Über Professor Elsner (Uni Bremen) hat mich der folgende Artikel von Florian Rötzer (Ex-Telepolis/Heise Chefredakteur) erreicht. Der Artikel scheint aber schon vor Söders-Pestvergleich erschienen zu sein. Den Artikel und den Link konnte ich auf die Schnelle im Internet nicht finden, deshalb „raubkopiere“ ich ihn jetzt aus der weitergeleiteten Mail von Becker an Elsner und setze ihn hier rein, in der Hoffnung, dass Florian Rötzer diese nichtkommerzielle Veröffentlichung nicht abmahnt:
„Der Herausgeber der britischen Medizinzeitschrift „British-Medical-Journal“ (BMJ) sagt, Wissenschaft werde von Politik unterdrückt, sie picke sich letztlich heraus, was ihr passt.
Der Herausgeber der angesehenen britischen Medizinzeitschrift BMJ rechnet in einem Editorial mit der Politik ab. Es geht um das Spiel zwischen den Interessen der Politik und den Profitinteressen von Unternehmen, das sich auch in den Zeiten des Pandemie-Notstands abspielt, wo es um sehr viel Geld wie bei den Impfstoffen gehen kann.
Kamran Abbasi spricht von „staatlicher Korruption in großem Stil“. Die Politik höre keineswegs auf „die Wissenschaft“, sondern sie picke sich aus den wissenschaftlichen Befunden und Ratschlägen heraus, was in die jeweilige politische Agenda passt. Wissenschaft werde „zum politischen und finanziellen Gewinn unterdrückt“.
Hauptvorwurf ist, dass die Pandemie gezeigt habe, „wie der medizinisch-politische Komplex“ in einem Notfall manipuliert werden kann. Abbasi bezieht sich vorwiegend auf Großbritannien und die Pandemiepolitik der britischen Regierung. So habe erst ein Medienleak dazu geführt, dass die Scientific Advisory Group for Emergencies (SAGE) nicht mehr hinter verschlossenen Türen agiert. Klar geworden sei auch die Zusammensetzung der Regierungsberater, unterrepräsentiert seien ethnische Minoritäten, Frauen, Kliniker und Vertreter des öffentlichen Gesundheitssystems. Beeinflusst habe die Regierung auch einen Gesundheitsbericht über Covid-19 und Ungleichheiten. Ein Teil über ethnische Minoritäten sollte entfernt werden, Autoren sollten nicht mit den Medien sprechen.
Zentral ist, dass die Regierung im Rahmen der im September angekündigten 100 Milliarden Pfund teuren „Operation Moonshot“, mit der 2021 die Bevölkerung schnellen Massentests – täglich 10 Millionen – unterzogen werden sollte, einen Antikörpertest besorgt hat, der nach einer im BMJ veröffentlichten Studie die propagierte Leistung bei weitem nicht einhalten könne. Wissenschaftler der staatlichen Public Health England wollten ihre Forschungsergebnisse veröffentlichen, bevor die Regierung eine Million Tests für immerhin 75 Millionen Pfund kauft, wurden aber vom Gesundheitsministerium und dem Büro des Ministerpräsidenten daran gehindert.
Ebenso werden nun Versuche mit einem mangelhaften PCR-Test gemacht.
Die Regierungen brauchen möglichst schnelle technische Lösungen, um den Bürgern eine schnelle Beruhigung der Lage und ein Ende der verhaltenseinschränkenden Maßnahmen und Lockdowns versprechen zu können, um politisch zu überleben.
So sicherte sich die EU in aller Eile nach der Erfolgsmeldung von Pfizer – kein wissenschaftlicher Bericht, sondern nur eine Pressemitteilung – über seinen Impfstoff 300 Millionen Impfdosen, obgleich klar war, dass der Impfstoff teuer und mit schwer lösbaren logistischen Problemen verbunden ist (Kühlung bei minus 70 Grad, Anwendung innerhalb von 5 Tagen), es aber weitere Impfstoffentwickler gibt, die auch – wie jetzt Moderna – demnächst ihre Produkte billiger auf den Markt bringen, einmal abgesehen, dass es auch russische und chinesische Impfstoffe gibt.
Womöglich (wahrscheinlich) gab es auf Brüssel Druck aus Berlin, das über 400 Millionen Euro in Biontech, dem deutschen Partner von Pfizer, investiert hat. Der Pfizer-Chef wusste vermutlich, dass die Aktienwerte nicht lange hoch bleiben werden und verkaufte wie seine Vize-Chefin einen Großteil seiner Aktien nach Veröffentlichung der Pressemitteilung (Pfizer-Chef verkaufte 62 Prozent seiner Aktien und machte Reibach).
In den USA übte die Trump-Regierung enormen Druck aus, die alles darauf setzte, dass vor der Wahl ein Impfstoff verfügbar sein sollte. Das hat nicht geklappt und vielleicht zur Niederlage von Trump beigetragen. Aber klar ist auch, dass die FDA sich nötigen ließ, schnell Mittel wie Hydroxychloroquin oder Remdesivir zur Behandlung von Covid-Patienten zuzulassen. Politisches Interesse sticht Sicherheit und gründliche wissenschaftliche Bewertung aus, wie dies auch in Russland beim durchgepeitschten Sputnik-Impfstoff der Fall war.
Was heißt, der Wissenschaft zu folgen?
Abbasi sagt, die Politiker würden oft behaupten, der Wissenschaft zu folgen. Aber das sei zu einfach, Wissenschaft könne kaum jemals Ergebnisse für alle Umstände und jede Bevölkerung geben, zudem müsse sie frei von politischen Einflüssen und Konfliktinteressen sein. Viele der Wissenschaftler, die von der britischen Regierung herangezogen wurde, hätten aber eigene Interessen, manche auch Anteile an Unternehmen, die Tests, Impfstoffe und Therapien entwickeln oder herstellen. Was Abbasi, der sich selbst von Interessen freispricht, nicht erwähnt, dass gerade im medizinischen Bereich die Unabhängigkeit der Forschung nicht gewährleistet ist – und dass wissenschaftliche Veröffentlichungen des Öfteren durch Interessen korrumpiert sind. Das betrifft auch BMJ.
Ganz dringend sei, dass alle Beteiligten von den Politikern bis hin zu den wissenschaftlichen Beratern, ihre Interessen offenlegen, dazu müsse volle Transparenz über die Strukturen und Prozesse der Entscheidungsfindung und die Verantwortung gewährleistet sein.
Regierungsberater und -angestellte sollten nicht in Bereichen arbeiten, die mit ihren Interessen verbunden sind, zumindest sollten sie nicht an Entscheidungen über Produkte und Politiken beteiligt sein, bei denen sie finanzielle Interessen haben. Aber, so könnte man einfügen, das eine sind direkte finanzielle Interessen, gefährlicher ist vermutlich die Korruption, heimlich an Einfluss oder finanziellen Zuwendungen zu kommen, gerade wenn es um Milliarden geht wie jetzt bei den Impfstoffen im Corona-Notfall, wo alles schnell gehen muss.
Interessant ist, dass Abbasi von einem medizinisch-politischen Komplex in Analogie zum militärisch-industriellen Komplex spricht. BMJ ist Teil dieses Komplexes. Nach ihm neigt der Komplex dazu, Wissenschaft zu unterdrücken, um die Machthaber zu bereichern. Allerdings sind eben nicht nur die Politiker und Unternehmer böse, sondern korrupt sind auch die Wissenschaftler, die sich in einer Win-Win-Beziehung einspannen lassen und eine regierungsfreundliche Wissenschaft liefern:
Wenn die Mächtigen erfolgreicher, reicher und mit Macht weiter vergiftet werden, werden die unbequemen Wahrheiten der Wissenschaft unterdrückt. Wenn gute Wissenschaft unterdrückt wird, sterben Menschen.
Kamran Abbasi
Darin versteckt sich eine Verklärung „der Wissenschaft“, auch wenn Abbasi noch „der guten“ hinzufügt. Während der Pandemie wurde deutlich, dass sich Regierungspolitiker mit manchen Wissenschaftlern zusammenschließen und andere an den Rand drängen, die nicht die Position vertreten, die die Politiker vertreten und mit „der Wissenschaft“ begründen wollen. Die derart geehrten Wissenschaftler spielen meist mit, auch wenn sie eigentlich einräumen müssten, dass Wissenschaft in einem offenen System mit vielen bekannten, aber auch unbekannten Variablen bei einem neuen Virus kaum wirkliche Handlungsanweisungen geben kann, sondern nur vorläufige, auf Wahrscheinlichkeiten basierende Prognosen.
Aber es ist natürlich verführend, als hervorgehobener Akteur an einem Experiment in einer Dimension teilzunehmen, wie das der Wissenschaft im Bereich der Gesellschaft normalerweise nicht möglich wäre. Schuldig bleibt Abbasi, was es hieße, wenn Politik bei aller erreichten Transparenz der Wissenschaft folgt. Wissenschaft ist alles andere als demokratisch, auch wenn es das Prinzip ist, dass jede vorläufige Hypothese fallibel ist und jeder die Möglichkeit haben soll, die wissenschaftlichen Verfahren und damit die Ergebnisse zu hinterfragen.
Aber Politik muss unter Bedingungen der Unsicherheit und des partiellen Wissens, das noch dazu umstritten ist, entscheiden. (Florian Rötzer)“
Jetzt habe ich den Artikel und den Link doch gefunden:
Mir scheint vor allem der Begriff „medizinisch-politischer Komplex“
interessant, da fühlt man sich an etwas erinnert… schreibt Klaus Becker dazu.