- Dr. Gniffkes Macht um acht –
mit Hirnwäsche bis Mitternacht werden wir ums kleine Einmaleins gebracht
“Gehaltssprung” – oder doch nur Trinkgeld?
Nachrechnen unerwünscht: Die ARD-Berichterstattung über den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst war Augenwischerei
Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
“Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst der Länder können mit deutlichen Einkommensverbesserungen rechnen.” Das behauptet die Tagesschau am 3. März 2019 um 20 Uhr und beruft sich auf die wortgleiche Stimmungsmache von Arbeitgebervertretern und Gewerkschaftern. Als ob es keinen prinzipiellen Interessengegensatz zwischen Arbeit und Kapital mehr gäbe und keine Objektivitätspflicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Alle drei Parteien drückten gemeinsam auf den Schleimbeutel “Sozialpartnerschaft” und sonderten Harmonie ab. Millionen von ihrer Arbeit lebende Mitmenschen sollten sich zurücklehnen und entspannen – und keiner sollte auf die Idee kommen, die Stichhaltigkeit der Behauptungen mal nachzuprüfen.
Für die Hauptausgabe der Tagesschau am 3. März um 20 Uhr war das Trinkgeld Thema des Aufmachers, obwohl es weit weniger als kneipenübliche zehn Prozent ausmacht. Sprecherin Linda Zervakis vor der Kamera im Studio:
“Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder können mit deutlichen Einkommensverbesserungen rechnen. Arbeitgeber und Gewerkschaften haben sich gestern am späten Abend auf einen Tarifabschluss verständigt. Danach sollen die Gehälter stufenweise im Umfang von insgesamt 8 Prozent erhöht werden, mindestens aber um 240 Euro. Pflegekräfte erhalten darüber hinaus 120 Euro monatlich. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 33 Monaten.” (1)
Der anschließende Reporterbericht von André Kartschall stilisiert zunächst den pensionsreifen Gewerkschaftsvorsitzenden Frank Bsirske zum erschöpften Helden, wie es das Ritual zur Feier von Tarifabschlüssen verlangt:
“Für ver.di-Chef Bsirske und all die anderen war es eine lange und anstrengende Verhandlungsrunde. Erst am späten Abend gab es einen Kompromiss … (ebd.)
Ist ja schon gut! Natürlich strengt es an, die Langeweile von Tarifverhandlungen zu ertragen, in denen mit immer gleichen Argumenten und Gegenargumenten über ein paar Prozentpunkte an Brutto-Lohn- und Gehaltssteigerungen geredet wird. Am Ende steht, das weiß im Grunde jeder, der beiderseits gewollte faule Kompromiss
“… und der machte klar: Wer im öffentlichen Dienst der Länder arbeitet, darf mit deutlich mehr Geld rechnen.” (Wortlaut der Untertitelung: “… mit Gehaltssprüngen [sic!]…”)
Nicht rechnen darf hingegen hierbei der geneigte Zuschauer mit Nachrichten-Objektivität, wie sie der Rundfunkstaatsvertrag verlangt:
„Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur selbstständigen Urteilsbildung der Bürger und Bürgerinnen beizutragen“. (2)
Stattdessen ließen ARD-aktuell-Chefredakteur Dr. Kay Gniffkes Qualitätsjournalisten den Bsirske zur Hochform in Schaumschlägerei auflaufen. Der “erschöpfte” Gewerkschaftsboss im O-Ton:
„… es war das beste Ergebnis seit vielen Jahren … ein guter Tag für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, aber auch für die Bürger und Bürgerinnen…“ (s. Anm. 1)
Alles auf dieser Welt ist relativ. Das zeigen die Details des Vertragsabschlusses: Angeblich 8 Prozent mehr Lohn, zusätzliche Verbesserungen von monatlich 120 € für Pflegekräfte sowie 50 Euro monatlich mehr für die Auszubildenden – aber eine Laufzeit von 33 (!) Monaten und kräftige Abstriche an anderer Stelle.
Nach Bsirske kommen in der Sendung die Arbeitgebervertreter zu Wort. Sie sehen – wer hätte das nicht geahnt – den Abschluss ebenfalls positiv. Er sei vorteilhaft, weil er „Planungssicherheit“ herstelle und „Raum für Neueinstellungen und zum Abbau von Investitionsstaus“ gebe. Das Volumen der Tariferhöhung belaufe sich auf 7 Milliarden Euro.
Das Zahlenwerk und die allseits demonstrierte Zufriedenheit wirken beeindruckend und beruhigend normal. Dabei verdienten sie äußerst kritische Aufmerksamkeit. “Raum zum Abbau von Investitionsstaus” beispielsweise bedeutet nichts anderes, als dass erhebliche Summen nicht an die Beschäftigten weitergegeben, sondern nun für andere Zwecke verwendet werden.
Das kritische Bewusstsein wird mit den Klötzen “acht Prozent mehr Lohn” und “sieben Milliarden Volumensteigerung” betäubt. Das ist der Zweck solcher Inszenierungen der “Sozialpartner”. Er wird erreicht mithilfe konformistischer, nachvollziehender und “hautnaher” Berichterstattung der Hofmedien. Wer das nicht glauben möchte, schaue sich die “Tagesthemen”-Sendung dieses Abends (3.3. 2019) an. Darin wird die Information über den Tarifabschluss noch mit einem Star-Porträt des vor der Pensionierung stehenden Bsirske gekrönt. (3)
Grobe Irreführung
Die Meldung “8 Prozent mehr Gehalt“ ist grobe Irreführung. Das tatsächliche Ergebnis fiel erheblich niedriger aus. Wider Erwarten war sogar der Internet-Redaktionsgruppe der ARD-aktuell eine Unstimmigkeit aufgefallen. Auf tagesschau.de hatte sie am Nachmittag des 3. März vorgerechnet, dass für alle Beschäftigten nur 7,42% heraussprängen. (4) Monitum: ver.di und die Länder hatten zur Hebung der „Attraktivität des Öffentlichen Dienstes“ die Eingangsstufen mit einem Plus von circa 10 Prozent bedacht, also Personen begünstigt, die zumeist noch gar nicht eingestellt sind. Zugerechnet wird dieser rein hypothetische Aufschlag aber dem Gesamtvolumen. Das ist in der Tat ein neuer, unredlicher Trick im Kosmetikköfferchen der deutschen Tarifvertrags-Unterhändler.
Neu ist überdies, dass Gewerkschaften sich dazu missbrauchen lassen, das Stellenangebot des Arbeitgebers für Einsteiger “attraktiver” zu machen, und zwar zu Lasten der realen Gehaltserhöhung für die bereits Beschäftigten. Als ob es nicht das alleinige Interesse des Arbeitgebers wäre, sein Jobangebot so reizvoll zu gestalten, dass er keine Besetzungsprobleme hat. Auch das Eigenlob der ver.di-Unterhändler für die 120 Euro “Extra” in der Pflegetabelle beweist, dass sie das prinzipiell Selbstverständliche nicht sehen wollten. Der Beamtenbund wertet den Aufschlag als unumgänglich. Der schließt bloß eine Lücke, die wegen der unterschiedlichen Vergütung für Pflegetätigkeit innerhalb und außerhalb des Öffentlichen Dienstes bestanden hat. Es zeigt sich, dass die “Sozialpartnerschaft” in Wahrheit längst zur Sozialkumpanei der Gewerkschaftsspitzen mit ihrem Gegenüber verkommen ist.
Völlig untergegangen ist in den vorgeführten Berechnungen, dass die Jahres-Sonderzahlung (eine Kombination aus Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld) jetzt für vier Jahre “eingefroren” wurde, also noch ein Jahr über die Laufzeit des neuen Tarifvertrages hinaus. – (5) Das schmerzt!
Durchgerechnet bleibt vom “8 Prozent Gehaltssprung” höchstens ein Plus von 7 Prozent übrig. Über die Laufzeit von 33 Monaten verteilt sind das nur 2,5 Prozent an echtem jährlichem Zuwachs. Unberücksichtigt bleibt bei dieser Kalkulation, dass das Einfrieren der Jahres-Sonderzahlung dauerhaft wirkt und alle künftigen Zuwächse mindert. (6) Progressive Einkommenssteuer und vor allem die Preissteigerungsraten – dazu kommen wir hier noch – reduzieren die Bedeutung dieses Verhandlungsergebnisses weiter.
Wir sehen: Wahrlich kein berauschender Tarifabschluss. Aber die ver.di, die Arbeitgeber und die ARD-aktuell jubelten die “Einigung im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes der Länder” zu einem bombastischen Sonderereignis hoch. Der höhere Zweck dahinter: verschleiern, dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes trotz guter Konjunkturdaten und prächtig gefüllter Staatskassen und trotz der Produktivitätszuwächse nicht angemessen an der erwirtschafteten Wertsteigerung beteiligt werden. Ein Vorgang, den Lohnabhängige in allen Branchen zu spüren kriegen. Das Prinzip der Umverteilung von unten nach oben wird streng gewahrt.
Der neue Tarifabschluss habe, so behauptet die Arbeitgeberseite, ein Mehrausgabe-Volumen von 7 Milliarden Euro. Erhebliche Zweifel an der Seriosität dieser Angabe sind angebracht. Aber die ARD-aktuell unterlässt den für saubere Berichterstattung entscheidenden Akt: Sie überprüft die knallige 7-Milliarden-Behauptung nicht. Erst recht unbegreiflich wird das hymnische Gedöns, wenn man die 7 Milliarden mit den Summen vergleicht, die die Bundesländer an ihren Beschäftigten vorbei zum Fenster hinauswerfen:
Die Steuerzahler in Hamburg und Schleswig-Holstein mussten bereits mindestens 13 Milliarden Euro zur Rettung und schließlich beim Verscherbeln der kaputt gewirtschafteten HSH-Nordbank draufzahlen. (7) Ein Ende des Verlustgeschäfts ist damit aber noch nicht garantiert.
Die Norddeutsche Landesbank, Träger sind Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, braucht 3.5 Milliarden Euro “lieber heute als morgen”, wenn sie nicht pleite gehen soll (8). Wer zahlt? Was für eine Frage! Als Gehaltszuwachs für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst beider Länder wäre diese Summe wahrlich besser investiert gewesen.
Baukosten von 5 Milliarden Euro (ursprünglich geplant: 2 Milliarden) für den noch immer nicht fertigen Berliner Pannenflughafen BER ergeben ein ähnliches Bild vom grotesken Umgang mit Steuergeldern. (9)
Betrachten wir die Einnahmeseite der Länder. Während der Laufzeit des neuen Tarifvertrags – Mehrausgabe angeblich 7 Milliarden Euro – kommen satte 32 Milliarden Euro mehr an Steuern herein. (10) Nach Adam Riese nehmen die Länder also 4,5mal mehr ein, als sie für ihre Beschäftigten zusätzlich ausgeben. 32 Milliarden Euro höhere Einnahmen, 7 Milliarden höhere Personalausgaben: Die Vertreter der Arbeitgeber haben einen 25 Milliarden Euro werten Grund, mit dem Tarifabschluss zufrieden zu sein und dem Arbeiterführer Bsirske auf die Schulter zu klopfen.
Nicht zu vergessen: Die Personalkostensteigerung wird brutto berechnet. Von den Lohn- bzw. Gehaltszuwächsen ihrer Beschäftigten holen sich die Länder aber beträchtliche Brocken zurück: in Form höherer Einkommenssteuern und mittels steigender Einnahmen dank der Mehrwertsteuer und zahlreicher Verbrauchssteuern. Na also, noch einen Extra-Schulterklaps für den Gewerkschafter Bsirske.
Arbeitgeberverbände und Gewerkschaftsspitzen wissen sehr wohl, dass in Deutschland der Reallohn-Index des dritten Quartals des Vorjahres dem Vergleichs-Index von 2015 um 1,5 Prozent hinterherhinkt. Verständlicher ausgedrückt: Die Nettolöhne und -gehälter haben sich schwächer entwickelt als die Preise gestiegen sind, seit 2015 entstand ein Minus von 1,5 Prozent. (11) Man nennt das auch: Reallohnverlust.
Zur Wiederherstellung eines vernunftgeleiteten Urteils über den Tarifvertragsabschluss für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder (Beamte sollen den gleichen Zuwachs erhalten) hilft ein Blick auf die ursprüngliche Tarifforderung, beschlossen und verkündet von der ver.di-Bundestarifkommission am 20. Dezember vorigen Jahres:
6 Prozent mehr Lohn bzw. Gehalt
mindestens jedoch 200 Euro monatlich mehr
Laufzeit: 12 Monate
Vergütung für Auszubildende: +100 Euro
Damals flötete die ARD-aktuell:
“Die Gewerkschaften wähnen sich in einer starken Verhandlungsposition. Die Berufe im öffentlichen Dienst müssten attraktiver werden, Geld gebe es dafür genug.”
O-Ton Bsirske:
“Alle Steuerschätzungen, die aktuellste stammt vom Oktober, besagen, dass es einen weiteren Anstieg der Steuereinnahmen gibt, für 2020 sogar um fast sechs Prozent, also wann, wenn nicht jetzt?” (12)
Wie klingt das – im Vergleich zu dem dünnen Tarifvertragsabschluss, den Bsirske und seine Tröte ARD-aktuell zum “besten Ergebnis seit vielen Jahren” aufblasen? Durchgesetzt wurde nicht einmal ein Drittel der ursprünglichen Forderung.
Das bedeutet: Entweder erheben die Gewerkschaften zur Ruhigstellung ihrer Mitglieder Fantasieforderungen, oder sie nehmen die Bedürfnisse der Lohnabhängigen nicht wahr; von praktizierter Solidarität mit Niedriglöhnern, Unterbeschäftigten und gänzlich arbeitslos Gemachten erst gar nicht zu reden. Eher schon davon, dass Gewerkschaftsfunktionäre, gleich ob Parteimitglied der Grünen oder der SPD, den Arbeitgebern stets verständnisinnig und in leicht gebückter Haltung entgegenkommen.
Was in der nunmehr beendeten Tarifrunde besonders auffiel: Es ging nur um Lohnprozente für Arbeitsplatzbesitzer. Wichtige strukturelle Forderungen, früher durchaus noch ein Thema, blieben wieder einmal außen vor: beispielsweise das Verbot der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen, die enge Begrenzung der Leiharbeit, der Kampf gegen die Niedriglohnwirtschaft, die verdeckte Arbeitnehmer-Überlassung und die Scheinwerksverträge. Seit eine SPD/Grünen-Regierung diese Pestbeulen am Sozialstaat wachsen ließ, haben sie unsere Gesellschaft, das Solidarbewusstsein, die Kultur unseres Zusammenlebens und das Selbstbewusstsein der arbeitenden Menschen schlimmer zerfressen, als es sich extreme Pessimisten je vorstellen konnten.
Die automatische Übernahme von Auszubildenden in ein reguläres, unbefristetes Arbeitsvertragsverhältnis scheint nur ein dilatorischer, kein unabdingbarer Punkt im gewerkschaftlichen Verhandlungskatalog gewesen zu sein. Auch hier erschütternde Zahnlosigkeit. Es steht doch fest, dass ein großer Anteil der Beschäftigten in den Ruhestand geht und Neubesetzungen zwingend erfolgen müssen. Ein tarifvertraglicher Azubi-Übernahmezwang kam trotzdem nicht zustande. Was für Versager, diese gewerkschaftlichen Arbeitnehmervertreter…
Die soziale Strategie- und Perspektivlosigkeit unterminiert die noch vorhandenen Reste von Solidarität. So kommen strukturelle Verbesserungen für die Arbeitnehmer innerhalb und außerhalb der Dienststellen und Betriebe nicht zustande. Die Neulinge bleiben auf huldvolle Gewährung eines Fristvertrags angewiesen, bereits Angestellte auf die gnädige Fortsetzung ihres Kettenarbeitsvertrags. Gewerkschaftliche Tarifpolitik stellt nur auf dürftige Gehaltszuwächse für die “Kernbelegschaften” ab. Alles bleibt systemkonform, zur Gaudi der “Sozialpartner”, die ihre Tarifvertragseinigung und sich selber feiern.
Entlarvend sind diesbezüglich die Anmerkungen der deutschen Gewerkschafts-Creme angesichts von Forderungen, den gesetzlichen Mindestlohn gemäß objektiver Notwendigkeit und dem Sozialstaatsgebot unserer Verfassung anzuheben:
„Ob das Ergebnis bei zwölf Euro liegen wird, weiß ich nicht. Würden es wirklich zwölf Euro, würde der Mindestlohn höher liegen als die unteren Löhne in vielen Tarifverträgen.“ (DGB-Vorsitzender Hofmann). (13)
„Das 12 Euro-Ziel wirft systematische Zweifel auf…“ (ver.di-Vorsitzender Bsirske). (14)
Es irritiert die beiden herausragenden Arbeiterführer keineswegs, dass selbst die Bundesregierung errechnet hat: Der Mindestlohn müsste 12,63 € betragen, wenn die Betroffenen im Alter eine Rente oberhalb der Grundsicherung bekommen sollen. (15) Gewerkschaftsfunktionäre? Was für traurige Figuren!
In Luxemburg liegt der Mindestlohn schon heute bei 11,55 Euro, in Frankreich bei 9,88 Euro, in den Niederlanden bei 9,68 Euro pro Stunde. Das reiche Deutschland steht mit 9,19 Euro Mindestlohn (erst seit 1. Januar) nur auf dem sechsten Platz. (16) Anscheinend hatten Gewerkschafter außerhalb Deutschlands weniger Einwände dagegen, dass statt ihrer der Gesetzgeber die halbwegs humane Mindestvergütung der Arbeit verfügte und damit mehr erreichte, als sie selber per Tarifvertrag durchsetzen konnten (oder wollten).
Sucht man nach echtem Kampfeswillen und nach charakterfestem Solidarbewusstsein in unserer Gewerkschafter-Elite, genauer, der fleischgewordenen Pleite der “sozialen Marktwirtschaft”, dann drängt sich die Erkenntnis auf: Die Beschäftigten in Deutschland werden noch lange auf angemessene Löhne und tatsächlich nennenswerte Einkommenszuwächse als wertgleiches Entgelt für ihre Leistung warten müssen.
Trillerpfeifchen, bunte Luftballons, rote Kappen und markige Parolen auf Transparenten, Blümchen-Verteilung am Internationalen Frauentag, harmlose Warnstreiks zur Vermeidung von Urabstimmungen, Latschdemos am Wochenende und die Großsprecherei der Obergewerkschafter am 1. Mai sind garantiert nicht das Mittel der Wahl für eine absolut notwendige grundsätzliche Veränderung. Auch wenn solche harmlosen “Events” immer eine Helau-Nummer in den Nachrichten der ARD-aktuell & Co. ergeben.
Die Qualitätsjournaille trägt mit solchen Ablenkungsmanövern nur zu scheinbarer, gefühlter Stabilität der “Sozialpartnerschaft” bei, nicht zur Aufklärung und Entwicklung von kritischem Bewusstsein aller, die von ihrer Arbeit leben müssen und nicht von Kapital. Denn im Interessenkonflikt von Kapital und Arbeit ist der moderne Qualitätsjournalist nicht neutral. Er transportiert vielmehr Funktionärssprüche wie diesen: “Acht Prozent mehr Geld sind ein kräftiger Schluck aus der Pulle.” Das Dünnbier soll besoffen machen.
Quellen:
(1) https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-30183.html
(2) NDR Staatsvertrag, § 8, Programmgestaltung, https://www.ndr.de/der_ndr/unternehmen/staatsvertrag100.pdf
(3) https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-6595.html
(4) https://www.tagesschau.de/wirtschaft/tarifeinigung-oeffentlicher-dienst-109.html
(5) https://www.oeffentlichen-dienst.de/news/313-tarifrunde-2019/2755-entgelttabellen-tv-l.html
(7) https://de.wikipedia.org/wiki/Hamburg_Commercial_Bank
(8) https://www.mdr.de/sachsen-anhalt/landespolitik/was-bedeutet-die-krise-nord-lb-100.html
(9) https://www.flughafen-berlin-kosten.de/#fn-1
(10) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/166381/umfrage/steuereinnahmen-laut-steuerschaetzung/
(12) https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-29071.html
(13) https://www.nrz.de/politik/dgb-chef-hoffmann-lehnt-gruenen-plaene-fuer-hartz-iv-ab-id215815093.html
(15) https://www.arbeitsvertrag.org/mindestlohn-europa/
Das Autoren-Team:
Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 – 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.
Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Journalist. 1975 – 1996 Mitarbeiter des NDR, zunächst in der ARD-Tagesschau, nach 1991 in der NDR-Hauptabteilung Kultur. Danach Lehr- und Forschungsauftrag an der Fu-Jen-Uni Taipeh.
Anmerkung der Autoren:
Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden auf der Seite https://publikumskonferenz.de/blog dokumentiert.