»Ich verstehe immer mehr, was in dieser Partei passiert«
Verantwortliche für Boykottkampagne gegen jW im Internet sieht sich von Linke-Politikern allein gelassen. Ein Gespräch mit Linda Block
Rüdiger GöbelLinda Block ist Schülerin in Berlin und redaktionell verantwortlich für den jW-Boykottaufruf im Internet (freiheit-und-sozialismus.de)
Sie sind Schülerin in Berlin und haben im Internet nach dem »Danke«-Titel der jW am 13. August unter dem Logo der Linkspartei eine Boykottkampagne gegen die junge Welt gestartet. Seit wann sind Sie Linke-Mitglied?
Ich bin 2009 der Linken beigetreten, weil ich es an der Zeit fand, daß mal eine Partei rankommt, die ihre Chance noch nicht hatte.Die Boykottseite wurde vom Büromitarbeiter des Bundesschatzmeisters Raju Sharma realisiert, der Aufruf »Keine Kooperation mit der jungen Welt!« nach dessen Veröffentlichung von mehreren Linke-Landesvorsitzenden und Bundesvorstandsmitgliedern unterzeichnet. Woher kommen Ihre Kontakte zur Parteispitze?
Ich bin in der Partei nicht weiter engagiert. Auf Facebook bin ich aber mit tausend Leuten befreundet, wegen Informationsaustausch, wegen Nachrichten und so kam das.Die Boykottseite wurde am 13.August registriert, also noch am Tag des Erscheinens des strittigen jW-Titels…
Weil einer schnell mitgedacht hat. Man braucht eh mal eine Seite für den bevorstehenden Parteitag. Und da hat sich jemand so drüber aufgeregt, daß er gesagt hat, das ordere ich gleich, und mal gucken, was draus gemacht wird. Da war noch nicht klar, was das wirklich wird.
Ich habe sie nicht gegründet. Ich kam in eine Diskussionsgruppe rein, in der überlegt wurde, was gemacht wird…Heraus kam die Aufforderung an »Vorstände von Partei und Fraktionen der Linken«, endlich »Konsequenzen« zu ziehen: »Ein Anfang wäre die Einstellung jeder Kooperation mit der Tageszeitung junge Welt, was damit beginnt, diese Zeitung nicht mehr durch Anzeigenschaltung quasi ›mit zu finanzieren‹ und ihr keine Stände mehr auf Veranstaltungen und Parteitagen zu genehmigen.«
Für mich ist das keine Boykottkampagne, ein wirtschaftliches Niedermachen war nicht gegeben – auch wenn ich das aufgrund meines zu kleinen Einblicks nur stark vermuten konnte. Ich wollte die junge Weltnicht kaputtmachen, das war nicht mein Ziel. Ich unterstütze den Aufruf auch nicht in vollem Maß. Es gab ein Kollektiv, das sich auf diesen Kompromiß verständigt hat. Was ich unterstützt habe, ist die Frage der Anzeigenschaltung.Öffentlich zeichnen Sie dennoch verantwortlich für den Boykottaufruf.
Wenn ich in der Grundform etwas unterstütze, stehe ich dafür auch mit meinem Namen ein. Da kann ruhig jeder wissen, die Linda Block ist dagegen oder dafür. An der Seite zum 13. August hat mir speziell ein Satz nicht gefallen: »Danke für Hohenschönhausen.«Das stand da nicht.
»Danke für Hohenschönhausen ohne Hubertus Knabe«, ja. Und das fand ich echt übel.Was ist an Hubertus Knabe gut?
Darum geht es nicht. Ich finde, man sollte nicht Danke für eine Folterinstitution sagen.Was junge Welt auch nicht gemacht hat. Aber zurück zur Webseite. Der Boykottaufruf stagniert bei 475 Unterzeichnern, das ist kein Promille der Parteimitglieder. Mehrere haben zudem »anonym« unterschrieben, von anderen ist bekannt, daß sie fälschlicherweise draufstehen. Kritisiert werden nur Sie dafür. Würden Sie so eine Aktion noch mal machen?
Nein.Fühlen Sie sich von denen, die Sie an die Spitze gesetzt haben, im Stich gelassen?
Das ist die Frage. Ich verstehe immer mehr, was in dieser Partei passiert. Und ich finde es unmöglich. Wäre das Ganze etwas geworden, hätten die Leute als erste dagestanden und geschrien, das war meine Idee. Wo es nichts wird, heißt es, wir haben da vielleicht noch was in der Hinterhand und eventuell und nein… Ich hätte eine Erklärung geschrieben, was das nun gebracht hat. Das wollte niemand. Die haben mich ganz schön allein damit gelassen.Und wer sind »die Leute«, die sich über einen Erfolg gefreut hätten…
Zu den bekannten gehören Halina Wawzyniak, Klaus Lederer, Mark Seibert …
… die stellvertretende Linke-Bundesvorsitzende, der Berliner Landesvorsitzende und der Internetbeauftragte des Karl-Liebknecht-Hauses, der beim Bundesschatzmeister angestellt ist – den Kopf hinhalten muß eine Schülerin, die erst seit kurzem politisch engagiert ist …
Die haben gewußt, was passiert, ich nicht. Halina wollte nicht ins Impressum. Sie meinte, dann würde das Ganze in einem falschen Licht stehen und in Verruf geraten. Dann lieber eine »Unbekannte«. Halina hat aber auch weiter nichts gemacht, und das kreide ich ihr an. Sie hat nicht einen Blog-Beitrag darüber geschrieben, sie hat die Seite nicht einmal verlinkt. Sie hat irgendwie als 50. unterschrieben anstatt als zweite. Ich finde das nur noch traurig …
Ich habe die junge Welt-Interviewanfrage in das Forum gesetzt, in dem wir uns unterhalten. Da gab es heiße Kontroversen. Ich solle es nicht machen, hieß es, und wenn nur schriftlich. Oder: Sag einfach immer »Nö«. Dann hieß es, es gibt noch irgendeinen Beschluß für den Parteitag. – Wir haben zusammengearbeitet, und dann erfahre ich erst kurz vor so einem Interview, da passiert noch irgend was … Diese Mauscheleien und dieses »Ich behalte die wichtigsten Aussagen für mich, weil ich in der Position dazu bin« finde ich unmöglich. Ist doch kein Wunder, wenn das nur gegeneinander geht, wenn keiner ehrlich ist. Grüppchen gegen Grüppchen, so haben sich die Linken durch die Geschichte hinweg schon immer kaputtgemacht.
Den Artikel finden Sie unter: http://www.jungewelt.de/2011/10-20/047.php
(c) Junge Welt 2011
Eine Art Plagiat
Uwe Jürgen Ness schreibt in seinem Internetblog zur Kampagne gegen junge Welt:
In dem Aufruf »Freiheit und Sozialismus«, der zum Boykott der linken Tageszeitung junge Welt auffordert, wurden offenkundig Unterschriften gefälscht. So war zum Beispiel dort unter dem Namen von Ruben Lehnert aus Berlin-Neukölln zu lesen: »Als Freund des Trotzkismus kann ich die Stalinisten der Jungen Welt nicht leiden und hoffe, daß sie bankrott geht. Viva Marx 21! Grüße an Yaak Pabst und Luigi Wolf.« Aufgeflogen ist die Manipulation erst durch einen bloßen Zufall, als sich ein Aktivist auf einer parteiinternen Mailing-Liste über Ruben Lehnerts vermeintliche Unterstützung des Aufrufs wunderte und dieser auf Nachfrage mit den Worten »Diesen Eintrag habe ich nicht verfaßt« dementierte. (…) Die Frage ist, wie viele gefakte Unterschriften finden sich unter dem jW-Boykottaufruf sonst noch? Wie viele davon sind überhaupt Mitglieder? (…)
Da es auch über den Blog an sich immer wieder zu Unklarheiten kommt: Der Aufruf »Freiheit und Sozialismus« zum jW-Boykott hat nichts mit dem antikapitalistischen Blog »Freiheit durch Sozialismus« zu tun, sondern der Anti-jW-Blog ist bereits von seiner Anlage her eine Art Plagiat. (…)
Im Impressum des jW-Boykott-Blogs finden sich als Verantwortliche Linda Block und für die »Realisierung« ein Mark Seibert. Mark Seibert ist im Karl-Liebknecht-Haus angestellt und schreibt über sich selbst auf seinem Twitter-Account: »Mark Seibert […] arbeitet bei der LINKEN und twittert aus der Wahlkampfzentrale«. Zusätzlich zu seiner halben Stelle in der Parteizentrale ist Mark Seibert noch bei Raju Sharma beschäftigt, Bundestagsabgeordneter und Schatzmeister der Partei. Nachgerade dreist ist es, wenn ein Angestellter der Partei für seine eigentlich privaten Feldzüge dann auch noch den offiziellen Schriftzug der Partei mitsamt dem dazugehörenden Logo für seinen Kampagnen-Blog verwendet, so als ob es sich um eine offizielle Untergliederung oder ein Statement der Partei Die Linke handeln würde.
Mark Seibert ist übrigens zudem Gründungsmitglied des bellizistischen BAK Shalom, ein Bundesarbeitskreis innerhalb der Linksjugend [’solid]. Auch hier wieder eine semantische Umwidmung zwecks Verunklarung: Der BAK »Shalom« ist nämlich gar nicht so friedliebend, wie man zu denken geneigt ist: So hat er 2009 etwa auf einer Demonstration die Weiterbombardierung des Gazastreifens durch die israelische Luftwaffe gefordert, bei der über 1500 Menschen zu Tode kamen. (…)
Liebe Genossinnen und Genossen vom Forum demokratischer Sozialismus (fds) und der Emanzipatorischen Linken (EmaLi): Wie totalitär seid Ihr eigentlich 20 Jahre nach der Wende? Da ist das Wort gefallen vom »Drecksblatt, das man austrocknen« müsse (Achim Bittrich, stellvertretender Landesvorsitzender der Linken in Sachsen-Anhalt). Das allein sagt schon alles und welchen Geist der Aufruf atmet. Neben der Kampagne gegen die jW gibt es zahllose Beispiele, wie unter einer fds-Dominanz die innerparteiliche Demokratie geartet ist: Die eiskalte Ausgrenzung der linken Minderheit bei der Listenaufstellung in Mecklenburg-Vorpommern ist nur das letzte, besonders markante Beispiel. Daß die jW genau dies als überregionale Tageszeitung thematisiert, ist natürlich den Leuten, die davon profitieren, ein Dorn im Auge.
(…) An der Stelle würde man sich wünschen, daß diejenigen in der Linken, die sich jetzt an den Mauern von vorgestern und der jungen Welt abarbeiten, dies an den Mauern von heute tun würden. Und die werden zum Beispiel an der Südgrenze der EU und zwischen Israel und Palästina gebaut. Aber das interessiert genau diese Akteure natürlich herzlich wenig. Warum bloß?
Den Artikel finden Sie unter: http://www.jungewelt.de/2011/08-24/024.php
(c) Junge Welt 2011
Könnte es Mal jemand aus der LIINKEn BUVO-Ebene wagen den Herrn Seibert zurückzupfeifen ?
Ich bin im vergangenen Jahr vom ND zur „Jungen Welt“ gegangen. Mich hat damals geärgert, dass man auch nicht einen tatsächlich kurzen Leserbrief mit einer Sympathieerklärung für Gesine Lötsch veröffentlicht bekam, aber Kritik ihr gegenüber in jeder Form veröffentlicht wurde. Nach mehreren solchen vergeblichen Versuchen bin ich jetzt mit dem Bezug und dem Inhalt der „Jungen Welt“ ganz zufrieden. Lothar Ratai aus Feldberg