Ex-Brigadegeneral & Merkel-Berater Erich Vad: „Kriegshysterie militärischer Dilettanten in hohen Regierungsämtern“

Simon Zeise schreibt in „Berliner Zeitung“: Erich Vad spricht von „Kriegshysterie militärischer Dilettanten in hohen Regierungsämtern“

von den Mainstreamblättern hat nur die „Berliner Zeitung“ über die Veranstaltung in Leipzig geschrieben. (leider fehlt mir der Link zu diesem Artikel. Deshalb habe ich ihn hier „raubkopiert“! Ohne die hervorragenden Bilder. Ich hoffe, dass man mich deshalb nicht abmahnt. Wenn mir die Berliner Zeitung den Link schickt, kann ich ja noch verlinken. Und hoffen, dass dann auch das Verlinken nicht abgemahnt wird.

Erich Vad spricht von „Kriegshysterie militärischer Dilettanten in hohen Regierungsämtern“

Der frühere Bundeswehrgeneral Erich Vad kritisiert die Bundesregierung für ihren Ukraine-Kurs. In einer Rede in der Leipziger Nikolaikirche warnt er vor der Gefahr eines Dritten Weltkriegs.

Simon Zeise

aus: Berliner Zeitung, 16.04.2024 | aktualisiert am 16.04.2024 – 22:21 Uhr

Erich Vad, Brigadegeneral a.D. und ehemaliger militärischer Berater im BundeskanzleramtBernd Elmenthaler/imago

Erich Vad war der wichtigste militärische Berater von Altkanzlerin Angela Merkel. Weil er die Außenpolitik der heutigen Bundesregierung für gefährlich hält, setzt er sich öffentlich für eine Friedenslösung in der Ukraine ein. Am Montagabend sprach der General a.D. in der Leipziger Nikolaikirche ein Friedensgebet.

Es sei für ihn eine Pflicht, gegen die „unverantwortliche Kriegshysterie militärischer Dilettanten in hohen Regierungsämtern“ einzutreten, sagte Vad in seiner Rede. Er engagiere sich für eine Friedenslösung in der Ukraine, damit die Regierung „unser Land nicht aus Ahnungslosigkeit in einen 3. Weltkrieg“ führe.

Vad kritisiert die „militaristische Kriegsrhetorik“ in Deutschland

Auf die Institutionen allein vertraut Vad nicht mehr. Er selbst versucht, die Menschen zu überzeugen. Die Basis der Parteien vertrete oft eine andere Meinung als die Führung, sagt er im Gespräch mit der Berliner Zeitung am Rande des Friedensgebets.

Im Februar 2023 war Vad auf einer von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierten, viel beachteten Friedensdemo in Berlin aufgetreten. Frühere Weggefährten und weite Teile der Presse hatten sich damals von ihm abgewandt. Daraufhin gab er in Deutschland ein Jahr lang keine Interviews mehr.

Erich Vad auf der Friedensdemo in Berlin im Februar 2023Imago

Vad spricht in der Kirche von der Veränderung des gesellschaftlichen Klimas. Er selbst habe „persönlich gemeinte Angriffe, Unterstellungen, Häme, sogar Verachtung“ erfahren. „Für mich überraschend änderte sich der gewohnte, konstruktiv-streitbare Diskurs in unserem Lande“, sagt er. Es habe sich ein Wandel vollzogen, zu einem „beinahe einstimmigen Mainstream“. Oft würden unbedachte Äußerungen getätigt, die in „militaristischer Kriegsrhetorik“ mündeten.

Und nicht nur Vad hat es schwer, mit seiner Friedensposition durchzudringen. Auch die Initiatoren des Leipziger Friedensgebets haben es nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen. Die lokalen Medien hätten es abgelehnt, über die Veranstaltung zu berichten, teilen die Veranstalter der „Initiative Friedenswende 2023“ mit, die Vad eingeladen haben. Journalisten-Kollegen sind in der Nikolaikirche nicht zu sehen.

Doch der Wind dreht sich. Die viel beschworene Kriegsbegeisterung in der Bevölkerung will sich nicht einstellen. In den USA und auch in Deutschland schwindet die Akzeptanz für einen weiteren Eskalationskurs in der Ukraine. Bundeskanzler Olaf Scholz hat es abgelehnt, Kiew den Marschflugkörper Taurus zu liefern. Stimmen, die eine Verhandlungslösung in der Ukraine fordern, werden lauter.

Erich Vad spricht das Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche.BLZ/Zei


Vor allem in Ostdeutschland. Das ist kein Zufall, sagt Vad. Die Menschen im Osten hätten viele Jahre erleben müssen, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde. Das wollten sich viele nicht mehr gefallen lassen.

Auch Vad wird wieder öfter eingeladen. Mittlerweile tritt er in Talkshows auf, nimmt an Podiumsdiskussionen teil, ist als Militärexperte gern gesehener Gast. In der vergangenen Woche trat er in Cambridge auf. Dort wurde kontrovers über den Ukrainekrieg diskutiert. Eine Debatte, wie sie in Deutschland leider nicht möglich scheint, sagt er im Gespräch.

„Die deutsche Debatte, die den Krieg in der Uk­raine begleitet, hat in den letzten Jahren zahl­lose Beispiele für einen ‚Information War‘ ge­liefert“, sagt Vad in der Nikolaikirche. Es sei den Medien hierzulande weniger darum gegangen, umfassend zu informieren, als vielmehr in Parteilichkeit zu motivieren – „mit zuweilen erschreckender Kriegsrhetorik und einer entmenschlichten Sprache gegen­über dem Feind“.

Die Bundesregierung müsse Fragen nach möglichen politischen Wegen aus dem Konflikt beantworten. „Westliche Waffenlieferungen an die Ukraine haben nur begrenzten Wert, solange ein politisch-strategisches Gesamtkonzept fehlt, das das Primat der Poli­tik sicherstellt und den möglichen Frieden nach dem Krieg im Blick hat.“

Der Ukrainekrieg sei zu einem Stellungs- und Abnutzungskrieg ge­worden, festgefahren, ohne Perspektive ei­ner militärischen Lösung. „Die laufenden Waffenlieferungen sind seit langem nichts mehr als sinnfreie Symbol­politik“, sagt Vad. „Die täglichen Toten des Krieges fordern uns moralisch auf, nach politischen und diploma­tischen Wegen aus dem Krieg zu suchen.“ Die Kriegsparteien müssten miteinan­der reden. „Es wäre gut und rich­tig, wenn von uns aus dazu Initiativen ausgin­gen.“

Siehe dazu auch: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9532

Newsletter – „Die Ukrainer im Kampf halten“

(Eigener Bericht) – Vor dem heute auf Capri beginnenden Treffen der G7-Außenminister werden in der Ukraine wie auch in westlichen Staaten offene Warnungen vor einer ukrainischen Kriegsniederlage laut. Kiew sei „in ernster Gefahr“, den Krieg im Lauf des Jahres zu verlieren, erklärte am Wochenende ein hochrangiger britischer Militär. Bereits zuvor hatten ukrainische Offiziere gewarnt, die russischen Streitkräfte könnten schon bald fähig sein, die Front „an einigen Stellen zu zerschlagen“. Ein russischer Durchmarsch in weite Teile der Ost- und sogar der Zentralukraine wird nicht mehr ausgeschlossen. Experten kritisieren, im Westen habe man sich „die Lage der Ukraine von Anfang an schöngeredet“. Ukrainische Offiziere monieren, die Wirkung westlicher Waffen werde– in traditioneller Selbstgewissheit – oft überschätzt; so hätten russische Militärs beispielsweise gelernt, wie sich Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow oder SCALP mit einer starken Trefferquote ausschalten ließen. Die G7-Außenminister suchen nun nach Optionen, einen Kollaps der ukrainischen Front zu verhindern. Außenministerin Baerbock schlägt ein womöglich weltweites „Mapping aller Patriot-Systeme“ vor.

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9532

Russland vor der Offensive

Einschätzungen, laut denen die ukrainischen Truppen ihre Stellung an der Front nicht mehr lange halten könnten und ein russischer Durchbruch mit vielleicht weitreichenden Folgen in den kommenden Wochen und Monaten gut möglich sei, werden schon seit einigen Wochen geäußert. So zitierte etwa das Springer-Onlineportal Politico Anfang April hochrangige ukrainische Offiziere mit der Äußerung, die russischen Streitkräfte würden bald in der Lage sein, „die Frontlinie zu durchdringen und sie an einigen Stellen zu zerschlagen“.[1] Am Wochenende bestätigte der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Generaloberst Olexander Syrskyj, die Situation an der Front im Osten des Landes sei „in den vergangenen Tagen beträchtlich angespannter“ als zuvor; dies liege daran, dass die russischen Streitkräfte nach der Präsidentenwahl in Russland ihre Offensivhandlungen „signifikant“ ausgeweitet hätten.[2] Auch westliche Militärs beginnen sich offener zu äußern. So zitierte die BBC den ehemaligen Befehlshaber des Joint Forces Command, Richard Barrons, mit der Aussage, die Ukraine sei „in ernster Gefahr“, den Krieg im Laufe des Jahres zu verlieren.[3] Barrons schloss einen Durchbruch der russischen Streitkräfte durch die Front und anschließend ihren kaum zu stoppenden Vormarsch ins Zentrum der Ukraine nicht aus.

Angriffe auf Kraftwerke

Während seiner Vorbereitung auf die Offensive hat Russland in den vergangenen Wochen umfassende Angriffe auf die ukrainische Energieversorgung durchgeführt. Dabei griffen die russischen Streitkräfte nicht mehr – wie noch im vergangenen Winter – Umspannwerke und Transformatoren an, sondern konventionelle Kraftwerke. Zuletzt wurde in der Nacht vom 10. auf den 11. April das Wärmekraftwerk Trypillja komplett zerstört, das unter anderem die Region Kiew versorgte; kurz zuvor war das Wärmekraftwerk Smijiw zerstört worden, das die Region Charkiw mit Energie bediente. Mittlerweile sind laut offiziellen Angaben 80 Prozent der ukrainischen Wärmekraftwerke nicht mehr funktionsfähig; die Reparatur dürfte – anders als im Fall der beschädigten Umspannwerke und Transformatoren – Jahre dauern.[4] Über die hinter den Angriffen steckende Strategie urteilen Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), zum einen handle es sich wohl um Vergeltung für die ukrainischen Angriffe auf russische Erdölraffinerien. Zum anderen gehe es darum, die Regierung in Kiew vor die Wahl zu stellen, „entweder die Rüstungsindustrie oder die Bevölkerung zu versorgen“; beides zugleich sei wohl nicht mehr möglich.[5] Ausfälle in der Rüstungsindustrie schwächten die Fähigkeit der Ukraine, sich gegen die wohl bald bevorstehende russische Offensive zu verteidigen.

„Von Anfang an schöngeredet“

Mit Blick auf die sich abzeichnende russische Offensive üben Militärs scharfe Kritik an der bisherigen westlichen Einschätzung des Ukraine-Kriegs. So urteilt zum Beispiel Markus Reisner, ein Offizier des österreichischen Bundesheeres, der an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt lehrt und mit seinen Analysen des Kriegsgeschehens in der Ukraine bekannt geworden ist: „Wir haben uns die Lage der Ukraine von Anfang an schöngeredet“.[6] So seien „die Ressourcen, die von außen in das Land geflossen sind“, von Beginn an „unzureichend für einen Abnutzungskrieg“ gewesen, „und dieser läuft etwa seit April 2022“. Auch über den Zustand der russischen Streitkräfte seien Illusionen geschürt worden. So sei viel über einen Angriff auf eine russische Kaserne berichtet worden, bei dem viele russische Soldaten zu Tode kamen; er wurde durch leichtsinnigen Umgang russischer Militärs mit Privathandys ermöglicht. Im Westen sei anschließend der Eindruck erweckt worden, Leichtsinn sei in den russischen Streitkräften „ein Trend“ – dabei sei der Fall „ein Einzelfall“ gewesen. „Wir haben ein Ereignis herausgenommen und daraus den Zustand der russischen Armee abgeleitet“, konstatiert Reisner; „so naiv“ dürfe man aber niemals sein. Fehleinschätzungen der Kampfkraft der russischen Streitkräfte waren die Folge.

Westliche Waffen überschätzt

Dies gilt laut den ukrainischen Offizieren, die das Springer-Portal Politico befragte, für die Lieferung westlicher Waffen, die auch in deutschen Medien als besonders effizient bezeichnet und auf die große Hoffnungen gesetzt wurden – etwa für Marschflugkörper der Modelle Storm Shadow und SCALP, die von Großbritannien und Frankreich exportiert wurden. Man habe sie sehr „erfolgreich“ eingesetzt, berichtet ein ukrainischer Offizier – allerdings „nur für eine kurze Zeit“.[7] Dann hätten russische Militärs ihre Wirkweise sowie Möglichkeiten für ihre Abwehr untersucht – und sie hätten Wege gefunden, sie zum größten Teil unschädlich zu machen. Reisner berichtet, mittlerweile gelinge es den russischen Streitkräften, „gut 50 Prozent der ukrainischen Flugkörper mit elektronischen Störsystemen herunter[zu]holen“; der Rest werde „dann noch einmal zur Hälfte von der Flugabwehr abgeschossen“.[8] Zwar gelinge den ukrainischen Streitkräften „hier und da … ein spektakulärer Treffer“; doch genüge das nicht, „um den Gegner zum Einknicken zu bringen“. „Die Russen“, so zitiert Politico ukrainische Offiziere, „lernen immer. Sie geben uns keine zweite Chance.“[9] Man solle „den Hype“, dass sie gleichsam „nur Truppen in den Fleischwolf“ schickten, nicht glauben: „Das tun sie zwar auch …, doch sie lernen und verfeinern“ ihre Kriegführung.

Ein globales Patriot-Mapping

Der Ukraine-Krieg steht auf der Tagesordnung des Treffens der G7-Außenminister, das am heutigen Mittwoch auf der italienischen Insel Capri beginnt. Um eine ukrainische Niederlage zu verhindern, soll unter anderem nach Möglichkeiten gesucht werden, der Ukraine weitere Flugabwehrsysteme zu liefern. Das deutsche Verteidigungsministerium teilte bereits am vergangenen Samstag mit, es werde eins aus den Beständen der Bundeswehr zur Verfügung stellen. Außenministerin Annalena Baerbock hat sich dafür ausgesprochen, auf dem G7-Treffen über ein europaweites oder gar globales „Mapping aller Patriot-Systeme“ zu diskutieren und die Staaten, die solche besitzen, dazu zu veranlassen, sie Kiew „schnell“ zu überlassen.[10] Zu dem Treffen werden auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sowie NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet. Gelinge es nicht, die ukrainische Niederlage zu verhindern, dann könne man keine vorteilhafte Friedensvereinbarung erzielen, wurde der italienische Außenminister Antonio Tajani zitiert: Es gelte, Russland „aus der Ukraine“ herauszubekommen.[11] Wie das gelingen soll, blieb unklar. Schon zuvor hatte der britische Außenminister David Cameron erklärt: „Das Beste, das wir dieses Jahr tun können, besteht darin, die Ukrainer in diesem Kampf zu halten.“[12] Der Westen spielt Va banque.

[1] Jamie Dettmer: Ukraine is at great risk of its front lines collapsing. politico.eu 03.04.2024.

[2] Tom Balmforth: Ukraine’s army chief says eastern front under intense Russian assault. reuters.com 13.04.2024.

[3] Frank Gardner: Ukraine could face defeat in 2024. Here’s how that might look. bbc.co.uk 14.04.2024.

[4], [5] Christian Mölling, András Rácz: Warum Russland die Energieversorgung zerstört. zdf.de 11.04.2024.

[6] Hauke Friederichs, Maxim Kireev: „Wir haben uns die Lage in der Ukraine schöngeredet“. zeit.de 15.04.2024.

[7] Jamie Dettmer: Ukraine is at great risk of its front lines collapsing. politico.eu 03.04.2024.

[8] Hauke Friederichs, Maxim Kireev: „Wir haben uns die Lage in der Ukraine schöngeredet“. zeit.de 15.04.2024.

[9] Jamie Dettmer: Ukraine is at great risk of its front lines collapsing. politico.eu 03.04.2024.

[10] Trotz knapper Bestände: Deutschland liefert weiteres Patriot-System an Ukraine. berliner-zeitung.de 13.04.2024.

[11] Crispian Balmer, Angelo Amante: Wars to dominate G7 talks as foreign ministers seek path to peace. ca.news.yahoo.com 15.04.2024.

[12] Mark Landler: Cameron, on U.S. Trip, Takes a Risk and Meets With Trump. nytimes.com 09.04.2024.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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