HaBE Emil Mangelsdorff zum 95. geschrieben

Lieber Emil,

da wir beide am  11.04. (dem Jahrestag der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald unter Anleitung durch Emil Carlebach) Geburtstag haben, will ich Dir zu Deinem 95. alles Gute wünschen.

Es gibt aber noch weitere Gründe dafür, dass ich Dir aus der Geburts-Gruppe 47 schreibe, denn Du hast  1987 zu meinem 40. und zum 5. Geburtstag der links-alternativen Neuen Hanauer Zeitung mit Deinem Quartett ein wunderbares Konzert gegeben. Eure Soli-Beinahe-Benefiz-Gage von 600,-DM konnten wir damals aus den Eintrittsspenden bezahlen. Und 150,-DM für jeden von euch für ein anderthalb-Stunden-Programm gehört eigentlich in die Kategorie „brotlose Kunst“ :-0)))).

Leider war der große Saal  des Hanauer Nachbarschaftshauses Lamboy-Tümpelgarten zur Konzert-Matiné nur zur Hälfte besetzt. Das lag daran, dass die Frankfurter Rundschau unser nhz-Geburtstagsfest ebenso boykottiert hatte wie der Hanauer Anzeiger, der Maintal-Tagesanzeiger und die Hanau-Ausgabe der Offenbach Post: kein Artikel, keine Ankündigung. Rühmliche Ausnahme war das Main-Echo. Na ja, dort saß einer der unter Pseudonym schreibenden nhz-Redakteure in der Redaktion!

„Swing tanzen verboten“. Gesprächskonzert mit Emil Mangelsdorff und seinem Quartett in der Stadtbibliothek Hanau. Emil Mangelsdorff – Altsaxophon, Uli Partheil – Piano, Jean-Philippe Wadle – Bass, Janusz Stefanski – Drums Aufnahmeort: Hanau, Deutschland // Bild: Frank C. Müller

Für dieses Konzert möchte ich mich als Ex-Herausgeber, Redakteur, Feuilleton-und nhz-Kultur-Werkstatt-Macher auch im Namen der gesamten damaligen Redaktion bei Dir und deinen Kollegen bedanken.

Es gibt aber noch viele weitere Gründe: Du hast mit dem besten Freund und Kollegen meines Lehrers „Emmes“-Werner Pöhlert mit Wolfgang Lauth zusammen gespielt.

Und Du spielst zusammen mit deinem Bruder Albert in meinem Frankfurt Roman „Die Putztruppen“ eine wichtige Nebenrolle.

Du als Erwin Reichenstadt und Albert als Albrecht Reichenstadt. Ihr spielt dort noch nicht in dem noch verschütteten Keller in der Kleinen Bockenheimer sondern in der Wellblechhalle/Baracke hinter der Nikolai-Kirche, die die US-Army dem Polizei-Kommissar Karl-Wilhelm-Friedrich Finkh mit einem Bergepanzer vom Rebstock-Flugplatz durch das Trümmerfeld gehieft und hinter die Nicolai-Kirche gestellt hat.

Ein weiterer Grund ist, dass Du für den Film meines Freundes aus der Geburts-Gruppe 37, Malte Rauch, für seinen „Blues March Soldat Jon Hendricks“ die Filmmusik geschrieben und gespielt hast.

Du bist mir 22 Jahre voraus und hast die meisten der Menschen im „Putztruppen“-Roman noch besser gekannt als ich, der viele erst kurz vor ihrem Tod interviewt hat oder sie nur „aus zweiter Hand“ kennenlernte. Den Frankfurter Unterwelt-König mit dem Kosenamen „Stalin“ und seine Frau Margarete, die die „Broad-Way“, die Breite Gasse von der „Sonne von Mexiko“ aus, Stalins Hauptquartier in der Allerheiligenstraße, managte und der Matura wie der Nitribitt ein bitteres Ende voraussagte, als die sich selbständig machten.

Nimm es mir bitte nicht übel, dass ich Dich und Albert so verschlüsselt habe. Fast alle habe ich verschlüsselt, Fritz Rau als Friedrich Glatt oder in Anlehnung an Johannes Rau : Bruder Friedrich, Heiner Halberstadt als Heiner Ganzdorfer und Thomas Weisbecker als Hannes Schwarzmüller, dessen Eltern den Holocaust überlebt hatten und der bei seiner Verhaftung im Wiesbadener Kurhaus neben mir in den Saal schrie „Wir werden euch nicht noch mal den Juden machen!“.

Nur einige Nebenfiguren tauchen in den „Putztruppen“ deshalb als Metzger, Fuchs, Crohn-Binding, Streicher, Mager, Flickel usw. auf, weil ich bei denen -allesamt in höchsten Positionen gelandet, die verlorenen Söhne zurück im immer noch furchtbar fruchtbaren Schoß- im Gegensatz zu Dir mit Abmahnverfahren rechnen musste. Minister, Staatssekretäre, Topp-Manager, Banker, Unternehmensberater, Topp-Anwälte der oberen 1 % , Atlantikbrückenpfeiler, vom „Springer-Enteigner“ zum Springer-Funktionär usw…

Zu meinem 75. wünsche ich mir nach dem CORONA-Terror mit Dir zusammen eine Konzertlesung aus den „Putztruppen“ in der „Sonne von Mexiko“. Da die aber zugemauert wurde und leider nicht unter Denkmalschutz steht, würde ich das gerne in Bockenheim im Titania machen oder beim Meister Praml in der Naxos-Halle. Der Desche-Otto, die Kneipe am Mainufer in Schwanheim ist leider dafür zu klein. Das Café KANTE am Merianplatz würde aus allen Nähten platzen. In die Alte Oper will ich gar nicht. Dieses Denkmal für den bekannten Nachkriegs-Gewinnler, Zuckerschieber, Kopfgeld-Jäger & Ehrenbürger Fritz Kietz wollte Rudi Dynamit nicht verhindern. Der wollte nur kein Jugend-Kulturzentrum in Bankfurt haben, dafür hat er posthum an der Stelle des Volksbildungsheimes eine Volksverblödungsanstalt erhalten. Ach ja, im alten TAT hätte ich auch so gerne mit Dir gelesen. Es darf auch gerne früher sein: Du mit 96 und ich mit 74. Du an Stelle meines langjährigen Partners Wolfgang Stryi aus dem „ensemble modern“, der am 4. März 63 geworden wäre. Ihr hättet euch kennen lernen sollen. Oder kanntet ihr euch? Mit Frank Zappa hat er komponiert und gespielt. Hast Du vielleicht mit ihm ? Das wäre fast himmlisch. Oder besser noch: höllisch!!

Lieber Emil, mach die Hundert voll und schreib Dein Leben auf oder diktier es jemandem in die Feder.
Wir brauchen Dich, Deine Musik und deine Geschichte.

Dein HaBE

Dein Hartmut Barth-Engelbart

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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