Wolfram Elsner schreibt: Mein Freund und Lieblingshistoriker „Harrisürth“ hat mich nun solange bearbeitet, dass ich nun doch Jack Mas Entmachtung und Zurechtstutzen in China weiterleite.
Ja, das ist ein großes Ding.
Der Bericht von Kronauer unten ist jedoch uninformiert über den Hintergrund, die eigentliche Sache, über die ich schon mehrfach berichtet habe: Dass seine Ant Group in 2020 an etwa 200 Mio. Haushalte Kleinkredite vergeben hatte, die sich als Knebelverträge herausstellten, dass sie ihre Taobao-Plattform mit dem Ant Financial Finanzdienstleister gekoppelt haben und dass sie ihre Verkaufsplattformen exklusiv betrieben haben (wenn bei uns, dann nirgendwo anders verkaufen, ähnlich Amazon) und schließlich mit den anderen Plattformen nicht interoperabel waren.
Hier hatte die chinesische Wettbewerbsbehörde und Finanzaufsicht (bei der Zentralbank) in 2021 und 2022 nach mehreren ungehörten Vorwarnungen reingehauen. Ma war nicht „abgetaucht“, das ist Sensationsberichterstattung à la Bildzeitung, er hatte nur einige Wochen Zeit, seine Hausaufgaben zu machen, und tauchte dann prompt zum Rapport bei den Behörden wieder auf.
Aus JW: Ausgabe vom 09.01.2023, Seite 8 / Ansichten
Klasse gegen Klasse
KP Chinas entmachtet Jack Ma Von Jörg Kronauer
imago images/VCG
Jack Ma, Gründer der Alibaba Group, spricht während des China Green Companies Summit am 29. September 2020 in Haikou
Der Abstieg des Jack Ma setzt sich fort. Noch vor wenigen Jahren war der Gründer des chinesischen Internetriesen Alibaba ein international gefeierter Star: Im Jahr 2014 schaffte er in New York mit seinem Unternehmen den bis dahin größten Börsengang der Geschichte; im Jahr 2017 plazierte ihn das US-Wirtschaftsblatt Fortune auf Platz zwei seiner Liste der »Greatest Leaders«. Kurz zuvor, im Januar 2017, hatte er persönlich mit Donald Trump über Pläne für sein US-Geschäft diskutiert. Dann kam sein Wendepunkt: Am 24. Oktober 2020 brüskierte er in einer Rede auf einem Finanzforum in Shanghai Chinas Staatsbanker – und nun schlug Beijing zurück. Ma tauchte ab, wurde lange nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Im November hieß es, er habe sich nach Tokio abgesetzt. Im Dezember verlor er den Vorsitz in einem einflussreichen Unternehmerforum in der Provinz Zhejiang, und am Wochenende musste er seine Kontrolle über die Ant Group preisgeben, Alibabas Finanzarm. Zu den zehn reichsten Chinesen zählt er immer noch; seine Macht aber schwindet schnell.
Der Grund? Nun, eines liegt nahe: Ma war schlicht zu mächtig geworden. Der Milliardär kontrollierte ein Konzerngeflecht, das großen Einfluss in der Finanzbranche hatte, über Daten von Hunderten Millionen Kunden verfügte und seit 2016 mit der South China Morning Post eine Tageszeitung besaß, die international wahrgenommen wird. Wer sich unter solchen Bedingungen mit der herrschenden Partei anlegt, kann ihr gefährlich werden. Ma ist zuweilen mit Michail Chodorkowski verglichen worden, der sich ab 2001, damals der reichste Russe, mit der Regierung anlegte, Kontakte in den Westen pflegte sowie politische Ambitionen entwickelte. Die Geschichte seines Absturzes ist bekannt.
Ist Ma also nichts anderes als ein chinesischer Chodorkowski? Ja und nein. Ja – siehe oben. Nein: Sein Fall hat weitere Dimensionen. Als Ma sich im Oktober 2020 mit den Staatsbankern anlegte, ging es ihm darum, eine Option zu hochriskanten Finanzgeschäften zu eröffnen – im Interesse seines Konzerns, aber gegen das klare Interesse der Allgemeinheit, die bei einem Finanzcrash ja gewöhnlich die Zeche zahlt. Dass sich derlei Partikularinteressen durchsetzen, dass damit die Herrschaft der Partei letztlich gebrochen und das politische System auch für den Zugriff von außen geöffnet wird: Darauf haben lange Zeit Politik und Wirtschaft im Westen gehofft. Mas Abstieg zeigt: Ihre Hoffnung hat getrogen.
Und: Ma wird nicht einfach durch konkurrierende Milliardäre ausgetauscht. In der Leitung der Ant Group stärkt die Partei systematisch ihren Einfluss. Als das Unternehmerforum in Zhejiang Mas Ablösung an seiner Spitze bekanntgab, hielt ein Parteivertreter die Hauptrede und bekräftigte den Führungsanspruch der Partei. Parallel schrumpft in China die Zahl der Milliardäre – im vergangenen Jahr um rund ein Fünftel. Mit Ma wurde nicht einfach ein rivalisierender Milliardär ausgeschaltet, sondern ein Vertreter seiner Klasse, der daran ging, der Partei die Macht abzuringen.