ZDF&ARD=Kriegspartei gegen Venezuela nicht erst seit „heute“

Während das ZDF heute Abend die Bilder medizinisch unversorgter kranker Menschen in Venezuela zeigte und die Regierung Maduro für den Mangel an Medikamenten und den schlechten Zustand der Infrastruktur verantwortlich machte, verschwieg das Mainzer Staatsfernsehen, dass bereits bezahlte Medikamenten-Lieferungen durch die US-Blockade zurückgehalten und weiter Einkäufe durch das Abschneiden vom internationalen Zahlungsverkehr verhindert werden. Dabei trifft das aktuell gerade diejenigen Medikamente, bei denen das ZDF den Mangel beklagte. Das ist Kriegsführung!!! Und der ZDF-Korrespondent weist die Verantwortung der USA für den landesweiten Stromausfall entschieden zurück. Das sei die Folge der Nichtinvestitionen der Ölgewinne in die Infrastruktur, die stattdessen in Maduros Unterdrückungs- und Militäraparat flössen.

„Maduro muss die Generäle bei Laune halten“, trötet Marietta Slomka aus dem Flachbild-Volksempfänger und die Tagessau posaunt fast wortwörtlich das Gleiche eine Stunde später . Die Macht um acht. Tatsächlich ist aber …

Venezuela – das aktuelle Opfer eines (US-EU-)Angriffskrieges

Kriege werden heute nicht mehr nur mit Bomben und Raketen geführt.

Von Jochen Mitschka.

Veröffentlicht am:8. März 2019

Das Handbuch für „unkonventionelle Kriegsführung“ der US-Armee (Army Special Operations Forces Unconventional Warfare (1)) gibt einen Eindruck davon, wie Kriegsführung im 21. Jahrhundert von mächtigen Staaten realisiert wird. Da spielen Kriegserklärung und Invasionsarmeen längst nicht mehr die Hauptrolle. Neben verdeckten Operationen von Spezialeinheiten sind es psychologische Operationen, Nutzung der Zivilgesellschaft und die Unterstützung von „Elementen und Aktivitäten“, Diplomatie, so genannte Informationsverbreitung, Geheimdienstaktivitäten, wirtschaftliche Instrumente, und das Finanzwesen, die eine immer größere Rolle spielen. Und die Opferzahlen dieser „unkonventionellen Kriegsführung“ übersteigt nicht selten die eines Bombenkrieges. Allerdings ohne in das Bewusstsein der Gesellschaften zu gelangen, die dafür verantwortlich sind.

Und selbst als die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright in einem TV-Interview im Jahr 1996 auf die Frage, ob die US-amerikanischen Sanktionen gegen den Irak, die eine halbe Million irakische Kinder das Leben gekostet hatten, diesen Preis Wert waren, mit „Es ist diesen Preis wert“ geantwortet hatte, gab es keinen Sturm der Entrüstung. (2):

Journalistin fragt: Wir haben gehört, dass mehr als eine halbe Million Kinder starben. Das sind mehr Kinder die starben als in Hiroshima. War es den Preis wert? Antwort Albright: ‚Ich denke, das ist eine schwere Entscheidung. Aber der Preis, wir glauben, der Preis ist es wert‘. (2)

Und Mark Weisbrot, Co-Direktor des Center for Economic and Policy Research in Washington, D.C, erklärte in einem Interview, dass die Maßnahmen der US-Regierung gegen Venezuela noch dramatischer wären, als diejenigen, die vor dem Krieg gegen den Irak verhängt worden waren, Sanktionen die wie gesagt unter anderem den Tod von mind. 500.000 Kindern verursacht hatten. So blockieren die USA Importe von Arzneimitteln, die Venezuela bereits bezahlte, darunter 300.000 Dosen Insulin, Dialysezubehör zur Behandlung von 15.000 Patienten, Krebsmedikamente, Malariaimpfstoffe (18), behaupten aber, das Land würde keine „humanitäre Hilfe“ ins Land lassen. Und um weitere Käufe von Arzneimitteln zu verhindern, blockiert die Zentralbank von Großbritannien die Rücklieferung von Gold an Venezuela, das dort zur Sicherheit für ein Darlehn hinterlegt worden war, nach Rückzahlung aber für den Kauf von „humanitären Gütern“ genutzt werden sollte.

Auch im Fall des Krieges gegen Syrien waren wieder US-Sanktionen maßgeblich verantwortlich für das Leiden der Zivilbevölkerung. In einem 40-seitigen Papier der UNO, das erstellt wurde, um die Auswirkungen der Sanktionen auf die humanitäre Hilfe festzustellen, wurde beschrieben, dass die Maßnahmen der USA und der EU das „weitreichendste Sanktionsregime ist, das jemals verhängt wurde„. Venezuela wird aber wohl noch ein Stufe härter ausfallen. In dem Papier wird detailliert ein komplexes System von „unberechenbaren und zeitraubenden“ Finanz-Restriktionen und Lizenz-Erfordernissen beschrieben. Der Bericht stellt fest, dass die Sanktionen der USA „außergewöhnlich hart hinsichtlich der Lieferung von Humanitärer Hilfe“ sind.

Auf den Seiten des Ron Paul Institutes, das von einem ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten der Liberalen betrieben wird, wurde das Ziel der US-Politik benannt:

„Das Ziel ist offensichtlich: Hunger zu erzeugen, um die Menschen dazu zu bringen, sich gegen ihre gewählte Regierung zu wenden, und zugunsten eines von den USA ernannten Präsidenten.“ (3)

Das war, kurz zusammen gefasst die Politik der USA in den letzten Jahren. Dafür wurden in Großbritannien hinterlegte Goldreserven Venezuelas „eingefroren“ und Vermögen des Landes, das in Länder angelegt war, welche von den USA erpressbar waren, blockiert, damit das Land keine Nahrungsmittel einkaufen konnte. Dafür wurden in Spanien Arzneimittellieferungen blockiert und allen Ländern gedroht, die es wagten, die Blockade zu durchbrechen. Kuba und Russland und ohne große Medienaufmerksamkeit zu erregen auch andere Länder wagten es dennoch, hunderte von Tonnen Arzneimittel und Nahrungsmittel zu liefern.

Erstaunlicherweise wird in den Medien überhaupt nichts über die Berichte des Berichterstatters der UNO für Menschenrechte in Venezuela, Alfred de Zayas, erwähnt. Er war der erste UNO Berichterstatter, der in den letzten 21 Jahren Venezuela besuchte und 13 Berichte für den UNO-Menschenrechtsrat verfasste. Seine Berichte wurden ganz einfach ignoriert, weil sie so überhaupt nicht in das Narrativ passen wollten. In einem Interview mit Abby Martin erklärte er: (10)

In dem Interview erklärt er, dass die Sanktionen, insbesondere die finanziellen Restriktionen der USA aber sehr wohl eine humanitäre Katastrophe noch auslösen könnten. Er ist sicher, dass die gestiegene Kindersterblichkeit, und die erhöhte Mortalitätsrate wegen Krankheiten direkt durch die Sanktionen verursacht wurde, nicht durch die Regierung.

Dabei versucht die US-Regierung nicht einmal ihre wirklichen Motive für diesen Krieg gegen die Bevölkerung Venezuelas zu verschleiern. John Bolton, der Sicherheitsberater des Präsidenten, also der letzte, den der Präsident konsultiert, bevor er einen Einsatz des Militärs beauftragt, erklärte in Fox-News: „Venezuela ist eines der drei Länder, die ich ‚Troika der Tyrannei‘ nenne. Es wird einen großen wirtschaftlichen Unterschied für die Vereinigten Staaten spielen, wenn amerikanische Öl-Firmen investieren und Öl fördern könnten in Venezuela“. (4) 

Und so erklärte sich der Vorsitzende der Oppositionspartei, Juan Guaido während Demonstrationen im Januar 2019 selbst zum Präsidenten von Venezuela und wurde sofort von den USA und kurz darauf den folgsamen Gefährten der EU, auch von Deutschlands Bundesregierung, als neuer Präsident anerkannt.

Der investigative Journalist Jeremy Scahill erklärte in einem Video, dass diese Entwicklung nicht in einem Vakuum erfolgt wäre. Vielmehr hatte die CIA mit den so genannten Rebellen in Venezuela schon zu Beginn der Amtszeit Trumps  zusammen gearbeitet. Darüber hatte sogar MSNBC berichtet: (5) 

Nachrichtensprecherin: „Die Trump-Regierung diskutierte einen Putsch mit den rebellischen Offizieren Venezuelas. Amerikanische Beamte erklärten der Times, dass die Regierung tatsächlich geheime Treffen mit rebellischen Offizieren abhielt, um Pläne zu diskutieren, Präsidenten Nicolas Maduro zu stürzen“. (5)

So wie die New York Times den Militärputsch gegen die Regierung Chavez im Jahr 2002 schon offen unterstützt hatte, so waren auch diesmal wieder die gesamten Medien aufgebrochen, den Sturz einer gewählten Regierung zu unterstützen. Die Medien erwähnten fast niemals die systematische Unterminierung des Staates durch Sanktionen und die „unkonventionelle Kriegsführung“ des Landes, sondern schoben die Schuld für die entstandenen Versorgungs- und Wirtschaftsprobleme allein dem „Diktator Maduro“ zu. Die Tatsache, dass die USA und ihre Vasallen über Jahre, schon vor Trumps Amtsantritt, systematisch daran gearbeitet hatten, das Land in eine Notsituation zu manövrieren, wurde vollständig ausgeblendet. Auch ein Attentat auf Maduro mit Selbstmorddrohnen wurde heruntergespielt oder sogar Maduro selbst angelastet.  

Der Kopf des Komplotts gegen Venezuela ist sicher der ehemalige CIA-Chef und heutige Außenminister Pompeo. Und dieser erklärte im Fernsehen am 25. Januar, einen bekannten Förderer von Terroristen und Bürgerkriegen in das Außenministerium berufen zu haben. (6)

„Ich bin heute unglaublich begeistert zu erklären, dass eine erfahrene und prinzipientreue, kompromisslose politische Persönlichkeit in das Team des Außenministeriums eingetreten ist, Elliott Abrams kommt an Bord, um unsere Anstrengungen in Venezuela zu leiten“.

Scahill nennt Abrams einen „reuelosen Kriegsverbrecher“ der eine zentrale Rolle beim Abschlachten von zehntausenden Menschen in Zentral- und Latein-Amerika in den 1980er Jahren spielte. Er war ein wichtiger Akteur im Iran-Contra-Skandal:

„Sie brachten Elliott Abrams ins Spiel, wegen seiner Unmoral und Bereitschaft, Massenmorde zu unterstützen.“ (7)

Abrams war im Jahr 2002 einer der wichtigsten Treiber in dem dann fehlgeschlagenen Putsch gegen Hugo Chavez, bei dem hunderte von Menschen starben. Und schon im Jahr 1995 hatte ein mutiger Journalist, Allan Nairn, der die Massenmorde Abrams in Lateinamerika untersuchte, gefordert, dass Abrams vor ein Tribunal wie das der Nürnberger Prozesse gestellt werden müsste. Und genau dieser Abrams wurde nun von der Trump-Regierung für die Leitung des Putsches gegen Venezuelas Regierung wieder aktiviert.

Und so hat die Trump-Regierung neue Sanktionen gegen die staatliche Ölgesellschaft Venezuelas verhängt. Das Außenministerium erklärte, dass es sicher stellen wird, dass alles Geld des Landes (das übrigens über die größten Ölreserven der Welt verfügt,) egal wo das Geld auf der Welt liegt, beschlagnahmt würde, und dem von den USA eingesetzten, selbsternannten Präsidenten Guaido übergeben werden würde. Aber halt, bei den Sanktionen gab es eine Ausnahme: Chevron und Halliburton, an denen US-Politiker maßgeblich beteiligt sind, wurde ausdrücklich erlaubt, weiter in Venezuela zu arbeiten.

Die Verfassungskrise

Die USA hatten nach eigenen Angaben über 5 Milliarden Dollar für den Staatsstreich in der Ukraine investiert. Abgesehen von den Zahlungen der die Demokratie fördernden NGOs und ukrainischer Oligarchen. Wieviel in einen Regierungswechsel in Venezuela investiert wurde, ist bisher nicht bekannt. Jedenfalls hat es ausgereicht, um eine Verfassungskrise zu erzeugen.

In Venezuela wird der Präsident, der die Regierung bestimmt, direkt vom Volk gewählt. Und das ebenfalls, aber separat gewählte Parlament, soll die Regierung kontrollieren. Zwei Säulen des Ideals der dreisäuligen staatlichen Gewaltenteilung. Nun entstand durch die massive Einmischung von Außen eine Verfassungskrise. Das Parlament, in dem die Opposition die Mehrheit gewann, wollte die Regierung absetzen.

Einen ähnlichen Fall hatte es 1993 in Russland gegeben. Der gesetzgebende Kongress der Volksdeputierten wollte die Macht des Präsidenten Jelzin einschränken. Der fuhr daraufhin Panzer vor dem Parlament auf und beschoss es unter dem Beifall der westlichen Regierungen. Laut Angaben der Regierung starben bei der Krise 187 Menschen, 437 wurden verletzt (fast alle Unterstützer des Kongresses). Jelzin wurde nie für die Verletzung der Verfassung und den Einsatz von Waffen gegen das gewählte Parlament belangt oder von westlichen Regierungen kritisiert.

Nun also war von den USA Druck auf Guaido ausgeübt worden, wie der selbst in einem Gespräch am 22. Januar in einem Hotel in Caracas mit dem Präsidenten der Verfassungsgebenden Versammlung erklärte. Abgesehen davon, dass die Verfassung des Landes dieses Vorgehen keineswegs so vorsieht, wäre es notwendig gewesen, um einen Hauch von Legitimität zu erhalten, innerhalb von 30 Tagen Neuwahlen auszurufen. Daher wurde der 23. Februar ein wichtiger Stichtag für den Putsch.

Nun wäre die Lösung der Verfassungskrise ohne die massive Einmischung von außen leicht lösbar, wenn gleichzeitig Parlaments und Präsidentschaftswahlen stattfinden würden, ohne dass die Opposition wieder eine der Wahlen boykottiert. Nun besteht die Opposition aber lediglich auf Neuwahlen des Präsidenten. Der Grund liegt auf der Hand. Viele Wähler in Venezuela haben zwar aus Ärger über die wirtschaftliche Situation bei den Parlamentswahlen die Opposition gewählt, wurden aber in den letzten Wochen abgeschreckt durch die Tatsache, dass diese auch eine militärische Intervention der USA befürwortet. Bei Wahlen würde die Opposition daher mit Sicherheit eine krachende Niederlage einstecken. Weshalb Präsident Maduro auch sofort erklärte, Neuwahlen für das Parlament durchführen zu wollen.

Andererseits glaubt die Opposition die Bevölkerung durch die Unruhen und Sanktionen der USA „reif geschossen“ zu haben, so dass sie auf eine linkslastige Regierung verzichtet und aus der Not heraus der Opposition das Regierungsmandat übergibt. Dies wiederum ist auch eine Befürchtung von Maduro. Daher versucht er Zeit zu gewinnen und den Menschen das wahre Gesicht der „Opposition“ zu zeigen. Was auch prompt am 23. Februar in Form von bewaffneten Randalierern in verschiedenen Grenzstädten des Landes zu sehen war.

Die deutsche Haltung

Die deutschen „regierungsfähigen“ Parteien überschlugen sich, wie die meisten EU-Regierungen, in sofortiger Unterwerfung unter das Narrativ und die Ziele der USA. Diese Regierungen gehören zu der Minderheit der UNO-Länder, die sich selbst aber als „Vertreter der freien Welt“ bezeichnen, und nun also einen Präsidenten anerkennen, der sich selbst zu selbigem ernannt hat. In Afrika erkennen 98% der Länder Madura weiterhin als Präsident an – nur die Erb-Monarchie Marokko erkennt Guaido an. In Asien/Ozeanien sind es immer noch 97% der Länder, die Madura für den legitimen Präsidenten halten. Anders sieht es Im Prinzip nur Australien. Im Mittleren Osten erkennt nur Israel Guiado an. In Mittel- und Lateinamerika erkennen 53% der Länder Guiado an, 19 Länder halten nach wie vor Maduro für den rechtmäßigen Präsidenten. In Europa sind es insbesondere die alten Kolonialmächte wie Frankreich und England, und natürlich Deutschland, die mit 56% der Länder Europas Guaido unterstützen. Italien, Griechenland, Norwegen, Schweiz (und der Vatikan) sind entschieden gegen eine Einmischung von außen und Anerkennung des selbsternannten Präsidenten.

Jedem sollte klar sein, dass die massive Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes sowohl dem Geist des deutschen Grundgesetzes, als auch dem Völkerrecht widersprechen. Aber schon wie im Fall von Syrien scheint das die Regierung in keiner Weise zu stören. Obwohl, wie im Fall von Syrien, ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestages die Völkerrechtswidrigkeit erklärt.

Unterhalb der Schwelle zur Gewalt können Wirtschaftssanktionen gleichwohl als verbotene Interventionen völkerrechtswidrig sein. Das Interventionsverbot ist völkergewohnheitsrechtlich anerkannt und findet Niederschlag in Art. 2 Ziff. 7 der VN-Charta.“, heißt es in dem Gutachten. (21)

Auch die Rolle der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wird kritisch hinterfragt. Die Artikel 19 und 20 der Demokratie-Charta der OAS werden dabei als Rechtsgrundlage zur Bewertung der Wirtschaftssanktionen herangezogen. Darin heißt es, dass „kein Staat und keine Staatengruppe das Recht zur Einmischung in innere Staatsangelegenheiten hat, direkt oder indirekt, aus welchem Grund auch immer„. Die Anwendung oder nur Befürwortung von wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen ist den Mitgliedsstaaten eigentlich untersagt.

Das Gutachten äußert sich nicht nur kritisch zu den Sanktionen, sondern auch zur Anerkennung des selbsternannten „Interimspräsidenten“. Sie bewerten die Interpretation der Bundesregierung diplomatisch als „verfassungsrechtlich problematisch“.

Aber zurück zu Venezuela

In den Medien werden immer wieder die gleichen falschen Behauptungen über die „Diktatur von Maduro“ bzw. die notwendige „Widerherstellung der Demokratie“ verbreitet. Abby Martin, die in den letzten zwei Jahren dutzende male Venezuela besuchte und an den Hotspots der Auseinandersetzung Gegner und Anhänger der Regierung interviewte, hat zusammen mit dem UNO Berichterstatter für Menschenrechte, Alfred de Zayas, die Behauptungen der Opposition untersucht und bewertet, hier ergänzt mit Beobachtungen des Autors:

  1. Maduro hätte das Oberste Gericht des Landes mit seinen Anhängern gefüllt, um die Opposition zu zerschlagen.
    Richtig ist: Die Amtszeit von 13 Richtern des höchsten Gerichtes war im Jahr 2015 abgelaufen. Die scheidende Nationalversammlung tat lediglich genau was die Verfassung vorschrieb.
  2. Maduro hätte der Nationalversammlung die Rechte geraubt.
    Richtig ist: Die Opposition übernahm zum ersten Mal seit 1999 die Mehrheit in der Nationalversammlung im Jahr 2016. Mindestens drei der Delegierten waren durch Betrug zu ihrem Amt gekommen. Das Oberste Gericht des Landes entschied, dass entsprechend der Verfassung die Wahl wiederholt werden müsste. Hierdurch hatte keine der folgenden Entscheidungen der Nationalversammlung regulatorische Wirksamkeit.
  3. Maduro rief eine Verfassungsversammlung ein, was ein Putsch wäre um die Macht zu erhalten.
    Richtig ist: Die Verfassungsversammlung war in der Verfassung vorgesehen. Beobachter berichten, dass es keineswegs nur „Maduro“ Anhänger waren, die daran teilnahmen. Die Opposition war ausdrücklich eingeladen worden, boykottierte die Abstimmung aber. Am Wahltag wurden 200 Wahlbüros angegriffen und 10 Menschen durch die Opposition getötet, um Wähler davon abzuhalten, zu wählen. Die Tatsache, dass nur Sozialisten in die verfassungsgebende Versammlung gewählt wurden, beruht auf dem erfolglosen Boykott. Anmerkung: Maduro traute seinem Volk also etwas zu, was das deutsche Politikestablishment Deutschen auch 74 Jahren nach dem Krieg noch vorenthält.
  4. Maduro würde die Wahlen fälschen, ersatzweise: es wurde nicht gültig gewählt.
    Richtig ist: Venezuela hat mehr Prüfungen und Kontrollen bei Wahlen als die meisten anderen Länder. Es war die Opposition, die die UNO aufforderte, KEINE Beobachter zur Wahl im Jahr 2018 zu senden. Sie boykottierte auch diese Wahl. Als der Oppositionsführer sich aufstellen lassen wollte, drohten die USA mit Sanktionen gegen ihn. Maduro gewann mit 31% der stimmberechtigten Wähler, was zufällig ungefähr der Prozentsatz an Wählern war, mit denen Barack Obama 2008 ins Weiße Haus einzog. Diese Wahlen waren, entgegen denen in den USA, durch vier internationale Organisationen überwacht und für einwandfrei befunden worden.
  5. Da Maduro angeblich nicht rechtswirksam gewählt wurde, träte Artikel 233 der Verfassung Venezuelas in Kraft.
    Richtig ist: Der Verfassungs-Artikel betrifft den Fall, dass ein Machtvakuum eintritt, falls der Präsident tot, zurückgetreten oder rechtswirksam abgesetzt wurde, oder falls der Präsident dauerhaft physisch oder psychisch nicht in der Lage ist das Amt auszuführen, der Präsident auf sein Amt verzichtet, oder Neuwahlen ausgerufen wurden. Selbst wenn die Behauptung (Maduro wurde nicht rechtmäßig gewählt) richtig wäre, passt die Situation zu keiner der in der Verfassung vorgeschriebenen Voraussetzung. Aber selbst FALLS eine der Voraussetzungen gegeben WÄRE, so sieht die Verfassung vor, dass in diesem Fall automatisch der VIZE-Präsident die Amtsgeschäfte übernimmt, nicht aber ein Oppositionspolitiker der sich selbst zum Präsidenten ernannte.
  6. Maduro würde politische Gegner foltern und töten.
    Richtig ist: Als Guaido im Jahr 2017 zu Demonstrationen aufrief, folgten hunderttausende. Alles blieb zunächst friedlich. Dann traten bewaffnete Oppositionelle auf und setzten Barrikaden in Brand, warfen Molotov-Cocktails auf Beamte und schossen auf sie. Mehr als 140 Menschen wurden dabei getötet. Die Mehrzahl der Toten war durch „friedliche Demonstranten“ zu verantworten gewesen. Es gab Lynchmobs und das Verbrennen von Menschen, von denen man vermutete, sie wären Anhänger Maduros. (11)

Der 23. Februar 2019

Dann kam der 23. Februar, der Tag, bis zu dem ein „Interimspräsident“ hätte Wahlen ausrufen müssen, um noch innerhalb der Verfassung zu bleiben. Für diesen Tag war das Durchbrechen der Grenze durch „humanitäre Hilfslieferungen“ der USA angekündigt worden. Die UNO und das Rote Kreuz hatten sich von der Aktion distanziert, da es sich um eine „politische Aktion“, nicht um humanitäre Hilfe handeln würde. Folgerichtig definierte der Blog „Moon of Alabama“ die vier Ziele der Aktion entsprechend bekannten vorherigen Regimewechsel-Aktionen der USA:

  1. Die Grenze sollte durchbrochen werden, um dadurch Wege zu öffnen, die später für die Lieferung von Waffen und Kämpfern genutzt werden können.
  2. Ein groß angelegter Übertritt aus der Armee und den Polizeikräften Venezuelas sollte erzeugt werden.
  3. Der Welt sollte demonstriert werden, dass Guaido eine große Anhängerschaft hat und deshalb seine Unterstützung legitim ist.
  4. Schließlich sollte dieser erste Schritt weitere Maßnahmen gegen Venezuela rechtfertigen. (12)

Die erste Schlappe erlitt das „Benefiz-Konzert“ auf der kolumbianischen Seite der Grenze, zu dem statt wie angekündigt 250.000 Menschen höchstens 20.000 gekommen waren, obwohl kein Eintritt verlangt wurde. Dann kamen einige hundert Menschen an die Grenze, die von einigen Dutzend Mitgliedern der venezolanischen Nationalgarde geschlossen worden war, und griffen die Grenze an. Von der Seite Venezuelas rammte eine kleine Gruppe von Überläufern mit zwei gepanzerten Fahrzeuge die Barrieren, verletzten eine Journalistin und liefen dann nach Kolumbien über. Dann versuchten die LKWs von kolumbianischer Seite die Blockade zu durchbrechen, blieben aber stecken. Die Angreifer, immer noch auf kolumbianischer Seite benutzten Benzin und Molotov-Cocktails, um die „Hilfsgüter“ anzuzünden, während westliche Medien behaupteten, sie wären durch die Sicherheitskräfte Venezuelas in Brand geschossen worden. Alle Vorgänge wurden in den sozialen Medien aus verschiedenen Perspektiven gefilmt und fotografiert, veröffentlicht.

Die Unruhen dauerten dann bis Mitternacht. Eine Reihe von Aufständischen durchbrach dann die Grenze zu Fuß über unwegsame Pfade, weitgehend ungehindert durch die Grenzsoldaten. Berichte in der New York Times und anderen Medien, dass Hilfs-Güter über Brasilien ins Land gekommen wären, waren ebenfalls falsch, was sogar aus dem Inhalt der Artikel selbst, entgegen der Überschrift, hervorging. Später sollte ein Stochern in den verbrannten Überresten der „Humanitären Lieferung“ an der Grenze zu Kolumbien Pfeifen, Masken, Gasmasken, Drähte und andere Dinge zum Vorschein bringen. (13)

Eine Journalistin vor Ort berichtete, dass dann um 1 Uhr in der Nacht ca. 60 paramilitärische Kräfte einen Kommandoposten Venezuelas bei La Lulata angriffen, der mit 33 Soldaten besetzt war. Sie forderten die Waffen und die Aufgabe, dann würden sie die Soldaten verschonen. Letztere verteidigten den Posten jedoch bis die Angreifer mit einem Verwundeten wieder abzogen. (14) Ähnliche Angriffe wurden aus anderen Grenzstädten berichtet. Selten hatte man einen Putschversuch so direkt und vielfältig in den sozialen Medien fast in Echtzeit verfolgen können.

Die erste Phase des Putschversuchs der USA und Deutschlands in Venezuela ist gescheitert. Nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, dass fast ein Dutzend Journalisten fast in Echtzeit aus Venezuela berichteten und über die sozialen Medien das Bild korrigierten, welches die Medien, auch die deutschen, mit teilweise direkter, teilweise subtiler Propaganda versuchten, der Welt aufzuzwingen. Und schon weisen US-Politiker dem selbsternannten Präsidenten Guaido die Schuld zu, der es nicht geschafft hätte, das Militär auf seine Seite zu ziehen. Und die koloniale Kanonenbootdiplomatie geht trotzdem weiter. Mit Landungsbooten Großbritanniens, die vor der Haustür Venezuelas die Invasion üben, und Spezialeinheiten der USA, die überall an der Grenze stationiert werden.

Derweil warnen brasilianische Militärs und Unterstützer des Staatsoberhauptes, vor einem US-Militäreinsatz gegen Venezuela und selbst der von den USA geförderte neue rechtsextreme Präsident Bolsonaro schließt aus, dass Brasilien als Aufmarschgebiet für einen Krieg gegen Venezuela genutzt wird. Und so sind auch andere Regierungen der Region, wie zum Beispiel Mexiko, strikt gegen eine Militärintervention der USA, und verhindern noch einen von den USA und Kolumbien versuchten Konsens zugunsten des Krieges.

Dabei ist für die US-Regierung, und in ihrem Schlepptau die deutsche Bundesregierung, Venezuela anscheinend nur der Anfang. In einem Fernsehinterview kündigte der ehemalige CIA-Chef und jetzige US-Außenminister auch Interventionen in Nicaragua und Kuba an. Gegen Nicaragua hatten die USA bereits einen mörderischen Terrorkrieg geführt und waren dafür von einem Weltgericht zur Verantwortung gezogen worden, freilich ohne das Urteil anzuerkennen (16). Und Kuba, das gerade, durch ein Referendum bestätigt, seine Verfassung überarbeitet hatte, ist seit dem Sturz des von den USA favorisierten Diktators Batista im Fokus immer wieder bekannt werdender Angriffe der USA. Sei es militärischer Art wie die Schweinebucht-Operation, hunderte von Mordplänen gegen Fidel Castro, oder mit dem längsten Wirtschaftskrieg des 20. und 21. Jahrhunderts, und mit immer wieder erneuerten Sanktionen. Und dem Präsidenten Venezuelas, Nicolas Maduro, drohen wichtige Politiker der USA mit Lynchmord (17), während wichtige Politiker ihrer Verbündeten in Nachbarländern Venezuelas zu Morden und gewaltsamem Sturz der Regierung aufrufen. (22)

Nun ermittelt die Justiz Venezuelas gegen Guaido wegen „Verbrechen gegen die Verfassung des Landes“ (19) Der Beschuldigte entzog sich jedoch der Untersuchung und verstieß dabei gegen das Ausreiseverbot. Daher wurde ein Haftbefehl erlassen. Die USA drohen nun Venezuela mit „ernsthaften Folgen“, sollte Guaido bei der Rückkehr verhaftet werden. Es klingt wie ein freudig erwarteter Grund, endlich die Höllenhunde loslassen zu dürfen. Und die Bundesregierung ignoriert erneut Völkerrecht und UNO-Charta (20), indem sie in den Chor einstimmt, der versucht die Justiz des Landes mit Gewaltdrohungen zu erpressen.

Deutschland ist definitiv wieder angekommen im Club kolonialen Geist und Faustrecht über das Völkerrecht stellenden Großmächte.

Quellen

  1. https://fas.org/irp/doddir/army/fm3-05-130.pdf
  2. https://youtu.be/uJtSpev8zWk
  3. http://ronpaulinstitute.org/archives/featured-articles/2019/february/05/boltons-plan-starve-venezuela/
  4. https://youtu.be/wVQn_DdkYlU
  5. https://youtu.be/wVQn_DdkYlU
  6. Von 5:02 bis 5:14 wie vor
  7. Von 6:08 bis 6:15 wie vor
  8. https://amerika21.de/files/a21/docs/2019/wissenschaftlicher_dienst_rechtsfragen_venezuela.pdf
  9. https://therealnews.com/stories/us-sanctions-on-venezuela-possibly-worse-than-iraq-sanctions-before-war
  10. https://youtu.be/ii5MlQgGXyk
  11. https://youtu.be/ii5MlQgGXyk
  12. https://www.moonofalabama.org/2019/02/venezuela-there-was-a-riot-at-the-border-but-what-else-did-the-aid-stunt-achieve.html
  13. https://twitter.com/Filomen03258997/status/1099923489287561216
  14. https://twitter.com/Filomen03258997/status/1099928805278449664
  15. https://twitter.com/Filomen03258997/status/1099470822362759169
  16. https://de.wikipedia.org/wiki/Nicaragua_v._United_States_of_America
  17. https://www.nachdenkseiten.de/?p=49660&fbclid=IwAR0SITtAJikATxdkU1quovjXb6FVfnz42ooIHQmL3ZhtxS0FJjKz3kt0JZE
  18. https://venezuelanalysis.com/analysis/14111
  19. https://www.theguardian.com/world/2019/jan/29/venezuela-juan-guaido-tarek-saab-investigation
  20. https://www.nachdenkseiten.de/?p=49805
  21. https://www.bundestag.de/resource/blob/595056/c8bf53d8fb2a3f163e104a725c732b15/wd-2-017-19-pdf-data.pdf
  22. https://amerika21.de/2019/03/223100/morddrohung-gegen-petro-und-maduro

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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