Fragen zum “ Trauerspiel von Afghanistan (nicht vonHaBE,nicht von Lafontaine sondern von Theodor Fontane)“
Hallo Herr Barth-Engelbart, wenn ich das richtig verstanden habe, sind die Zivilisten, die bei der Explosion der Tanklastzüge getötet wurden, damit beschäftigt gewesen, Benzin zu stehlen.
Mit Verlaub: entfällt da nicht die Verpflichtung zur Blutrache?
Herzliche Grüße
R.H.
Das Trauerspiel von Afghanistan http://www.barth-engelbart.de/?p=406
Lieber R.H.
kennen Sie das sogenannte „Fringsen“? Da haben die Frankfurter kurz vorm Erfrieren die extra langsam einfahrenden Züge sogar mit kirchlichem Segen geplündert, Kohle oder was sonst noch brauchbar war. Wo haben denn die NatoStaaten „ihr“ Benzin her ? Und wieviele Menschen in Afghanistan sind mit deutscher logistischer Unterstützung schon ermordet worden ? Gehn Sie ins Internet und machen Sie sich kundig. Oder fragen Sie meinen ((derzeit noch durch Europa tourenden ?)) Ex-Studienkollegen Khasan, der ist Paschtune und mittlerweile über 70. Er versucht sein Heimattal mit Hilfe von Spenden mit Schulen, Obstplantagen, Krankenstationen und -Häusern auszustatten und das seit den End70er Jahren … doch immer mehr kommen ihm
die Luftangriffe dazwischen. Die Bauern dort haben sich dort Höhlen fürs Überleben gegraben. Die Besatzer bombardieren diese Behausungen als angebliche Taliban-Al kaida oder sonstwas-Schlupfwinkel. Und dann kommt der
SteinBomberschmeisser mit Wiederaufbauhilfe ? Oder die Merkel ? Wenn sie alle umgebracht haben ?
Lieber HaBE,
das „Fringsen“ kenne ich, ja. Dass aber (wenn schon Vergleiche sein müssen), wenn der Kohleklauer erwischt wurde und evtl. sogar zu Tode kam, dann wollen Sie doch wohl nicht ein Recht auf Blutrache gegen den evtl. beteiligten französischen Soldaten für gerecht anmahnen.
Grüße R.
—– Original Message —–
Lieber R.H.
Also, wenns meine Schwester, mein Bruder oder mein Kind gewesen wäre, ich hätte beinahe den Mörder mit dem Vorschlaghammer erschlagen. Ein mir sehr bekanntes Mädchen konnte 1945 bis 48 beim Betteln an den Zelten der US-Soldaten immer knapp der Bezahlung entkommen. Ein mir ebenfalls sehr bekannter Junge wurde Mal in einem evangelischen Zeltlager 1961 von einem Diakon missbraucht. Ich hatte nachts das ganze Wimmern mitgehört, aber nicht gewusst, ob es einer ist, der nur Heimweh hat.
Morgens hat mir dieser Junge heimlich unter Tränen erzählt, was der Diakon mit ihm gemacht hatte. Ich habe den Diakon nicht erschlagen, aber am nächsten Morgen beim evangelischen Morgenapell öffentlich laut verbal angegriffen und gesagt, was er mit einem Jungen gemacht hat. Der Junge war 12, ich war noch keine 14. Darauf wurde ich aus dem Zeltlager
ausgeschlossen.Ich wurde im Nachbarzeltlager aufgenommen, die DLRG-Jugend hat mir Asyl gewährt.
Einen Freund haben sie 1966 beim Versuch, nachts die Kaserne zu verlassen, am Zaun erschossen. Opfer-Täter, der Wachhabende. Ich habe ihn nicht erschlagen.
Mein Freund Thomas Weisbecker, dessen Großeltern, Onkel und Tanten mütterlicherseits alle in Auschwitz vergast wurden, wurde 1972 in Augsburg von einem SEK-Kommando auf der Flucht erschossen … 1971 hatte er noch bei seiner Verhaftung bei der Sprengung eines Wohltätigkeitsfressens der Bankfurter Speckgürtel-HauteVollée im Wiesbadener Kurhaus den Greifern zugerufen: „Wir werden euch nicht noch einmal den Juden machen!“ Er hat sich, zumindest was ihn selbst betraf, etwas geirrt. Nun ja, Thomas war kein Jude. Aber das hat ihm auch nichts mehr genützt. 1972 war er tot. Ermordet.
Warum ich Dir das alles erzähle ?
Natürlich ist das alles nicht so schrecklich wie die Phosphorbomben über Gaza oder die über 100 „lufterschlagenen“ Menschen jetzt bei Kundus.
Ich will nur darauf hinweisen, dass ich Selbstjustiz auch dabei nicht richtig finde. Aber es gibt andere Kulturkreise, in denen ist Blutrache ein Grundrecht, eine Grundpflicht. Das mag man schlimm finden. Die Leute dort findens zumindest nicht soooo falsch. Sie sagten mir, das hätte eine sehr stark abschreckende Wirkung. Es gab erstaunlich wenige Morde bei den
Paschtunen. Die Bundeswehrsoldaten und – innen, die tv-dokumentiert in Sachsen- auf ihren Einsatz in Afghanistan vorbereitet werden – völlig lächerlich und „KleinKunstKabarett-Preis-verdächtig“, eben tragikomisch, haben keine Ahnung
davon, wo sie eigentlich hin- und immer öfter auch umkommen.
Sie wissen genauso wenig, wofür überhaupt … die nachhaltige (Zer-)Störung der Anbindung des Nahen- mit dem Fernen Osten per Gas- und Ölpipelines, aber es geht auch um die strategische Einkreisung des Wasserreservoirs für gesamt Asien: Hindukusch, Tibetisches Hochland. Störung der beginnenden Allianz fernöstlicher Ökonomie-Riesen.
Das Ziel der EUSA ist nicht ein friedliches Afghanistan, sondern entweder die Dauerpräsenz des Militärs in einer destabilisierten Region und/oder die Heranzüchtung eines Stellvertreters mit westlich orientierter Armee und
Polizei.
Das aber wird nicht gehen.( Das Seitenverkehrte hatte die UdSSR unter besseren Vorzeichen auch nicht für ewig geschafft.) Das EUSA-Model Karsai kann sich auch nur in seinem Hochsicherheitstrakt bewegen, sein „Gegner“
ebenfalls. Alles armani-betuchte Marionetten, und der vielzitierte (besonders vom Bundeswehrverband) Provinz-Gouverneur in Kundus, der das Bombardement begrüßt hat als „Strafe für die Bewohner, die die Taliban
unterstützen“, ist selbst von Bundeswehroffizieren, MAD und BND-Leuten als Sicherheitsrisiko eingestuft, denn er ist Drogenhändler, Schutzgelderpresser und arbeitet gelegentlich -je nach Kassenlage- mit den Taliban zusammen.
(Näheres dazu gibts bei steinbergRecherche, bei Hörstel, bei Scholl-Latour usw…) .
So. Nicht ich muss beantworten, ob ich es gut finde, dass eventuell neben dem General Massue auch noch einige andere hohe Offiziere der fränzösischen Armee der Blutrache Algerischer Nachkommen von Massaker-Überlebenden zum
Opfer fallen, weil sie Tausende von Algerierinnen im Auftrag Francois Mitterands und Charles de Gaules abgeschlachtet haben. Und ob ich das gut und gerecht ist oder gerächt.
Die Soldaten und Offiziere der Bundeswehr müssen damit rechnen, dass sie und ihre Familien, ihre Verbände, ihre Städte und Dörfer eventuell Ziele solcher Blutracheakte werden. Da nützt auch kein Schäuble-Schutzwall was.
Ob ich das gut finde, danach fragt mich kaum ein Paschtune, aber sie wurden ja auch nicht danach gefragt, ob sie diesen Krieg wollen, ob sie mitsamt ihrer Hochzeitsgesellschaften, Trauergemeinden, Familien bombardiert werden wollen, ob sie ihre Felder vernichten lassen wollten, ihre Schulen, Krankenhäuser, Universitäten, Museen, Kulturdenkmäler, ihre Wasserwerke, ihre Bewässerungsanlagen, ihre Bauernhöfe, Plantagen, Gärten, ihre Viehherden … Das alles wurde mit Hilfe der USA, der EU, die die „Volksmudschaheddin“ finanzierten, die die Taliban aufbauten, zerstört.
Unter der Afganischen Regierung Nadschibullahs gab es bis 1992 noch mehrere Ministerinnen, gingen alle Mädchen in die Schulen, wurde die Landwirtschaft entwicklet. Das kostenlose Schulsystem auf- und ausgebaut, ein vorbildliches
Gesundheitswesen aufgebaut usw…
Jetzt ist alles zerbombt.
Ich kann mich noch gut an die TV-Bilder erinnern, die den GRÜNEN Milan Horaczec (erst Jutta-Fan, dann Joschka Berater, dann Vaclav Havel-Berater) mit stolz geschwellter Brust auf einem eroberten SU-Panzer der „Volks-Mudschaheddin“ zeigt.
Für mich einer der wichtigsten und unverdächtigsten aktiven Zeitzeugen ist der der ehemalige aghanische Erziehunsminister einer paschtunischen Grenzprovinz zu Pakistan: Khasan Gul Tani
http://www.zeitzeugen.ch/documents/AnkuendigungKasanGulTani.pdf
Khasan Gul Tani hat mit mir zusammen in Frankfurt bei Heydorn (Pädagogik)und Jouhy
(Psychologie und Soziologie)studiert. Er studierte im Hauptfach Physik (Lehramt). Er war der führende Kopf der
„GUAS(Generalunion Afghanischer Studenten)“ und eine große
Auseinandersetzung gab es mit Ernest Jouhy-Jablonsky: Khasan und ich
unterstützten die FRELIMO im Kampf gegen den Bau des Staudammes Cabora
Bassa, Jouhy war dagegen: er war der Überzeugung, dass der Staudamm erst die
Voraussetzungen für die Herausbildung eines modernen Proletariats in sofern
bilden würde, als mit dem Bau und der Industrialisierung Mozambiques eine
Bourgeoisie entstünde, die die Voraussetzungen für eine sozialistische
Revolution brächte … ein typisch eurozentristischer, linkskolonialer
Gedankengang. Wo uns die fordistische und postfordistische Entfaltung der
Produktivkräfte hinbringt, das können wir am noch lebendigen Leibe
beobachten , wobei die Peripherie als erstes krepiert.
Khasan ist sich treu geblieben und seinen Leuten auch. Ich hatte ihn 35 Jahre lang nicht mehr und schon im Himmel gesehen oder in der Hölle. Na ja, weit davon ist er in Afghanistan so oder so nicht entfernt.
Er war wie ich der Ansicht, dass nicht alle Völker/Ethnien der Welt durch die Hölle des Manchestertums müssen, um kommunitär zu produzieren, ihren Lebensstandard zu verbessern. NEIN ! sagt der Professor: es muss ein bisschen Zwingli sein, auch Calvin muss erst rein, dann darf man , dann kann man sich befrein ! Wie fein!!!Nur sehen das die noch nicht eurozivilierten Eingeborenen nicht ein. Vielleicht kann ja die Heidemarie noch ein paar U-Plus-Lehrer für das robuste Mandat gewinnen. Erst Bomben, dann Pauken, Tabletten und Prothesen. „weltwärts!!!“ früher hieß das doch noch „vorwärts“ Oder ?
Gruß
HaBE