An den letzten Überlebenden der Mittel-Gündauer Bäcker-Familie Hecht

An den letzten Überlebenden der Mittel-Gündauer Bäcker-Familie Hecht
Main-Kinzig-Kreis – Gründau
Geschrieben von: Hartmut Barth-Engelbart
am: Dienstag, 25. August 2009 um 09:47 – Gelesen: 6104 mal
Ein Brief an Daniel Hecht, den Sohn des Matze-Bäckers von Mittel-Gründau in Tel Aviv

Der MatzeBäcker Otto Hecht betrieb die bekannteste und beste Bäckerei in der Region in einem Fachwerkhaus aus dem Jahr 1834 (in diesem Haus befindet sich heute eine Tatoo-Werkstatt unddie Besitzer haben es mit viel Liebe und Müherestauriert. Wenn es in Gründau einen Denkmalschutzpreis gäbe, sie wären die ersten Kandidaten!!). Die Backstube – also die eigentliche Bäckerei war in einem großen neuen Anbau hinter dem Fachwerkhaus untergebracht: aus „Russe-Stoa“- wie die Mittel-Gründauer ihre selbstgebrannten Klinkersteine nennen.Otto Hechtbeliefertebis Aschaffenburg, Darmstadt und Wiesbaden nicht nur mit seinem koscheren Brot per Firmen-LKW alle großen Hotels und Gaststätten, Kaufhäuser usw… In den Hungerjahren im und nach dem ersten Weltkrieg unterstützte er täglich säckeweise die ärmeren Familien zwischen Breitenborn und Langenselbold mit allen Fehl-Backwaren, die die Hotels und Gaststätten nicht genommen hätten und die sonst als Pferde- und Schweinefutter verkauft wurden. Viele Mittel-GründauerINNEN arbeiteten beim Hecht. Und verdienten dort nicht schlecht. Jedenfalls besser als beim Fürst.

Der Landprodukte-, Getreide- und Viehhändler Karl Hecht wohnte wie sein Bruder in der Bachgasse im Haus gegenüber, in dem nach dem Krieg, die Poststelle eingerichtet wurde. Zu dem neuen historisierenden Haus des Getreidehändlers Hecht gehörte ein großer garten, der bis an die fürstliche Domäne reichte – mit einem kunstvoll gestalteten Gartenhaus-Tempelchen, noch dazu gehörten die neben der Bäckerei gelegenen Lagerschuppen und Scheunen in denen auch noch nach dem Krieg Ein Landhandel betrieben wurde.

Beide Familien Hecht konnten mit Unterstützung durch viele Mittel-Gründauer ihre Anwesen um 1936/37 noch vor den größten „Arisierungs“-Raubzügen zwar auch schon erheblich unter Wert aber eben doch noch notverkaufen und damit ihre Flucht aus Deutschland und einen bescheideneren Neuanfang im Ausland finanzieren.

Im Gegensatz zu vielen Juden in der Rhein-Main-Region, die nicht ahnten oder ahnen wollten, was die Nazis vorhatten, waren die Hechts durch ihre Freundschaft zu vielen kommunistischen und sozialdemokratischen Familien und durch die zahlreichen Verhaftungen und Verschleppungen in die KZs vorgewarnt und informiert. Sie wussten, wenn die Kommunisten geholt werden, sind bald auch die Juden dran. Die Hechts kannten die Geschichte der Region: erst haben die Fürsten die Anführer der 1830er Bauernaufstände und der 1848er demokratischen Revolution auch aus Gründau verschleppt, zur Auswanderung gezwungen, in Zuchthäusern umgebracht, wie die beiden Mittel-Gründauer Lehrer und DemokratenPaul Nagel 1832 und Bernhard Kaffenberger 1849 — und dann wurde die aufgestaute Wut auf die Juden gelenkt: nicht gegen die Fürsten sollte es gehen sondern gegen die etwas besser gestellten, die etwas andersgläubigen in der Nachbarschaft.

 

Dear Danny,
i send you a poem, that i wrote in 1991 or earlier, about a House in
Gründau-Lieblos, where the last two jewish people lived, before they were
forced by poorness and hunger to go to Frankfurt into the Ghetto nearby the Bethmann-Park. From there, they were brought to Auschwitz and never came back.
I told the former CDU-major of Gründau, please dont detroy this house. It
must get a memorial. But they tried to destroy it. But they didnt sucseed..
The house is still there, but untill now without any sign and any word at the
walls, which explain die guests and the youngsters, who lived there and was forced to leave his home and was murdered by other Nazis.
This poem is dedicated to your family and all other jewish people of Gründau
and other people against the Nazis, which were murdered in Buchenwald,
Auschwitz, Treblinka and elsewhere. And naturally to those people, who survived the holocaust, the KZs, the tortures in the prisons.
It is very difficult to translate this poem into english, cause there are many
“dobble-meanings” of sentenses and Words.
Lieblos- sounds to mean Loveless, without love, but it realy means in in a very old german language: a lovely village . Los means village
Please try to find somebody to translate this poem for you. I cannot do it . It is too difficult for me. And now the poem for you and your family:

Lieblos säubern

Triptychon für ein Dreckloch

Wer das vorletzte
und älteste
noch erhaltene Haus
jüdischer Bürger
als Dreckloch
Rattennest
und Schandfleck
brandmarkt
geht
zumindest lieblos
unwissentlich
gewissenlos
mit der Ortsgeschichte
um

Wo
Saubermänner
Brandreden
halten
fangen
Strohköpfe
Feuer

Der ahnungslos
warmsanierte
Investor
stünde dann
mit dem Ausdruck
des Bedauerns
vor der Asche

Dem City-Center
stünde dann
kein Denkmal
mehr im Wege.

Ein Dreckloch?

Ja,
doch nur
weil Ihr
aus diesem Judenhaus
ein Saufloch und Bordell
gemacht
und dort
mit vollem Wanst
und hohlen Köpfen
gewissenlos
und lieblos
zahllose Nächte
durchgezockt
gesoffen
und gebummst
und dabei
noch liebloser
Politik gemacht
habt

Und keiner
will jetzt dran
erinnert werden
mit wem Ihr
dort so oft schon
unter einer Decke stecktet
während andere
für Euch
die Zeche
zahlen durften.

Ein Schandfleck?

Ja
und er
wird bleiben
und
daran erinnern
dass Ihr und Eure Eltern
geschwiegen
weggesehen
zugesehen habt
oder
(schon damals)
Beifall klatschtet
wenn eure Nachbarn
beraubt und geschlagen
ins Judengetto
fliehen mussten

Wenn braune Terroristen
mit Anspruch auf Pension
die beiden Alten
aus dem Stedl holten
um sie
in Auschwitz
zu ermorden

Ein liebloser
schwarzbrauner Fleck
getrocknetes Blut
im goldenen Buch
der Ortsgeschichte
auf einem ansonsten
aus schlechtem Gewissen
völlig unbeschriebenen Blatt

Der Schandfleck bleibt.
Kein Tintenkiller
und kein Schreibtischtöter
kein deutscher Schädlingsbekämpfer
und kein Abrissbagger
wird ihn verschwinden lassen.

Noch steht die Synagoge. Doch die Paulskirchen im Litterbach- und Gründau-Tal werden abgerissen, geschlossen, privatisiert und „mineralisiert“. Überlebende Erinnerungsteile werden hinter Vitrinen in Museen weggeschlossen. Einmal wöchentlich ist Besuchstag. Aber wer kann schon zu Fuß oder mit Rollator bis über 10 Kilometer schaffen und seine Erinnerungen besuchen. Und Erinnerungen, die nicht ins Heimatmuseum passen, dürfen im Hessenpark um Asyl bitten. Historisches Baumaterial bringt auf dem Markt schon fast so viel wie der Organhandel. Aber so, wie das Urbachsche Gast- und Gebetshaus (Lieblos) abgerissen wurde, (offenes Denkmal bis auf die Grundmauern) hat das kaum noch ein paar Euro gebracht. Vielleicht etwas Schüttung für Schallschutzwälle an der A66.They burried ourmemories round Route 66.

After having written this poem, i nearly became persona non grata in Gründau.
Now, its an other time with a new major. I hope so.

Yours
Hartmut Barth-Engelbart

„Lieblos säubern“ geschrieben so um 1989/90 als es noch Streit um den Abriss des ehemaligen
PATRAS gab. Die Zigarrenfabrik, den Gründerzeit-Güterschuppen, die Reh’sche Garnspinnerei…. Dann hats halt auch den Storchen erwischt. Das Geschäft mit den Alten
blüht. Und jetzt ist dazu noch das PATRAS im Gewerbegebiet wieder
AUFERSTANDEN.

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Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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