Mittel-Gründau: ein ganzes Dorf arbeitet für den Verfassungsschutz

Mittel-Gründau: ein ganzes Dorf arbeitet für den Verfassungsschutz
Main-Kinzig-Kreis – Gründau
Geschrieben von: Hartmut Barth-Engelbart
am: Sonntag, 30. August 2009 um 22:41 – Gelesen: 6688 mal
Sie haben richtig gelesen! Das ganze Dorf hat für den Verfassungsschutz gearbeitet und versucht, einen Putsch gegen die Demokratie zu verhindern. Wer mit dabei war ? Das steht alles in den Akten: alles was in Mittel-Gründau und den Nachbarorten Rang und Namen hat: Kalbfleisch, Weinel, Dauth, Noß, Meininger, Hölzinger, Lott, Geiß, Wagner, Mohn, Schmidt, Betz, Jäger, Günther, Volz, Birkenstock, Reuß, Pfeifer, Hainbuch, Hartwig, Schwinn, Burghardt, Herle, Achtzehnter, Schwarzhaupt, Eckart, Wiegand …..

Das war aber bereits vor 160 Jahren. Die Mittel-Gründauer haben nicht nur ihren Abgeordneten demokratisch gewählt und seine Arbeit unterstützt. Sie haben sich selbst aktiv in die Politiik eingemischt, ihren Abgeordneten mit dem Einbringen von Petitonen und Anträgen beauftragt, die sie vorher in ihrem „Demokratischen Verein“ diskutiert und beschlossen hatten. Die Anträge aus Mittel-Gründau waren dabei so radikal demokratisch und sozial, dass die Parlamentspräsidenten sowohl in der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche als auch im Hessischen Landtag ihre Behandlung nicht zuließen. Von den Mittel-Gründauer Anträgen an beide Häuser konnte bisher kein einziger wieder gefunden werden. Nur die Antworten auf die Anfragen des für Mittel-Gründau zuständigen linken Abgeordneten Dr. Christian Heldmann, warum die Anträge aus Mittel-Gründau nicht behandelt würden, sind noch zu finden: die Auskunft der Sitzungs-Präsidenten lautete jeweils, die Anträge aus Mittel-Gründau seien „zu radikal demokratisch“ , „zu radikal sozial“, „zu majestätsbeleidigend“ usw… Deshalb wurden die Anträge auch nicht in die Protokolle aufgenommen und verschwanden in der Versenkung. Der Frankfurter Historiker Dr. Manfred Köhler hatte bei einer Veranstaltung zum 150. Jahrestag der 1848er Revolution in der historischen Alten Schule Mittel-Gründau entsprechende Zitate aus den Antworten auf die Heldmann-Anfragen vorgetragen. Bei dieser Veranstaltung der IAS („Initiative Alte Schule“) 1998 zeigte Dr. Köhler neben den auch aus Mittel-Gründau stammenden Forderungen der Oberhessischen Bauernaufstände von 1830 auch die einzige noch erhaltene 1848er Resolution des Mittel-Gründauer „Demokratischen Vereins“ zur Unterstützung der Reichsverfassungskampagne.

Mittel-Gründauer Resolution zur Verteidigung der demokratischen gesamtdeutschen Verfassung

204. öffentliche Sitzung (der Paulskirchen-Nationalversammlung in Frankfurt/Main)
vom 23. April 1849

Hohe Nationalversammlung!

(übergeben von dem Abgeordneten Heldmann)

Auch wir, die Mitglieder des hiesigen Vereins, erheben unsere Stimme, um vereint mit den anderen Vereinen, ja mit dem ganzen Volke, den Volksvertretern zuzurufen:
Haltet fest an der Verfassung, die Euer Werk, mit der Ihr stehen und fallen werdet, und welche zu verteidigen das ganze Volk fest entschlossen ist!
Wagt nicht den törichten Versuch einer Vereinbarung mit den Fürsten und sprecht entschieden das Recht der Nation aus, aus ihrer Mitte ein verantwortliches Oberhaupt zu wählen!
Hört auf die Stimme derer, die Euch berufen. Die ihre Ehre, ihre Freiheit in Eure Hand gegeben! Handelt im Sinne und nach dem Willen des Volkes, und seid versichert, dass das Volk dann auch Eurem Rufe folgen und mit allen Mitteln zur Durchführung unserer gerechten Sache Euch unterstützen wird.

Mittelgründau, den 19ten April 1849

Der Vorstand des Vereins
B. Kaffenberger
H. Schwinn
Bürgermeister Günther
Kalbfleisch
Johannes Lott

Bei dieser Resolution des „Demokratischen Vereins Mittel-Gründau“ ging es um die Unterstützung der Wahl eines Staatsoberhauptes, das dem Parlament verantwortlich und von diesem auch abwählbar sein sollte. Die Gegenposition forderte die Wahl eines nicht mehr absetzbaren Fürsten als Staatsoberhaupt, das auch dem Parlament nicht verantwortlich sein und jede parlamentarische Entscheidung durch ein absolutes Veto blockieren können sollte.

Die Mittel-Gründauer hatten diesen pseudodemokratischen Schwindel zu Gunsten des Adels schnell durchblickt… Bereits Ende April 1849 versuchte das deutsche Volk seine demokratische Verfassung gezwungener Maßen mit Waffengewalt gegen preußische Monarchisten und Militaristen und ihre Hilfstruppen zu verteidigen. Gewürdigt wurde die Teilnahme nicht weniger Gründauer an der Reichsverfassungskampagne zur Verteidigung der ersten deutschen Demokratie bisher nur einmal: in der Festschrift „750 Jahre Niedergründau“ macht sich der Autor eines Artikels zu diesem Thema über die Teilnehmer lustig. Es ist der gleiche Zungenschlag, der auch im Bericht über den Bauernaufstand 1830 in Niedergründau den Ton angibt.

Die folgende Unterschriften-Liste unter der Resolution zum Kampf um die demokratsiche Verfassung besagt, dass über 80 Familienvorstände (damals nur die Männer!) für ihre Familien mit unterschrieben haben. Die Familien waren damals größer als heute, 5 bis 10 Kinder waren die Regel. So wurde die Resolution von wahrscheinlich weit über 500 Mittel-Gründauern unterstützt. Wobei der Lehrer Bernhard Kaffenberger die Resolution als Vorstandsmitglied und Schriftführer des „Demokratischen Vereins“ verfasst haben dürfte. Dafür wurde er 1850/51 zunächst nach Darmstadt strafversetzt, dann ins Zuchthaus gebracht und dann zur Auswanderung in die USA gezungen. Sein UrUrUrUrEnkel Richard Kaffenberger hat sich vor einiger Zeit aus den USA per internet beim Verfasser dieses Artikel gemeldet und sich alle Geschichten um seinen Vorfahren schicken lassen

(Unterschriften des Vorstandes des „Demokratischen Vereins Mittel-Gründau“ vom 23. April 1849, die Erstunterzeichner)

B. Kaffenberger
H. Schwinn
Bürgermeister Günther
Kalbfleisch
Johannes Lott

Weitere Unterschriften unter der Mittel-Gründauer Resolution vom April 1849: (Günther, Johannes Lott, H. Schwinn und Kaffenberger haben damals wohl doppelt unterschrieben)

B. Kaffenberger
Bürgermeister Günther
Tobias Meininger II
Heinrich Reuß
Wilhelm Meininger I
Heinrich Boller
Friedrich Weinel I
Friederich Hoenstein
Edgar Wagner
Philipp Burkhardt
Freiedrich Jäger
Peter Gärtner (?)
Peter Herle
Konrad (?) Herle
Georg Lott II
Friedrich Meininger II
Johannes Geiß
Johs Lott
Friedrich Lott
Balthasar Glock
Friedrich Meininger 6
Konrad Mohn
Johannes (?) Schmidt
Christian Mohn
Friedrich Hölzinger
Gabriel Altvater
Konrad Heinbuch
Friedrich Diederich
Wolf Geiß
Heinrich Volz
Conrad Lott
Johs Altvater
Christian Eckart
Tobias Geiß
Wilhelm Meininger III
Heinrich Käufig (?)
Johannes Birkenstock
Wilhelm Reuß
Johannes Pfeifer
Heinrich Wiegand II
Johannes Mohn
Gabriel Schmidt II
Heindrich Eckart
Christian Betz
Friedrich Dauth II
Johs. Dauth III
Heinrich Geiß
Heinrich Weinel II
Heinrich Meininger
Konrad Mohn
Georg Dieterich
Peter Henning
Johannes Schmidt II
Heinrich Hölzinger V
Heinrich Jäger
Gottfrit Eckart
Johannes Jäger
Peter Jäger
Georg Lott I
Johs. Schwarzhaubt
Wilhelm Dietrich
Friedrich Weinel II
Konrad Boller
Georg Achtzehnter
Heinrich Schwinn
Johannes Wolf
Heinrich Noß
Heinrich Rühl
Heinrich Weinel I
Johs. Schmidt III
Peter Bieber
Peter Wagner
Wilhelm Meininger IV
Conrad Birkenstock
Johs. Pfeifer II
Georg Geiß
Heinrich Mohn
Johs. Meininger IV
Friedrich Hartwig
Johs. Meininger 5
Peter Hartwig
Johs. Hartwig
J. Schwinn

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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