SKG-Geschichte(n): Nazis und Amis verboten in Mittlel-Gründau das Fußballspielen
Main-Kinzig-Kreis – Gründau
Geschrieben von: Hartmut Barth-Engelbart
am: Donnerstag, 27. August 2009 um 23:52 – Gelesen: 6035 mal
Für die Nazis war Fußball eine „angloamerikanische“ Erfindung, das war aber nur die halbe Wahrheit . Die Haltung der Nazis zu den Fußballvereinen hatte tiefere Gründe: ihnen war der Mannschaftssport zu kollektiv, zu wenig Einzelleistungen und Einzelhelden fördernd. Der Hauptgrund für die Fußball-Ablehnung der Nazis war jedoch, dass es ein „sozialdemokratischer“ und „kommunistischer“ Sport war, die übergroße Mehrheit der Vereinsmitglieder und der aktiven Spieler war politisch links eingestellt.
Jetzt wollte die NSDAP aber als eine Arbeiterpartei gelten. Deshalb versuchte sie mit anfangs kaum aber später zunehmendem Erfolg die Fussballvereine zu unterwandern und die Vereine, bei denen sie es nicht schafften, zu verbieten, wie die beiden Fußballvereine in Mittel-Gründau. Denn im Gegensatz zu manchen Fußball-Hochburgen – wie Mannheim-Neckarau, wo sich die Nazis im VfL und dessen Spitzen-Spieler und Trainer ,Sepp Herberger, gleich mit – einkauften und ihn hätschelten wie ihren fallschirmspringenden Boxer Schmeling, gelang das der NSDAP bei den beiden Mittel-Gründauer Fußball-Vereinen Rot-Sport und Blau-Weiß nicht. Also kam das Verbot für beide gleich nach 1933.
Nach dem Vereins-Verbot durch die Nazis, dem zunächst auch der Gesangsverein zum Opfer fiel, durften die Mittel-Gründauer erst gar nicht und dann nur in Niedergründau Fußball spielen. Schon vor 1933 gab es Schwierigkeiten mit dem Fußballspielen: es gab keinen Sportplatz in Mittel-Gründau. Die Fußballer trafen sich auf wechselnden Weiden, brachten Bohnenstangen und Stricke mit, um die provisorischen Tore daraus auf- und nach dem Spiel wieder abzubauen. Der Büdinger Fürst und seine Gutsverwalter hatten den Arbeiter-Sportvereinen bereits in den 1920ern “den Krieg erklärt”: er verbot die Nutzung der (bereits gemähten) Wiesen und (abgerasten) Weiden und drohte den trotz des Verbots Fußball-spielenden Mittel-Gründauer Kickern mit Polizei und Gericht. Da sich der Fürst die ehemals gemeindeeigenen Allmende-Weiden und Gründau-Auen bereits unter den Nagel gerissen hatte, war auch ein Ausweichen auf diese Weiden nicht möglich. Fußball-Spielen war so damals schon fast ein Verbrechen.
Zu den herausragenden Mittel-Gründauer Fußballern gehörte in den 20ern und mehr noch Anfang der 30er Jahre der Rot-Sportler Wilhelm Pfannmüller. Nach den Vereins- und Spielverboten wurden viele Mittel-Gründauer Rot-Sportler und Kommunisten verhaftet. Wilhelm Pfannmüller wurde in das KZ Osthofen verschleppt und von dort schon 1934 ins KZ-Friesland im Moor. Da er als Kommunist von den Nazis als „wehrunwürdig“ zunächst nicht in die Wehrmacht eingezogen wurde, wurde er um 1943 in eine der politischen Strafkompanien 999 gesteckt, um auf dem Balkan als Kanonenfutter Brückenkopfaktionen durchzuführen, bei denen die zwangsrekrutierten Kommunisten meistens von SS-Leuten von hinten erschossen wurden. Wilhelm Pfannmüller gelang es zu desertieren. Er schloss sich der Partisanen-Armee Titos an und kam Mitte 1945 mit dem Fahrrad aus Jugoslawien wieder nach Mittel-Gründau.
Mit das erste, was Wilhelm Pfannmüller unternahm, war zusammen mit anderen kommunistischen, sozialdemokratischen und parteilosen Fußballern wieder einen Fußball-Verein zu gründen. Nach dem Willen Pfannmüllers sollten es diesmal nicht zwei Vereine sondern ein gemeinsamer Verein sein, so wie er auch aus der Erfahrung der Niederlage gegen die Nazis 1933 politisch gelernt hatte und für eine Vereinigung von SPD und KPD eintrat. Die neue Vereinsgründung scheiterte am Verbot der US-Militärregierung. Die Militärregierung verbot alle reinen Sportvereine -auch , weil nahezu alle Sportvereine von Nazi-Fuktionären und Mitläufern besetzt waren. In den Sport-Organisationen wimmelte es von hochrangigen Braunen, fast 100 % der Sportlehrer an den Schulen waren aktive Nazis. DIE zentrale Ausbildungsstätte für Spitzensportler und Sportlehrer, die Sporthochschule in Köln, wurde nach dem Krieg von Carl Diem gegründet, dem höchsten Sportfunktionär der Nazis, Erfinder des „olympischen Fackellaufes“ für die „Friedensolympiade“ in Berlin 1936 und Organisator der im Frühjahr 1945 im Berliner OlympiaStadion durchgeführten Massenvereidigung 10Tausender von Hitlerjungen für den Volkssturm. Der oberste Sportfunktionär und LieblingsTurner Adolf Hitlers hat diese Kinder persönlich noch kurz vor der Kapitutation in den Tod und das Morden geschickt.
Das waren die Überlegungen der amerikanischen Offiziere bei ihren Verbotsmaßnahmen. Und die hatten ihre Berechtigung. Nun traf es in Mittel-Gründau genau die Falschen, nähmlich die Gegner der Nazis.
Wilhelm Pfannmüller und seine Fußballerfreunde fanden dann aber doch heraus, dass die Amerikaner Sportvereine zuließen, wenn die zur Hälfte auch „Kulturarbeit“ machten. Nun gehört zwar Fußball auch zur Kultur wie Musik und Malerei und Theater, manchmal auch zum schlechten Theater, aber Befehl ist Befehl und für die US-Army war deutscher Sport so viel wie NS-deutscher Wehrsport. Da aber die meisten Fußballer zumindest damals vor 1933 auch noch im Gesangsverein „Eintracht“ Mitglied und Mitsänger waren, lag es nahe, sich mit diesem Verein zusammenzuschließen. Einen Verein für Sport und Kultur würden die Amis erlauben. Es gab heftige Diskussionen, wie der Vereinsname sein sollte, „Blau-Weiß“ war als sozialdemokratisch bekannt und hätte Kommunisten und Parteilose vielleicht abgehalten, „Rot-Sport“ hätte die SPDler und eventuell auch die Parteilosen ausgeschlossen und …. die Amerikaner waren nicht unbedingt Freunde der Kommunisten. Winston Churchill hatte ja bei der Konferenz von Yalta zum US-Präsidenten Roosevelt gesagt (nachdem Stalin bereits den Konferenzsaal verlassen hatte): „Ich glaube, wir haben das falsche Schwein geschlachtet!“
Dieser Ausspruch war auch bis zu den Mittel-Gründauer Fußballern durchgesickert. Einen kommunistischen Sortverein hätten die Amerikaner vielleicht nicht genehmgt.
„Eintracht“?, dafür stimmten zwar die Sänger, aber die Mittel-Gründauer Fußballer wollten nicht mit dem „Reichen“-Verein in Frankfurt gleichgesetzt werden. Natürlich wußten die Mittel-Gründauer auch, dass die Frankfurter Eintracht im „Volksmund“ nur „die JuddeBuwe“ genannt wurde. Das war aber nicht der Grund für die Ablehnung dieses Vereinsnamens. Die Mittel-Gründauer Fußballer wollten nur nicht als „Herrensöhnchen-Verein“ gehänselt werden. Die Frankfurter Eintracht nahm – zumindest hatte sie diesen Ruf – nur Mitglieder aus der oberen Mittlel- und der Oberschicht auf. Anders als der FSV oder die Offenbacher Kickers.
Also wurde „Eintracht“ abgelehnt und der Name „Sport- und Kultur-Gemeinschaft“ SKG gewählt. Der Verein wurde dann durch die US-Militärregierung zugelassen. Kurz nach der Zulassung trennte sich der Gesangsverein wieder von den Fußballern und nannte sich dann wieder „Eintracht“. Die SKG blieb und trieb auch weiterhin nicht nur Bälle übers Fußballfeld sondern auch sonstige Kultur: lebendiger Beweis ist die TheaterGruppe der SKG: „N8-Schicht“ … wenn das kein Beweis für einen Kultur- UND Arbeiter-Sportverein ist, was dann ?
Ach ja, klar, dass neben der Vereinsgründung und Anmeldung und Genehmigung ganz heftig geschippt und geschaufelt wurde, hätte ich fast vergessen:
Als erstes wurde in Eigenleistung der Sportplatz fertig und dann machte sich Wilhelm Pfannmüller ans Spenden-Sammeln für das Dorfgemeinschaftshaus, die Sport- und Turnhalle, 1955 war sie fertig. Und dann ging er von Haus zu Haus und sammelte für das Mittel-Gründauer Schwimmbad. Es sollte direkt neben dem Sportplatz entstehen. Wilhelm Pfannmüller war da schon seit Jahren erster demokratisch gewählter Bürgermeister Mittel-Gründaus. Eigentlich könnte man mindestens das Sportlerheim nach ihm benennen. Seinen Verdiensten um Mittel-Gründau angemessen wäre es, wenn der Gemeindevorstand das Dorfgemeinschaftshaus „Wilhelm-Pfannmüller-Halle“ taufen und dazu eine Hinweistafel anbringen würde.