In der beliebten Reihe:
Dr. Gniffkes Macht um acht
haben Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer **** (das Autoren-Team wird in der Fußnote näher vorgestellt) wieder etwas an das Tageslicht gebracht:
(Alle Karikaturen stammen von Jan Haake, der nach Abschluss der Hochschule für Gestaltung in Offenbach über 10 Jahre „Haus-Cartoonist“ der neuen hanauer Zeitung (nhz) war, die von 1982 bis 2016 erschien, in Anlehnung an jene Hanauer Zeitung des Verlegers Kittsteiner, die ab 1832, im Vormärz und in der 1848er Revolution eine gute Rolle gespielt hat)
ARD-aktuell: Servil und kriegsbereit
Die Tagesschau übernimmt die Agenda der Regierung und verschweigt den Rechtsnihilismus der Debatte über den Syrien-Einsatz
(siehe dazu auch: http://www.barth-engelbart.de/?p=204565
Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
Soll auch die Bundeswehr in Syrien Bombenangriffe fliegen? Die “Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages” gutachten, ein solcher Kriegseinsatz sei Völkerrechtsbruch und unvereinbar mit dem Grundgesetz. Trotzdem erklärten sich Bundeskanzlerin Merkel und ihre Verteidigungsministerin von der Leyen im Bundestag dazu bereit, falls in Idlib Chemiewaffen verwendet würden. Sie bewegen sich damit fernab aller Rechtsgrundlagen, fernab der Realität in Syrien und fernab der überwältigenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Und was berichtet ARD-aktuell, was melden Tagesschau und Tagesthemen über diesen unglaublichen Skandal?
NICHTS.
„Es gibt einen Unterschied zwischen journalistischem und politischem Handeln. Es ist nicht die Aufgabe von Journalisten, eine Partei oder einen charismatischen Politiker zu bekämpfen,“ schrieb der renommierte New Yorker Medienwissenschaftlicher Jay Rosen in einem “Brief an die deutschen Journalisten“(1) selbigen ins Stammbuch. Und weiter: „Es reicht nicht, die Agenda von den Regierenden zu übernehmen. … Als Journalisten haben Sie nicht die Aufgabe, den Leuten zu sagen, was sie denken sollen.”
Man darf davon ausgehen, dass Rosen damit vor allem “Qualitätsjournalisten” wie ARD-aktuell-Chefredakteur Dr. Kai Gniffke meinte. Mit vollem Recht, wie die irreführenden Nachrichten der Tagesschau über Syrien immer wieder belegen:
(Studio) “Bundesaußenminister Maas hat mit seinem russischen Kollegen Lawrow über den Syrienkrieg beraten. Dabei forderte Maas Moskau auf, eine Großoffensive gegen die letzte Rebellenhochburg Idlib zu verhindern. …”
(Reporter): “…. Eine humanitäre Katastrophe drohe vor allem, wenn die Regierungstruppen bei einem Vormarsch Chemiewaffen einsetzen würden.”
(Maas): “Russland verfügt über die Möglichkeiten, auf das syrische Regime einzuwirken, und wir bauen darauf, dass diese jetzt genutzt werden, damit ein solcher Einsatz von Chemiewaffen unter allen Umständen verhindert wird. …” (2)
Die Redaktionen von ARD-aktuell sind per Rundfunkstaatsvertrag verpflichtet, umfassend und objektiv zu berichten. Sie müssten folglich politische Äußerungen auf ihre Sachlichkeit, Angemessenheit und auf (verborgene) Absichten hin überprüfen. Auch Außenminister Maas hat ein Lufwaffen-Bombardement als Antwort auf einen Chemiewaffenvorfall bisher nicht kategorisch abgelehnt und folgt somit Merkel und von der Leyen. Die Tagesschau hätte also nachzufragen, ob und wie es sich denn mit dem Grundgesetz und der Charta der Vereinten Nationen verträgt, dass die Kanzlerin und ihre Minister das Wort “Krieg” abschmecken wie die Soße zum Schweinebraten. (3, 4)
Als nächstes hätte die Redaktion zu untersuchen, wie sich die westliche Warnungen vor einem angeblich zu befürchtenden Chemiewaffengebrauch der syrischen Armee dazu verhalten, dass Syrien unter internationaler Kontrolle seinen Chemiewaffenbestand samt Produktionsanlagen längst restlos vernichten ließ. Aufgrund dieser Kontrolle und der Kriegszerstörungen hatte Syrien auch keine Möglichkeit mehr, neue Chemiewaffen herzustellen.
Den Gesetzen der Logik folgend wäre weiterhin zu fragen, welches Interesse die mittlerweile wieder landesweit siegreiche syrische Armee denn daran haben könnte, in der bevorstehenden Schlacht um die “letzte Rebellenhochburg” Idlib das einzig noch denkbare Chlorgas einzusetzen – und damit zu riskieren, von der USA-geführten Westallianz kurz vor dem Ende des Krieges diskreditiert und bombardiert zu werden? Alle Kriegserfolge gefährden mit ein paar “Fassbomben” voll Chlorgas? Mit einem chemischen Produkt, das auch im Zivilsektor in weitem Gebrauch ist und wegen seiner geringen Eignung nicht einmal auf der internationalen Liste der Kampfstoffe geführt wird, wohl aber in den Propagandafilmen der “Weißhelme” eine verdächtig auffällige Rolle spielt? (5)
Dass Russland seit Wochen vor “Operationen unter falscher Flagge” warnt, davor, dass die Terroristen in Idlib Vorbereitungen für einen Chlorgaseinsatz träfen, um damit die westliche Kriegsallianz zum Angriff auf syrische und russische Streitkräfte zu provozieren (6,7,8) – kein Wort darüber in der Tagesschau.
Stattdessen unterstützt ARD-aktuell das propagandistische Bemühen der „Westlichen Wertegemeinschaft“ und deren höriger Mainstream-Medien, einen Grund für verschärfte Bombardierung in Syrien zu konstruieren. Zu Gunsten der Dschihadisten und Al-Qaida-Nachfolger in Idlib? (9,10)
Pflicht der Redaktionen der ARD-aktuell wäre es, die interessengeleiteten Politikeraussagen mit zeitgeschichtlichen Tatsachen abzugleichen, dokumentiert zum Beispiel während der Befreiung Ost-Aleppos. Auch damals lieferte die ARD-aktuell breite Fälschungen. Sie stellte den Rückeroberungsakt als Kriegsverbrechen der russischen und der syrischen Streitkräfte als “humanitäre Katastrophe” dar, ungeachtet aller Fakten; sie ignorierte geradezu zwanghaft die Frage nach Auswirkungen der terroristischen Schreckensherrschaft in Ost-Aleppo und nach den Qualen, die die Zivilbevölkerung unter der Besatzung erleiden musste. Die Redaktion müsste spätestens jetzt Schlüsse aus den Berichten der befreiten Bewohner Aleppos ziehen.
Fraglos wird eine gewaltsame Befreiung Idlibs ebenfalls viele Opfer fordern. Fraglos müssten Tagesschau-Redakteure aber auch beschreiben, was die Konsequenzen einer fortdauernden Terrorherrschaft der 60 000 in Idlib konzentrierten Dschihadisten und Söldner wären.(11) Was hieße es für die Zivilbevölkerung? Was wären die Folgen, wenn die Terroristen aus ihrer “Hochburg” aus weiterhin in Syrien bomben und morden können? Was ergibt sich denn sonst aus der Aufforderung an Russland, die Rückeroberung Idlibs durch die syrische Armee “unter allen Umständen zu verhindern”?
Als sich die Bundesregierung kürzlich bereit erklärte, einigen der obskuren “Weißhelme” Asyl zu gewähren, die in Südsyrien vor der Gefangennahme durch die syrische Armee standen, beschönigte ARD-aktuell diesen von Maas als “humanitäre Hilfe” ausgegebenen Einfall mit höfischer Schleimerei. (12) Es störte die Tagesschau-Redaktion auch nicht, dass die niederländische Regierung ihre Unterstützung für die „Weisshelme“ eingestellt hat, weil an deren Integrität profunde Zweifel bestehen. (13)
Wären der Redaktion das Völker- und das Verfassungsrecht mehr wert als ein Fliegendreck, dann würden ihre Verantwortlichen das bedenkenlose Gerede der Bundeskanzlerin und ihrer Minister von einer “humanitären Katastrophe” im Falle eines Angriffs der syrischen Armee in Idlib hinterfragen. Humanitäre Katastrophen auf syrischem Staatsgebiet waren unseren Regierenden bislang eher gleichgültig. Alle wurden von der Westlichen Wertegemeinschaft WWG selbst herbeigeführt: mit einem unmenschlichen Wirtschaftsembargo Syriens, mit Milliarden Dollar und Euro für Waffenlieferungen an die Terroristen, darüber hinaus mit der Organisation eines ständigen Nachschubs von Söldnern aus Arabien, Afrika, USA und Asien.
Selbst Tagesschau-Redakteure sollten erkennen können: Die beschworene “humanitäre Katastrophe” stellen derzeit 60 000 kampferfahrene Terroristen und Dschihadisten in Idlib dar, organisiert in der al-Kaida, der Haiat Tahrir al-Scham (HTS) und dem IS. Mord, Folter, Vergewaltigung, Plünderung und Missbrauch von Zivilisten als “Schutzschilde” sind ihre Methodik. Diese Verbrecher werden sich nicht in nächstenliebende Sozialarbeiter verwandeln, wenn die syrische Armee sie endlich auch aus Idlib vertreibt. Sie werden vielmehr über die Türkei nach Europa strömen. Der dschihadistische Terror wäre dann auch bei uns erst richtig zuhause. Berlin, Brüssel, Paris, London und Rom fürchten den Zustrom tausender gewaltfähiger Banditen und dessen kulturelle und politische Folgen für Westeuropa. (14,15). Hier ist das wahre Motiv für ihre kriegsbereite Aufgeregtheit zu suchen.
Die Regierenden der Westlichen Wertegemeinschaft haben mit ihrem Terrorkrieg in und gegen Syrien Probleme geschaffen, die sie nun nicht lösen können. Dass sie anfangs anstelle Assads ein Dschihadistenregime in Damaskus wünschten, verschleiern sie jetzt. Dabei war und ist ihnen ARD-aktuell sehr behiflich.
Wohin nun aber mit den 60 000 liebgewordenen “Rebellen”, sprich Kopfabschneidern? (16) Wer nimmt sie auf?
Eine Nachrichtenredaktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat keine politische Ratgeberkompetenz und auch keinen solchen Auftrag. Sie hat sich auf objektive Berichterstattung beschränken, auf ihre demokratische Kontrollfunktion gegenüber Parlament und Regierung. Sie ist gesetzlich verpflichtet, “die internationale Verständigung zu fördern und für die Friedenssicherung einzutreten”. Sie müsste somit schleunigst melden, was der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages über das Berliner Kriegsgeschrei befand und damit der Regierung sowie deren Zeloten im Parlament nachdrücklich auf die Zehen steigen:
„Die Teilnahme Deutschlands an einem völkerrechtswidrigen Militäreinsatz kann niemals verfassungskonform sein. (Deutsche Staatsorgane dürften) „nicht an einem Verstoß von Drittstaaten gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts mitwirken. … Im Ergebnis wäre eine etwaige Beteiligung der Bundeswehr an einer Repressalie der Alliierten in Syrien in Form von „Vergeltungsschlägen“ gegen Giftgas-Fazilitäten völkerrechts- und verfassungswidrig.“(17)
Dass Bundesregierung und Parlament nach Ansicht der Juristen bereits Verfassungsverrat und Völkerrechtsbruch begangen haben, geht übrigens auch aus einem weiteren Befund der Bundestags-Wissenschaftler über die Tornado- Einsätzen der Bundeswehr über Syrien hervor, die Zieldaten für Bombardements der westlichen Allianz ermitteln:
„Auch die (bloße) militärisch-logistische Unterstützung … (ist) … als Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Handelns selbst völkerrechtswidrig.“ (18)
Auch dieses Gutachten ignorierte die Tagesschau und machte sich zum Komplizen des Völkerrechts- und Verfassungsbruchs pflichtvergessener Politiker. Solche Nachrichtenunterschlagung hat bei ARD-aktuell Tradition. Entgegen ihrem gesetzlichen Auftrag und entgegen dem Anspruch ihrer Millionen Zuschauer – die zugleich zahlende Kunden sind –, ignoriert sie dabei auch, was die Bevölkerung über eine deutsche Kriegsbeteiligung denkt. Über längere Zeiträume ermittelt, dieses:
Für einen Kriegseinsatz „auf jeden Fall“ sind nur 5 Prozent. „Ja, aber nur mit einem UN-Mandat“ sagen 31 Prozent. Nein, „auf keinen Fall“ sagen 62 Prozent. (18)
Doch wenn schon die Regierung und die Berliner Parlamentsmehrheit auf den Willen der Bevölkerung pfeifen, wie sollte dann das Regierungs-Sprachrohr Dr. Kai Gniffke, Chefredakteur ARD-aktuell, sich dem Interesse seiner Tagesschau-Zuschauer verpflichtet fühlen?
Zum Schluss eine gute Nachricht:
„Auf die Frage „Sollte sich die Bundeswehr an einem Militäreinsatz gegen das Assad-Regime beteiligen, falls dieses im Syrienkrieg Giftgas einsetzt?“ antworteten 73,7 Prozent der Befragten mit „Nein“ und nur 20,8 Prozent mit „Ja“. 5,5 Prozent waren unentschieden. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey …“ (19)
Quellen:
(2) https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-27543.html
(5) http://blauerbote.com/2018/08/09/faelschungen-der-weisshelme/
(9) https://www.tagesschau.de/ausland/bombardement-idlib-syrien-101.html
(10)https://www.tagesschau.de/ausland/syrien-idlib-angriff-101.html
(11) https://derstandard.at/2000087157333/Syrische-Christen-melden-Islamisten-Angriff-in-Maharda?ref=rec
(12) https://www.tagesschau.de/ausland/israel-syrien-145.html
(17) https://www.bundestag.de/blob/568586/e979e0a7348409ce22153522087b3813/wd-2-130-18-pdf-data.pdf
(18) Anm: Im April 2018 bewertete der Wissenschaftliche Dienst den Krieg der westlichen Allianz als unvereinbar mit dem Völkerrecht. S. Dazu: https://www.bundestag.de/blob/551344/f8055ab0bba0ced333ebcd8478e74e4e/wd-2-048-18-pdf-data.pdf