23. August 2024
23.08.2024: „Ihr habt euch vor zwei Monaten geäußert, jetzt ist es höchste Zeit, zu handeln: Wie in allen parlamentarischen Demokratien muss die Koalition, die an der Spitze steht, eine Regierung bilden, im Parlament Vereinbarungen suchen und an die Arbeit gehen können. Wir haben den ganzen Sommer daran gearbeitet. Wir sind bereit.“ ++ In einem Brief der Kandidatin der Neuen Volksfront für das Amt des Premierministerin und der Vertreter:innen der Parteien der Neuen Volksfront erklären diese, dass sie regierungsbereit sind, und dass „die Untätigkeit des Präsidenten der Republik schwerwiegend und zerstörerisch ist“.++ Dokumentiert: Inhalt des Briefes
Bei der von Macron vorgezogenen Parlamentswahl Anfang Juli war Nouveau Front Populaire überraschend auf den ersten Platz gekommen. Macrons Mitte-Kräfte landeten auf Platz zwei, das ultrarechte Rassemblement National um Marine Le Pen auf Platz drei. (siehe kommunisten.de, 9.7.2024: „Frankreich: Überraschungssieg der Neuen Volksfront. Aber keine Mehrheit.“)
Das Linksbündnis aus Sozialisten, Grünen, Kommunisten und La France Insoumise machte nach der Wahl zwar seinen Regierungsanspruch klar, konnte sich aber im ersten Anlauf auf keinen gemeinsamen Vorschlag für das Amt des Premierministers einigen. (siehe kommunisten.de, 16.7.2024: „Frankreich: Sozialisten und Insoumis liegen sich in den Haaren„)
Kurz vor dem Start der Olympischen Spiele in Paris präsentierte die Neue Volksfront NFP dann eine gemeinsame Kandidatin für das Amt der Premierministerin. Die Wahl fiel auf Lucie Castets (37), die derzeit die Direktorin für Finanzen und Beschaffung der Hauptstadt Paris ist. Sie ist Mitbegründerin und Sprecherin des Kollektivs „Nos services publics“, einer Vereinigung von Beamten, deren Ziel es ist, den französischen öffentlichen Dienst zu stärken. Castets ist außerdem außerordentliche Professorin an der Paris Dauphine.
Castets sei eine hochrangige Staatsbeamtin und Verfechterin des öffentlichen Dienstes, die sich für die Bekämpfung von Steuerbetrug eingesetzt habe, hieß es von dem Bündnis.
Lucie Castets im Interview mit France Inter
Nach ihrer Nominierung sagte Castets, ihre politischen Prioritäten seien die Rückgängigmachung von Macrons Rentenreform, eine Steuerreform, die sicherstellt, dass „alle ihren gerechten Anteil zahlen“, und die Verbesserung der Kaufkraft durch die Erhöhung der Löhne und der Sozialleistungen. Während Macrons Amtszeit sei der „öffentliche Dienst zerstört und seines Hauptziels beraubt worden: die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen“, sagte sie in einem Interview mit France Inter.
„Ich bin bereit, wir sind bereit, ich bitte den Präsidenten der Republik, seine Verantwortung zu übernehmen und mich zur Premierministerin zu ernennen. .. Das Programm der Neuen Volksfront ist unsere Grundlage. Dann wird es darum gehen, die Versammlung davon zu überzeugen, ihre Maßnahmen zu verabschieden. …
Eine Koalition mit dem Präsidentenlager ist unmöglich und entspricht auch nicht den Erwartungen unserer Wähler. … Seit mehreren Jahren sind wir Zeugen einer äußerst vertikalen Machtausübung, eines verachteten Parlaments: Wir schlagen eine Änderung der Methode vor, indem wir den Dialog mit Gewerkschaften, Verbänden erneuern.“
Lucie Castets im Interview mit France Inter am 24. Juli 2024
Präsident Macron nahm nach der Wahlschlappe den Rücktritt von Premierminister Gabriel Attal an, lehnte aber eine Regierungsbildung durch die Neue Volksfront ab. Attal und die Regierung sind seitdem nur noch geschäftsführend im Amt.
Die Nominierung von Lucie Castets wies Macron mit den Worten zurück, dass es „nicht um einen Namen“ gehe, sondern darum, welche Regierungsmehrheit sich in der Nationalversammlung bilden werde. Dabei deutete er an, dass er auf eine politische Zusammenarbeit der Wahlverlierer setzt. Auf seinem Standpunkt beharrend, dass niemand die Wahlen gewonnen habe, kündigte er an, dass er keine neue handlungsfähige Regierung vor dem Ende der Olympischen Spiele berufen werde.
„Wir sind bereit“
Jetzt sind die Olympischen Spiele vorbei und Lucie Castets ist bereit, und sie hat es gestern (22.8.) den Französinnen und Franzosen noch einmal gesagt.
In einem am Donnerstag, den 22. August, veröffentlichten Brief bekräftigen die Kandidatin der Neuen Volksfront für das Amt des Premierministerin und die Vertreter:innen der Parteien der Neuen Volksfront einmal mehr ihre Regierungsfähigkeit. Sie erklären, dass „die Untätigkeit des Präsidenten der Republik schwerwiegend und zerstörerisch ist“.
NFP: Was der Brief von Lucie Castets an die Franzosen enthält
Am Vorabend ihres Treffens mit dem Staatspräsidenten richtet sich diese Botschaft „an die Wähler, die sich massiv mobilisiert haben‚ um die NFP zu unterstützen, und an diejenigen, die nicht für uns gestimmt haben, wie auch an diejenigen, die überhaupt nicht gewählt haben“.
Absolute Mehrheit hin oder her, jetzt ist es an der Zeit zu handeln. „Wer wird die Erhöhung der Kaufkraft ablehnen? Die Parlamentarier werden Rechenschaft über ihre Abstimmungen ablegen, und die Bürgerinnen und Bürger werden Zeugen sein“, schreiben sie. Lucie Castets, Fabien Roussel (PCF), Marine Tondelier (Les Écologistes), Manuel Bompard (FI) und Olivier Faure (PS) erinnern daran, dass ihre Koalition an die Spitze gekommen ist und dass es ihre Pflicht ist, „eine Regierung zu bilden, nach Vereinbarungen im Parlament zu suchen und [sich] an die Arbeit zu machen . „
Die Unterzeichner:innen erinnern an ihre wichtigsten Vorschläge. Sie bekräftigen, dass sie sich dafür einsetzen wollen, „das Leben der Französinnen und Franzosen konkret und schnell zu verbessern“: Erhöhung der Kaufkraft, Anhebung der Löhne und des Mindestlohns, Reparatur des öffentlichen Krankenhauses und des Bildungswesens…
Die NFP will außerdem „eine Diplomatie im Dienste des Friedens“ betreiben ,“ um Wladimir Putins Angriffskrieg zu beenden (…), einen Waffenstillstand in Gaza und die Freilassung der Geiseln zu erreichen „. Sie planen, “ für die sofortige Anerkennung “ Palästinas zu handeln.
Das Parlament muss „die Kontrolle über seinen Zeitplan zurückgewinnen und die ihm vorgelegten Gesetzesentwürfe und -vorschläge in Ruhe diskutieren. Die Sozialpartner müssen angehört und respektiert werden. Neue Formen der Einbindung der Akteure vor Ort, der lokalen Abgeordneten, der Vereine und all jener, die unsere Demokratie im Alltag leben lassen, müssen entwickelt werden.“.
Seit den vorgezogenen Parlamentswahlen schweigt Emmanuel Macron. Dieser „zaudert eher, als dass er die Konsequenzen aus diesen Wahlen zieht. Wie lange wollen wir noch so weitermachen, als wäre am Anfang des Sommers nichts geschehen?“, schreiben die Verfasser:innen des Briefes. „Die Untätigkeit des Präsidenten der Republik ist schwerwiegend und zerstörerisch“. Gemeinsam schlagen sie vor, eine neue Art des Regierens in der Fünften Republik zu entwickeln, indem sie einen „notwendigen Bruch‚ mit der vergangenen Politik“ markieren.
Mehr als einen Monat nach dem Rücktritt von Gabriel Attal werden die Vertreter der Linksunion am Freitag, den 23. August, um 10.30 Uhr vom Élysée-Palast eingeladen, um mit Emmanuel Macron zu diskutieren. Was die republikanische Rechte und die Macronisten betrifft, so werden sie am Nachmittag erwartet und die Vertreter der Rassemblement National und Eric Ciotti haben einen Termin am Montag.
Der Inhalt des Briefes der Neuen Volksfront
Liebe Französinnen und Franzosen!
Emmanuel Macron hat uns für den 23. August in den Elysée-Palast zu einem Austausch eingeladen, zu dem wir gemeinsam kommen werden. Vor diesem Treffen möchten wir uns direkt an Sie wenden, um Ihnen zu sagen, was wir in den nächsten Monaten und Jahren für das Land tun wollen und wie wir es tun werden.
Im vergangenen Juli haben Sie sich massiv an den Wahlurnen mobilisiert, um den Einzug der extremen Rechten an die Macht abzulehnen und mit der seit sieben Jahren verfolgten Politik zu brechen. Dafür danken wir Ihnen.
Was ist seitdem geschehen? Nichts. Der Präsident der Republik zögert eher, als dass er die Konsequenzen aus diesen Wahlen zieht. Wie lange wollen wir noch so weitermachen, als wäre zu Beginn des Sommers nichts geschehen?
Sie haben die Neue Volksfront an die Spitze der Wahl gesetzt, ohne jemandem eine absolute Mehrheit zu geben. Dieses Ergebnis verpflichtet uns alle, und in erster Linie verpflichtet es denjenigen, der es herbeigeführt hat.
„Ungerechte und aufgezwungene Politik“.
Die Untätigkeit des Präsidenten der Republik ist schwerwiegend und zerstörerisch. Sie macht deutlich, dass er die letzten sieben Jahre einer ungerechten und autoritär auferlegten Politik fortsetzen will. Weil sie den Eindruck erweckt, dass die Abstimmung nichts bringen würde, dass alles nur ein institutionelles Schachspiel wäre.
Wir sehen das Ausmaß des Misstrauens, das heute überall im Land von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, den Verantwortlichen von Gewerkschaften, Unternehmen, Vereinen, Kollektiven und Kommunalpolitikern zum Ausdruck gebracht wird. Aufgrund von Verzichtserklärungen und Entscheidungen, die gegen den Willen des Volkes durchgesetzt wurden, wie die Rentenreform, glauben viele von Ihnen nicht mehr an die Politik. Diese Gefühle nähren den Aufstieg der extremen Rechten, die wir bekämpft haben und weiterhin bekämpfen werden.
Die Wahl der nächsten Regierung wird ganz konkrete Auswirkungen auf das tägliche Leben jeder und jedes Einzelnen haben, je nachdem, ob sie den Sparkurs fortsetzt oder sich für Reinvestitionen in unsere öffentlichen Dienste entscheidet. Eltern müssen wissen, ob wir die Mittel haben, um einen Lehrer für ihr Kind zu haben und die öffentliche Schule zu sanieren; Arbeiter müssen wissen, wann ihre Löhne nach mehreren Jahren der Inflation wieder steigen werden; Hausbesitzer und Mieter müssen wissen, ob ihre Wohnungen thermisch saniert werden können und ob die Anpassung an den Klimawandel beschleunigt wird; Patienten müssen wissen, ob sie im Notfall in der Notaufnahme aufgenommen werden und ob das Krankenhaus die Mittel hat, um zu funktionieren; unsere Kinder müssen wissen, ob wir ihnen einen bewohnbaren Planeten bieten, auf dem sie aufwachsen und sich entfalten können.
„Ein Bruch ist notwendig“.
In all diesen Bereichen ist ein Bruch mit der bisherigen Politik notwendig. Er wurde von den Wählerinnen und Wählern gefordert. Eine Regierung der Neuen Volksfront wird sich ab den ersten Stunden nach ihrer Ernennung darum bemühen.
Den Wählern, die sich massiv für die Neue Volksfront eingesetzt haben, sagen wir: Wir verpflichten uns, eine gerechtere und solidarischere Gesellschaft aufzubauen, die der Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen entspricht, in der Arbeit besser entlohnt, Schwerarbeit besser anerkannt und öffentliche Dienstleistungen wieder hergestellt werden, und ab sofort die ökologische Wende einzuleiten, die für unser aller Zukunft unerlässlich ist. Eine Gesellschaft, in der jeder ein würdiges Leben führen kann.
Den Wählern, die nicht für uns gestimmt haben, den Rechten oder Rechtsextremen, wie auch denjenigen, die überhaupt nicht gewählt haben, sagen wir: Ja, wir wollen mit der Logik einer Seite gegen eine andere brechen und werden zusammenarbeiten, um die Zukunft des Landes zu gestalten und die öffentlichen Dienstleistungen zu finanzieren.
Wir sind davon überzeugt, dass wir das Leben der Französinnen und Franzosen konkret und schnell verbessern können, und dass uns das Fehlen einer absoluten Mehrheit nicht daran hindern wird. Wer wird die Erhöhung der Kaufkraft ablehnen, die wir mit der Aufwertung der Löhne und Gehälter und der Beamtenbezüge vorschlagen? Wer wird akzeptieren, dass die katastrophale Situation des öffentlichen Krankenhauses mit geschlossenen Notaufnahmen mitten im Sommer fortbesteht? Wer wird sich mit einem neuen Schuljahr abfinden, in dem unseren Kindern in den Schulen, Mittelschulen und Gymnasien so viele Lehrer fehlen werden?
In all diesen Schlüsselfragen werden die Parlamentarier Rechenschaft über ihr Abstimmungsverhalten ablegen müssen und die Bürgerinnen und Bürger werden es miterleben.
„Eine neue Art zu regieren“.
Wir sind uns bewusst, dass wir eine neue Art des Regierens in der Fünften Republik schaffen müssen. Das Parlament muss auf transparente Weise die Kontrolle über seinen Zeitplan zurückerlangen und die ihm vorgelegten Gesetzesentwürfe und -vorschläge in Ruhe diskutieren. Die Sozialpartner müssen angehört und respektiert werden. Es müssen neue Formen der Einbindung der Akteure vor Ort, der lokalen Abgeordneten, der Verbände und all jener, die unsere Demokratie im Alltag leben, erdacht werden.
Wir werden auch die französische Diplomatie in den Dienst des Friedens stellen, denn wir können nicht akzeptieren, dass Streitigkeiten in Europa und in der Welt mit Gewalt beigelegt werden. Wir werden uns dafür einsetzen, den Angriffskrieg von Wladimir Putin zu beenden, die Souveränität des ukrainischen Volkes zu verteidigen und auf eine Rückkehr zum Frieden hinzuarbeiten. Wir werden uns für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza und die Freilassung der Geiseln einsetzen. Und da der Präsident der Republik selbst bekräftigt hatte, dass die Anerkennung des Staates Palästina kein „Tabu für Frankreich“ sei, werden wir uns für seine sofortige Anerkennung an der Seite des Staates Israel auf der Grundlage der UN-Resolutionen einsetzen, um auf dem Weg zu einem gerechten und dauerhaften Frieden voranzukommen.
Schließlich werden wir den zivilen Frieden in Neukaledonien wiederherstellen, indem wir die Reform der Wählergruppen rückgängig machen und einen Diskussionsprozess im Geiste der Abkommen von Nouméa und Matignon wieder eröffnen.
Wir sind davon überzeugt, dass Frankreich noch immer die Werte Gerechtigkeit, Freiheit und Offenheit verkörpern kann, die seine Geschichte geprägt haben. Hassreden beschädigen es und passen nicht zu ihm.
Dies werden wir dem Präsidenten der Republik am 23. August, wenn wir ihn alle zusammen treffen, mitteilen, um die Hoffnung zu verteidigen, die sich am 7. Juli erhoben hat und die nicht enttäuscht werden darf.
Sie haben sich bereits vor zwei Monaten geäußert, jetzt ist es höchste Zeit zu handeln: Wie in allen parlamentarischen Demokratien muss die erstplatzierte Koalition in der Lage sein, eine Regierung zu bilden, im Parlament nach Vereinbarungen zu suchen und sich an die Arbeit zu machen.
Wir haben den ganzen Sommer über daran gearbeitet. Jetzt sind wir bereit.
Lucie Castets, Kandidatin der Neuen Volksfront für Matignon [Anm.: Amtssitz des Ministerpräsidenten].
Manuel Bompard, Koordinator von La France insoumise.
Olivier Faure, Erster Sekretär der Sozialistischen Partei.
Fabien Roussel, Nationalsekretär der Französischen Kommunistischen Partei.
Marine Tondelier, Nationale Sekretärin der Ökologisten
(eigene Übersetzung)
Hier unten nun die mit Marx gemachte Rechnung, sprich: eine mit dem Wirt gemachte. Und der „Wirt“ ist allemal der Wert, der Tauschwert einer Ware. Mit Marx geht das so:
Profit = Warenverkaufserlös minus konstantes Kapital (Maschinerie und Materialien in der Fertigung) minus variables Kapital (Fertigungslöhne).
Profitrate = Profit dividiert durch die Summe aus konstantem und variablem Kapital.
Werden Fertigungslöhne um X Prozent erhöht, erhöht sich der Warenverkaufspreis nach folgender Rechnung:
X Prozent mal Betrag des variablen Kapitals mal Profitrate.
Der Warenverkaufspreis erhöht sich demnach gehebelt. Hebel ist die Profitrate, welche mindestens bei 3 liegen dürfte. Nun — woher sollte Mme. Castets, eine Finanzbürokratin, dies wissen.
Naja, und falls sie es überraschenderweise dennoch wissen sollte, wird sie nicht so dumm sein, es dem Stimmvieh zu verraten. Wäre ja saudumm.
Sowieso gelaufen die Show. EU-offizieller Termin für die Einführung des digitalen Euros ist der 1.11.2025. Und ganz sicher hat Mme. Castets dies vergessen, ganz zufällig.
Am 1.11.2025 ist Schluß mit Lohnarbeit, es beginnt die Sklaverei. Folglich hat Macron vollauf recht: Ist scheißegal, wer den Ministerpräsidenten mimt. Die Würfel sind längst gefallen — bienvenus, esclaves, dans la servitude !