Waffenlieferungen an die Kurden – und bemerkenswerterweise nicht an Bagdad – tatsächlich auf „die Verteidigung eines unerklärten kurdischen Ölstaats“ hinauslaufen, „über dessen Grundlagen von geopolitischer Bedeutung – z.B. als einem langfristigen, nicht-russischen Lieferanten von Öl und Gas nach Europa – in vornehmer oder naiver Gesellschaft am besten nicht gesprochen wird“. Die Kurden sind jetzt damit beschäftigt, ihre Exportkapazität zu „vervierfachen“, während die US-Politik zunehmend dazu übergegangen ist, kurdische Exporte zu erlauben – eine Entwicklung, welche größere Auswirkungen auf Iraks nationale territoriale Integrität haben dürfte.

Da die Offensive gegen den IS anläuft, gehen die Kurden jetzt zwar teilweise härter gegen die IS-Schmuggelaktivitäten vor – aber die Maßnahmen sind zu geringfügig und kommen zu spät.

Eine neue Landkarte

Der Dritte Irakkrieg hat begonnen. Mit ihm sind seit langem bestehende Träume der Neocons wiederauferstanden, den Irak entlang ethnischer und religiöser Linien in drei Teile zu teilen.

Vertreter des Weißen Hauses erwarten jetzt, dass der Kampf gegen den ‚Islamischen Staat‘ in der Region Jahre dauern wird, und dass er die Obama-Regierung überleben dürfte. Aber diese Vorstellung eines ‚langen Kriegs‘ geht auf nebulöse Ideen zurück, die früher vom verstorbenen Analysten der RAND Corporation, Laurent Muraweic, auf Einladung des damaligen Vorsitzenden Richard Perle vor dem Defense Policy Board des Pentagon dargelegt wurden. Diese Ausführungen beschrieben den Irak als „taktischen Dreh- und Angelpunkt“, über den der Nahe und Mittlere Osten umzugestalten sei.

Brian Whitaker, früherer Redakteur des Guardian für den Nahen Osten, merkte zurecht an, dass die Perle-RAND-Strategie von einem 1996 vom israelischen Institute for Advanced Strategic and Political Studies (Institut für zukunftsweisende strategische und politische Studien) veröffentlichten (Strategie-) Papier inspiriert und von Perle und anderen Neocons mitverfasst wurde, welche Spitzenpositionen in der Bush-Regierung nach dem 11.9. (2001) innehatten.

Das Strategiepapier plädierte für eine Vorgehensweise, die eine erschreckende Ähnlichkeit zu dem Chaos aufweist, welches sich infolge der Ausbreitung des ‚Islamischen Staats‘ entwickelte – Israel solle „sein strategisches Umfeld gestalten“, indem es zunächst die Beseitigung Saddam Husseins sicherstellen solle. „Jordanien und die Türkei würden zusammen mit Israel eine Achse bilden, um Syrien zu schwächen und zurückzuwerfen“. Diese Achse würde versuchen, den Einfluss Libanons, Syriens und Irans durch „Entwöhnung“ ihrer schiitischen Bevölkerungsbestände zu schwächen. Um Erfolg zu haben, würde Israel Unterstützung durch die USA erzeugen müssen, die von Benjamin Netanjahu durch Formulierung der Strategie „in einer den Amerikanern vertrauten Sprache unter Verwendung von Themen amerikanischer Regierungen während des Kalten Kriegs“ erreicht werden würde.

Der Perle-RAND-Plan von 2002 war im strategischen Denken der Bush-Regierung bezüglich des Iraks kurz vor dem (Irak-) Krieg von 2003 wirksam. Laut dem privaten US-Informationsdienst Stratfor hatten gegen Ende 2002 der damalige Vizepräsident Dick Cheney und Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz einen Plan mitverfasst, wonach der mehrheitlich sunnitische Zentralirak sich mit Jordanien verbinden sollte; die nördlichen kurdischen Regionen (des Irak) sollten ein autonomer Staat werden; beide sollten von der südlichen schiitischen Region abgetrennt werden.

Die strategischen Vorteile einer Teilung des Irak, argumentierte Stratfor, stellten die Kontrolle des Öls durch die USA in den Mittelpunkt:

„Nach Auslöschen des Iraks als eines souveränen Staates bräuchte man keine Angst mehr zu haben, dass eines Tages eine antiamerikanische Regierung in Bagdad an die Macht käme, denn die Hauptstadt wäre dann Amman (Jordanien). Derzeitige und potentielle Gegner der USA, Iran, Saudiarabien und Syrien, würden voneinander isoliert, mit großen, unter Kontrolle von Pro-US-Kräften stehenden Landstücken zwischen ihnen“.

„Gleichermaßen wichtig wäre es, dass Washington in der Lage wäre, seine langfristige und massive Militärpräsenz in der Region als notwendig für die Verteidigung eines jungen Staates zu rechtfertigen, der um Schutz durch die USA bittet – und um die Stabilität der Ölmärkte und -lieferungen zu sichern. Das wiederum würde den Vereinigten Staaten helfen, direkte Kontrolle über das irakische Öl zu gewinnen und saudisches Öl im Fall eines Konflikts mit Riad zu ersetzen“.
Die Ausbreitung des ‚Islamischen Staats‘ hat einen Vorwand für die Entfaltung der grundsätzlichen Umrisse dieses Szenarios geschaffen, wobei die USA und Großbritannien danach trachten, eine langfristige militärische Präsenz im Irak wiederherzustellen.

2006 gab auch Cheneys Nachfolger, Joe Biden, seine Unterstützung für die ‚sanfte Teilung‚ des Iraks entlang ethnisch-religiöser Grenzen zu erkennen – eine Position, die der Mitverfasser des Irak-Biden-Plans, Leslie Gelb vom Rat für Auswärtige Angelegenheiten, jetzt als „die einzige Lösung“ für die gegenwärtige Krise ausgibt.

2008 tauchte diese Strategie – wieder mal über die RAND Corporation – durch ein Gutachten wieder auf, das vom US Army Training and Doctrine Command bezahlt und der Frage gewidmet wurde, wie der ‚lange Krieg‘ weiterzuführen sei. Unter seinen Strategien war „Teile und Herrsche“ ein vom Gutachten befürwortetes Szenario, welches „das Ausnutzen von Bruchlinien zwischen den verschiedenen salafistisch-dschihadistischen Gruppen“ beinhalten würde, um sie „gegeneinander aufzubringen und ihre Energie gegeneinander zu vergeuden“.

Gleichzeitig regte das Gutachten an, dass die USA den Konflikt zwischen salafistischen Dschihadisten und militanten Schiiten fördern könnte, indem sie „die traditionellen sunnitischen Regime stärken – als ein Weg, Macht und Einfluss des Iran im Nahen Osten und am Persischen Golf zu begrenzen“.

In der einen oder anderen Weise befindet sich dieser Plan in Umsetzung. Letzte Woche erklärte der israelische Außenminister Avigdor Lieberman gegenüber US-Außenminister John Kerry: „Der Irak bricht vor unseren Augen auseinander und es dürfte sich herausstellen, dass die Schaffung eines unabhängigen kurdischen Staates das absehbare Ergebnis sein wird“.

Der Aufstieg des ‚Islamischen Staats‘ ist nicht nur eine direkte Folge dieser Vision der Neocons, die mit einer gefährlichen Strategie geheimer Operationen verknüpft ist, welche mit Al Kaida verbundene Terroristen als Werkzeug zur Beeinflussung lokaler Bevölkerungsteile ansah. Er hat seinerseits auch den Vorwand für den Beginn einer neuen Ära endlosen Krieges unter Zuhilfenahme des ganzen Spektrums einer länger andauernden US-geführten Militärpräsenz in der energiequellenreichen Region des Persischen Golfs geschaffen und zur Rückkehr zur gefährlichen imperialen Versuchung geführt, die Ordnung der Großregion umzugestalten.


Der Originalartikel erschien unter dem „Titel „How the West Created the Islamic State““ hier:
http://www.counterpunch.org/2014/09/12/how-the-west-created-the-islamic-state.

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Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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