Unter dem Patronat des Grünen-Front-Mannes, OVOMALTINE-Kaisers & Turnvaters Karl Schill gediehen Landwirtschaftsschule & KZ aus Anna Seghers Roman „Das 7. Kreuz“

Das KZ in Osthofen, einen Steinwurf vom Schill’schen OVOMALTINE-Unternehmen entfernt, spielt in Anna Seghers Roman „Das siebte Kreuz“ eine zentrale Rolle. Eine Landwirtschaftsschule in der Nähe ebenfalls, in die Georg Hessler sich auf der Flucht aus dem KZ vor einer motorisierten SS-Streife rettet. Anna Seghers hat auf ihrer Flucht, beim Schreiben im unsicheren Pariser und dem folgenden Marseiller Exil, möglicher Weise auch bei den Abschlussarbeiten in Mexiko das KZ in ihrem Roman von Ost- nach Westhofen verlagert. Vermutlich ging es ihr mit der Landwirtschaftsschule auch so. Vergessen oder beabsichtigt?

Die für die Region zuständige Landwirtschaftsschule lag am Rande von Worms ca. 10 Kilometer vom KZ-Osthofen entfernt. Ihr Leiter wurde 1932 ein Wingolf-Burschenschaftler, in Gießen promovierter Landwirtschafts-Assessor, der kämpfendes Frei-Korps-Mitglied der Brigade Ehrhardt im Ruhrkampf und in Sachsen war und höchstwahrscheinlich zur berüchtigten „Marburger Studenten-Kompanie“ gehörte. Unter seinem Förderer, Vorbild, Freund und Taufpaten eines seiner vielen Kinder, dem deutsch-nationalen Osthofener Unternehmer und Politiker Karl Schill, dem führenden Vertreter der „Grünen Front“ und Förderer des „Landbundes“, bereitete er mit das Umfeld, in dem der NS-Polizeichef von „Groß-Hessen“, die Bestie Dr. Best seine Blitz-Karriere machen konnte. Er propagierte das KZ als Umerziehungs-, Besserungsanstalt für „vaterlandslose Gesellen, Kriminelle, arbeitsscheues Gesindel, das mit harter Hand geführt werden muss!“. So erklärte er auch seinen Kindern die Schreie, wenn sie zum Besuch bei Onkel Schill an der zum KZ umgewidmeten Papierfabrik per Pedes, Pedale oder Reichsbahn vorbei mussten. Der Dienstwagen kam erst später. Seine Propaganda für die Umsiedlung „flurbereinigter“ Kleinbauern in den heim-ins-Reich geholten „Lebensraum im Osten“, in „die Kornkammern des Reiches“ in Polen, im Warthegau, in der Walachei, in der Ukraine, das folgte erst nach 1939 …

Wie taktisch klug die Organisatoren der „Bauernopfer“ vorgingen, zeigte schon das Notverordnungs-Regime der sozialdemokratischen Reichskanzlers Müller:

alle Reparations-Lasten des Kriegsgewinnler-Vertrages von Versailles wurden auf das gemeine Volks geschoben. So blieben die Oben ungeschoren.

Und immer schoben sie die „kleinen Leute“ des Hans Fallada noch vorne. Und dass die den Betrug nicht rechtzeitig erkannten, dafür sorgte auch die „Bauernschule“ neben der Propaganda für den Einsatz von Nitrophoska „Blaukorn“ aus den Händen der Bauernfreunde in der chemischen Industrie, den späteren IG-Farben und des rheinhessischen Menschenfreundes Böhringer.

Dass mit dieser reichsweiten Aktion „zur Sicherung der Ernährung des deutschen Volkes“ hauptsächlich das Unterlaufen der Versailler Verbote & Einschränkungen von Rüstungsproduktion organisiert wurde, bemerkten die meisten Bauern auch nicht, als das Gleiche nach 1945 wieder gemacht wurde: unter den schützend-fördernden Händen von Landwirtschafts-Kammern und -Ministerien (wie in Hessen unter dem Ex-NSDAP-Goldfasan Gustav Hacker) zogen die „Ringberater“ der Pharma-Riesen für die „Blaukorn“-Propaganda mit dem „Volksernährungs“-Märchen als Bauernfänger durchs Land. Gemeinsam mit Bauernschul-Leitern, Landwirtschaftsräten, „Hacker-Siedlungs“-Planern.

Mit diesem Trick konnten sowohl in den 1920ern als auch in den nach 1945ern die Produktionskapazitäten für Sprengstoff unter den Augen der Überwacher nicht nur auf Kriegsniveau gehalten, sondern noch erheblich erweitert werden. Alles für die „Volksgesundheit“, für die „Volksernährung“! Und den Blitzstart von Reichs- und Bundeswehr.

Vermerk des Ministerialrats Feßler über eine Besprechung des Reichskanzlers mit Vertretern der Grünen Front am 5. September 1931 [10 Uhr]

R 43  I/2548, 383–387

Der Reichskanzler empfing am 5. September Vertreter der Grünen Front in Gegenwart des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft, des Reichsministers Treviranus, des Staatssekretärs Dr. Pünder und des Ministerialrats Dr. Feßler (Protokollführer)1.1

Die Präss. der „Grünen Front“, Brandes, Graf Kalckreuth, Hermes und Fehr, hatten in einem gemeinsamen Schreiben vom 21.8.31 den RK um eine Aussprache gebeten (R 43 I/2548, Bl. 232). Auf Vorschlag des RM Treviranus wurden zu dieser Besprechung noch die Herren Warmbold, Hillebrand, Graf Garnier und v. Oppen eingeladen (Vermerk des MinR Feßler vom 3.9.31, R 43 I/2548, Bl. 265). Am 4.9.31 hatte Treviranus auf die Teilnahme Hillebrands und Garniers verzichtet (Vermerk Feßlers, R 43 I/2548, Bl. 273). Als Vertreter der Grünen Front nahmen an der Besprechung teil: Brandes, Graf Kalckreuth, Hermes, Fehr, v. Flemming, Freiherr v. Lüninck, Freiherr von Schorlemer, Lind, Bethge, Stamerjohann, Steves, Schill, Küng, Hummel, Schlittenbauer, Prieger (R 43 I/2548, Bl. 271). Feßlers Vermerk datiert vom 18.9.31.

Präsident BrandesBrandes machte Ausführungen, die inhaltlich im wesentlichen mit der Aufzeichnung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft über die Vorbesprechung mit einzelnen Vertretern der Grünen Front übereinstimmten2. Er forderte insbesondere Senkung der Löhne und soziale Lasten und Fürsorge für die Veredelungswirtschaft durch entsprechende Anwendung der Devisenverordnung gegen die Einfuhr landwirtschaftlicher und gartenwirtschaftlicher Erzeugnisse.2

Die Vorbesprechung beim REM hatte am 4.9.31 stattgefunden (Vermerk Feßlers vom 3.9.31, R 43 I/2548, Bl. 264). In R 43 I/2548, Bl. 267–270 befindet sich eine ungezeichnete und undatierte Aufzeichnung „Die Forderungen der Grünen Front“. Als Kernstück der Forderungen der Grünen Front war die unverzügliche systematische Devisenbewirtschaftung bezeichnet worden. Von gleicher Dringlichkeit sei die Regelung der Zinsfrage und die Senkung der Aufwendungen der öffentlichen Hand. Auf dem Gebiet der Getreidebewirtschaftung werde eine besondere Fürsorge für den Gersten- und Hafermarkt erbeten. Zum binnenländischen Versorgungsaustausch von Futtergetreide und Futtermitteln werde eine Verbilligung der Frachtkosten angestrebt. Wegen der erwarteten reichen Kartoffelernte sollten zusätzliche Verwertungsmöglichkeiten durch umfangreiche Kartoffeltrocknung, Erhöhung des Spiritusabnahmezwangs von 3½ auf 10% und durch eine Beimischung von Kartoffelmehl zu Weizenmehl geschaffen werden. Für die Weinerntefinanzierung, die Zuckererzeugung, die norddt. Weidemast, für Gartenbauerzeugnisse und die Tabakernte seien Zinsverbilligungen gewünscht worden.

Präsident von FlemmingFlemming fürchtete, daß die Verschlechterung der Ernte die Erträge so herabsetzen würde, daß sie die Aufwendungen und Zinsen für die Feldbestellung nicht decken würden. Wegen der Kündigung zahlreicher Schulden durch die Gläubiger forderte er ein Teilmoratorium und Höchstzinssätze bei Strafandrohung. Die Zinsen für erste Hypotheken müßten herabgesetzt werden.

Die übrigen Vertreter der Landwirtschaft brachten ihre Klagen insbesondere aufgrund der örtlichen Verhältnisse vor, so aus der Grenzmark Klagen über das Vorgehen der Preußenkasse, gegen die dortigen Genossenschaften, aus[1655] der Provinz Brandenburg wegen der Holzpreise und der Kartoffelpreise, aus der Rheinprovinz wegen der niedrigen Weinpreise, denen durch eine Zinsverbilligungsaktion, durch Verbilligung des Zuckers und Wegfall der Zuckersteuer sowie Drosselung der Weineinfuhr, entgegengearbeitet werden soll3.3

Im Auftrag der Pfarrer des Landkreises Bernkastel hatte Dechant Grefrath mit Schreiben vom 24.8.31 den RK um Unterstützung für eine Zinsverbilligungsaktion zugunsten der neuen Weinernte und des Weinabsatzes gebeten. Zur Situation der Moselwinzer hatte Grefrath u. a. ausgeführt: „Unsere Winzer [waren] stets darauf angewiesen […], das Brot und die Kartoffeln größtenteils von den benachbarten Hunsrückgemeinden zu erwerben. Verkaufen daher unsere Leute keinen Wein oder nur zu einem völligen Hungerpreis […], bedeutet das: kein Brot haben. Tatsächlich sind in unseren Gemeinden jetzt schon Familien mit mittlerem Weinbergbesitz, die also zu den begüterten des Ortes zählen, nicht mehr vereinzelt anzutreffen, die tagelang kein Stück Brot im Hause haben. Die Lage solcher Familien wie auch der vielen anderen, weniger begüterten ist im Vergleich zu der von Familien im Industriegebiet eine besonders verhängnisvolle, als alle diese Kreise bei uns Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung bzw. Erwerbslosenfürsorge nicht haben. Wenn die Dinge so weiter gehen und mit der neuen Ernte durch Überangebot die Absatzmöglichkeit und Preisgestaltung nur noch viel schlechter wird, müssen wir ernstlich befürchten, daß viele auch von unserer sonst traditionstreuen, ruhigen und religiösen Bevölkerung zur Verzweiflung getrieben werden“ (R 43 I/2548, Bl. 247–248).

Allgemein wurde eine schärfere Handhabung der Devisenordnung zur Vermeidung überflüssiger Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse dringend gefordert.

Der Reichskanzler führte etwa folgendes aus:

Die Reichsregierung habe vorausgesehen, daß wirtschaftliche Krisenzustände eintreten würden, sobald die Reparationszahlungen von der Wirtschaft tatsächlich aufzubringen sein würden. In der Inflation und bei dem Hereinströmen fremder Gelder sei dies nicht der Fall gewesen. Nun müsse versucht werden, durch den Ausfuhrüberschuß die nötigen Devisen zu beschaffen, schwerste Opfer würden auf längere Zeit unvermeidlich sein. Die Weltwirtschaftskrise habe die Lage ungeheuer verschärft.

Die Reichsregierung habe deswegen einen Krisenfonds4 geschaffen und weitere Maßnahmen rechtzeitig getroffen.4

Vgl. Dok. Nr. 300 und Dok. Nr. 319, Anm. 15.

Die deutsche Wirtschaft und Landwirtschaft könnten auf die Dauer nicht bessergestellt werden, als die in der ganzen Welt. Es sei nicht möglich, Maßnahmen, die im stillen getroffen werden müßten, öffentlich bekanntzugeben. Würde erklärt, daß die Einfuhr nicht mehr aufrecht erhalten werden könne, so wären die schwerwiegendsten Folgen zu erwarten. Das Ausland würde die mit ihm geschlossenen Verträge als gebrochen ansehen. Die Wirkungen auf die innere Wirtschaft seien unübersehbar.

Nur mit den Vereinigten Staaten sei wegen Rohstofflieferungen für längere Zeit und Kreditierung des Kaufpreises verhandelt worden5. Ob im übrigen die Banken in der Devisenfrage den Wünschen der Landwirtschaft rein praktisch entgegenkommen könnten, sei ihre Angelegenheit. Die Reichsbank und ihr Zentralausschuß, dem ja auch Präsident von Flemming angehöre, sei in erster Linie zuständig.5

S. Dok. Nr. 401, Dok. Nr. 402, P. 6 und Dok. Nr. 403.

[1656] Im übrigen sei die Einfuhr von Nahrungsmitteln in den letzten Monaten erheblich zurückgegangen, außer bei Obst. Bei öffentlichen Erklärungen müsse auch auf die Stillhalteverhandlungen und die Gefahr des Boykotts Rücksicht genommen werden.

Im übrigen komme es auf die Stimmung in der ganzen Wirtschaft und auch der Arbeiterschaft sowie beim Mittelstande an. Wie streng vertraulich erklärt wurde, sei mit entscheidenden Reparationsverhandlungen in wenigen Monaten zu rechnen. Deswegen müsse eine Auslandsanleihe zur Zeit vermieden werden. Wenn es gelänge, das Volk 6 Monate ruhig zu halten, so sei manches gewonnen.

Die Banken seien nicht ausreichend auf die Krisis vorbereitet gewesen, obwohl sie rechtzeitig gewarnt worden seien und vorher erklärt hätten, sie seien gerüstet. Schließlich hätten sie versagt, weil es an der Solidarität gemangelt habe. Daraufhin habe die Regierung zwangsläufig handeln müssen. Für Fehler der Banken und der Wirtschaft in den letzten Jahren könne die Regierung nicht einstehen, sie könne sich aber auch nicht verteidigen, um den Kredit nicht zu erschüttern. Es vergehe kaum ein Tag, an dem nicht Tatsachen bekannt würden, die in die Solidität der deutschen Wirtschaftsunternehmungen schwerste Zweifel rechtfertigten. Die Industrie hätte sich in den Entwicklungsmöglichkeiten für Jahrzehnte verschätzt. Erzlieferungsverträge seien für lange Frist zu Preisen der Hochkonjunktur abgeschlossen worden. Ähnlich sei es bei den Abschlüssen auf Lieferung russischen Papierholzes.

Wegen der Holzeinfuhr seien Schritte unternommen worden. Die Verhandlungen seien mit Schweden ungünstig gelaufen6, mit Rußland seien sie angebahnt. Auch die Holzeinfuhr sei zurückgegangen.6

S. Dok. Nr. 286, Anm. 5.

Die mangelnde Konsumkraft des deutschen Volkes werde zur Drosselung des Imports führen. Durch Zollmaßnahmen sei dies nicht restlos zu erreichen. Der Absatz würde durch sie nicht verbessert. Je höher die Butterpreise steigen, desto mehr würde das Volk zum Genuß von Margarine übergehen.

Notwendig sei eine Senkung der Produktionskosten.

Die Regierung habe die Senkung der Löhne für landwirtschaftliche Arbeiter angestrebt; die Arbeitgeber in Schlesien hätten dagegen Widerstand geleistet mit der Begründung, die Löhne seien bereits auf den niedrigsten Stand herabgeschraubt.

Der Zinsfuß sei für die Wirtschaft entscheidend. Schon 1927 habe er gegen die kurzfristige Verschuldung Stellung genommen und insbesondere für die Landwirtschaft langfristige Kredite gefordert. Es sei nicht möglich gewesen, in dieser Hinsicht eine einheitliche Stellungnahme zu erzielen. Der günstige Zeitpunkt sei dabei verpaßt worden.

Wer zu wirtschaften verstände, würde durchkommen. Der Versuch, alle zu retten, wäre zum Scheitern verurteilt. Bei der Osthilfe bestände die Gefahr, daß der Regierung bevorzugte Behandlung einzelner vorgeworfen würde. Die Abwicklung der Anträge sei durch die Industriebank erschwert.

[1657] Seinerzeit sei die gesamte Agrarpolitik mit der Grünen Front besprochen worden7. Im Lande hätten die Vorschläge keine Resonanz gefunden. Es sei notwendig, die schlechten Böden stillzulegen, sonst könnten die Schwierigkeiten nicht überwunden werden.7

S. Dok. Nr. 225, Dok. Nr. 228 und Dok. Nr. 230.

Die Schweinemast sei vermehrt nach dem deutschen Osten gezogen. Daher sei die Krise jetzt in West- und Süddeutschland stärker als vorher. Die Neuverschuldung sei dort in den letzten Monaten erheblich gewachsen, während sie im Osten zu einem gewissen Stillstand gekommen sei.

Es sei nicht möglich, alle Probleme auf einmal zu lösen. Erleichtert würde die Hilfe, wenn die Landwirtschaft, befreit von jeder politischen Parteieinstellung, entschlossen sei, die Möglichkeiten klarzulegen, die dem deutschen Volk gegeben seien.

Er sei bereit, auf die Sorgen der Landwirtschaft einzugehen und sie zu berücksichtigen, wenn die erforderlichen Mittel zur Verfügung ständen. Jetzt bereits sollten Einfuhrscheine für Holz in Gang gesetzt werden8. Auch im übrigen würde auf Erleichterung hingearbeitet.8

Dies ist nicht geschehen. Vgl. aber die Erhöhung der Holzzölle in Dok. Nr. 662, P. 2.

Die Radikalisierung werde wegen der Wirtschaftsnot weiter gehen. Auf der ganzen Welt sei dort, wo die Wirtschaft im wesentlichen auf Agrarprodukte eingestellt sei, die Not weit größer als in Deutschland. Es sei Pflicht aller, nach Möglichkeit Aufklärung zu schaffen. Mit Agitationsreden komme kein Berufsstand durch. Bei bestimmten Berufsgruppen und ihren Führern sei eine entscheidende Wendung festzustellen. Ein Teil der Landwirtschaft habe auch die Notwendigkeit zur Umkehr erkannt. Das Volk müsse zur Erkenntnis der politischen Möglichkeiten gebracht werden.

Das Ziel der Regierung sei, Preise zu senken, die Kartellfrage anzugreifen, die Zinsen zu verbilligen und mit Mißständen aufzuräumen. Das Kreditsystem sei übersetzt, insbesondere in Ostpreußen. Der Zinsfuß werde künstlich verteuert.

Die Gehälter der Genossenschaften seien zum Teil zu hoch. Bei einzelnen würden die Zinsen dadurch allein um 1% erhöht. Die hohen Zinsen wären der Ruin der Landwirtschaft. Es bestehe die Gefahr, daß Landschaften notleidend würden. Die Fehler der Organisation und des Absatzes müßten erkannt werden. Die Führer dürften nicht davor zurückschrecken, sie den eigenen Berufsgenossen vorzuhalten. Jeder deutsche Wirtschaftszweig werde im kommenden Winter die schwersten Opfer bringen müssen. Durch gemeinsame Arbeit müßten die gemeinsamen Fehler beseitigt werden, dann wäre die Radikalisierung aufzuhalten. Das Vertrauen in die Verantwortlichkeit der Wirtschaftsführer müsse wachsen. Durch Agitation sei das nicht zu erreichen.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft ging dann noch auf die einzelnen Wünsche der Redner ein und verwies auf die Spezialverhandlungen am nächsten Tage. Er gab ein Bild über die Erntefinanzierung und über die sonstigen Maßnahmen, die getroffen worden sind.

[1658] Reichsminister TreviranusTreviranus sprach sich gegen eine neue Enquête über die Zinsenfrage aus9. Nicht der Widerstand der Preußenkasse habe zu einer Einstellung der Zinsenquête geführt. Die Unterlagen seien gegeben worden, aber keine Stelle habe freiwillig mit der Absenkung der Zinsen beginnen wollen. Jedes Institut außer der Rentenbankkreditanstalt sei darauf bedacht, möglichst hohe Zinsen zu nehmen.9

S. dazu Dok. Nr. 249, Anm. 3.

Reichsminister a. D. HermesHermes wandte sich gegen die Generalisierung des Urteils bei den Genossenschaften. Er bemängelte, daß in den letzten Jahren nichts Entscheidendes für die Veredlungswirtschaft geschehen sei. Die Landwirtschaft hätte sich auf Grund der Anregungen der Regierung weitgehend umgestellt. Die Selbsthilfe müsse anerkannt werden.

Graf Kalckreuth machte längere Ausführungen über die Weltkrise und ihre Wirkung auf Deutschland. Die produzierenden Länder wollten Deutschland zwingen, ihre Überproduktion aufzunehmen. Dagegen müsse sich Deutschland wehren. Die Einfuhreinschränkungen seien unzureichend. Die Devisenzuteilung müsse aufs stärkste gedrosselt werden. Mit Recht scheine die Regierung bei der Osthilfe von der individuellen zur generellen Hilfe übergehen zu wollen. Die Ausschaltung der schlechten Böden sei in vielen Fällen, insbesondere bei dem Kleinbesitz unmöglich. Die Siedlung läge restlos still. Weite Flächen würden im nächsten Jahr im Osten nicht bestellt werden können, weil die nötigen Mittel nicht aufzubringen seien.

Der Reichskanzler schloß die Sitzung mit der Versicherung, daß alles geschehen werde, was möglich sei, um auch der Landwirtschaft zu helfen.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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