Wasserrecht = Menschenrecht! Brennrecht auch? Eine Klärung am Beispiel des Dorfes Mittel-Gründau

Brau-& Brennrechte, Holzrechte. Steinbrechrechte, Ziegelbrennrechte und Wasserrechte als Grundlage dörflich autonomer Sozialpolitik

Ergänzungen zu den „Oral History“-Ergebnissen eines Erzählnachmittags  der „Meddel-Grenner“ am 24.03. zur Sammlung von Mittel-Gründauer Ortsgeschichte(n)

(Nicht alle folgenden Bilder werden hier jetzt kommentiert, sonst wird der Artikel endlos, denn zu jedem Bild gibt es mehrere Geschichten.)

Die nächsten Erzählabende  des Historisch-Demokratischen Vereins Mittel-Gründau von 1848 bitte vormerken :

85. Erzählabend am Freitag, 27.04. 18.30Uhr im Anbau des Volkshauses.

86. Erzählabend am Freitag, 25.o5.  zur gleichen Uhrzeit am gleichen Ort

Da ab Juni die Halle und der Anbau wegen Umbau gesperrt sind, müssen wir uns eine Alternative überlegen. Wir bitten um Vorschläge!!!

Brau-& Brennrechte, Holzrechte. Steinbrechrechte, Ziegelbrennrechte und Wasserrechte in Mittel-Gründau waren bis ins 20.  Jahrhundert wesentliche  Bestandteile der örtlichen Sozialpolitik: Wohnungsbau, Errichtung von Ställen und Scheunen, Straßen- und Feldwegebau, Wasser- und Brückenbau, bezahlbare dörfliche Feste, Fischfang und -zucht, Wasserversorgung für Mensch, Vieh, Gärten und nicht zuletzt für die freiwilligeFeuerwehr.

Mittel-Gründaus Alte Schule – aus den Sammelgeldern der bitter armen Dörfler errichtet, nachdem sie als Vorkämpfer der 1848er Revolution mit 2 Jahren Schulschließung kollektiv bestraft wurden. Der Schriftführer des Demokratischen Vereins von 1848, der Lehrer Bernhard Kaffenberger wurde von Mittel-Gründau nach Darmstadt strafversetzt, dort zu Zuchthaus verurteilt und vor die Wahl gestellt, entweder weiter Zuchthaus oder Auswandern. 1851 wanderte er mit seiner  9köpfigen Familie in die USA aus. Dort wurde er wieder Lehrer und dann ein landesweit geschätzter, berühmter (Frauen-) Arzt, der seine PatientINNen so behandelte, wie sein politischer Freund und Vorbild der Mediziner, Naturforscher, Landwirtschaftsreformer, Bahnpionier und linker Paulskirchenabgeordnete Dr. Christian Heldmann: er behandelte die Mittellosen kostenlos und finanzierte das mit den Einnahmen aus der Behandlung der Vermögenden. In der Zeit von 1849/50/51/52 mussten die Mittel-GründauerINNEN in Fronarbeit den Eingangsturm der fürstlichen Domäne bauen. Im Schlussstein-Wappen des Torbogens steht die Jahreszahl 1852. Ab diesem Zeitpunkt wurde für eine neue große Schule gesammelt, die dann in Eigenarbeit bis 1878 fertiggestellt wurde, „damit es den Kindern einmal besser geht als uns!“ . Tobias Meininger, einer der Anführer der Oberhessischen Bauernaufstände und sehr aktiver 1848er spendete einen Teil seines Bauerngartens für den Schul-Neubau. Nach ihm heißt noch heute die Adresse bachgasse 1, die neue Einfahrt zum Meininger-Hof „Bei’s TObiasse“, was die meisten Mittel-Gründauer nicht mehr wussten. Die alte Einfahrt zum Hof war an der Haingründauer Straße unterhalb des gepflasterten Schulhofes, die Torpfosten stehen heute noch.

Hier ist die alte Einfahrt zu sehen, gut im Sonnenlicht der linke Torpfosten, der rechte vor der Linde, wie unten auf meiner Grafit/Federzeichnung von 1989

und hier die seit 1878 „neue Einfahrt“ Bachgasse 1 / früher Hauptstraße. Das neue Wohnhaus mit Klinkersteinen wurde 1935 gebaut, die Maschinenhalle rechts davon wahrscheinlich erst 1954. Ursprünglich floss hier ein Abzweig des Mühlbaches zu einer Schrotmühle  am Rückteil des Hofes von Jean Kuhl und dessen Vorbesitzer, der Mühlbach, der hinter der Schule den heute asphaltierten Schulgarten vom kopfsteingepflasterten Schulhof trennte und unter eine Brücke hindurch die Kirchgasse unterquerte und auf der anderen Gassenseite das Feuerwehr- & Backhaus mit Wasser versorgte: hier stand die große Handpumpe im hinteren Backhausteil. Auf dem Dachboden lagen die Löscheimer im Löschsand, der gegen Fett-& Ölbrände gebraucht wurde. Entlang der Einfahrt befand sich rechts die Kegelbahn der Gaststätte Jean Kuhl (Stenger/Heiß) sowie der KONSUM und die alte Metzgerei Kuhl. Hier an der Kegelbahn haben sich viele Kinder ihr erstes Taschengeld verdient beim Wiederaufstellen der Kegel

Warum Kirchgasse? Auf der Zeichnung sind oben die beiden Glöckner(innen)-Fenster zu sehen. Hier schaute die Backgretel, die auch die Backhausordnung überwachte, aus dem Fenster, wenn an der Bergkirche die Aussegnung eines Toten beendigt wurde. Sie sah von hier aus genau, wann sich der Trauerzug in Richtung Mittel-Gründau in Bewegung setzte. Dann läutete sie die Schulglocke bis zur Ankunft des Zuges auf dem alten Friedhof am heutigen Ehrenmahl. Die Glocke wurde mit dem Handläutseil 2003 oder 4 durch ein in den Schlauchturm gerissenes Loch entfernt. Das Ortsarchiv im Dachgeschoss wurde ohne Beteiligung kompetenter Mitglieder des Geschichtsvereins per Schubkarren in Kontainer verfrachtet und in Niedergründau in einen Nebenraum des Heimat-Museums geschüttet. Die Mitglieder des Geschichtsvereins brauchten mehrere Jahre, um das von Lehrer Oswalt nach neuesten wissenschaftlichen Kriterien aufgebaute Archiv wieder zu ordnen.  Die Schul-, Feierabend-, Stunden- und Totenglocke hängt jetzt über dem Feuerwehrhaus und wird elektronisch gesteuert.  Die alte Schuluhr, das Uhrwerk verschwand bis auf das Deckblatt und die Zeiger bei der Dachsanierung und tauchte dann bei einem Gelnhäuser Sammler wieder auf. Vielleicht weiß er ja, wie das historische Uhrwerk in seine Hände geraten ist.

(nach neueren Forschungsergebnissen von 2023 bestätigen sich jetzt die Erzählungen des „Kleinen Schmieds“ Heinz Vaupel, der von der Ausbauzeit der Haingründauer Straße berichtete: Die Kirchgasse war mindestens bis  zum Abriss der Kirche am alten Friedhof des Unterdorfes  um 1832 die Hauptverbindungsstraße nach Büdingen über die Vonhäuser Hohl (Richtung Reitzeberg). Bei den Bauarbeiten wurde die Holzbalken der Brücke über den Mühlbach gefunden und die Hufeisen, die die Pferdefuhrwerke dort beim steilen Anstieg zwischen den Knüppeln des „Holzweges“ verloren haben. Im Schlamm des Sturzbaches durch die Vonhäuser Hohl half eben nur ein „Knüppeldamm“.

Erst nach dem katastrophalen Hochwasser von 1911 wurde mit der Tieferlegung des Hasselbaches die Bachgasse im Tal zur Hauptstraße, die dann an der Lehm-/Sandkaude hinter den letzten Gebäuden des Oberdorfes (Ex-Buchen) am Teilungspunkt des Hasselbaches an der Geländekante wieder bergauf geleitet wurde zum Höhenweg Richtung Büdingen via Vonhausen und zur Reffenstraße/Hohe Straße und auf der Höhe zur Ronneburg. Auf der „preußischen Seite“ gab es neben dem Hofgut eine uralte direkte verbindungs“Straße“ zur Ronneburg.  Über diesen Weg gab es einen regen Austausch mit den Altwiedermusern, den Langenbergheimern und die Mittel-Gründauern. Über diesen Weg wurde auch das Ronneburger Wingerthaus -nach Aufgabe des Weinbaues an der Ronneburg- nach Mittel-Gründau transportiert und dort als haus der Schieberin, des Schiebers am Mühlgraben wieder aufgebaut. Dort residierte auch die Schieberin und Aufseherin des Backhauses, das 1839 auf fürstliche Anweisung hin errichtet wurde, weil die völlig verarmten Bauern nach der Hungershot und den Ernteausfällen wegen des Vulkanausbruchs in Indonesien und der über 3 Jahre währenden Sonnenfinsternis nicht mehr in der Lage waren, die eigenen Backöfen zu reparieren – und deshalb das ganze Dorf drohte abzubrennen (nur einige „Eigenbrötler“ mit moderneren Backöfen mussten nicht im Backhaus backen, Deren extra liegenden Back- und Schlachthäuser kann man heute noch in der Obergasse au der Mühlbach-Mauer  sehen)

Beim Erzählnachmittag wurde von der Brennerei im Hofgut und über ihren letzten hauptberuflichen Brenner, Herrn Gretka berichtet. Die Anmerkung, dass es in Mittel-Gründau für einzelne Familien ein vererbbares Brennrecht gab und eventuell noch gibt, wurde mit der Bemerkung abgetan: „Das war vielleicht im Mittelalter so, aber doch heute nicht!“

Die Tatsachen aber sprechen doch dafür, dass es diese verbrieften Brennrechte zumindest in den Gründauer Ortsteilen,  die früher zum Kreis Büdingen/Wetteraukreis gehörten immer noch gibt. (so wie in Altwiedermus, Himbach, Lorbach, Kalbach, Eckartshausen, Langenbergheim, Vonhausen, Diebach am Haag usw. auch).

Das Recht galt und gilt für alle Familien/Höfe, die Obstbestände nachweisen konnten/können in Bauerngärten, Streuobstwiesen, Obstplantagen. Das Vordemokratische an diesem Brennrecht ist die Tatsache, dass dieses Recht an Besitz gebunden war, dass die Armen im Dorf eben nichts brennen durften,  die , die nichts mehr von Vater geerbt hatten, weil nix mehr zu erben war, der letzte Acker verpfändet oder verkauft fürs Freikaufen aus der Leibeigenschaft. Endlich freier Bauer, aber dafür ohne Hof und Acker. „Vaterlandslose Gesellen“ hat Kaiser Wilhelm der Erschte und der Zwoote ebenso die Sozialdemokraten genannt. Und wer kein Vaterland hat, keines geerbt hat, muss sich vom Acker machen, zusehen, dass er Land gewinnt – in den Sümpfen, in den Überschwemmungsgebieten der Gründau, der Kinzig, des Mains, der wird als überzählig ausgesetzt , wir Hintersasse in Sassenhausen. dem späteren Sachsenhausen, wo die überzähligen Frankfurter dribbdebach ausgesetzt „angesiedelt“ wurden oder in Hüttengesäß, Bösgesäß, Weitengesäß, Etzengesäß,  und wenn da kein Platz mehr ist, muss er roden oder nach Amerika oder Australien auswandern.  Letztlich nicht zur hellen Freude der Indianer und der Aborigines. Aber zurück zum Brennrecht:

Dieses Recht gilt demnach wahrscheinlich auch für alle Mitglieder des Obst-und Gartenbau-Vereines Mittel-Gründau, sofern diese die entsprechenden Nachweise erbringen können.

Diese Brücke über die Gründau am Kolbenstein wurde aus Mitteln des Dorfes bald nach dem 30-jährigen Krieg wieder errichtet, damit die Bauern auf ihre Felder kamen. 1957 zerstörte ein US-Panzer die Brücke. Teile der Decksteine des „Brückengeländers“, auf denen hier die schönsten Mittel-Gründauer Mädchen sitzen, wurden zur befestigung des Grundes für den Fußballplatz auch den Kirchwiesen verwendet. Böse Zunge behaupten, die Mädchen seien der Grund gewesen, warum der US-Panzer die Brücke gerammt hat.

Früher wurde von den Mittel-Gründauern in der heutigen Wetterauer Obstbrennerei Ulrike Kloth in Stammheim/Staden Obst gebrannt. Der Stammheimer Brennerei musste dabei erst der Nachweis des „Obstbaum-Besitzes“ vorgelegt werden und dann beantragte die Brennerei in Stuttgart die Genehmigung mit Vergabe von Steuernummer usw. denn der Fiskus wollte/will auch etwas von den nichtfeudalen, nicht fürstlichen, gemeinen Volks-Promillen schlucken.

Also, keine Panik! Der Mittel-Gründauer Obst-& Gartenbauverein brennt nicht schwarz, sondern -sofern er sich an diese Regelungen hält, völlig legal.

Nur der Verwendungszweck hat sich wohl etwas geändert:  während zwar in den letzten Jahrhunderten auch der Allmende-Brand über die „Brandweinsteuer“ u.ä. dem feudalen Fiskus die Kassen füllte, konnte doch das Dorf Mittel-Gründau -wie die Nachbardörfer ebenfalls mit dem auf den Allmende-Wiesen geernteten Obst und dem daraus gebrannten Schnaps einen Teil der lokalen Sozialen Aufgaben mitfinanzieren. Ob mit dem Verkauf dann doch mehr „Sozialfälle“ mitgeschaffen wurden als man mit dem Erlös aus dem schnaps unterstützen konnte, ist natürlich eine andere Frage. Fakt ist aber, dass die Qualität des Selbstgebrannten wesentlich höher war als der über Jahrhunderte in feudalen Brennereien hergestellte Kartoffel-Billig-Schnaps für Knechte und Mägde und anderes niedere Volk.

Das 1957 fertiggestellte, von den Dorfbewohnern zum größten Teil in Eigenarbeit unter dem Kommando des späteren Ortsbürgermeisters Wilhelm Pfannmüller errichtete Volkshaus. Der Anbau erfolgte dann erst in den 1960ern ebenfalls in Eigenarbeit.

(Das gilt nicht, zumindest nicht für die letzten 70 Jahre, für die Brennerei in der Domäne! Der Herr Gretka hatte höchstes Interesse daran, sich und seine Frau, seine Sangesbrüder und -Schwestern und die anderen Mittel-Gründauer Nachbarn nicht zu vergiften oder langfristig verblöden und erblinden zu lassen! Denn diese Gefahr besteht bei Billig- und Fehlbränden noch stärker als bei übermäßigem Genuss von auch ganz klarem Klaren!! Alles klar?) .

Das 1963  in Eigenarbeit fertiggestellte Sportlerheim der Sport- und Kulturgemeinschaft  SKG  Mittel-Gründau

Quellen:

Aus Berichten des Mittel-Gründauer Ortsbeiratsmitgliedes und Sozialdemokraten Peter Freienstein.

Zu den weiteren Rechten der Mittel-GründauerINNEN, den Holz-, Wasser, Steinbrech-, Ziegelbrenn-Rechten folgen hier  noch entsprechende Artikel hier nur einer von einem guten Duzend:

Auch wo der Fürst Bischof heißt, haben die Leute nix zu lachen: von Meddel-Grinn noach Kämmerzell un retoure

Ei wou simmer doann?
Der Haselbach wird am Dorfeingang,  – nein am Dorfausgang hin zum Wald am Berg für einen Schafweiher gestaut, in dem nicht nur die Schafe vor der Schur gebadet werden: auch der Gänse-Ziegen-Säuhirt treibt die Schweine von der Waldweide zurück erst mal durch den Schafweiher, damit sie dann die Hofreiten nicht völlig versauen. Die sumpfigen Meander des Haselbaches nutzten die Tiere noch mal für herrliche Schlammbäder, bevor es dann durch die Sauwaschanlage zurück in die SchweineKojen ging. Und für einen Teil, den der Kleinstbauern (ohne die nötigen Stallungen) in die Dorfscheuer, den Dorfstall für Ziegen, Gänse, Enten, für das Vieh, die Kih des kleinen Mannes und seiner Frau und Kinder –

in die erste Dorfschule am Haselbach. Die steht heute noch! Am Eck Bachgasse/Alte Schulstraße links, direkt vor dem ehemaligen Mohn-Hof. Die Schule wurde erst nach dem 30jährigen Krieg nach oben in die damalige Obergasse verlegt, weil die Kinder auf dem immer feuchten Boden der Dorfscheuer sich alle Erkältungskrankheiten und frühes Rheuma holten.

Der Neubau der Schule war möglich, weil das Dorf über Waldrechte, Ziegelbrennrechte verfügte und aus dem Verkauf  von Holz, Ziegeln, Schnaps die Baukosten stemmen konnten.

Auch aus diesen Mitteln, wie aus Geldsammlungen unter den zum großen Teil bettelarmen Mittel-Gründauer HungerlöhnerINNEN konnte auch 1878 die nächste neue Schule in der Kirchgasse, der heutigen Haingründauer Straße gebaut werden, zusammen mit einer Erweiterung der Back-& Feuerwehrhauses auf dem Schulgarten, dem heutigen oberen Bereich des Schulhofes

Sinnvoller Weise wird der Mühlbach schon oberhalb des Schafweihers abgezweigt, weil der Mühlbach auch Waschwasser für die Küchen und Waschküchen liefert. Auch noch bis ins 20. Jahrhundert kam das Trinkwasser aus dem Mühlbach?  Nein, die meisten Häuser hatten ihre eigenen Quellen am Hang oder Ziehbrunnen mit klarstem Grundwasser und die lagen meist oberhalb der Stallungen, damit keine Jauche eindringen konnte. Aus dem Mühlbach wurden die Viehtränken versorgt, die Bauerngärten bewässert, wurden die kleinen UnterflurFutterschrotmühlen angetrieben, hauptsächlich aber die gemeindeeigenen AllmendenMühlen, Schneidmühlen, Pfannmühlen , bis denen das Wasser abgegraben und die Bevölkerung zur Nutzung der fürstlichen Monopol-Bannmühlen gezwungen wurde.

Der vom Haselbach abgezweigte Mühlbach lief an einem steilen Hang entlang. Parallel zum Mühlbach gab und gibt es einen Weg. Der heißt “Am Mühlstück”.

Alles schien eitel Sonnenschein, bis die feudale Obrigkeit die Mühlen schloss, den Schaf – und Fischweiher auch, indem er der Gemeinde einfach abgenommen wurde. Wegen Steuerschulden und Streichung des Wasserrechts, des Fischrechts….

Der Verlauf des fürstlichen Wasser-Raub-Mühlbaches lässt sich heute noch auf Luftaufnahmen vom Schafweiher auf der Westseite des Haselbach-Tales hinter der heiutigen Bebauung verfolgen. Man sieht zum Teil noch seine Stützmauern (z.B im Lenz’schen Hof) die später oft als Rückwand/Grundmauern für Scheuern, Stallungen und Wohnhäuser genutzt wurden. Der Mühlbach ging bis zum Mühlrad unter dem Kornspeicher der Domäne im Dach des „Polacken-Hauses“, floss dann durch den Hofgut-Garten, „schluckte“ den Bach aus dem Wagnersgrund, der hinter der großen Feldscheune lief und bis in die 1990er die Bebauungsgrenze war.

Im Tal an der Fulda unter dem Örtchen Kämmerzell steht die bischöfliche Bannmühle (heute noch, nur gibts jetzt Strom statt Mehl und der Bischof  ? Heißt der Fürst- Bischof jetzt EON?), zur Bannmühle sollen die Bauern hin und zahlen, zahlen, zahlen………

Der Bannmüller ist nicht der Pfannmüller. Der Bannmüller ist verhaßt: “Lauf, Müller, lauf …”. Über ihn werden Spottlieder gesungen.   Die Gemeinde zahlt mit Wasserrechten, Waldrechten, Holzrechten, Waldweiderechten, Mahlrechten, Fischrechten, ja richtig gelesen – nicht Menschenrechte sondern Fischrechte. Eigentlich heißt das Fischereirechte und bezieht sich auf Forellen, Hechte, Karpfen, Zander … Die haben nämlich die Bauern und Handwerker im Schafweiher gezüchtet und aus dem Haselbach gefischt. Aber das wurde dann feudales Privileg. Die Bauern durften keinen Fisch mehr aus dem Haselbach holen, keine Fischteiche anlegen. Die Bauern zahlen mit ihren Äckern und Hofreiten. Sie zahlen sich FREI und landen in der fürstlichen Schuldknechtschaft, wenn sie nichts mehr haben, dann geht es in die Fron- und Lohnarbeit für die fürstlichen Gewerke. Steingut, Bier, Möbel, Eisenhammer, Fleischfabriken namens Domänen, Molkereien …  gegen die sich die Bauern ihre genossenschaftlichen Molkereien aufbauen, die sie dann so um 1960 wieder verlieren, weil sich die IHRE Genossenschaftsbank unter den Nagel gerissen und sie an Lebensmittelkonzerne verramscht hat. Und die zahlen den Bauern vielleicht etwas Sterbegeld und nennen sich ALDI oder LIDL oder NORMA … Die Bauern zahlten für ihre Befreiung aus der Fron und Leibeigenschaft zum Teil bis 1900 und länger.

Wer jetzt meint, das alles spielt in Mittel-Gründau, der hat nur zur Hälfte Recht: die feudale Obrigkeit in diesem Ort war nicht der Fürst von Isenburg-Büdingen, der Haselbach fließt dort nicht in den zur Gründau verlängerten Litterbach, der Weg mit dem Namen “Am Mühlstück” geht nicht von Emils Miniweinberg aus die Wagnershohle kreuzend dann als Obergasse/Alte Schulstraße bis zur Kirchgasse, die erst in Haupt- und dann 1974 in Haingründauer Straße umbenannt wurde. Die feudale Herrschaft heißt hier Bischof und thront in Fulda. Und in Kämmerzell fließt auch der Haselbach in  den Oberlauf der Weser, die hier noch Fulda heißt.  Viele Auswanderer aus dem Ort sind nicht erst bis nach Bad Karlshafen gewandert, um von dort nach Bremen zu schippern und sich dort einen Frachter für die Flucht vor Hunger und Zuchthaus in die Staaten zu nehmen. Manchmal gings ganz schnell auch direkt von Kämmerzell.

Aber sonst ist fast alles das Gleiche in Meddel-Grinn und Kämmerzell. Gell?!

Nur können die Einwohner von Kämmerzell an der Fulda derzeit nicht ihre Holzrechte gegen österreichische Wald-Großunternehmer einklagen wie es die Gründauer könnten und wie es der Magistrat hoffentlich bald Mal macht. Denn die diese GlobalHolzPlayer vernichten gerade all das an Wald, was der Büdinger den Gemeinden in über 800 Jahren an AllmendenWald gestohlen hat. Der Konkursverwalter des pleitegegangenen Fürstenhauses (mit immer noch üppigen Kolonial-”Besitzungen” in Afrika und Südamerika und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch Aktienpaketen der CONSTNATIA-Mutter ILAG, in der der deutsch-österreichische Hochadel das Sagen hat) hat sich einen Dreck um die immer noch gültigen Holzrechte der Gemeinden geschert. Aber wo kein Kläger, da kein Richter… Lieber Heiko Merz, das ist kein Scherz !!! Das ist unser Wald!! Das ist unser Wasser!! Und Wald und Wasser ist Leben! Eben!! Es geht um unser Leben!!

Vor der Gebietsreform haben sich die Ortsbürger und ihre Bürgermeister ……

( na ja Bürger waren sie ja nicht, es waren Dörfler, die nicht am Hofe an der Burg wohnen durften. Nur wer das Wohnrecht in der Vorburg hatte -also zum Beispiel die Büdinger, das waren echte Bürger – alles andere waren Bauern und Gesinde(l), Knechte und Mägde und vaterlandslose vogelfreie Wanderburschen, Wanderjuden, Zischeuner, Bettler, Tagediebe und Tagelöhner, Dörfler und Dorfdeppen)

….. also vor der Gebietsreform haben sich die Ortsbürgermeister um die Holzrechte, die Weiderechte, die Fischereirechte und die Allmenden insgesamt gekümmert. Das waren Verträge, die nicht einmal nachgelesen werden mussten, die wurden mündlich weitergegeben und schließlich konnten die Bürgermeister kaum noch an die Dokumente heran, weil sie in fürstlichen Archiven lagen (in Büdingen) oder in fernen Staatsarchiven wie dem in Kassel oder in Marburg. In Marburg lagern die Baupläne aller alten Häuser Mittel-Gründaus, selbst die Besitzer der Häuser kommen – wenn überhaupt- nur sehr mühsam daran.  Um die Rechte der Gemeinden gegen die alte und neue Obrigkeit -ob nun Feudal- oder Geldadel ist egal- überhaupt auszugraben, braucht man Historiker und Juristen:
Mittel-Gründau und seine Nachbargemeinden haben da ziemlich Glück: es gab einen Haingründauer Pfarrer namens Ellenberger, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts angesichts der um sich greifenden Armut der Dörfer sich um die alten Rechte gekümmert hat: in einer Denkschrift an den hessischen Landtag macht er sie auf über hundert Buchseiten geltend. Diese Denkschrift könnte die Grundlage sein für eine Klage der Gemeinde Gründau gegen die Konkursverwalter und die jetzigen Besitzer der fürstlichen Wälder. Denn es ist vielleicht ihr Besitz, weil sie wie der Name schon sagt, den Wald besetzt haben, aber es ist eigentlich nicht ihr rechtmäßiges Eigentum.

In den letzten Jahrhunderten haben sich die Bauern und ihre Dorfschultheißen und Bürgermeister an das Reichskammergericht in Wetzlar gewendet oder direkt an den Kaiser und sie bekamen dort oft Recht.

Kurt Uffelmann hat nicht geträumt, er war auch nicht als Schlafwandler aus Versehen in Kämmerzell, kurz bevor er mir sagte: Wenn die Oberdörfer  Morgens zur Bahn mussten, dann sagten die immer: „Wir nehmen die Abkürzung übers Mühlstück!“  Und dann sind die hinter den Hofreiten den Weg bis zur Wagnershohle gerannt und die Wagnershohle hoch über den Mühlrain Richtung Bahnhof!”

Und wie Meddel-Grinn zum Zug kam, das erzählt die nächste Geschichte: die „Fulder-Mädels“, die „Bayern-Mädels“ und die „Polaken“ kamen mit der „Heldmann-Bahn“ nach Meddel-Grinn, den letzten Kilometer bis zum Hofgut ins „Polakenhaus“ zu Fuß. Es kamen aber auch ab 1869 die zunächst kostengünstigeren Ziegelsteine, die Gießener Edel-Klinker von Gail über Mittel-Gründau nach Gelnhausen, nach Hanau, nach Offenbach, Aschaffenburg und Frankfurt. Damit war für die Mittel-Gründauer und die benachbarten Feldbrennereien der Ofen aus.  Den örtlichen Schuhmachern ging es ähnlich. Sie konnten, wenn sie nicht im zünftigen Geschäft mit gehobenen Bürgertum und Adel waren, nur noch Schlappen  machen für die Dorfsarmut. Zu der gehörten sie dann auch. Als dann mit der Bahnanbindung auch noch Billigwaren an Schlappen schnell ins Dorf kamen, konnten die Flickschuster zwar noch weiter flicken, aber ansonsten verkamen sie , wenn sie Glück und Räume hatten zu Schuhverkaufsstellen.

Die meisten Schuhmacher-Gesellen mussten mit dem Auslernen und der Abschluss-Prüfung mit Arbeitslosigkeit rechnen und sich neue Arbeit suchen: bei der Bahn, beim Gleisbau, auf Baustellen in den Großstätten, in den Steinbrüchen …..

Eine wissenschaftliche Untersuchung im Bereich des Großherzogtums Darmstadt (Starkenburg & Oberhessen), eine Doktorarbeit aus den 1920er Jahren zeigt diese Entwicklung mit allen ihren Folgen.  Es ist wie ungefähr bei den Bäckern und Friseuren in den 1960/1970er: Auf die Frage, wer in Hessen der größte Friseur ist, lautet die richtige Antwort entweder Dunlop oder Veith-Pirelli, denn dort arbeiten die meisten Friseurgesellen. Das gleiche gilt für die Frage nach der größten Bäckerei. …..

(Es folgen demnächst weitere Folgen über den „Wasserkrieg in Mittel-Gründau“, die Vogelberger Wasser-rebellen“, den „Lorbacher Wasser-Krieg“ und was das alles mit den 800 Jahren Mittel-Gründau zu tun hat

Wer schon jetzt dazu etwas nachlesen will, kann hier am Rand die Kategorien durchscrollen und die „Gründauer Geschichte(n)“ anklicken.

Auch ein Suchen in den Büchereien in Büdingen und Gelnhausen nach Publikationen der Historiker Nix und Vogel lohnt sich. Beide haben über die Holz-und Waldrechte geforscht und/oder in den ersten Jahren dieses Jahrtausends vier/fünf Kommunen und Bürgerinitiativen in der Nachbarschaft im Streit um die Waldrechte beraten, gegen das Land Hessen, gegen die CONSTANTIA und gegen untätige Gemeindevertretungen und Kreisausschüsse.

Wegen dieser Waldrechts-Ausverkaufs- und Wald-Raubpolitik können die Gemeinden zum Teil heute nicht mehr bestimmen, ob und wo Windkraftparks errichtet werden. Und bisher untätige Bürgermeister reden sich jetzt mit angeblichen Sachzwängen raus. Sachzwänge, die sie selbst oder ihre Vorgänger durch Nichtstun oder Zutun erst geschaffen haben.

Wegen der quasi-Privatisierung der Staatsforsten und deren Orientierung auf Profitwirtschaft – wie bei CONSTANTIA –  kommt es auch in dem Hessenforst zur Bewirtschaftung überlassenen übrigen Gemeindewäldern zu Raubbau.

Und der Druck auf die unterfinanzierten Gemeinden bewirkt auch dort in den Gremien eine Neigung zu  Entscheidungen gegen die Lebensqualität, die Zustimmung zu Windkraft-Parks, wo sie außer für privatem Profit und kurzfristiger und minimaler Aufbesserung der Gemeindekassen keinen Sinn machen. Naturschutz, Vogelschutz, Menschenschutz, als untrennbares Ganzes wird für Kapitalinteressen platt gemacht.  Aber das sind dann noch ganz andere Geschichten

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

Ein Gedanke zu „Wasserrecht = Menschenrecht! Brennrecht auch? Eine Klärung am Beispiel des Dorfes Mittel-Gründau“

  1. Hallo Herr Barth – Engelbart, ich habe mit großem Interesse Ihre Artikel über GRÜNDAU gelesen. Ich suche geschichtliche Hintergründe zur fürstlichen Domäne in Mittel Gründau. Da habe ich wenig gefunden. Können Sie mir weiterhelfen?
    Viele Grüße
    Gerdi Iffland

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