Programmbeschwerden!
Der Ex-Hausjurist des NDR und Ex-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Friedhelm Klinkhammer und der Ex-Tagesschau-Redakteur Volker Bräutigam schreiben nicht nur jede Woche mindestens zwei Programmbeschwerden, weil ddie ARD-Sender ständig gegen die journalistsiche Sorgfaltspflicht und den Staatsvertrag verstoßen. Sie haben zusammen mit Uli Gellermann von der „Rational-Galerie“ ein Buch gegen „Die Macht um Acht“ geschrieben.
Hier ihre neuesten Programmbeschwerden:
Betreff: Programmbeschwerde: ARD-aktuell – russophobe Propaganda
Datum: 14. Februar 2018 um 11:27:14 MEZ
An: „NDR RR VWR“ <gremienbuero@ndr.de>
ARD-aktuell – russophobe Propaganda
https://www.tagesschau.de/ausland/niederlande-aussenminister-101.html
Sehr geehrte Rundfunkräte,
der niederländische Außenminister Zijlstra ist nach einer Lüge über ein angebliches Treffen mit Russlands Präsident Putin zurückgetreten. Die Story über dessen „Groß-Russland“-Äußerung habe er „geborgt“, hieß es bei „Tagesschau.de“.
Der Minister, der ehemals für den Ölriesen Shell tätig gewesen war, hatte auf einer Konferenz erklärt, an dem Treffen mit Putin und dem ehemaligen Shell-Chef Jeroen van der Veer habe er „im Hintergrund als Assistent“ teilgenommen. Dabei habe er klar Putins Antwort auf die Frage gehört, was er unter „Groß-Russland“ verstehe. Putin habe gesagt, dass er zu „Groß-Russland“ zurückwolle und dass dazu gehöre: „Russland, Weißrussland, die Ukraine und die baltischen Staaten“. Auf Grundlage dieser angeblichen Äußerungen Putins hatte Zijlstra Russland aggressive Absichten unterstellt und davor gewarnt.
Die Geschichte habe er von jemandem „geborgt“, der im Gegensatz zu ihm tatsächlich in der Datscha zugegen gewesen sei und ihm davon erzählt habe, sagte Zijlstra. Diese Quelle habe er schützen wollen. Zugleich hielt er daran fest, dass er Putins „Worte im Großen und Ganzen richtig wiedergegeben“ habe.
ARD-aktuell hätte wissen müssen, dass es sich bei dieser neuen Version der „Großrussland“-Story auch wieder nur um eine Lüge handelte, die dem Publikum nicht ohne entsprechende Erklärung hätte serviert werden dürfen. Der Ex-Außenminister behauptet fälschlich, er „habe Putins Worte „im Großen und Ganzen“ richtig wiedergegeben.“ Der Zeuge, der die Worte Putins wirklich gehört hat und auf den sich der Ex-Außenminister stützte, beschreibt die Geschichte nämlich gänzlich anders. Jeroen van der Veer, Vorstandschef des Weltkonzerns Shell: „Herr Zijlstra hat die Worte von Präsident Putin über Groß-Russland aggressiver ausgelegt, als ich sie selbst damals in der Datscha gehört habe. In der Tat ist meine Erinnerung, dass Präsident Putins Bemerkung historisch gemeint war“. Jeroen van der Veer darüber in einer Mail am Montag: „Andere Interpretationen (in einem aggressiven Sinn) sind weder meine noch meine Verwendung von Wörtern.“ (Quelle: „de Volkskrant“, Artikel der online-Ausgabe vom 13. Februar 2018, 16.03 Uhr).
Tagesschau. de stellte ihren Bericht erst zwei Stunden nach der Erklärung van der Veers online. Die Redaktion hatte also Kenntnis von der durch den Shell-Chef bezeugten Bezugnahme Putins auf die russische Geschichte und davon, dass der niederländische Ex-Außenminister sich nur mit einer erneuten Unaufrichtigkeit aus seiner Lügengeschichte herauszureden versucht hatte. Die Redaktion machte diese aber nicht als Lüge kenntlich und übernahm sie damit faktisch als zutreffend. Das stellt einen neuen, vorsätzlich russophoben Propagandaakt der Gniffke-Truppe dar. Von redaktioneller Fahrlässigkeit ist angesichts der eindeutigen Informationen aus den Niederlanden nicht auszugehen.
Die propagandistische antirussische Ausfälligkeit auf tagesschau.de ist ein weiterer Beitrag im Rahmen der systematischen Dämonisierung Putins. Diesmal sogar im Bunde mit niederländischem rechten Scharfmachern. Ersichtlich sind für die propagandistischen Aktivitäten der ARD-aktuell Dümmlichkeit und Plumpheit keine Ausschlusskriterien mehr, es geht nur noch um die Wirkung dieses hetzerischen Dauerfeuers.
Es liegt unbezweifelbar eine Verletzung des Programmauftrags („der Völkerverständigung dienen“) und der Programmrichtlinien („sachlich, vollständig, der Wahrheit verpflichtet und nach journalistischen Grundsätzen informieren“) vor.
Sie, als Rundfunkräte damit beauftragt, die Einhaltung des gesetzlichen Programmauftrags und der Programmrichtlinien zu überwachen, haben sich bisher in allen vergleichbaren Affären vom Management des NDR und ARD-aktuell einseifen lassen. Wir gehen davon aus, dass Sie sich das auch diesmal wieder gefallen lassen. Aufrichtigkeit und Charakterstärke stellen eben auch bei der Berufung zum Rundfunkrat kein zwingendes Eignungskriterium dar. Da unterscheiden Sie sich kaum vom derzeitigen Klüngel in der SPD- und CDU-Spitze. Von der „Linken“ ist ja bedauerlich niemand in Ihrem Gremium vertreten.
Mit freundlichen Grüßen
F. Klinkhammer V. Bräutigam
Betreff: Programmbeschwerde: SPD Scholz und ARD-Zamparoni
Datum: 14. Februar 2018 um 13:54:32 MEZ
An: „NDR RR VWR“ <gremienbuero@ndr.de>
Programmbeschwerde: Scholz in den TT: Kein Interview, sondern eine Pleite
Sehr geehrte Rundfunkräte,
in Deutschlands veröffentlichter Meinung herrschte Hochstimmung, als ZDF-Moderatorin Marietta Slomka Anfang Januar den CSU-Verkehrsminister Dobrindt journalistisch gekonnt vorführte und unter Beweis stellte, dass auch Mainstream-Journalisten sich nicht bloß auf Regierungsjournalismus verstehen, sondern – wenn sie denn wollen – das komplette Handwerkzeug in ihrer verfassungsgemäßen Rolle als „Vierte Gewalt“ einsetzen können. Zu sehen hier:
Es war eine saubere, allerdings längst nicht mehr übliche Leistung, das vollständig sinnfreie, platte Gelaber des Verkehrsminister zu decouvrieren. Alte Schule des öffentlich-rechtlichen Journalismus, mittlerweile leider der Ausnahmefall im Reigen der Hofberichterstatter vom Schlage Klebers, Miosgas, Zamperonis und Gniffkes.
Welche schmierigen Folgen deren journalistische Praxis haben kann, demonstriert am 13.2.2013 das Interview Zamperonis mit dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz. Das perfekte Gegenstück zum Slomka-Ausnahmefall. Hier:
https://www.tagesschau.de/inland/spd-scholz-101.html
Mit einem Wort: Ekelhaft. Und mit noch einem: Peinlich. Gerade einige Stunden zuvor war der völlig verfehlten SPD-Politik mit 16,5% der absolute Tiefpunkt ihrer Umfragewerte bescheinigt worden, da durfte der Hamburger Bürgermeister großmäulig verkünden, dass die SPD wieder „stärkste deutsche politische Partei“ werden wolle. Ohne dass Zamperoni auf die aberwitzige Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufmerksam machte. Scholz durfte ungehindert seine zum Polit-Alltag gehörenden Public-Relations-Sprüche kloppen. Die Tagesthemen dienten sich ihm als kostenlose Werbeplattform an.
Zamperoni unternahm zwar einige schwächliche Versuche, zu unterbrechen, zeigte sich aber der Dreistigkeit des einfach weiterschwadronierenden Scholz nicht gewachsen und bestand nicht darauf, dass Scholz auf die gestellten Fragen konkret antwortete. Der neue SPD-„Kommissar“ durfte über Nahles als von einer „starken Vorsitzenden“ faseln und den Koalitionsvertrag als „tolles Programm“ preisen, Zamperoni ließ es geschehen.
Anders als die Slomka hatte er nicht den Mumm, Scholz zur sauberen Beantwortung seiner Fragen aufzufordern und die Unsinnigkeit und Unstimmigkeit seiner Antworten aufzuspießen. Es fiel ihm nicht einmal ein, anzusprechen, dass Scholz auf dem letzten Parteitag das schlechteste Vorstands-Wahlergebnis aller sechs SPD-Stellvertreter erzielt hatte und schon deshalb seine jetzige Bestallung zum kommissarischen Vorsitzenden eine Sonderbarkeit darstellte. Erneuerung trotz Looser-Image? Wie schlecht mussten Redaktion und Moderator auf ihr Interview vorbereitet gewesen sein, dass sie diese sich aufdrängende Frage nicht aufwarfen? Das Interview war ja nicht live, sondern vorher aufgezeichnet worden. Was bewog die Redaktion, es trotz seiner Erbärmlichkeit zu senden? Warum kniff Dr. Gniffke, der Chefredakteur, vor Olaf Scholz, dem Hamburger Bürgermeister und SPD-Rechtsaußen?
Scholz war Schröders Einpeitscher der Hartz-Gesetze. In welchem Verhältnis steht seine Historie zu seinen aktuellen Sprüchen, die SPD „nach vorn bringen“ zu wollen? Warum fragte Zamperoni danach gar nicht erst? Scholz behauptet frech, die Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag sei urdemokratisch; weshalb stellte Zamperoni nicht die naheliegende Frage, warum die SPD nicht auch ihren nächsten Vorsitzenden in einer Urwahl ermitteln wolle?
Warum fragte er nicht nach Belegen für Scholz`Behauptung, Nahles sei eine „starke Vorsitzende“? Nahles hat alle „Agenda 2010“-Schweinereien der SPD-Führung mitgemacht. Weil sie, die angebliche Linke, so stark ist? Warum versuchte Zamperoni nicht, an dieser Stelle nachzubohren? Ein Forist bei „Tagesschau.de“ über Nahles: „Sie ist die Personifizierung einer Parteibuchkarriere, die ihrer eigenen Perspektive alles andere kalt berechnend unterordnet. 2005 Müntefering, letztes Jahr Gabriel und nun den vermeintlichen Schicksalsgefährten Schulz bei der ersten Gelegenheit weggebissen“.
Warum stellen Zuschauer richtige und naheliegende Fragen, Tagesthemen-Moderatoren aber nicht?
Besonders blamabel, dass der Spruch von der SPD, „stärkste Partei werden zu wollen“ völlig ohne Nachfrage des Moderators durchgehen konnte. Da stand ein transatlantischer Musterjournalist vor dem leeren Tor und schoss den Elfmeter nicht.
„Tagesthemen“ zeigte erneut, wie sehr der ARD-Nachrichten-Journalismus unter den Gniffkes in all den Jahren gelitten hat. Jetzt sind Oberflächlichkeit, Konformismus, Gefügigkeit gegenüber den Regierenden und Parteioligarchen die Markenzeichen der ARD-aktuell. TT-Moderator Zamperonis Eignung zum alerten Dressman und lächelnden Salonlöwen ist nicht zu bestreiten, seine Tauglichkeit als kritisch-distanzierter Journalist hingegen sehr wohl. Aber das erfüllt ja die Voraussetzungen für den Hanns-Joachim Friedrichs-Preis, den ihm die Kungelbrüder im Hintergrund sicherlich verleihen werden, auch wenn der Namensgeber darob im Grabe rotierte…
Das Zamperoni-Interview verstieß gegen das Gebot des Staatsvertrages, Beiträge nach „anerkannten journalistischen Grundsätzen“ zu gestalten.
Mit freundlichen Grüßen
F. Klinkhammer V. Bräutigam