Vor einigen Tagen meldete die marxistische Tageszeitung „junge Welt“ in einer von AFP übernommenen Meldung: Nicaragua: Menschenketten gegen Ortega den Massenaufstand in diesem Land und nur wenige Tausend für Ortega auf den Straßen und Plätzen, . Die Nachricht von der Erschießung eines Polizisten durch die „friedlichen Demonstranten“ wird in der AFP-Meldung in der „jungen Welt“ als von den staatlichen Medien“ stammend relativiert.
nach einer staatsnahen Lesung im Casa de los tres Mundos, der Ernesto Cardenal/Dietmar Schönherr-Stiftung in Granada mit einem Boden Mosaik, das ein Portrait meines viel zu früh gestorbenen Freundes Dietmar Schönherr zeigt
Der erfolgreiche Generalstreik auf der Insel Ometepe im Nicaragua-See 2007 gegen die private Fähr-Reederei, die die Schaffung einer kommunalen Fährlinie verhindern wollte. Der Streik endete mit einem Erfolg. Die sandinistische Regierung in Managua ließ sich nicht weiter von der Reederei und ihrem Unternehmerverband unter Druck setzen und unterstützte die Forderungen der Insulaner: die von niederländischen Soligruppen gespendete Kommunal-Fähre wurde mit einem Containerfrachter von der Karibik bis in den Nicaragua-See geschleppt. Die Pressearbeit für den Generalstreik durfte damals ich über den letzten fuktionierenden Computer auf der Insel machen. Die Weiterverbreitung der Presseerklärungen und Spendenaufrufe an die Agenturen und medien in Europa besorgte die Redaktion der Neuen Hanauer Zeitung: Dank an Eberhardt Stickler dafür
Jetzt meldet die staatsnahe Zeitung der kommunistischen Partei Kubas, die „Granma“ „gewalttätige Contra-Aktionen in Venezuela und Nicaragua.
Staatsmedien, staatsnahe Medien? Das ist hierzulande mancher LINKEn sehr suspekt.
Wie man weiß, wäre in Deutschland 1918 beinahe Mal die Rote Fahne Staatsmedium geworden. Bis zur Abkommandierung der berüchtigten Marburg-Gießener Studenten-Kompanie und der Freicorps gegen die unbotmäßigen SPD/KPD-Regierungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, zeitweilig auch in Bayern war die Rote Fahne ein staatsnahes Medium. Was ist daran schlecht? Schreiben diese Medien nicht die Wahrheit? In Gelnhausen in Hessen übernahm der regierende Arbeiter-, Bauern-& Soldatenrat nach Hetztartikeln des „Gelnhäuser Tageblattes“ zur Unterstützung des Kapp-Putsches und gegen den Generalstreik defakto die Redaktionskontrolle: so wurde das GT vorübergehend zum Staatsmedium.
Die „junge Welt“ war über 50 Jahre lang ein Quasi-Staatsmedium. War sie deshalb „Lügenpresse“?
Nun meldet die marxistische Tageszeitung „junge Welt“ in einem eigenen Bericht von jW-Autor Volker Hermsdorf, dass die staatlichen Medien in Kuba melden, dass sich am heutigen 15.07. über 100 progressive Organisationen Lateinamerikas und der Karibik in Havanna treffen zur 24. Jahrestagung des „Forums von Sao Paulo“. .. „darunter einige Staats- und Regierungschefs“.
Während in der deutschen und europäischen Solidaritätsbewegung mit Nicaragua ein heftiger Streit darüber entbrannt ist, ob die sandinistische Regierung Ortegas zu unterstützen oder zu stürzen sei, herrscht in den USA dazu völlige Klarheit: die Stiftung der Ex-Außenministerin schon unter Bill Clinton, die Jugoslawien-Zerschlägerin und Fischer-Erzieherin Madelaine Albright unterstützt und finanziert die Aktionen gegen die Regierung Nicaraguas, obwohl von Ortega die von Weltbank und IWF aufgezwungenen Rentenkürzungen und Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge schon zurückgenommen wurden (im Gegensatz zu Tzipras in Griechenland!).
Die Verunsicherung durch die Mainstream-Medien ist so weit fortgeschritten, dass Solidaritätsgruppen bereits geplante Reisen nach Nicaragua absagen, so wie z.B im Main-Kinzig-Kreis, wie es jetzt der Kreisvorstand der Hanauer GEW in einem Rundschreiben mitgeteilt hat.
Wem soll man glauben: über 100 progressive Organisationen u.a. auch die KP Kubas haben „als „zentrale Themen bei der diesjährigen Sitzung des Forums (von Sao Paulo) … die gewalttätigen Contra-Aktionen in Venezuela und Nicaragua … „ auf die Tagesordnung gesetzt.
Es gibt aber nicht nur in Europa „basisdemokratische Volksaufstands“-Propagandisten, sondern auch in Lateinamerika einige deutschsprachige politische Aktivisten mit Migrationshintergrund, die diese Aktionen als basisdemokratischen Volksaufstand propagieren ..
Der Artikel von Volker Hermsdorf „Forum der Linken“ ist durchaus geeignet, die Lage zu klären. Ich habe ihn am Schluss meines Artikels angefügt. Es fehlen jedoch auch darin wesentliche Informationen, die ich hier beisteuern möchte:
Nicaragua: IWF-Diktate als Brecheisen für “Regime-Change”, wenn Ortega nicht den Zipras macht
http://www.barth-engelbart.de/?p=203641
Dass der Auslöser der Proteste gegen die Regierung Nicaraguas, die Rentenkürzungen und die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge vom Internationalen Währungsfonds IWF diktiert wurden, verschweigen in Europa nicht nur die Transatlantischen Boulevard-Medien***(Fußnote gaaaanz am Ende) von ARD bis ZdF, von FAZ bis TAZ, von Spiegel bis LOKUS
Madeleine Albright und das von ihr geführte NDI (National Democratic Institut) unterstützt die Aufstände in Nicaragua. Zur Erinnerung: In der Fernsehshow 60 Minutes wurde Albright am 12. Mai 1996 von Moderator Lesley Stahl gefragt: “Wir haben gehört, dass eine halbe Million Kinder wegen der Sanktionen gegen den Irak gestorben sind. Ich meine, das sind mehr Kinder, als in Hiroshima umkamen. Und – sagen Sie: ist es den Preis wert?” Albright brauchte für die Antwort nicht lange zu überlegen: “Ich glaube, das ist eine sehr schwierige Entscheidung, aber der Preis – wir glauben, es ist den Preis wert.”
Am Ende dieses Artikels befindet sich eine tschechische Übersetzung des Anfangskapitels .
Miroslav Kunst übersetzt fast regelmäßig meine Beiträge ins Tschechische: dafür möchte ich ihm hier Danke sagen. Über eine gemeinsame Lesung in Prag mit Gedichten und Geschichten, die ich in Prag geschrieben habe, mit Texten zu den Zeiten, die die SS-Obersturmbannführer Schleyer, Ries und Renner mit Heydrich in Prag verbrachten und mit den Romanvorarbeiten zum “Erbsenzähler”, dem Roman einer Männerfreund- und schließlich -feindschaft zwischen Gregor Mendel und dem schlesischen Bauernbefreier Dr. Hans Kudlich … aber das ist jetzt eine andere Geschichte zurück zum Brecheisen IWF, der Weltbank und Nicaragua
Das Brecheisen IWF und die Weltbank wurde schon erfolgreich für die Zerschlagung Jugoslawiens durch Genscher und Kinkel angesetzt …
und Kroatien und Slowenien mit Schuldenrückzahlungsforderungen zur Abspaltung gedrängt. (In wieweit der damalige Chef des Sparkassen- und Giroverbandes und spätere IWF-Chef Horst Köhler dabei im Hintergrund schon eine Rolle spielte, wäre noch zu klären).
Kroatien und Slowenien sollten bei der Abspaltung defakto Schuldenerlass erhalten, was die Stimmung der oberen Nomenklatura im “Bund der Kommunisten” anheizte, nach der die beiden “industrialisierten”, finanzstarken Bundesstaaten nicht im “Finanzausgleich” für die Schulden der jugoslawischen “Armenhäuser”, der weniger profitablen, agrarisch strukturierten südöstlichen Bundesländer nicht zahlen wollten …
siehe dazu Hannes Hofbauers Analyse: Die Zerstörung Jugoslawiens mit deutscher Hilfe
zuvor aber noch etwas Unwichtigeres: Israel bereitet im Westjordanland den Abriss eines Beduinen-Dorfes vor. Wie diese Vorbereitungen verlaufen zeigt das folgende Video : https://vimeo.com/278658077
Nicaragua – es gibt nichts Neues unter der Sonne
Markus und Eva Heizmann, Bündnis gegen den imperialistischen Krieg, Basel, Hamburg, Wien
Die Ereignisse in Nicaragua sind nur scheinbar verwirrend. Einerseits sind da die Errungenschaften der sandinistischen Revolution von 1979, andererseits die Aufstände gegen einige ExponnentInnen eben dieser Revolution, die mittlerweile, durch Wahlen legitimiert, an der Macht sind.
Der Regierung unter Daniel Ortega werden Fehler vorgeworfen. Namentlich die höchst umstrittene Rentenreform führte zu massiven Protesten. Folgerichtig zog denn auch die Regierung die Notbremse: Nach tagelangen gewalttätigen Protesten gegen die geplante Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge bei gleichzeitiger Kürzung der Renten, hat die Regierung die umstrittene Reform wieder zurückgenommen. „Ich hoffe, dass wir in einen Dialog treten können, der zu Frieden, Stabilität und Sicherheit in unserem Land führt“, sagte Präsident Daniel Ortega in einer Fernsehansprache. [1]
Was jedoch in den westlichen Medien nicht oder kaum berichtet wurde: Die Sozialreformen (insbesondere die besagten Rentenreformen) welche die Regierung unter Ortega durchführen wollte, wurden vom Internationalen Währungsfonds aufgezwungen.
Analogien, zum Beispiel zu Syrien, sind nicht zufällig.
Der Imperialismus, hier mit seinem ökonomischen Arm, dem IWF schafft in einem Land Krisen,
Proteste sind vorprogrammiert und führen zu Instabilität, Gewalt, und im schlimmsten Fall zum Sturz der Regierung und schließlich zur Installation eines Regimes, welches dem Imperialismus hörig ist.
Die Argumente welche die imperialistischen Medien gegen diese, für sie unbequemen Regierungen ins Feld führen, sind weder neu noch originell: Fehlende Demokratie, Korruption, Missachtung der Menschenrechte, Gewalt gegen die eigene Bevölkerung und anderes mehr.
Dass diese Vorwürfe gegen jedes Land, vor allem gegen jedes Land innerhalb des imperialistischen Lagers, gemacht werden können, scheint niemandem aufzufallen.
Auch die Bilder gleichen sich vom Maidan Platz in der Ukraine, bis zu den Protesten in Venezuela und neu in Managua:
Vermummte Jugendliche im Tränengasnebel, die an die Ausschreitungen in den europäischen Metropolen erinnern und so „Solidarität“ unter den Linken einfordern sollen.
Koloniale und imperialistische Penetration
Nicaragua hat – wie jedes Land in Mittel- und Südamerika – eine koloniale Vergangenheit. Der Kolonialismus wurde bis heute historisch niemals korrekt aufgearbeitet.
Seit Christoph Kolumbus, der im Juli 1502 auf seiner vierten Reise an der Küste Nicaraguas anlegte, bis zur Gegenwart hat diese Penetration der Kolonialisten, heute der Imperialisten, kein Ende genommen. Einmischung, Ausbeutung, Raub, Massaker bis hin zum Genozid sind die Grundlagen des Kolonialismus und des Imperialismus. Mehr noch: Ohne die koloniale, heute imperiale Ausbeutung der Völker Asiens, (Süd) Amerikas und Afrikas ist eine europäische und eine US- amerikanische Ökonomie undenkbar.
Ähnlich wie im arabischen Raum nach dem Sykes-Picot Abkommen, wurden auch auf dem südamerikanischen Kontinent von den Kolonialisten künstliche Staaten geschaffen, die Einheit der indigenen Bevölkerung wurde unterminiert, Indigenas wurden bekämpft, versklavt und viele von ihnen ermordet – bis hin zum Genozid. Diese Vergangenheit teilt Nicaragua mit allen vom Kolonialismus heimgesuchten Völkern.
Die Revolution der FSLN [2]
Am 15. September 1821 riefen die, grösstenteils spanischen, Kolonialisten ihre Unabhängigkeit von der spanischen Krone aus.
Seit dieser sogenannten Unabhängigkeit von Spanien kam Nicaragua kaum zur Ruhe. Einander abwechselnde Diktatoren folgten aufeinander, von William Walker, der als Yankee 1856 bis 1857 die Macht ein Jahr lang an sich reissen konnte, bis hin zu dem Somoza Clan, der Nicaragua seit 1933 zum Teil mit Unterstützung der USA, beherrschte. Wie viele Länder der Region wurde auch Nicaragua, ganz im Sinn der Monroe Doktrin [3] von den USA als Teil ihrer „Hinterhofes“ betrachtet. Ab 1967 wurde Nicaragua von Anastasio Somoza, einem Spross des Somoza Clans beherrscht. Unter Somoza, dessen Macht sich hauptsächlich auf die Nationalgarde stützte und der lange von den USA unterstützt wurde, waren politische Morde und das heimliche „Verschwindenlassen“ von Oppositionellen durch die Nationalgarde an der Tagesordnung. Der FSLN agierte zu dieser Zeit als
Guerilla-Organisation. Nach mehreren Jahren errang der FSLN am 19. Juli 1979 schließlich den Sieg in Nicaragua. Somoza floh nach Miami.[4] Die Macht wurde in der Folgezeit von einem fünfköpfigen Regierungsausschuss der FSLN übernommen. Am 20. Juli 1979 wurde die Regierung des Nationalen Wiederaufbaus eingesetzt, an deren Spitze wiederum der fünfköpfige Regierungsausschuss stand. Noch am selben Tag wurde das Grundgesetz erlassen, welches die seit 1974 bestehende Verfassung ersetzte. Das Grundgesetz regelte die organisatorische Struktur der Regierung, die Neueinsetzung des Rechtswesens, sowie die Auflösung von Nationalgarde und militärischem Ermittlungsdienst. (Alles Überbleibsel der Somoza Diktatur).
Die Transformation einer Guerilla in eine politische Regierungspartei ist niemals einfach. Dies gilt insbesondere für ein Land wie Nicaragua, welches die USA nach wie vor, ganz im Sinn der niemals widerrufenen Monroe-Doktrin, als Teil ihrer Einflusssphäre betrachten. So kam es schliesslich auch dazu, dass der FSLN im Jahr 1990 die Wahlen gegen Violeta Barrios de Chamorro, der Kandidatin der Unión Nacional Opositora (UNO), einer Koalition rechter bis bürgerlicher politischer Parteien gegen die Sandinisten, mit 54,7 Prozent der Stimmen verlor. Paul Reichler, ein Anwalt, der die Regierung Nicaraguas in den USA repräsentierte, kommentierte das Ergebnis: „Whatever revolutionary fervor the people once might have had was beaten out of them by the war and the impossibility of putting food in their children’s stomachs“ [5]
Die Unmöglichkeit, im Fahrwasser der US-Marionetten ein würdiges Leben zu führen, brachte den FSLN jedoch wieder an die Regierung: Im November 2006 konnte sie gegen den Kandidaten der konservativen Koalition Eduardo Montealegre mit gut 38% der Stimmen im ersten Wahlgang die Wahlen für sich entscheiden und Daniel Ortega wurde am 10. Januar 2007 als Präsident vereidigt. Zu den ersten Amtshandlungen des neuen Präsidenten gehörten die Einführung einer Schulpflicht und das Recht, diese Bildung kostenlos in Anspruch zu nehmen.
Laut Verfassung hätte Ortega 2011 zwar eigentlich nicht mehr erneut zur Präsidentenwahl antreten dürfen, doch aufgrund einer Gerichtsentscheidung wurde seine Kandidatur trotzdem zugelassen. Mit 62,6% der Stimmen gewann er die Wahl. Im November 2016 wurde Ortega erneut zum Präsidenten gewählt und am 10. Januar 2017 vereidigt. Vizepräsidentin wurde Ortegas Ehefrau Rosario Murillo.
Im Frühling 2018 begannen in Nicaragua die Unruhen, die bis heute andauern.
Heute
Bis heute ist die Revolution der Sandinistas von 1979 im Fokus der Weltöffentlichkeit. Nicht erst mit den jetzigen Gewalttätigkeiten von 2018 wird einigen ExponentInnen der Sandinistas, vor allem Daniel Ortega und seiner Frau Rosario Murillo Zambrana vorgeworfen, diese Revolution verraten zu haben. Was ist von diesen Vorwürfen zu halten?
Wir stellen fest:
Die Kritik an der Regierung Nicaraguas aus dem bürgerlich bis imperialistischen Lager braucht uns nicht zu erstaunen. Ziel dieser Politik war und ist die Zementierung der US-amerikanischen und europäischen Vorherrschaft in Nicaragua und überall auf der Welt.
Anders verhält es sich mit der Kritik, die aus dem sogenannt linken Spektrum kommt. Hier finden wir zum Teil Revolutions-Romantik, die ausserstande zu sein scheint, zwischen einer bewaffneten Guerilla-Organisation und einer staatlichen Institution, die sich gegen den Imperialismus zur Wehr setzen muss, zu unterscheiden. Wir finden auch KritikerInnen, die so argumentieren, als gäbe es keine imperialistischen Aggressionen, so als stünde Nicaragua nicht im Fadenkreuz der imperialistischen Expansionsgelüste. Kritik an der Regierung Nicaraguas ist natürlich ebenso berechtigt, wie die Kritik an wohl jeder anderen Regierung auch. Wer dabei jedoch ausser acht lässt, dass in Nicaragua nicht eine Regierung gestürzt werden, sondern ein Land destabilisiert und für den imperialistischen Angriff sturmreif gemacht werden soll, verkennt die Realität.
Es ist in der Tat verblüffend, wie sehr sich die Abläufe im Vergleich zu anderen, zum Teil leider bereits zerstörten Ländern ähneln:
Ob Jugoslawien, Irak, Libyen, Syrien, Venezuela oder eben aktuell Nicaragua, die Prozesse ähneln sich oft wie ein Ei dem anderen. Medial wird die Regierung des angegriffenen Landes dämonisiert.
Ein immer wieder angewandter Trick ist dabei die Personifizierung des sogenannt „Bösen“. Nicht Jugoslawien wird angegriffen, sondern Slobodan Milosevic. Nicht der Irak wird angegriffen, sondern Saddam Hussein, nicht Libyen wird angegriffen, sondern Muamar al Gadaffi, usw. Es folgen Proteste einer kleinen Bevölkerungsgruppe gegen ein einfach zu lösendes Problem im jeweiligen Land. Schlagworte wie „Demokratie“ oder „Freiheit“ werden ohne jeden konstruktiven Bezug skandiert.
Nun spielt es keine Rolle mehr, ob dieses Problem von der Regierung gelöst wird oder nicht. Die Proteste eskalieren, fordern Todesopfer, meist auf beiden Seiten, verantwortlich wird jedoch immer und ausschliesslich die jeweilige Regierung gemacht.
Wenn es für die imperialistischen Drahtzieher in den think tanks des Pentagon und in Brüssel nicht nach Wunsch läuft, folgt entweder ein offener Angriff der USA und / oder der NATO, oder es werden mehr Killerbanden eingeschleust, bis ein Machtwechsel in ihren Sinn erreicht werden kann oder das Land ins Chaos stürzt.
Weiter fällt auf, dass in Nicaragua das gesamte Instrumentarium aufgefahren wird, das wir auch von anderen „Regime Change“ Szenarios kennen: Wir haben verwackelte Handy Videos von Demonstrationen, wir haben Aufrufe von Amnesty International, und wir haben – besonders pikant
– Madeleine Albright und das von ihr geführte NDI (National Democratic Institut) welches die Aufstände in Nicaragua unterstützt. [6] Zur Erinnerung: In der Fernsehshow 60 Minutes wurde Albright am 12. Mai 1996 von Moderator Lesley Stahl gefragt: “Wir haben gehört, daß eine halbe Million Kinder wegen der Sanktionen gegen den Irak gestorben sind. Ich meine, das sind mehr Kinder, als in Hiroshima umkamen. Und – sagen Sie: ist es den Preis wert?” Albright brauchte für die Antwort nicht lange zu überlegen: “Ich glaube, das ist eine sehr schwierige Entscheidung, aber der Preis – wir glauben, es ist den Preis wert.”
Eine Bewegung, die sich mit solchen Leuten verbündet, ist verloren.
Was für die sogenannte „kurdische Autonomie“ in Nordsyrien und im Norden des Iraks gilt, gilt auch für Nicaragua und für sämtliche Emanzipationsbestrebungen weltweit: Der Imperialismus und seine Institutionen lassen sich nicht instrumentalisieren, es ist der Imperialismus, der instrumentalisiert!
Wenn es innerhalb der Gesellschaft von Nicaragua Unstimmigkeiten oder Ungerechtigkeit gibt, dann ist es Sache der Gesellschaft von Nicaragua dies in konstruktiver Weise zu regeln. Aktuell registrieren wir eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Nicaragua, die wir in der Diskussion nicht vernachlässigen dürfen, sondern genau analysieren müssen.
Es gibt nichts neues unter der Sonne
Diejenigen, welche den staatlichen Institutionen Nicaraguas die Legitimität absprechen, müssen sich die Frage gefallen lassen: Warum in Nicaragua? Weshalb wird dieselbe Frage nach der staatlichen Legitimität nicht mit demselben Eifer, ja mit derselben Verbissenheit dort gestellt wo sie berechtigt ist, nämlich in den Aggressoren Staaten USA, in den NATO Staaten oder in Israel? Wenn dieser Hauptwiderspruch, nämlich der Widerspruch zwischen den imperialistischen Mächten (USA und Europa) und den von ihnen angegriffenen Völkern beseitigt ist, werden wir nicht das Paradies auf Erden erreicht haben. Bestimmt jedoch werden Konflikte, wie wir sie derzeit nicht nur in Nicaragua erleben, intern auf einem politischen statt auf einem militärischen Weg ausgetragen werden. Dies aus dem einfachen Grund, weil die heute dominierende Rolle und die Einmischung der imperialistischen Mächte wegfallen würde. Solange diese Mächte jedoch bestehen, müssen wir sie als das behandeln was sie sind, als den Hauptwiderspruch, ja als den Hauptfaktor jedes Konfliktes weltweit.
Wir maßen uns nicht an, zu beurteilen, wie oder wie gravierend die Fehler der Regierung Ortega sind. Wir beurteilen jedoch die Ereignisse in Nicaragua aus einer globalen anti-imperialistischen Perspektive. Aus dieser Perspektive heraus – wir wiederholen uns – reihen sich die sogenannten Aufstände in Nicaragua nahtlos in die anderen von imperialistischen Institutionen losgetretenen oder gesponserten „Farbrevolutionen“ ein. Sei es in Jugoslawien, sei es in der Ukraine, sei es in Libyen, Venezuela oder in Syrien: Abgesehen vom jeweiligen Lokalkolorit gleichen sich Aufbau und Ablauf all dieser „Aufstände“ all zu sehr um spontan zu sein; wir können auch nicht von Zufällen ausgehen. Hinterher fliegen die Lügen auf und dieselben bewaffneten „Oppositionellen“, die zum Beispiel bereits in Libyen mordeten, tauchen nach der Zerschlagung Libyens in Syrien auf, um dort weiter zu schießen und zu morden.
Zum Glück für die betroffenen Bevölkerungen funktioniert dieses Szenario nicht überall. Länder wie Syrien, Venezuela und andere beweisen, dass dem imperialistischen Diktat erfolgreicher Widerstand entgegengesetzt werden kann.
Dieser Widerstand manifestiert sich vor allem auch in einer wachsenden Solidarität der nicht imperialistischen Staaten untereinander (Süd-Süd Kooperation). Die Bevölkerung dieser Länder leistet einen unglaublichen und tapferen Widerstand, weil in eben dieser Bevölkerung der überwiegend größte Anteil sich sehr wohl darüber im Klaren ist, wer die Angreifer sind. So wird zum Beispiel in Venezuela oder innerhalb der Linken in Peru genau verstanden, dass in Syrien oder in Jemen eine Aggression der Westmächte gegen diese Völker abläuft. Folgerichtig sind denn auch Venezuela und die Linke in Peru mit diesen angegriffenen Völkern in Wort und Tat solidarisch. Um die Angriffe erfolgreich abzuwehren, ist eine im Volk verankerte, schlagkräftige Armee notwendig, so wie dies beispielsweise in Syrien der Fall ist.
Ebenso braucht es staatliche Strukturen, welche die Grundbedürfnisse der Bevölkerung decken. Ein kostenloses Bildungs- und Gesundheitssystem gehören zweifellos ebenso zu diesen Strukturen wie eine gute finanzielle Absicherung der Menschen im Alter. Errungenschaften also, die sich unter kapitalistischen Bedingungen nicht verwirklichen lassen. Errungenschaften, die immer als erstes von den Institutionen des IWF und anderer Kreditvergabestellen des Imperialismus in Frage gestellt und gestrichen werden. Was dann folgt sind (berechtigte) Proteste, die leicht instrumentalisiert und in eine Farbrevolution verwandelt werden können. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Die Hintergründe dieser Farbrevolutionen können durchschaut werden.
Nicht überall wo „Revolution“ drauf steht ist auch Revolution drin!
Im Fall Nicaraguas stellen wir uns einige Fragen:
• Geostrategisch: Der geplante Kanal von Ozean zu Ozean (als Konkurrenz zum Panama
Kanal) scheint im Moment zwar vom Tisch zu sein, doch bleibt das auch in Zukunft so?
• Wie sind die Beziehungen Nicaraguas zu den Nachbarländern?
• Ist die Regierung US / NATO hörig?
• Gibt es fremde Militärbasen im Land, falls ja:
• Woher kommen diese Basen?
• Wie viele sind es?
• Ist die Regierung sozialistisch? (Freie Bildung, freies Gesundheitssystem u.a.m) · Geht das Land einen eigenen Weg?
• Gibt es ausländische Konzerne im Land?
• Falls ja: in welchem Umfang?
• Zu welchen Bedingungen, ist die Bevölkerung am Gewinn beteiligt und falls ja, in welchem Ausmass?
• Medien: Erfolgt eine (im weitesten Sinn) objektive Berichterstattung anhand von Fakten oder sind die Berichte Dämonisierungen und kommen dabei ausschliesslich Stimmen gegen die Regierung zu Wort?
Die Beantwortung dieser Fragen erfordert Recherche, die sich jedoch lohnt. Wir kommen auf diesem Weg zu einer objektiven Sicht und bewahren uns vor Fehleinschätzungen. Voraussetzung ist allerdings immer, nicht in festgefahrenen Denkmustern zu verharren und klar zu unterscheiden, wer die Aggressoren und wer die Angegriffenen sind.
[1] https://www.nzz.ch/international/nicaragua-praesident-ortega-zieht-rentenreform-zurueck-ld.1379789
[2] Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN; deutsch: Sandinistische Nationale Befreiungsfront)
[3] Die Monroe-Doktrin geht auf die Rede zur Lage der Nation vom 2. Dezember 1823 vom damaligen US Präsidenten James Monroe zurück Sie besiegelte u.a. den später vielfach praktizierten Interventionsanspruch der USA in Südamerika.
[4] Im September 1980 wurde Somoza in der Hauptstadt Paraguays, Asunción, von Mitgliedern der argentinischen Revolutionären Volksarmee (ERP) erschossen.
[5] “Der Krieg und die Unmöglichkeit ihre Kinder zu ernähren, prügelten allen einmal vorhandenen revolutionären Eifer aus den Menschen“.
[6] https://www.ndi.org/latin-america-and-caribbean/nicaragua und:
Ein erster Kommentar zu diesem Artikel aus Costa Rica:
Hola Markus und Eva
Macht eine Champagnerflasche auf: Kann sein, dass der massive Wahlsieg von “AMLO” in Mexico eine Trendwende im sich schnell verdüsternden Geschehen in unserer Region einleitet. Für Zentralamerika insb. ist er mindestens eine Portion erlösender Sauerstoff nach soviel stinkenden imperialen Abgase der letzten Jahre…. Mexico ist m. E. eines der 10 sowohl kulturell wie (geo-)politisch wie wirtschaftlich wichtigsten Länder auf diesem Planeten – in Lateinamerika gleichauf mit Brasilien, in Zentralamerika ohne Zweifel Nr.1. Kein Land kann den USA das Leben so schwer machen wie Mexico. – und die zweite Mouton de Rothschild für Nicaragua. Die zwei Flaschen müssen natürlich aus Rothschilds Weinkeller ins Volkseigentum übergeführt werden.
Zum Thema: finde Eure Hintergrundskizze der Sitution in Nicaragua und deren Einbettung in die Weltbühne sehr gut. Weil mir meine neue Heimat doch am Herzen liegt hab ich mich zu einigen textlichen Ausschweifungen hinreissen lassen – bitte nehmt mir’s nicht übel!
Ein Satz scheint mir sollte genauer formuliert werden: statt “Mehr noch: Ohne die koloniale, heute
imperiale Ausbeutung der Völker Asiens, (Süd) Amerikas und Afrikas ist eine europäische und eine
US- amerikanische Ökonomie undenkbar.”
Hier der Artikel aus der marxistischen Tageszeitung „junge Welt“ vom 14.07.2018
Volker Hermsdorf
Kuba
Forum der Linken
In Havanna kommen Vertreter von mehr als 100 progressiven Organisationen Lateinamerikas zusammen
In Havanna beginnt am Sonntag die 24. Jahrestagung des »Forums von São Paulo«. Zu der dreitägigen Konferenz werden in der kubanischen Hauptstadt Vertreter von mehr als 100 progressiven Parteien und Organisationen aus den Ländern Lateinamerikas und der Karibik, darunter einige Staats- und Regierungschefs, erwartet. Auch zahlreiche Gäste aus Europa, Asien, Afrika und den USA haben ihre Teilnahme zugesagt.
Das 1990 auf Initiative des damaligen kubanischen Präsidenten Fidel Castro Ruz und des brasilianischen Gewerkschaftsführers und späteren Staatschefs Luiz Inácio Lula da Silva gegründete Forum gilt als bedeutendste Plattform der lateinamerikanischen Linken. Ursprünglich als Reaktion auf den Zusammenbruch der Sowjetunion und der darauf folgenden neoliberalen Offensive in der Region entstanden, liefert es mittlerweile Impulse für Strategiedebatten auch außerhalb des amerikanischen Kontinents.
In Lateinamerika befänden sich die Länder heute wieder in einer vergleichbaren Situation wie zum Zeitpunkt der Forumsgründung, beschreibt die Zeitung der Kommunistischen Partei Kubas, Granma, die Situation auf dem Kontinent. Ökonomie und die Massenmedien würden in den meisten Ländern noch immer von multinationalen Konzernen oder einheimischen Eliten kontrolliert. Progressive Regierungen seien gestürzt oder abgewählt worden. Die USA setzten ihre Interessen wieder mit der Androhung militärischer Interventionen durch. Die klassische Form der Konterrevolution durch einen Militärputsch wie in Honduras im Jahr 2009 werde inzwischen durch die Methode des parlamentarischen Staatsstreiches ergänzt, so 2012 in Paraguay und 2016 in Brasilien. Außerdem werde seit einiger Zeit verstärkt die Justiz dazu missbraucht, fortschrittliche Politiker kaltzustellen. Jüngste Beispiele seien die Inhaftierung Lulas in Brasilien oder das Verfahren gegen Ecuadors Expräsidenten Rafael Correa.
Zentrale Themen bei der diesjährigen Sitzung des Forums sind die gewalttätigen Contra-Aktionen in Venezuela und Nicaragua sowie die Bedrohung des Friedens in der Region durch US-Stützpunkte und die neue Rolle der NATO auf dem Kontinent, nachdem Kolumbien als »globaler Partner« in die Militärallianz aufgenommen wurde. Die Wahl von Andrés Manuel López Obrador in Mexiko, dessen Partei Morena am Forum teilnimmt, zeige jedoch, so die Granma, dass diese Entwicklung aufzuhalten ist. Die Streiks und Demonstrationen in Argentinien, Brasilien und Chile könnten andeuten, dass die neoliberale Gegenoffensive in Lateinamerika ihren Zenit bereits überschritten hat.
Nach der Eröffnungsveranstaltung am Sonntag sind zahlreiche Workshops geplant. Ein Thema ist die Migration. Arbeitslosigkeit, Armut, Gewalt, soziale Ungleichheit und fehlende Bildungschancen zwingen immer mehr Menschen dazu, ihre Länder in Richtung Norden zu verlassen. In den USA werden lateinamerikanische Einwanderer dann aber durch die rassistische Politik Donald Trumps erneut zu Opfern der neoliberalen Politik.
Das Treffen in Havanna will an die Ergebnisse des 23. Forums anknüpfen, das im Juli letzten Jahres im Managua stattfand. Dort hatten die Teilnehmer mit einem »Konsens Unseres Amerikas« genannten Grundsatzpapier das erste gemeinsame politische Programm in der Geschichte des Zusammenschlusses verabschiedet. Bis zur Veröffentlichung der diesjährigen Abschlusserklärung am Dienstag sollen nun gemeinsame Aktionspläne festgelegt werden. Ziel, so Forumssprecherin Monica Valente von der brasilianischen Arbeiterpartei PT, sei es, den Neoliberalismus auf dem Kontinent zu besiegen. Wenn dies nicht gelänge, so Valente unter Berufung auf eine frühere Analyse Fidel Castros, »verschwinden wir als Nationen und als unabhängige Staaten und werden wieder Kolonien sein, wie es die Länder des globalen Südens in der Vergangenheit immer waren«.