Dieter Dehms 75. Geburtstag hättest Du ja noch abwarten können, diesem „Hurrah, der Sänger mit den anderen Liedern ist da!“. Da hätte ich Dich gerne wieder getroffen, diesmal ohne mit Dir zu zoffen. So freun sich die Herrn, wenn Du Dich mit 90 viel zu früh ins Jenseits verabschiedest. Das hätten die Herrn schon vor langer Zeit so gern gehabt. Aber Deine Lieder bleiben hier im Diesseits – sehr zum Ärger der Obrigkeit lassen die sich nicht ausMERZen. Weder mit Fall- noch mit Klingbeil. Selbst jetzt, wo die beiden das Grundgesetz über die Klinge springen ließen und die Gerichte es mehr hin- als wieder herrichten.

Lieber Dieter, wir haben uns beim „Haste Töne Treffen“ sicher nur deshalb so heftig gefetzt, weil Du in der DKP und ich (noch) im KBW war. Dass ich als „GRUPPENAKKORD“-Mitglied Dir eine Reihe von 1848er Liedern „geklaut“ und 1848er Gedichte hinterhältiger Weise schon vor Dir vertont hatte („Verehrter Herr und König“, „Das Lied vom Geldsack“ usw ..)

war gar nicht der Streitpunkt. Auch nicht meine Begeisterung über den Auftritt des Frankfurter „linksradikalen Blasorchesters“ mit Sun Ra’s March.
Nein, ich gehörte zu Deinen „Klassenfeinden“, war gar ihr „Agent“, mindestens ihr „nützlicher Idiot“ …
Trotzdem habe ich viel von Dir gelernt und Dich beneidet wegen deines Labels „pläne“, während ich meine Lieder gegen den Widerstand der KBW-Leitstiere in schlecht schallgedämmten Badezimmern unserer WGs in der Frankfurter Uhlandstraße, im Bäckerweg, in der Falkstraße usw. mit zwei Kassettenrecordern vervielfältigen und handversenden musste. Beneidet, weil Du mit meinem Freund Wolfgang Neuss auf Tournee gingst, weil ich im Gegensatz zu Dir nicht zum Weltfriedens-Jugendfestival nach Sofia fahren durfte, weil mich Dieter Dehm bei den Organisatoren als „Antikommunist“ denunziert hatte … Mein Berufsverbot verdanke ich nicht nur Deinen Liedern, auch den meinen, aber der „Baggerführer Willibald“ war für die CDU schon die oberste Zielmarkierung. – Für die SPD (mit Ausnahmen) nicht minder. Dass dann noch ein DKP-Mitglied und Redakteur der „TAT“ aktiv zu meinem Berufsverbot beigetragen hat, ist eine weitere spannende Geschichte, in der die DKP den Angriff auf Dein Lied scharf verurteilte, aber mir die Solidarität gegen meine Disziplinierung verweigerte.
Berufsverbote mit Hilfe der DKP & der GEW ? – barth-engelbart.de
Alles nur Kleinkram!? Klar, um es mit dir zu sagen: „So weit alles klar“. Jetzt ist es höchste Zeit, das Trennende beiseite zu lassen, um gemeinsam gegen den herrschenden Wahnsinn aufzustehen. Ja, ja , ja … und doch will und kann ich das Trennende nicht ganz verschweigen und so tun, als ob da nichts gewesen wäre. Ich verweigere auch weiterhin das Bücken und das Verneigen vor irgendwelchen Masken oder Hüten, auch vor „Genossen“, die sich damals so darum bemühten, mich mundtot zu machen.
Es gibt nicht allzu viele nicht maskierte, „unbehütete“ Menschen, vor denen ich mich nicht erst am Grab verneige. Du bist einer von ihnen: HaBE mein „Lied vom Recht auf Essen“ für Dieter Süverkrüp zum kommenden 89. umgeschrieben: „Vom Recht auf Wohnen“: WolfWohnia, WolfWohnia – wir sind für Ihr Zuhause da! – barth-engelbart.de
Dieter Süverkrüp nachträglich zum 90.: „Dein Platz am Höllenfeuer“
Ein Platz am Höllenfeuer
ist mir lieb und teuer
Wo die besten Spötter
Aller Zeiten und Seiten
Beim Spießbürgerbraten
Entspannt beraten
Und sich darauf vorbereiten
Wie sie die Götter
und deren Stellvertreter
die hohen Priester Kaput-Baals
die Wahlversprecher,
Missbrauchstäter,
die Kapital- & Kriegs-Verbrecher
Für ihre Untaten
durch welchen Kakao
wie lange und wo
zur Rechenschaft ziehn
da will ich hin.
Seit Langem schon
Francois Villon
Tanzt Polinarrseilaise
Wir folgen ihm im Takt
Mit Neuss Testament
Zum Jüngsten Gerücht
Der freien Presse
Da jubeln Geigen, Flügel, Klarinetten
Harfen, Hörner und Gitarren
Die Pauken wirbeln um die Bässe
Nach endlos langem Klirren unser Ketten
Welch schöner Höllenlärm
Und Heidenspaß
beim Heulen der Sirenen
statt NATO-Alarm
unser teuflischer Pakt
der statt Kerne zu spalten
Nüsse knackt
und würzt mit Freudentränen
Die Erbsünde kriegt Aderlass
endlich bis zum Verbluten
Da geht sogar der Heilge Geist
viel lieber flöten
blasen und tuten
Und Eva vögelt Adam
Ohne Scham
Und ohne zu erröten
Doch nein,
ich hab es lange schon gewusst,
dass sie natürlich errötet
vor Freude, vor Lust
und ohne Heidenangst,
denn Gott ist tot!
in Notwehr
gegen Sünden-Last
und Gottesfurcht
und Dauer-Frust
hat sie ihn getötet
HaBE ich leider erst nach deinem Abschied nach unten am 23.03. fertig geschrieben
Günther Stamers Nachruf habe ich bei den Kommunisten geklaut: (ich hätte keinen besseren schreiben können)
„Mit sozialistischer Haltung, kunstvollen Reimen und ’süverkryptischen‘ Wortspielen“
20. März 2025

20.03.2025: Mit 90 Jahren ist der Jazz-Gitarrist, Liedermacher, Maler und Zeichner Dieter Süverkrüp gestorben
„Mit seinem Sprachwitz, seinem virtuosen Gitarrenspiel und dem Glauben an eine Gesellschaft von freien, wachen und antikapitalistischen Menschen war Dieter Süverkrüp einer der Gründerväter unter den deutschen Liedermachern. Vorigen Sonntag (16.3.) starb der Musiker und Maler im Alter von 90 Jahren in Köln, wo er lange lebte. Im Grunde seines Herzens aber blieb er Düsseldorfer mit Haut und Haar und seiner Heimatstadt eng verbunden, heißt es in der Rheinischen Post vom 17.03.2025.
Und weiter: „Er spielte Jazzgitarre bei den Feetwarmers und wurde 1957 zum besten Jazzgitarristen in Deutschland (Anm.; gemeint ist die Bundesrepublik) gekürt. Und dann war da noch sein ausgeprägter politischer Kopf: Bald schrieb er eigene Texte mit sozialistischer Haltung, kunstvollen Reimen und ’süverkryptischen‘ Wortspielen. Nahezu im Jahrestakt veröffentlichte er in dem von ihm mitgegründeten Verlag ‚pläne‘. Platten mit Titeln wie ‚Fröhlich isst du Wiener Schnitzel‘, ‚Der Baggerführer Willibald‘ oder ‚Auto Blubberbum‘.“
https://www.youtube.com/embed/wQWjiD2W6JMDer Baggerführer Willibald
https://youtu.be/wQWjiD2W6JM
Überhaupt war ihm das linke Plattenprojekt „pläne“ eine Herzensangelegenheit. Seit 1961 wurden dort unter dem Motto „Sehen Sie rot? Hören Sie mal rot“ Singles, EPs und LPs produziert und vertrieben. Die ersten Platten waren „Lieder der Französischen Revolution“ und „Lieder des europäischen Widerstandes gegen den Faschismus“. Als Sänger und Musiker, als Grafiker, als Ideenspender und Kontaktperson zu anderen Musikern war Süverkrüp dabei unverzichtbar. Er arbeitete u.a. mit der Rockgruppe Floh de Cologne zusammen, schrieb Lieder auch für Kolleg:innen wie das Duo „Zupfgeigenhansel“. Die „pläne“-Platten sorgten dafür, das „linke Musik“ in der oppositionellen politischen Szene der Bundesrepublik zum Alltag gehörten – für die Dauer von zwei Jahrzehnten.
Einer breiteren aufmüpfigen jugendlichen Öffentlichkeit bekannt geworden war Süverkrüp, als er gemeinsam mit Franz Josef Degenhardt, Hanns Dieter Hüsch und Wolfgang Neuss im „Quartett 67“ gemeinsam auf Tournee ging und die Highlights auf Vinyl zu hören waren. Bei dieser noch heute mitreißenden Zeitshow (heute als CD bei Conträr-Musik) sang Süverkrüp mit schwer sarkastischer Stimme die Legende vom „Kryptokommunisten“ der mit seinen „Unterwander-Stiefeln“ in der BRD unterwegs ist und man hörte seine anrührige Songerzählung eines Auschwitz-Überlebenden „Kirschen auf Sahne“.
https://www.youtube.com/embed/b-D3OPP7N14Dieter Süverkrüp: Folk-Anfänge in Westdeutschland (Burg Waldeck)
https://youtu.be/b-D3OPP7N14
Es folgten bis 1980 viele Plattenveröffentlichungen, die ihn als einen der großen politischen Liedermacher der BRD auswiesen. An Auszeichnungen mangelte es nicht. Darunter waren der Heinrich-Heine-Preis der DDR (1976), der Deutsche Kleinkunstpreis (1986) und der Preis der deutschen Schallplattenkritik (1995).
https://www.youtube.com/embed/y6Xw0sDXwGQ?list=PLGh5qaCl0RW92xUIFB7zHce2_TgMdNVoC&index=1Dieter Süverkrüp – Ça ira (Lieder der französischen Revolution)
https://www.youtube.com/watch?v=y6Xw0sDXwGQ&list=PLGh5qaCl0RW92xUIFB7zHce2_TgMdNVoC&index=1
1962 erschien seine erste Platte „Ça ira– Lieder der Französischen Revolution“, es folgten viele weitere, bis er 1980 die letzte Platte (mit zeitaktuellem Inhalt) mit dem vielsagenden Titel „So weit alles klar“ veröffentlichen sollte. Auf die Frage, warum dann Schluss mit der Liedermacherei war antwortete er:
„Natürlich war der Plattentitel ironisch, denn nichts war klar, mir kamen immer mehr Zweifel, sowohl an dem, was man das ‚Weltgeschehen‘ nannte, an den politischen Rezepten und besonders aber an dem, was ich so lange gemacht hatte. Ich fühlte zu viele Fesseln, wollte auch nicht mehr das ‚Sprachrohr vom Dienst‘ sein. Immer öfter stellte ich fest, dass Lernunfähigkeit als Prinzipienfestigkeit ausgegeben wurde. Es kam, wie es kommen musste, dieses Arbeiten war zu Ende, ich wollte wieder zurück zu dem, was ich eigentlich viel lieber machen wollte.“ (UZ 7.9.2018) – nämlich zeichnen und malen.
Ein Beispiel für den engagierten bildenden Künstler Süverkrüp sind seine hintergründigen Grafiken, die er für das Kuba-Buch von Hannes Stütz („Kuba-vom Zuckerrohr zur Zukunft“, 1978) beisteuerte, in denen er antikommunistische „Argumentations“-Muster entlarvt.
„Wir sind, wenn es gestattet ist, die Jugend.“
Und auch ein „Manifest“ verfasste Süverkrüp. Auf Bitten der sozialistischen Jugendorganisation SDAJ schrieb er 1980 einen Text, in dem Sehnsüchte, Bedürfnisse, Ängste und Forderungen „der Jugend“ formuliert werden; und zwar in einer Form, weitab von jedem parteichinesisch. „Wir sind, wenn es gestattet ist, die Jugend. Ziemlich ungefragt wurden wir ins Leben getreten,“ beginnt das „Manifest der Jugend“ und liest sich auch heute noch erfrischend aktuell.
Lassen wir Dieter Süverkrüp nun noch einmal in seinen Liedtexten zu sprechen.
https://www.youtube.com/embed/FfHxD5VNqwMDieter Süverkrüp – Erschröckliche Moritat vom Kryptokommunisten
https://youtu.be/FfHxD5VNqwM
Bereits in dem 1968 veröffentlichten Lied 1968ster Psalm summiert er seine Kapitalismuskritik, die für seine weiteren Veröffentlichungen prägend sein sollte:
„Aber am achtzehnten Tag schuf Gott,
sei es im Zorn, sei es aus Nachlässigkeit
den Kapitalismus
Und daraus wurde ein eiserner Engel,
mächtig gestreckt über Kontinente
leidend an Freßlust und Schwachsinn
scheißend Napalm und Bomben
wie er gerade sich dreht
Und frißt von den Völkern die Saat und die Ernte
und reißt ihr Fleisch
so sie’s verweigern“
In einem seinem bekanntesten Lied („Phrix-Gesang) von 1971 heißt es:
Da gingste nun in gottergebner Stille
seit Jahr und Tag in die verdammte Mühle,
nicht sehr begeistert, aber unentwegt.
Da machte der Direktor noch Getöses,
die Firmenleitung denke an nichts Böses.
Paar Tage später warste stillgelegt.
Nun stehste da und bist verratzt.
Dein Arbeitsplatz ist dir geplatzt.
Da helfen Tränen nicht noch Tricks.
Für dich is nix
mehr drin bei Phrix.“
„Mir würde es heutzutage reichen, wenn die Menschheit gerettet würde.“
Für das Folk-Duo „Zupfgeigenhansel“ schrieb Süverkrüp 1982 zur Zeit der Massenproteste gegen die Stationierung der NATO-Raketen auf bundesdeutschem Boden den Song „Miteinander“ in dem es heißt:
„Im wesentlichen Falle, da / brauchen wir uns alle / auf diesem Erdenballe, damit er / nicht zerknalle. / Schiebt alle Streitigkeiten für / eine Weil’ auf Seiten / und lasst uns drüber streiten/ dereinst in Friedenszeiten.
Oli,oli ola, wir sind miteinander da/ zusammen und gemeinsam/ nicht einsam und alleinsein.
Oli,oli, ola miteinander geht es ja/ wenn wir zusammenkommen / kommen wir der Sache nah.“
Auf die Frage „Was würden sie sagen: Ist das politische Lied noch zu retten?“ antwortete er vor zwanzig Jahren: „Mir würde es heutzutage reichen, wenn die Menschheit gerettet würde.“ (junge welt 20.2.2003)
Angesichts des jetzt vom Bundestag beschlossenen Aufrüstungspakets, ist dieser Wunsch aktueller denn je.
txt: Günther Stamer
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Lieber Johannes, ,manchmal könnte ich vor Freude heulen. Und das passierte auch beim Lesen Deiner Zeilen wieder. Da ist das Zusammen, was Dieter in seinem Lied meint, dessen deutschen Text ich lange im Vergleich zum italienischen Original eher schwach fand. Das italienische Original singe ich aber nach wie vor lieber als Dieters neuen Text. Er wird mich oben oder unten gut verstehen. Beim Bella Chiao singe ich das italienische Original auch lieber als den Text von Dieter Dehm. Ganz liebe Grüße
nach Südgallien und auf ein Treffen in Marburg würde ich mich auch sehr freuen. Es gibt eben doch noch andere Gründe nach Marburg zu fahren als onkologische. HaBE
Lieber HaBe,
ich lese seit Langem Deine Spots.
Meist mit großem Genuss.
Heute, in meinem refuge in Südgallien, in das ich ab und an vor dem AufrüstungsWAHNsinn fliehe, lese ich Trauriges.
Dass Dieter Süverkrüpp, der mich seit den Mit60ern begleitet hat, gestorben ist.
Und ich danke Dir soooo für Dein starkes ouevre zu seinem Ortswechsel.
Ich freue mich, dass ich mit meinem Denken (noch) nicht völlig allein da stehe.
Über Deine Zeilen heute aber besonders!
Johannes Maria Becker, Marburg