Frauen von der Schwangerschaftsberatung abzuhalten ist mehr als Körperverletzung

Die Ballade

vom wohltätigen Frauenarzt,

der sich mit seiner Barmherzigkeit einen Heiligenschein

die zweite Villa mit Swimmingpool, eine Forellenzucht

und einen Reitstall im Taunus verdiente

Ende der 60er gab es in Frankfurt nur einen Arzt, der Antibaby-Pillen vergab. Verschreiben durfte er keine. Er war Frauen- und Hautarzt, der Dr. Zeres- mit der Praxis über den „E“-Kinos an der Hauptwache. Er behandelte auch die Mädels aus der Breiten Gasse und der Kaiserstraße, heilte Geschlechtskrankheiten, bereitete den amtlichen Puff-TÜV vor und nur unter höchsten Geheimhaltungsmaßnahmen, vermittelte er auch schon mal eine Adresse in Holland.

Ich musste mit ansehen, wie der einzige Arzt in Frankfurt, der Abtreibungen vornahm, die Frauen erpresste, Unsummen kassierte und … Wer nicht genug zahlte, also nicht die 600,-DM auf den Tisch legen konnte, konnte sofort wieder gehen, alle anderen  mit Billigtarif mussten sofort nach dem Eingriff noch blutend die Praxis verlassen … Die Straße hoch zur Enkheimer Warte hieß denn auch im Volksmund „Blut-Meile“ und die Warte selbst „Netter-Turm“ .  „Schöne Aussicht“ war das nicht. Dort sollen bisweilen sich Frauen auch aufgehängt haben.

Ich habe zu Beginn der 70er- noch als Student Fahrten nach Holland organisiert, u m die Frauen nicht diesem Schlächter und den Justizbehörden ausgeliefert sein zu lassen. Auch Kolleginnen und Sekretärinnen der Schulen, wo ich Praktika machte, haben sich damals an mich gewendet, wenn Not an Frau war ….. man sollte diese „Lebensretter“, die jetzt die Pro Familia belagern, allesamt zum Teufel jagen… aber nein. Selbst dem wünsche ich so was nicht…. und dem Fritz schon gar nicht. Ich war heilfroh, dass der frauenrat dann die ersten Fahrten organisierte und an die Errichtung von Frauenhäusern ging.  Ab 1973 habe ich diese „Frauenhilfe“ auch in Hanau organisiert, für bedrohte Frauen Ausweichquartiere in WGs beschafft, Hollandfahrten organisiert, bis auch hier sich die Frauenratsähnliche Organisation „Frauen helfen Frauen“ bildete und in Hanau ein Frauenhaus entstand, gefolgt von Wächtersbach …  Anlaufstelle war in Hanau die Lamboystraße 47 b, im Hinterhaus, wo auch die Mädels vom Lamboystraßen-Strich Schutz vor zugedröhnten US-Soldaten fanden u.a. bei Oma Elli Prüfer untern Dach. Die hatte eine doppelläufige Schrotflinte hinter der Türe stehen. Wenn bei ihr kein Platz mehr war, kamen die Mädels zu mir in die WG im Hochparterre. Die Dachdecker-Gilde im Vorderhaus war in Rufweite und Volker Vogel hatte eine Bundeswehr-Einzelkämpferausbildung, Das half manche US-Gis und auch Offiziere abzuwehren. Wegen der guten Kontakte ins Lamboystraßen-Lückhardt-Dorf, mit einigen alten KPD-Strukturen konnten auch dort viele bedrohte Frauen Schutz suchen. Vom „Deutschen Haus“ aus im Lückhardt-Dorf hatte auch Oma Schlüssler ein Auge drauf. Wenn Gefahr drohte, war die ganze Sippe im Anmarsch, wenn die Mutter Hess den Notruf tätigte. „Des mache mir schun seit de Dreißiger Joahrn so, damals noch net mittem Telefon, awwer  doann sinn die Kinner als gelaafe unn hawwe Hilf geholt!“, hat mir die Oma Hess erzählt. Und der Genosse Breideband, der letzte Wohngebiets-Zellenleiter der KPD im Lamboy vor dem Verbot von 1956 nickt dazu … (wird fortgesetzt …)

(1975)

Dieses Lied war auch Bestandteil des Heiner Müller-„Zement“-Vorprogrammes „Oktoberland“ im Frankfurter Schauspielhaus.  Schön war dabei, dass das Ensemble unsere Infotische und uns als Musiker gegen die Versuche der Frankfurter Polizei schützte, uns wegen der „Abtreibungspropaganda“ auf Anforderung durch den Intendanten festzunehmen. Die KollegINNen waren dabei sehr TAT-kräftig. Sie kamen ja auch mehrheitlich vom TAT, dem Theater am Turm. Wo heute dieses VolksverblödungsFilmCenter steht, war früher Mal ein Volksbildungsheim und ein Theater… das sagenhafte TAT.

Der hier nicht namentlich genannte Frankfurter Frauenarzt durfte eigentlich wegen Medikamenten-/Alkoholabhängigkeit nicht mehr praktizieren. Daá er weiter wurschtelte, wurde von den zuständigen Frankfurter Stellen mit zugekniffenen Hühneraugen geduldet. Ende der 70er wurde der Arzt von seinem jüngeren Freund und Günstling ermordet. Dieser war als Alleinerbe eingesetzt, konnte aber nicht so lange warten.

Die Praxis in Bergen-Enkheim war die einzige Anlaufstelle für Frauen aus Mittelhessen. Da der nette Arzt fast im Fließband-Verfahren arbeitete, mussten die Frauen nach Behandlung in der billigsten Preiskategorie oft noch blutend die Praxis verlassen:

ein Ergebnis der Kriminalisierung der Abtreibung.

 

Die Ballade

vom wohltätigen Frauenarzt,

der sich mit seiner Barmherzigkeit einen Heiligenschein

die zweite Villa mit Swimmingpool, eine Forellenzucht

und einen Reitstall im Taunus verdiente

 

 

Er macht sich zwar nicht in der Öffentlichkeit

für den Paragraf  Zweihundertachtzehn stark

Doch bringt er ihm unversteuert Nebenbei

einen Schwarzarbeitslohn von rund Tausend Mark

Fünf Frauen schafft er in sechzig Minuten

im Hinterzimmer in seinem Vorstadtpalast

und wenn dabei auch mal zwei halb verbluten

die schweigen aus Angst vor Gericht und Knast

 

Refrain:    Denn dieser Arzt ist doch so sozial

und ein immer netter

Helfer der Frauen, auch Kleingeld macht

sein Konto immer fetter

 

Und dann wurd‘ eine Frau vor Gericht gestellt

weil die vorher beim staatlichen Gutachter war

und der hat sie registriert, wie immer abgelehnt,

als das Kind jetzt nicht kam, war der Staatsanwalt da

beim Verhör hat sie die Abtreibung zugeben müssen,

doch den Namen von dem Arzt hat sie nicht gesagt.

Wenn der auffliegt, sind die andern aufgeschmissen,

weils hier in der Gegend kein andrer mehr macht.

 

Refrain: Denn dieser Arzt ist doch so sozial…

 

Doch die Frau hat ihn ganz umsonst verschwiegen

der Staatsanwalt wusste längst bescheid

denn der Doktor hat die gnädige Frau Staatsanwalt

schon mal aus einer misslichen Lage befreit

weil noch weitre hohe Damen unter seinen Kunden waren

fand auch kein Ermittlungsverfahren statt

der Staatsanwalt deckte den Doktor seit Jahren

weil er ne stark soziale Ader hat

 

Refrain: Denn dieser Arzt ist doch so sozial….

 

Wenn der Staat jetzt den Zweihundertachtzehn verschärft,

dieser Arzt tritt dagegen ganz sicher nicht auf

zwar wird auch er mit härteren Strafen bedroht,

doch das nimmt der Doktor gern in Kauf.

Da wird einfach bei steigendem Risiko

der Heiligenschein an den Nagel gehängt

der Preis wird erhöht und die Barmherzigkeit

auf die zahlungskräftigsten Kunden beschränkt.

 

Dieses Pack ist asozial

spielt sich auf als Menschenretter

und die leben sehr gut vom Abtreibungsverbot

das macht ihr Konto immer fetter

 

(Nachbemerkung: in den vom KBW majorisierten Komitees gegen den õ 218 sorgte eine Zentralzensur für die Unterdrückung dieses Liedes.

Es richte sich nicht gegen den „Hauptwiderspruch“ zwischen dem  Kapital/Staat und dem Volk sondern es behandele einen „Nebenwiderspruch“ und gäbe „dem Kampf gegen den § 218 eine falsche Stoßrichtung“, meinte das ZK des KBW. Mag sein, dass dieses Lied mit dafür verantwortlich war, dass der Volksentscheid gegen den § 218 dann leider doch nicht geklappt hat. Sehr spät, aber immerhin noch lebend, bekenne ich mich schuldig.)

Lieber Hans-Gerhard Schmierer, lieber Hans-Jörg Hager, lieber Horst Löchel, lieber Gerd Koenen, könnt ihr mir noch Mal verzeihen?

 

 

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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