Als die „Fulda-Mädels“ in Mittel-Gründau auf den Feldern der fürstlichen Domäne streikten

Rullmann, gib uns die Papiere

Rullmann, gib uns unser Geld

Schöne junge Burschen sind uns lieber

Als Fronarbeit auf Rullmanns Feld

Das ist der Refrain .

Rullmann war bis in die 30er Jahre der fürstliche Pächter der Mittel-Gründauer Domäne.

Mitte der 20er gab es im Mittel-Gründau Streik-Aktionen der Fulda-Mädchen, der „Bayern-Mädels“, die in einer Art HARTZ4 Aktion des „freiwilligen Arbeitsdienstes“ zur „Bekämpfung der Rhöner Armut“ an Groß-Agrarier vergeben wurden. Die waren extrem billig und senkten natürlich die Löhne für die örtlichen Mägde und Knechte und Saison-Erntearbeiterinnen auf der fürstlichen Domäne. Die Streikaktionen wurden von der SA bekämpft und von KPD und SPD unterstützt. Es waren keine klassischen Streiks. Es waren Bummel-Streiks,  Rüben-übervereinzeln, Unkraut übersehen. Und es war sprichwörtlich ein weites Feld und derer Mehrere auf des Fürsten Grund. Und Aufseher gab es nicht genug..

Das Streiklied wurde auch schon lange vor dem Streik von den „Mädels“ gesungen.. die Mal „Fulda-Mädels“ und ein anderes  Mal „Bayern-Mädels“ genannt wurden. Denn sie kamen meist aus der bayrischen Rhön.

Die unter der Notverordnungs-Regierung des SPD-Reichskanzlers Müller eingeführten „freiwilligen Arbeitsdienste“ waren in der Rhön aber auch im Odenwald, im Vogelsberg und im Spessart Vorläufer des von den Faschisten verfolgten Hartmann-Planes, der die systematische Enteignung der Kleinbauern betrieb, sie zur Umsiedlung in den „neuen Lebensraum im Osten“ zwang und die Kinder als Billigarbeitskräfte in die Industrie- und Großagrarbetriebe schickte. Das war dann das Ergebnis der sogenannten „Flurbereinigung“ zu Gunsten der Orts-(Groß-)Bauernführer, der Groß-Agrarier. Eine Aktion, die nach dem Krieg unter dem hessischen Landwirtschaftsminister Gustav Hacker, einem Henlein- und hohen NSDAP-Funktionär und BHE-Politiker in Koalition mit Zinns SPD (auch ein alter Kamerad, wie seine rechte Hand, der NS-Jurist Kölbel, der spätere Oberbürgermeister von Rüsselsheim, der Heimat des OPEL-Blitz für den gleichnamigen Krieg) weitergeführt wurde.

Bei diesem Bild sieht man gut, wie groß die Zustimmung der Mittel-Gründauer zur Faschistenherrschaft war. Drei führende Nazis u.a. der Pächter und sein Sohn heben die Hand zum Führergruß. Listigerweise haben die Arbeiter die Hakenkreuzfahne an den Eingang des Schweinestalles gehängt.  Im  Dorf wird bis heute gemunkelt, dass der Brand des Südflügels eventuell doch Brandstiftung war. Der Pächter war von Berlin „eingeflogen“ und NSDAP-Chef geworden, nachdem der örtliche SA-Röhm-Strasser-Mann,  Metzger und Gastwirt Jean Kuhl nach der Hinrichtung von Röhm und der Entmachtung der SA de fakto abgesetzt wurde. Der Sohn des Pächters wurde dann auch  Fähnleinführer der örtlichen HJ.  Der Wiederaufbau des Südflügels wurde als „freiwilliger Arbeitsdienst“ zur Stärkung der „Reichsnährstandes“ geleistet. Wie man sieht, mit heller Begeisterung :-0))))))

Die „Bayern-Mädels“ mussten schon beim „freiwilligen Arbeitsdienst“ in den Zwanzigern die Papiere abgeben, um so zu verhindern, dass sie sich irgendwo andere besser bezahlte Arbeit suchten und sie bekamen ihren Lohn erst nach Abschluss der „Maßnahme“. Es herrschte wie heute für Flüchtlinge und auch HARTZ4er „Residenzpflicht“  „Fördern durch Fordern!“

Refrain:

Rullmann, gib uns die Papiere

Rullmann, gib uns unser Geld

Schöne junge Burschen sind uns lieber

Als Fronarbeit auf Rullmanns Feld

1

Wir wollen uns nicht länger bücken

Um Rullmanns Rüben zu vereinzeln

Und dann seine Rübe  pflücken

und ihn wie die Kölner Heinzel-

weibchen mit dem Arsch, dem Rücken

Nach der Arbeit noch entzücken (beglücken)

Refrain:

Rullmann, gib uns die Papiere

Rullmann, gib uns unser Geld

Schöne junge Burschen sind uns lieber

Als Fronarbeit auf Rullmanns Feld

2

Altes Brot und Rübenschnitzel

Muggefugg und kein Kaffee

Worschd und Fleisch gibt’s für die Spitzel

Und zum Kaffee Jägertee

Und für die Verräter- Worte

Extra-Lohn  und Extra-Torte

Refrain:

Rullmann, gib uns die Papiere

Rullmann, gib uns unser Geld

schöne junge Burschen sind uns lieber

als Fronarbeit auf Rullmanns Feld….

3

Wir lassen uns doch nicht vom Fürsten

und seinem fetten Kostverpächter

unterdrücken, pressen, bürsten

vom Jäger, Vorarbeiter, Wächter

wenn sie uns hinterrücks bestechen

dann kommt der Tag, wo wir uns rächen

Refrain:

Rullmann, gib uns die Papiere

Rullmann, gib uns unser Geld

schöne junge Burschen sind uns lieber

als Fronarbeit auf Rullmanns Feld

Im Dialekt hieß es dann auch so ähnlich:

Mir losse uns fum Ferschte

un soim fette Kostverpäschder

nedd unnerdrigge un nedd berschde

fum Jäscher nedd un nedd fum Wäschder

woann die uns hinnerriggs bestesche

donn kimmt de Taach, wou mir uns räsche

Berschde ist der Ost-Hessische Dialekt-Ausdruck für gewalttätig Ficken, Vögeln, Vergewaltigen

Quellen:

Der Refrain wurde von Frau Dr. Göckel  in Mittel-Gründau überliefert.

Die Strophen hat der Mittel-Gründauer SPDler, Landmaschinen-Schlosser und Fußballer Kurt Uffelmann in den End90ern erzählt.

Die letzte Zeile des Refrains wurde in der gleichen Tonfolge mit verschiedenen vom „Chorus“ gerufenen Variationen wiederholt: erst die Vorsängerin oder der Fulda-Mädels-Chor :

„als Fronarbeit!“ und dann Alle oder einzeln reingerufen, reingebrüllt:: „Billigst-Lohnarbeit“, „Hungerlohn-Arbeit“, „ohne Lohn-Arbeit“, . ….

Ein Leser auf der FB-Seite „Linksfraktionen“ kommentierte, ob sich die Fulda-Mädels“ auf dem Foto oben alle als Kerle verkleidet hätten.

Wer als Kraut mit besten Sitten

nur noch schaut

nach Arsch und Titten

wer es also nicht mehr schafft

durch Testosteronensaft

erblindet

den Artikel durchzulesen

weil er dort keine Mädels findet

muss die Jahreszahl vergessen

und im Drange

übergangen

haben

Dann sage ich dem holden Knaben

wie es damals wirklich war

im Jahr

1926

Das Foto oben zeigt die ARBEITER, die 1935 höchst wahrscheinlich  im ARBEITSDIENST aus dem ARBEITSLAGER Herrnhaag zusammen mit den üblichen Verdächtigen im Dorf abkommandiert wurden zum Wiederaufbau des Südflügels der fürstlichen Domäne – für ein VergeldsGott & Führer-Hungerlohn. Nur drei Menschen heben den Arm zum „Führergruß“. der Pächter, sein Sohn und der Verwalter, der Eine SS-Mann, der zweite HJ-Führer und der Dritte auch SS-Mann.

Die Fulda-Mädels waren in der ZWANZIGERN als Billigersatz für die zu teuren polnischen Saison-WanderarbeiterINNEN den fürstlichen Pächtern zugeteilt worden durch den „freiwilligen Arbeitsdienst“ der Reichsregierung unter dem SPDler Müller. In dieser zeit haben viele auch SPD-regierte Kreise und Städte auf Pump und mit billigstlohn Stadien, Hafenanlagen usw. bauen lassen, so z.B. den Hanauer Main-Hafen, das Michelstädter Heinrich-Ritzel-Stadion, das die NAZIS dann in Waldstadion umbenannten.

In Mittel-Gründau waren die Fulda-Mädels als Dumpinglohn Konkurrenz  auf den Feldern eingesetzt und nicht als Bauarbeiter und Zimmerer und Dachdecker. Sie wohnten in dem „Polacken-Haus“ der Domäne, in dem seit über 150 Jahren die polnischen Ernte-SaisonarbeiterINNEN untergebracht waren. Nach der Machtübergabe an die NSDAP wurden die  Fulda-Mädels weiter ausgenommen. Mit dem Einsetzen des „Hartmann-Planes“ der SS „zur Bekämpfung der Rhön-Armut“ kam weiterer Nachschub: die Rhöner Kleinbauern wurden zugunsten der Ortsbauernführer und der adligen Großagrarier „flurbereinigt“, enteignet. Die Männer wurden in die Industriezentren umgesiedelt und die „Fulda-Mädels“ an die Großagrarier verteilt bis mit dem Überfall auf Polen ab 1939 die polnischen Zwangsarbeiterinnen noch günstiger waren als die Frauen aus der Rhön.

Mit dem Überfall auf die UdSSR begann dann die Planung für die Umsiedlung der Kleinbauernfamilien in den „neuen Lebensraum im Osten“, der ja von „Untermenschen“ befreit und „germanisiert“ werden sollte.

Hofgut Rückseite mit seinen Park- und Gartenanlagen

Hier die alte Mühle und der Hintereingang zum Hofgut der Fürsten von Isenburg-Büdingen. Den Fürsten-Titel haben sich die Büdinger im Gegensatz zu den Meerholzer Isenburger Grafen erst im 18. Jahrhundert zugelegt.. Bild oben zeigt den fürstlichen Schafhof links, mit dem Schäferhaus Mitte und rechts das Polenhaus, das im Dorf nur Polacken-Haus hieß. Es war die Fürstliche Mühle mit dem Kornspeicher im Dachgeschoss. , wo die Frau mit dem Hund steht verlief bis Ende des 19. Jahrhunderts der Mühlbach der Büdinger Grafen, mit dem sie den Dörflern das Wasser für deren Allmende-Mühlen und das Tränkwasser für Gärten und Vieh und die Feuerwehr abgruben.

Wasserkrieg …

das untere Bild zeigt eines der beiden „Schweizerhäuser“ des Hofgutes. Auf der „preußischen Seite Mittel-Gründaus, das durch die Hessisch-Darmstädtische und Preußisch-Hessisch-Kasseler Grenze mittendurch geteilt war, standen noch weitere Schweizer-Häuser im KdF-Stil, die wurden nach dem Krieg sofort mit Flüchtlingen belegt.

Meist nicht mehr als 40.  Wie auch Tiroler und Schweizer Kinder im 19. Jahrhundert. Die Wander-Schweizer-Facharbeiter, die Melker wurden in den Schweizerhäusern untergebracht und im Dorf ansässig und hochgeachtet. Sie gehörten schon fast zur Oberschicht.

Nach dem Überfall auf Polen 1939 wurden die Fulda-Mädels durch die noch billigeren polnischen Zwangsarbeiter ersetzt, die die SS gegen geringe Gebühr an die Groß-Agrarier „vermietete“. Über 80 von ihnen wurden dann im Polackenhaus eingepfercht. Ab 1941 wurden russische Zwangsarbeiter und „ausgeliehene“ russische Kriegsgefangene vom STALAG Wegscheide im Gründautal eingesetzt und in den Außen-Lagern des KZ-Hintzert in Gettenbach, Breitenborn und an der „Vier Fichten“ im fürstlichen Wald im SS-Programm „Vernichtung durch Arbeit“ zum großen Teil umgebracht.

Einen Teil dieser Kriegsgefangenen konnte der kommunistisch-sozialdemokratische Widerstand im Gründau-Tal retten und verstecken, bis die US-Einheiten – navigiert durch den Widerstand – vorrückten. Nur, wenn sich die US-Einheiten nicht vom Widerstand leiten ließen, gerieten sie in SS-Hinterhalte und wurden wie hier hinter Breitenborn von SS-Einheiten zusammengeschossen. Diese Einheiten hatten Kinder aus kommunistisch-sozialdemokratischen Familien im Gründau-Tal als Kindersoldaten und KZ-Wächter zwangsrekrutiert und sich beim Rückzug hinter diesen Kindern in Waldensberg verbarrikadiert. Die US-Army machte dann das Dorf inklusive dem Pfarrhaus dem Erdboden gleich – die Kinder auch. Nur die Kirche blieb stehn.

Den polnischen Zwangsarbeitern -sofern es keine Juden waren- ging es erheblich besser schlecht.

Nach dem Krieg wurden diese Zwangsarbeiter durch Flüchtlinge und Vertriebene ersetzt, denen man zunächst auch nur Hungerlohn zahlte.

Doch war man sich heimlich sicher, dass die nicht streiken, nicht in die Gewerkschaft gehen, nicht die KPD und die SPD wählen, sondern brav in die katholische Kirche gehen und SRP und BHE und CDU wählen und wie in Michelstadt im Odenwald den katholischen Pfarrer Dr. Becker die Löhne aushandeln lassen.  Dem hatte der Ex-Reichswehrwirtschaftsführer Koziol seine Garagen als Kirchenraum zur Verfügung gestellt. Da war der Pfarrer dem Führer was schuldig. Aber da hatten sich die Herren nicht selten getäuscht.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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