Angela Merkel enthüllt die Doppelzüngigkeit des Westens: Ein Krieg in der Ukraine war die einzige Option, die Russlands Gegner von Anfang an verfolgt haben

Von Scott Ritter

Speziell für Consortium News, 05.12.22

( https://consortiumnews.com/2022/12/05/scott-ritter-merkel-reveals-wests-duplicity/ )

Übersetzt von Fee Strieffler und Wolfgang Jung, 23.12.22

Die jüngsten Äußerungen der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel werfen Licht auf das doppelzüngige Spiel, das Deutschland, Frankreich, die USA und die Ukraine im Vorfeld des russischen Einmarsches in die Ukraine im Februar (2022) gespielt haben.

Während die Repräsentanten des so genannten „kollektiven Westens“ – die USA, die NATO, die EU und die G7 – weiterhin behaupten, Russlands Einmarsch in die Ukraine sei ein „Akt unprovozierter Aggression“ gewesen, ist die Realität eine ganz andere: Russland wurde vorgegaukelt, man strebe eine diplomatische Lösung für den Konflikt an, der nach dem von den USA im Jahr 2014 in Kiew inszenierten Maidan-Putsch von Kiew in der Region Donbass im Osten der Ukraine provoziert worden war.

Stattdessen wollten die Ukraine und ihre westlichen Partner lediglich Zeit gewinnen, damit die NATO das ukrainische Militär aufrüsten konnte. Es sollte in die Lage versetzt werden, nicht nur den ganzen Donbass zu erobern, sondern auch Russland von der Krim zu vertreiben.

In einem Interview mit dem Spiegel (s. unter https://www.spiegel.de/panorama/ein-jahr-mit-ex-kanzlerin-angela-merkel-das-gefuehl-war-ganz-klar-machtpolitisch-bist-du-durch-a-d9799382-909e-49c7-9255-a8aec106ce9c ) spielte Frau Merkel letzte Woche auch auf das Münchner Abkommen von 1938 an (s. https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnchner_Abkommen ). Sie verglich dieses Abkommen, das Großbritannien, Frankreich und Italien unter Führung des damaligen britischen Premierministers Neville Chamberlain mit Nazi-Deutschland vereinbart hatten, mit ihrer Entscheidung, die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO abzulehnen, als das Thema auf dem NATO-Gipfel 2008 in Bukarest zur Sprache kam.

Frau Merkel erklärte, nur weil sie die Aufnahme der Ukraine in die NATO hinausgezögert und später auf das Minsker Abkommen gedrängt habe, sei es gelungen, der Ukraine Zeit zu verschaffen und sie in die Lage zu versetzen, sich besser gegen einen russischen Angriff verteidigen zu können. Auch Chamberlain habe damals (mit den Zugeständnissen an Hitler) Großbritannien und Frankreich nur Zeit verschaffen wollen, damit sich beide Staaten besser auf den Krieg mit Hitlerdeutschland vorbereiten konnten.

Die Schlussfolgerung aus diesem Vergleich ist verblüffend. Vergessen Sie für einen Moment die Tatsache, dass Angela Merkel Russland und seinem Präsidenten Putin unterstellt, einen großangelegten Eroberungskrieg gegen all seine Nachbarn zu planen, wie das Hitler und sein Nazi-Regime getan hatten. Konzentrieren Sie sich nur auf die Tatsache, dass Angela Merkel schon damals damit gerechnet hat dass die drohende Aufnahme der Ukraine in die NATO eine militärische Reaktion Russlands auslösen würde.

Anstatt diese Möglichkeit durch ehrliche Verhandlungen zu verhindern, verfolgte Frau Merkel von Beginn an eine Politik, mit der die Ukraine zu einer bewaffneten Auseinandersetzung mit Russland befähigt werden sollte.

Krieg, so scheint es, war von Anfang an die einzige Option, die Russlands Gegner jemals in Betracht gezogen haben.

Auch Putin hält Minsk jetzt für einen Fehler

Frau Merkels Äußerungen decken sich mit denen, die der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko im Juni (2022) gegenüber mehreren westlichen Medien gemacht hat [s. https://www.hornobservers.com/2022/06/17/minsk-deal-was-used-to-buy-time-ukraines-poroshenko/]. „Unser Ziel“, so Poroschenko, „war es, erstens die Bedrohung zu stoppen oder zumindest den Krieg zu verzögern – um acht Jahre Zeit für die Wiederherstellung des Wirtschaftswachstums und den Aufbau schlagkräftiger Streitkräfte zu gewinnen.“ Poroschenko bestätigte, dass die Ukraine von Anfang an überhaupt nicht an einer Einigung am Verhandlungstisch und an der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen interessiert war (s. dazu auch https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2138051-Zurueck-zum-Minsker-Abkommen.html ).

Auch Putin hat das inzwischen erkannt. Bei einem kürzlichen Treffen mit Ehefrauen und Müttern russischer Soldaten, die in der Ukraine kämpfen, und einigen Witwen gefallener Soldaten räumte Putin ein, dass es ein Fehler gewesen sei, den Minsker Vereinbarungen zuzustimmen. Er stellte fest, es wäre besser gewesen, das Donbass-Problem gleich mit Waffengewalt zu lösen, weil ihm die russische Duma schon damals das Mandat zum Einsatz russischer Streitkräfte auch in der Ukraine und nicht nur auf der Krim erteilt habe. (Weitere Informationen dazu sind nachzulesen unter https://www.anti-spiegel.ru/2022/putins-reaktion-auf-merkel-interview-wir-haetten-die-militaeroperation-frueher-beginnen-sollen/?doing_wp_cron=1670828702.4493160247802734375000 .)

Putins späte Einsicht sollte all jene im Westen vor Scham verstummen lassen, die immer noch vorgeben, den russisch-ukrainischen Konflikt mit irgendwelchen Verhandlungen beenden zu wollen.

Keiner der westlichen Gesprächspartner Russlands hat auch nur ein Minimum an Ehrlichkeit aufgebracht, als es darum ging, echtes Engagement für eine friedliche Lösung des ethnischen Konfliktes (in der Ostukraine) zu zeigen. Seit den blutigen Ereignissen auf dem Maidan im Februar 2014, durch die der von der OSZE anerkannte, demokratisch gewählte ukrainische Präsident (Wiktor Janukowytsch, s. https://de.wikipedia.org/wiki/Wiktor_Wiktorowytsch_Janukowytsch ) gestürzt wurde, ging es nur darum, Russland in einen Krieg zu verwickeln.

Mit Gewalt gegen den Widerstand des Dobass

Als sich russischsprachige Menschen im Donbass dem Putsch widersetzten, den demokratisch gewählten Präsidenten verteidigten, und ihre Unabhängigkeit von dem Putschisten-Rregime in Kiew erklärten, reagierte dieses mit einem acht Jahre andauernden brutaler Militärangriff auf den Donbass, durch den Tausende von Zivilisten getötet wurden. Putin hat diese acht Jahre gewartet, bis er die Unabhängigkeit der Donbaas-Republiken anerkannt hat. Erst im Februar 2022 ist er in die Ukraine einmarschiert.

So lange hat Putin darauf gehofft, dass mit den von Deutschland und Frankreich garantierten und vom UN-Sicherheitsrat – einschließlich der USA – einstimmig gebilligten Minsker Vereinbarungen [s. https://press.un.org/en/2015/sc11785.doc.htm ] die Krise gelöst werden könnte – durch eine den Donbass-Republiken gewährte Teil-Autonomie und deren Verbleib in der Ukraine. Doch das Regime in Kiew hat nie vorgehabt, diese Vereinbarungen umzusetzen, und der Westen hat es dabei tatkräftig unterstützt.

Die Verrat des Westens wurde besonders deutlich im Verhalten einiger OSZE-Beobachter (s. https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/nr-414/346796/kommentar-die-osze-sonderbeobachtermission-in-der-ukraine-wunsch-und-wirklichkeit/ ), die nie neutral waren, sondern dem ukrainischen Militär nach russischen Erkenntnissen sogar gezielte Informationen über Stellungen der Separatisten zugespielt haben [s. https://tass.com/world/1442057 ]. Deutschland und Frankreich haben auch im Rahmen des „Normandie-Formats“ (s. https://www.waz.de/politik/ukraine-russland-normandie-format-deutschland-frankreich-id234646137.html ) nichts für die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen getan. Und die USA haben von 2015 bis 2022 auch nicht – wie zugesagt – nur „defensive“ Militärhilfe“ für die Ukraine geleistet. All das beweist, dass der Westen nie eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts gewollt hat.

Und eine „friedliche Lösung“ wird es auch nicht mehr geben.

Der „kollektive Westen“ wollte von Anfang an Krieg, und Russland wird den Konflikt jetzt auch durch Krieg beenden.

Wer Wind sät, kann nur Sturm ernten.

Frau Merkel hatte nicht ganz unrecht, als sie „München 1938“ mit der heutigen Situation in der Ukraine verglichen hat.. Damals haben doppelzüngige Deutsche mit einem Scheinabkommen nicht nur Engländer und Franzosen, sondern (ein knappes Jahr später mit dem „Nichtangriffspakt“, s. unter https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-sowjetischer_Nichtangriffspakt ) auch leichtgläubige Russen getäuscht. Und im Ukraine-Konflikt haben doppelzüngige Deutsche – diesmal vereint mit dem kollektiven Westen – wieder gutgläubige Russen über ihre eigentlichen Absichten getäuscht.

Das wird für Deutschland, für die Ukraine und für all jene nicht gut ausgehen, die sich in den Mantel der Diplomatie gehüllt, aber das Schwert hinter ihrem Rücken verborgen haben.

Scott Ritter ist ein ehemaliger Geheimdienstoffizier des U.S. Marine Corps, der in der damaligen Sowjetunion bei der Umsetzung von Rüstungskontrollverträgen, im Persischen Golf während der Operation Desert Storm und im Irak bei der Überwachung der Abrüstung von Massenvernichtungswaffen mitgewirkt hat. Sein letztes Buch ist unter dem Titel „Disarmament in the Time of Perestroika (Abrüstung in Zeiten der Perestroika) bei Clarity Press erschienen.

(Wir haben den Artikel mit DeepL-Unterstützung übersetzt. Die Links in eckigen Klammern hat der Autor, die Links und Ergänzungen in runden Klammern und die Hervorhebungen haben die Übersetzer eingefügt.)

Anmerkung: In dem Interview mit der ZEIT (s. https://www.zeit.de/2022/51/angela-merkel-russland-fluechtlingskrise-bundeskanzler/komplettansicht ) hat Frau Merkel u. a. gesagt: „Und das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht. Die Ukraine von 2014/15 ist nicht die Ukraine von heute. … Putin hätte sie damals leicht überrennen können. Und ich bezweifle sehr, dass die NATO-Staaten damals so viel hätten tun können, wie heute, um der Ukraine zu helfen.“ (Entnommen aus der Printausgabe vom 08.12.22)

Die vorherige CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel (s. http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_10/LP05810_260210.pdf ) war in DDR-Zeiten FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda und ist aus beruflichen und politischen Gründen auch wegen ihrer guten russischen Sprachkenntnisse häufig nach Moskau gereist und dort sicher gastfreundlich aufgenommen und gut bewirtet worden.

Mit dem „Geständnis“ über ihre hinterhältige Russland-Politik hat sie im Nachhinein nicht nur ihre persönliche Glaubwürdigkeit verspielt. Mit ihren Täuschungsmanövern hat sie auch das Vertrauen zerstört, das die Russen und ihr Präsident Wladimir Putin in die Vertragstreue der Bundesrepublik Deutschland gesetzt haben. Es ist sehr fraglich, ob die guten Beziehungen zu Russland, die SPD-Kanzler Willy Brandt, CDU-Kanzler Helmut Kohl und SPD-Kanzler Gerhard Schröder in jahrzehntelangem Bemühen aufgebaut haben, jemals wieder herzustellen sind.

Genau so doppelzüngig und schäbig wie Frau Merkel hat sich auch unser amtierender Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verhalten, der als damaliger SPD-Außenminister an allen Verhandlungen über das Minsker Abkommen beteiligt war. Wie Frau Merkel und die CDU müssen auch Herr Steinmeier und die SPD schon vor Beginn der Minsker Verhandlungen über die eigentlichen Ziele der USA und des kollektiven Westens im Ukraine-Konflikt informiert gewesen sein.

Das erklärt auch, warum die SPD die von ihrem Kanzler-Darsteller Olaf Scholz verkündete „Zeitenwende“ und den damit eingeleiteten totalen Konfrontationskurs gegen Russland so völlig widerspruchslos hingenommen hat.

Zur Vertiefung und Abrundung der in dem übersetzten Artikel behandelten Thematik empfehlen wir drei längere, aber sehr aufschlussreiche Texte, die Sie unbedingt vollständig lesen sollten:

Prof. Dr. Michael Schneider (s. http://www.schneider-michael-schriftsteller.de/1_5_Biografisches.html )setzt sich in seinem sehr lesenswerten Essay „Der ‚böse Russe‘, die deutsche Geschichtsvergessenheit und die Blindheit der Berliner Außenpolitik“, der aufzurufen ist unter https://tkp.at/2022/12/01/der-boese-russe-die-deutsche-geschichtsvergessenheit-und-die-blindheit-der-berliner-aussenpolitik/ , mit der doppelbödigen deutschen Russland-Politik auseinander.

Jacques Baud (s. https://de.frwiki.wiki/wiki/Jacques_Baud ) zeichnet in einem in der Schweizer Zeitung „Zeitgeschehen im Fokus“ (s. https://zeitgeschehen-im-fokus.ch/de/home-ausgabe-10.html ) veröffentlichten Interview, das unter der Überschrift Der Westen und die Ukraine stecken in Schwierigkeiten“ über https://zeitgeschehen-im-fokus.ch/de/newspaper-ausgabe/nr-21-vom-30-november-2022.html aufzurufen ist, ein ganz anderes Bild des Krieges in der Ukraine als unsere Medien, das manche festgefahrene Meinung erschüttern könnte.

Der US-Wirtschaftswissenschaftler Michael Hudson (Infos über ihn s. https://www.nachdenkseiten.de/?gastautor=michael-hudson ) untersucht in seinem unter https://www.nachdenkseiten.de/?p=91280 aufzurufenden Beitrag „Deutschlands Position in Amerikas neuer Weltordnung“ den Ukraine-Konflikt an Hand historischer Parallelen und zeigt die besonders schwerwiegenden Folgen für die Bundesrepublik Deutschland auf.

Zum Schluss wünschen wir unseren Lesern ruhige Feiertage und ein wohltemperiertes, gesundes und hoffentlich friedlicheres Jahr 2023.

Fee Strieffler und Wolfgang Jung

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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