Für Esther Bejarano von Rolf Becker & Moshe Zuckermann

Liebe Esther, ich weiß nicht, wem ich jetzt meine Briefe an Dich, Louise Bröll, Hannia Wiatrowski schicken soll. An meine Wahlschwestern, mütterlichen Freundinnen. An euch drei, die mir zu einer ganz anderen Trinität verschmolzen sind, von der ich im „Grenzgänger“ geschrieben habe, von der Krankenschwester von Auschwitz, der Hanauer Widerstandskämpferin und Kommunistin und von Dir. Und von der vierten, von Thomas Weißbeckers Mutter, die als 15jährige verzweifelt versucht hat, ihre Familie vor der Gaskammer zu retten. Hänsje Weiß hätt sich so gefreut, die Wintersteins, die Bambergers, die Reinhardts, wenn sie mit Dir in Hanau hätten auftreten dürfen. Zusammen mit der Microfone Mafia.

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GRENZGÄNGER & andere Leseproben aus den HaBE-RomanModulen – barth-engelbart.de Warum ich auf dem Plakat Theresienstadt vergessen habe, weiß ich nicht. Hannia und Esther sind ja über Theresienstadt nach Auschwitz verschleppt worden

Danke an Susan Witt-Stahl für diesen Bericht: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1154606.esther-bejarano-mit-dem-blick-liebevoll-wachsamer-augen.html?pk_campaign=SocialMedia

Auf Wunsch von Esther Bejarano hielt der enge Freund Rolf Becker im Beisein von fast 3000 Anwesenden, zahlreiche Vertretern des offziellen Judentums und prominenter Politiker eine sehr persönliche Rede, die alle Facetten ihres Lebens einbezog. So auch eine längere Passage über die Ablehnung der israelischen Besatzungspolitik, den Gründen für ihre Rückkehr in das Land der Täter auf Grund der völkerrechtwidrigen zionistischen israelischen Bestzungpolitik Politik, ihre Sympathie für die israelkritische Solidaritätsbewegung und die Ablehnung der absurden Antisemitismusvorwürfe gegen die Bewegung, ein Vorwurf, von dem auch sie ungeheuerlicher Weise nicht verschont blieb und letztlich sogar ihre Unterstützung der BDS-Bewegung, gegen die sogar absurder Weise unter Mißachtung der Verfassung und der demokratischen Grundrechte auf freie Meinungsäußerung der Bundestag einen Beschluß gefaßt hat, wohl wissend, daß ein Gesetz verfassungswidrig gewesen wäre, wie es der eigene wissenschaftliche Dienst der Bundesregierung in einem Gutachten bescheinigte! Rolf Beckers Rede muß für viele Anwesende auf der Trauerfeier mit ihren doppelmoralischem Verhalten ein Schlag in die Magengrube gewesen sein, denn wo in der Republik konne man in den Medien darüber lesen, daß Esther Bejarano konsequent gegen jede Form der Unterdrückung, von Hass, Verfolgung und Vernichtung eintrat.

Es lohnt sich, die Zeit zu nehmen und den Text nachzuhören. Ein Lehrbeispiel für die Doppelmoral großer Teile des mainstreams in Medien und Politik in Bezug auf die Besatzungspolitik Israels, die trotz aller konkreten tagtäglichen jahrzehntelanger Menschenrechtsverletzungen immer noch unter dem „Staatsraison“-Topoi Merkels ignoriert wird.

Beste Grüsse

Detlef Griesche

Aus JW: Ausgabe vom 19.07.2021, Seite 4 / Inland

Bewegender Abschied

Esther Bejarano wurde am Sonntag in Hamburg beigesetzt. Bei Trauerfeier findet Rolf Becker klare Worte

Von Kristian Stemmler, Hamburg

Jonas Walzberg/dpa-Pool/dpa

»In unseren Herzen lebst du weiter«: Der Sarg von Esther Bejarano in der Kapelle des Jüdischen Friedhofs Ohlsdorf

Immer wieder brach Rolf Becker die Stimme. Vor allem bei den letzten Sätzen seiner Rede rang er um Fassung. »Du bist und bleibst anwesend, bleibst bei uns«, sagte der Schauspieler und Aktivist. Gerichtet an eine Frau, die ihn, wie Becker zuvor berichtet hatte, nicht nur als guten Freund, sondern als ihren »kleinen Bruder« gesehen und geliebt hatte. Es war wohl der berührendste Moment der Trauerfeier für Esther Bejarano am Sonntag mittag in der Kapelle des Jüdischen Friedhofs Ohlsdorf in Hamburg. Nach einem kurzen Moment kam – ungewöhnlich bei einer Trauerfeier – spontan Beifall auf, der auch draußen vor der Kapelle und weiter auf der Zufahrtsstraße zum Friedhof, wo viele hundert Menschen vor Lautsprechern die Veranstaltung verfolgten, zu hören war.

Im kleinen Andachtsraum der Kapelle hatten 30 Menschen Platz finden können, darunter Esther Bejaranos Tochter Edna und ihr Sohn Joram sowie als Repräsentanten der Politik Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher, Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (alle SPD). Es war Becker und den Besuchern draußen zu verdanken, dass aus der Trauerfeier nicht nur ein würdiges Abschiednehmen von Esther Bejarano wurde, die am 10. Juli im Alter von 96 Jahren gestorben war, sondern auch eine beeindruckende politische Manifestation. Anders als bei vielen Würdigungen nach ihrem Tod, kam an diesem Tag noch einmal all das zur Sprache, was für die Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau, die aktive Antifaschistin, Musikerin und Vorsitzende des Auschwitz-Komitees Deutschland im Zentrum des Kampfes stand.

Schon eine Stunde vor Beginn der Trauerfeier waren Menschen in kleinen Gruppen an der Westseite des Ohlsdorfer Friedhofs entlang zum Jüdischen Friedhof im Süden des riesigen Geländes geströmt. Fast durchweg schwarzgekleidet, darunter viele junge Menschen, manche mit dem Antifa-Logo auf dem T-Shirt. Auf den Friedhof durften nur geladene Gäste, die in der Kapelle oder direkt davor an der Feier teilnahmen. Viele hundert versammelten sich daher auf der Zufahrtsstraße. Nicht wenige hatten selbstgemachte Schilder mitgebracht. Auf denen stand: »In unseren Herzen lebst du weiter …« oder »Wir werden nicht schweigen, versprochen Esther!«

Bürgermeister Tschentscher bezeichnete es als ein »großes Geschenk für unsere Stadt«, dass Esther Bejarano sich nach ihrer Rückkehr nach Deutschland Ende der 1950er für Hamburg als neue Heimat entschieden hatte. Sie habe »wichtige Impulse« gesetzt für »Demokratie, Erinnerungskultur und Gleichberechtigung«. Die politischen Inhalte, für die Bejarano stand, kamen bei ­Tschentscher nicht vor – dafür aber um so mehr in Beckers Rede.

Er schilderte sie als eine Frau, die »aufgeschlossen, trotz allem und für alles« gewesen sei, »zornig über zunehmendes Unrecht«. Sie habe sich immer für »die Schwächsten« eingesetzt, die Menschen, die im Kapitalismus unter die Räder kämen, etwa für Obdachlose. Den Umgang des Senats mit den Geflüchteten der sogenannten Lampedusa-Gruppe habe sie mit den Worten kritisiert, man könne »nicht heute immer noch Menschen wie Tiere behandeln«. Der Rechtsruck in Europa habe Esther Bejarano mit tiefer Sorge erfüllt. Becker unterschlug auch nicht, dass sich die Verstorbene vehement gegen eine Diffamierung berechtigter Kritik an Israel als antisemitisch gewandt hat. Sie habe Israel die Ausgrenzung der Palästinenser vorgeworfen, von einem »brutalen Besatzungsregime« gesprochen. Esther Bejarano und ihr Mann Nissim seien Kommunisten gewesen, so Becker.

Neben ihrem schon 1999 verstorbenen Ehemann wurde Esther Bejarano nach der Trauerfeier beigesetzt. In Hamburg soll ein Platz, eine Straße oder Schule nach ihr benannt werden – eine Art Wiedergutmachung dafür, dass die Stadt es versäumt hat, sie zur Ehrenbürgerin Hamburgs zu machen, als sie noch lebte.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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