Nach jahrelangem lokal und regional erfolgreichen Widerstand gegen den Faschismus zwischen 1922 und 1933 wurde der Gewerkschafter, Rotsportler und KPDler Wilhelm Pfannmüller Ende 1933 wegen der Verbreitung von Flugblättern mit der Aufforderung zum Sturz Adolf Hitlers festgenommen und 1935 wegen Hochverrats zu 5 Jahren Zuchthaus und anschließender KZ-Haft im KZ „Börgermoor“ verurteilt.
Der Verdacht, dass der Widerstandskämpfer und regionale KPD-Funktionär Wilhelm Pfannmüller nach 1945 zwischen 1949 und 1953 wegen politischer (titoistischer) Abweichungen de facto aus KPD und VVN/BdA ausgeschlossen oder fallengelassen wurde, verstärkt sich mit Studium vieler Quellen zum „Titoismus“ und zur „Unabhängigen Arbeiterpartei Deutschlands“ (UAPD) immer mehr.
Wilhelm Pfannmüllers Spitzname „Tito“ kam eben höchst wahrscheinlich nicht nur von der Uniform der titoistischen Partisanen-Armee, in der er per Fahrrad aus Jugoslawien nach Mittel-Gründau zurückkehrte, um sofort an den demokratischen Wiederaufbau Deutschlands, der KPD und des örtlichen Fußballvereins zu gehen (Er stieg vom Fahrrad und meldete sich beim Schiedsrichter des gerade laufenden Spiels, um nach der Halbzeit eingewechselt zu werden.) Noch vor seinen Initiativen zum Zusammenschluss der örtlichen KPD und SPD ging er an den Zusammenschluss der beiden Fußballvereine. Der SPD- Verein „Blau-Weiß“ war genauso von den Faschisten verboten worden wie der KPD-Verein „Solidarität“.
Das alles ist dokumentarisch belegbar. Aber die Gründe für Wilhelm Pfannmüllers Eintritt in die SPD 1961 (nach seiner 1956er Wahl zum Bürgermeister des „roten“ oberhessischen Dorfes Mittel-Gründau) sind bisher in keinem der gefundenen Dokumente zu erkennen. War es nur notgedrungene Taktik, um an die dringend für die Verbesserung der dörflichen Lebens- und Arbeitsbedingungen benötigten Mittel zu gelangen? Zu dem von Ministerien, die in einer SPD-BHE-Koalition unter Georg August Zinn von Alt-Faschisten besetzt waren: Gotthard Franke (Verkehr, Arbeit, Wirtschaft) , & Gustav Hacker (Landwirtschaft).
Weder zu seinem Verhältnis zur und zu seinem möglichen Ausschluss aus der VVN und der illegalisierten KPD, noch zu seinen (wahrscheinlichen) Kontakten zur UAPD , zur SPD-Opposition und zur 4. Internationalen wurden bisher schriftliche Unterlagen gefunden.
Seine und die Entscheidung der örtlichen KPD zur Selbstauflösung und zur Bildung einer „Unabhängigen Wählergruppe“ bereits 1952 wäre noch als Reaktion auf das FDJ-Verbot und als Vorbereitung auf das KPD-Verbot zu erklären.
Aber seine und vieler regionaler KPDler Widersprüche zum „Realsozialismus“ in der DDR müssen seit dem 17. Juni 1953 und die Berichte der vielen in Hessen und besonders in Mittel-Gründau aufgenommenen und in die Familien der KPDler eingeheirateten Handwerker- und Bauern-Flüchtlinge über die Verhältnisse in der DDR und spätestens der Mauerbau eine mitentscheidende Rolle gespielt haben. Viele örtliche KPDler waren mit der “Nibelungentreue“ der KPD-Führung gegenüber jedem Schritt und Fehltritt der SED nicht einverstanden. Dass sie dabei ins Fahrwasser des Antikommunismus zu geraten drohten, ist eine andere noch zu klärende Frage. Ohne eine bestimmte Quantität an Antikommunismus, war in den 60ern eine Mitgliedschaft in der SPD nur schwer möglich.
Wilhelm Pfannmüller hat gegenüber fast allen Angehörigen, die schon so und so stark unter dem antikommunistischen Mobbing in Schulen und Betrieben, in Gewerkschaften und Vereinen zu leiden hatten, von den „innerlinken“ Auseinandersetzungen kein Wort berichtet.
Interpretationen ohne grundlegende Dokumente enden meist in sehr subjektiven Legendenbildungen.
Mit Hilfe noch nicht erschlossener Quellen sollen folgende Fragen dokumentarisch geklärt werden:
warum löst ein (ehemaliges) Mitglied der Regionalleitung der KPD noch vor dem KPD-Verbot die örtliche Parteigliederung auf, kandidiert auf einer „Liste unabhängiger Wähler“ und tritt 1961 in die SPD ein?
War der Bau der Berliner Mauer für diesen Schritt eventuell mitentscheidend?
Wie war Wilhelm Pfannmüllers Position zum Mauerbau und war die eventuell mitentscheidend für seine Beziehungen zur illegalen KPD und zur VVN?
Wie stark waren die Initiativen für den Zusammenschluss von SPD und KPD (vor allem in Hessen und besonders in der Region Main-Kinzig/ östliche Wetterau / süd-östlicher Vogelsberg/ westlicher Spessart)?
Der Verdacht, dass der Widerstandskämpfer , KZ-Börgermoor-Häftling, 999er und Deserteur ab 1948 als „Titoist“ und Kritiker der „Sozialismus-Realisierung“ in der DDR zwischen die Fronten geraten ist, liegt zwar nahe, lässt sich aber bisher nicht dokumentarisch belegen.
Gibt es Belege dafür, dass KPDler, die auch nur im Verdacht des Kontaktes zu den Gründern der SPD-/KPD-Abspaltung UAPD (Unabhängige Arbeiterpartei Deutschlands) und zu Mitgliedern der 4. Internationalen standen, von der KPD und ihren Massen- & Vorfeld-Organisationen und der VVN/BdA fallen gelassen und bekämpft wurden?
Dass Wilhelm Pfannmüller Mitglied der VVN im Kreis Büdingen war -zumindest in der Zeit seiner Mitgliedschaft in der Regionalleitung der KPD – scheint ein Schreiben der VVN-Büdingen zu bestätigen, in dem die von den Behörden zunächst verweigerte Anerkennung Pfannmüllers als politisch durch die Nazis Verfolgter eingefordert wird. Welche weiteren Dokumente zum Verhältnis Pfannmüllers zur VVN -wie zur illegalen KPD könnten wo zu finden sein?
Dass Jugoslawiens KP ab 1953 der UAPD immer mehr ihre Unterstützung entzog und sich auf die Verbesserung ihrer Beziehungen zur SPD konzentrierte, in die eine ganze Reihe der UAPD-Aktivisten gewechselt waren (wie Georg Fischer ,Harry Ristock z.B.) bedeutete für die eh schon sehr schwache UAPD und ihre regionalen/lokalen Überreste wie die DS oder die DL -in Baden-Württemberg und in Hessen- praktisch ein Todesurteil.
Für jede Unterstützung bei unserer Suche nach entsprechenden Dokumenten sind wir sehr dankbar. Hartmut Barth-Engelbart & Dr. Manfred Köhler