NS-Verbrechen-Verschweigegeld, Gewinne aus Zwangsarbeit & „Arisierung“ am Beispiel MKK

Dass die Aufführung eines Theaterstückes über den Todesmarsch der 350 Überlebenden von 1.600 Zwangsarbeitern im  Frankfurter ADLER-KZ „Katzbach“ über 17 Jahre verweigert wurde und weiter verweigert wird, hat seine guten unguten Gründe. Dass der Main-Kinzig-Kreis mit der defakto-Verweigerung sich einen Judaslohn verschafft hat, ist dabei besonders zynisch: Der Kreis lobte das Theaterstück im Frühjahr 2000 in höchsten Tönen und stellte 300,-€ Unterstützung in Aussicht unter der Bedingung, dass das AutorINNen-Team in der Region weitere Sponsoren findet. In Kenntnis der veröffentlichten Recherchen der Autorinnen musste der Kreis wissen, dass es mit Sicherheit unmöglich war, für dieses Theaterstück hier Sponsoren zu finden.

Alle Großunternehmen in der Region haben von der Zwangsarbeit profitiert, auch von der im SS-Programm „Vernichtung durch Arbeit“ (und hier besonders die Vernichtung der sowjetischen Kriegsgefangenen aus dem STALAG Wegscheide/Bad Orb).

Am Beispiel des Groß-Kreises Main-Kinzig bei Frankfurt am Main und seinen Kommunen ist das nachweisbar: von Maintal über Hanau, Gelnhausen, Bad Orb, Wächtersbach, Steinau bis Schlüchtern, bei Stadtverwaltungen, Kreissparkassen, Kirchengemeinden, Groß- und Kleinbetrieben, bei der Reichsbahn und ihrer Nachfolgerin, bei Großagrariern und Waldbesitzern wie den Fürsten von Isenburg-Büdingen, -Birstein, -Wächtersbach, -Meerholz, bei der VERITAS, DUNLOP, HERAEUS, bei Betten-Schmidt bis OPEL-Hempel, Firmen, die zum Teil 1998 stolz ihr 60jähriges Firmenjubiläum feierten: Gelnhausen war schon 1937 „die erste judenfreie Stadt im Reich“ und stolz darauf, das schon ei der Einweihung der heute unter Denkmalschutz stehenden „Adolf-Hitler-Kaserne“ 1937 der Fall war.

 

Die Historikerin Dr. Chrsitine Wittrock hat zum Faschismus in der Region drei Bücher im Hanauer CoCon-Verlag veröffentlicht, eines davon im Auftrag des damaligen Landrates des Main-Kinzig-Kreises, Karl Eyerkaufer, der jedoch vor den Drohungen eines der NS-Täter einknickte und den Auftrag rückgängig machte. Trotz der Drohungen des Langenselbolder (immer noch)Ehrenbürgers und Ex Wehrwirtschaftsführers Heinrich Kauss, der den Beton-Facharbeiter Valentin Schmidt vor den Volksgerichtshof bringen ließ, wo er zum Tode verurteilt wurde, hat Dr. Christine Wittrock das Buch auf eigene Verantwortung und Kosten veröffentlicht.

Ihre Aufforderung an die Stadt Gelnhausen und ihren damaligen Bürgermeister Torsten Stolz, den heutigen MKK-Landrat, das Grundstück und Haus der Fellhändlerfamilie Scheuer den Nachkommen zurückzugeben, blieb bis heute ohne Erfolg. Die Stadt Gelnhausen hat das Grundstück für einen Appel und ein Ei bei der Dresdner Bank als Judenschnäppchen ersteigert. Das Haus wird dem Verfall preisgegeben, das Grundstück dient(e) als Lagerplatz für die Stadtwerke und das neue Main-Kinzig-Forum steht auf einem Teil des Grundstücks, ein weiteres wird als Zusatzparkplatz für die Kreisverwaltung genutzt.

Die Stadt Gelnhausen und der Kreis sitzen auf Nazi-Beute, die Kreissparkasse Gelnhausen auf dem Guthaben des aus der Stadt geprügelten KFZ-Meisters und Opel-Händlers Blumenbach, Die neue Mensa & Bücherei des Gelnhäuser Grimmelshausen-Gymnasiums stehen auf dem Blumenbachschen Grundstück. Widergutmachung? Null. Aber immerhin gibt es in dem Gebäude eine couragierte Ausstellung über die Gelnhäuser Judenschlächterei,

Das Unrecht geht einher mit sicherem Schritt…. Notizen über den Nationalsozialismus in Langenselbold und Schlüchtern

https://www.amazon.de/Unrecht-einher-sicherem-Schritt-Nationalsozialismus/dp/386314290X

Saubere Geschäfte, weisse Westen und Persilscheine…
Christine Wittrock

Kaisertreu und führergläubig… Impressionen aus dem Altkreis Gelnhausen 1918 bis 1950
Christine Wittrock

Seit 75 Jahren profitiert die „Barbarossa“-Stadt Gelnhausen von der „Entjudung“ durch die Faschisten

HaBE & Christine Wittrock

Seit 75 Jahren profitiert die “Barbarossa”-Stadt Gelnhausen von der “Entjudung” durch die Faschisten

Dr. Christine Wittrock:
Der Adel
als Steigbügelhalter der Nazis

Dr. Christine Wittrock: Der Adel als Steigbügelhalter der Nazis

Wegfeiern in Gelnhausen – Wie in der deutschen Provinz das Gedenken an Faschismus, Judenpogrome und -vergasung, Arisierungsplünderungen und Zwangsarbeit … weggefeiert wird.
Veröffentlicht am 4. November 2013 von Hartmut Barth-Engelbart
Noch mehr Texte von HaBE bei SteinbergRecherche hier anklicken http://www.steinbergrecherche.com/barth.htm

Siehe auch http://www.barth-engelbart.de/?p=7491

 

Wegfeiern in Gelnhausen

Gelnhausen – die im Reich erste schon vor der Pogromnacht judenfreie Stadt, Barbarossastadt mit Kaiserpfalz und Kaiser-Wilhelm-Treppe, für die 1905 in die Altstadt eine Schneise geschlagen wurde, damit der Kaiser bei seinem Besuch vom extra errichteten neoromanischen Bahnhof aus die Marienkirche besser erreichen konnte. Der größte Hexenverbrenner der Region hat die Kanzel gestiftet, sein Grabdenkmal hat die Christengemeinde vom Chorraum aus fest im Blick, Rüstungsbetriebe – Gummiindustrie – mit KZ-Anlagen-ähnlichen Produktionshallen und späterer Bestversorgung mit Zwangsarbeitern, Garnisonsstadt mit denkmalgeschützten Kasernen, Baujahr 1937, Militärflugplatz, in dessen Gebäuden heute eine Hartz-IV-Behörde haust – AQA nennt sie sich und beweist, dass Arbeit frei macht, Berge um die Stadt ausgehöhlt mit Bunkeranlagen, nach dem Krieg US-Garnison, Panzerplatz – SPEARHEAD gegen den Osten, postwendend angezündelte Asylbewerberkasernen – Lausbubenstreiche nach Epidemiedrohung durch den Landrat – Bürgerwehrversuche gegen Seucheneinschleppung aus dem Balkan.

„Als Kaiser Rotbart lobesam ins Heilge Land gezogen kam …. da sah man zur Rechten und zur Linken einen halben Türken herniedersinken. “  Na ja , alles OK! Gelnhausen hat sogar ne Moschee,  wer sollte denn auch die Arbeit machen, nachdem die Zwangsarbeiter verstorben und der Rest wieder freigelassen war, nachdem die schlesischen und sudetendeutschen Flüchtlinge sich trotz allem in der Gewerkschaft organisiert hatten und Tariflöhne wollten, da musste man ja Italiener – die haben jetzt fast alle ein Geschäft oder eine Kneipe, richtige Unternehmer, oder die Griechen – zu denen gehen wir auch ganz gerne essen,  und dann halt die Türken — aber seit die fast in der EU sind und immer mehr Dönerias und Lebensmittelläden haben, bleiben noch die Russen und die Polen und die Rumänen, beim StraßenBau (keine Autobahnbaustelle ohne Russen), beim Erdbeernpflücken, Spargelstechen — aber die bleiben ja nicht, so wie früher als Saison- und Fremd- und Zwangsarbeiter – ach was – ich war früher auch gezwungen zu arbeiten, und ein bisschen Zwang hat noch niemand geschadet. Baracken? Container?   Daheim wohnen die doch viel schlechter! Klar, die, die deutsches Blut drin haben ..  is doch klar, die können bleiben, oder halt Juden, wenn sie nicht direkt nach Israel…

Ach so, apropos Juden, da fällt mir ein, was ich eigentlich erzählen wollte:

Bei der diesjährigen ökumenischen „Friedensdekade“, veranstaltet von der evangelischen Kirche Gelnhausen, auch der katholischen, von amnesty und Dritte Weltladen, sollte der Judenverfolgung gedacht werden – mit einer Veranstaltung, bei der die Gelnhäuser Archäologin Christine Raedler über das Schiksal dreier jüdischer Familien berichten sollte: Es gab beim Thema Judenverfolgung keine Auflagen. Nur sagte und fragte niemand, wer die Judenverfolger namentlich waren, wer von der Arisierung direkt profitiert hat, wer die beschlagnahmten Bankguthaben und Barschaften erhielt und heute noch aus diesen Werten Zinsen schöpft, wer die Grundstücke sich aneignete – ohne Bezahlung oder zum eher symbolischen Preis.

Das Thema Zwangsarbeit, Vernichtung durch Arbeit in den Gelnhäuser Betrieben und Verwaltungen, in den Kirchengemeinden, bei den Großbauern durfte im Rahmen dieser Veranstaltung überhaupt nicht angesprochen werden. Möglicherweise hat sich hier ein erfahrener Gefolgschaftsführer im Kirchenvorstand durchgesetzt. Und die Kirchenleitung beugte ihr Haupt.

Auf die Aufforderung der Referentin an das Publikum in der ehemaligen Gelnhäuser Synagoge, zum Referat Fragen zu stellen, schwieg die versammelte Gemeinde. Verständlich? Mit im Saal saßen Vertreter der Hauptprofiteure der Zwangsarbeit, im Kirchenvorstand sitzt die Spitze des Rüstungs- und Automobilzulieferers Veritas, die schon einmal gegen die Veröffentlichung von Dokumenten vorgegangen war, die belegen, dass die Firma Veritas nicht nur Zwangsarbeiter bis aufs Blut ausbeutete, sondern auch die NS-Behörden aufforderte, an schwangeren Zwangsarbeiterinnen Zwangsabtreibungen vorzunehmen. Bei der kriegswichtigen Produktion durfte niemand ausfallen!

Dass der Arisierungsgewinnler und „Erbe“ des damals schon Opel-Autohauses Blumenbach mittlerweile seinen Krempel an ein großes Unternehmen abgestoßen hat, dass Betten-Schmitt 1998 sein 60. Firmenjubiläum noch in dem ehemals jüdischen Laden feiern konnte, dass die Villa des Rechtsanwalts Sondheimer von der KdF-Organisation zunächst in den Besitz der Landwirtschaftskammer und dann in Kreisbesitz überging, der Kreis also auf arisiertem Gelände und in arisierten Räumen sitzt…

…dass sich halb Gelnhausen an geplündertem Eigentum und bei „Versteigerungen“ an „jüdischen “ Schnäppchen bereicherte –

das alles wurde bei dieser Veranstaltung nicht erwähnt.

Dabei sitzen musste das Ehepaar Stern/Scheuer.

Das Paar durfte seine Verfolgung als Schicksal wiedererleben, für das es offenbar außer den bekannten Oberverbrechern aus Berlin hier am Ort keine Verantwortlichen gab. Ihr Grundstück direkt an der Kaiserpfalz  kam – man weiß nicht wie – in den Besitz der Stadt und dient dem Bauhof als Lagerplatz.

Jetzt wird das Thema Zwangsarbeit einen Tag später ohne die offiziellen Gelnhäuser Kirchengemeinden und außerhalb der „Friedensdekade“ und ohne das evangelische Oberhaupt in einem kleineren Raum mit weniger Presse behandelt werden: Die örtliche Pax-Christi-Gruppe hat diese Exil-Veranstaltung ermöglicht. Aus dem Hause Krebaum-Poppe, der obersten Etage der Veritas, kam der Vorschlag, statt über die Zwangsarbeit und ihre Profiteure zu berichten, könne man sich doch darauf verständigen, dass die Firma VERITAS Geld spendet, um einen Künstler zu bezahlen, der für jeden in der Veritas verstorbenen Zwangsarbeiter einen Gedenkpflasterstein gestaltet… aber eben nur wenn…

Die Wege in die nächsten Kriege und Genozide sind mit Gedenksteinen und Gedenktagen gepflastert. Jährlich mahnen die Kriegstoten am Totensonntag. Und am Montag produziert die Veritas wieder für die Rüstung.

Von den skandalösen Vorgeschichten dieser „Friedensdekade“ in der Barbarossastadt Gelnhausen hat in der Presse niemand etwas geschrieben. Nun ja, der Bürgermeister erzählt heute noch zu vorgerückter Stunde in Gelnhausens Kneipen von der schönen Zeit, als er hier in der Wikingjugend führend tätig war.

Die evangelische Kirche braucht Geld für die Renovierung der Marienkirche, der Adventskalender muss gesponsort werden, und der kommende Landeskirchentag braucht bei sinkenden Kirchensteuereinnahmen eben auch viele Spenden. Und das Rote Kreuz und die Feuerwehr und der Sportverein und das Behindertenwerk und der Kultursommer und die Stadtbibliothek? Große Unternehmen sind weitgehend von Steuern befreit. Die Öffentliche Hand ist pleite. Da braucht man Unternehmer als Mäzene – so sind halt die Sachzwänge.

Die Schlote von Veritas und Gummi-Joh und Co rauchen schon lange nicht mehr. Aber ihr Qualm, ihr Dunst liegt immer noch über der Stadt.

Manchmal ist der Smog hier im Kinzigtal so dicht, dass man nichts mehr sehen und hören kann. Nur das Kreischen der Krähen aus ihren Schlafbäumen, den Pappeln und Eschen, die der Volkssturm an der Meerholzer Landwehr vor die schnellausgehobenen Panzersperrgräben gepflanzt hat. Als der Russe nicht von Norden kam sondern der Ami von Süden.

Erschienen in der Neuen Hanauer Zeitung, kurz vor Weihnachen 2005

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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