WAS TUN ? Wenn die Arbeiterklasse sich bewegt, aber nicht so, wie ihr Vormund es will

Ein Nachruf auf Klaus Renft und die Geschichte der Renft-Combo als Beitrag zum Sammelband „Antworten auf offene Fragen der Arbeiterbewegung – zum Verhältnis Partei und Klasse“
(von Hartmut Barth-Engelbart & Leopold Lapsus)

„Ob im Osten oder Westen, wo du bist ist’s nicht am besten…“Kaum eine Formation hat sich vor und nach der Wende, der Kolonisierung der DDR so wenig verbiegen lassen, wie die Renft-Combo, Stachel im Sitzfleisch. Keep on rockin’ … Die Anfangszeile war ihr und ist bis heute so was wie ihr Credo: Ob im Osten oder Westen …(Auch wenn es nicht klar ist ob sie aus dem Renft-Fundus von Gerulf Pannach oder von HenryMartinKlemt stammt.)
Nachruf auf Klaus Renft
gestorben am 9. Oktober 2006
(NachNachruf auf Gerulf Pannach (98) und Pjotr Kschentz (05))
DU LÄSST UNS WEITER FLIEGEN
in der Asche
hirnverbrannter Erde
hast du Blumen
blühen lassen
und ich habe sie gerochen
als die ersten dünnen Sprossen
den verkrustet schwarzen Staub
endlich aufgebrochen
hatten
platzten Knospen
Blüten flogen
Vögeln gleich zur Sonne
Wer sollte ihren Flug aufhalten
Du bist im Oktober
vom Himmel
unter uns
gefallen
auf fruchtbaren Boden
Du lässt uns weiter fliegen
(HaBE 12.01.2007)
Als der Rock-Musiker Klaus Jentzsch 1968 unter dem Namen Renft bereits seine 3. Band gründete und ich seine Musik zum ersten Mal bewußt hörte, war es mir nicht mehr möglich, die neue Renft-Combo live zu erleben:
Klaus durfte nicht aus- und ich nicht einreisen – ab 68/69 war ich „persona non grata“ im Arbeiter- & BauernStaat.
(weil ich die Unterstützung der BruderArmeen für den Prager Frühling nicht so toll fand)
Die Amiga LPs der Renft-Combo waren nicht nur im Osten schwierig zu ergattern: das West-Distributions-Kartell für Kultur aus der DDR trug auch zum Verschweigen der Rock-Rebellen bei – da verteilte man lieber die Phudys und Karat, die mit ihrer Musik und ihren Texten eher beat-club-kompatibel waren und deshalb auch bis zum Abwinken den DDR-Rundfunk notbeatmen durften, wenn durch das Notventil oktoberclub zu wenig Frischluft hereinkam.
Die Renft-Texte waren und sind sanft.
Gerade das macht sie so explosiv.
Und das hatten die Rest-&Rostverwalter des realexistierenden Sozialismus instinktiv erkannt.: Verbieten, verschweigen, ausweisen, abschieben, ausbürgern. Doch so war auf Dauer trotz Mauer die DDR nicht zu retten und die Renft-Combo nicht zum Schweigen zu bringen.
Jetzt erst ist es stillgeworden, Gerulf Pannach starb im Mai 98 an Krebs, Peter Kschentz im September 2005 und jetzt Klaus „Renft“-Jentzsch.
Ob Christian Kunert und Peter Gläser es schaffen, die „Renft-Combo“ weiter leben zu lassen?
Die Zähigkeit, die der Werdegang der Renft-Combo offenbart, lässt hoffen – genau so wie die Tatsache, dass ihre Mitglieder sich niemals – auch nicht nach der Kolonialisierung der DDR haben instrumentalisieren lassen – im Gegensatz zu solchen Leuten wie Wolf Biermann., der die Bombardierung Belgrads und Bagdads öffentlich beklatschte und „Soldat, Soldat in grauer Norm“ die Entsendung von deutschen Soldaten dorthin und sonstwohin begrüßt.
Gerade weil sich die Combo nicht hat vereinnahmen lassen, weil sich ihre Texte auch im Westen querstellten, wurden sie nach der „Wende“ nicht sonderlich promotet.
Und jetzt- im gebotenen Zeitraffer – die Story der „Renft-Combo“:
Die Band, die wie keine andere (einschließlich Freygang und Feeling B) für Nichtanpassung und Aufmucken in der DDR stand, wurde von Klaus Renft 1971 in Leipzig gegründet. Die Renft-Combo schrieb deutsche Rockgeschichte. Sie stand (und steht immer noch) für spontanes Querliegen, Streben nach selbstbestimmtem Leben, für kritische Texte, für Rockmusik ohne Schnörkel. Gerade mal fünf Jahre waren ihre Titel im DDR-Rundfunk zu hören. Und doch haben sie eine ganze Generation geprägt.
Renft, eigentlich Klaus Jentzsch, wurde 1942 in Jena geboren. Eine Tischlerlehre bricht er kurz vor der Abschlussprüfung ab, um 1958 seine erste (Schüler-) Band zu gründen. Der 16-Jährige benennt sie nach dem Mädchennamen seiner Mutter: „Klaus-Renft-Combo“. Nach fünf Jahren Rocken kam das Aus: zu viele zerbrochene Stühle, zu viele euphorische Fans und nicht die Art gepflegte Musik, die viele Kulturfunktionäre sich für Tanznachmittage und -abende in HO-Gaststätten und bei Partei- und FDJ-Festen wünschten. Renft ließ nicht locker und gründete eine neue Band, die Butlers. Die Stasi legt eine Renft-Akte unter dem Decknamen „Wanderer“ an. Aber immerhin konnte die Renft-Kombo in zwei Jahren vier Titel bei dem DDR-Label „Amiga“ produzieren. Damals hielt die Stasi in der „Wanderer“-Akte fest: „Renft trinkt viel Alkohol und hat wechselnde Frauenbekanntschaften“.
Das Verbot der Butlers kam 1965 und löste den berühmten Leipziger Beat-Aufstand aus. Den Butlers half das wenig. Ihre Auftrittsgenehmigung erhielten sie nicht zurück.
Dabei wollte Klaus Renft doch nur Musik machen. Will man seinen Worten glauben, waren seine Ambitionen gänzlich unpolitisch. Dennoch löste alles, was er anpackte politisches Misstrauen aus.
1968 gründete er erneut eine Renft-Combo. Diese Band sollte Anfang der 70er nicht (nicht nur Rock- sondern auch) Musikgeschichte schreiben – in der Besetzung mit Jochen Hohl, Gerulf Pannach, Peter „Pjotr“ Kschentz, Thomas „Monster“ Schoppe (nicht verwandt oder verschwägert mit der gleichnamigen Grünen Waltraud), Klaus „Renft“-Jentzsch, Christian „Kuno“ Kunert und Peter „Cäsar“ Gläser.
Klaus Renft, der nie als genialer Bassist galt, hatte die Gabe, fähige Leute um sich zu versammeln, um seine Visionen zu verwirklichen.
1969 entstehen zunehmend eigene Lieder, die Zusammenarbeit mit dem Texter Gerulf Pannach beginnt. Während der kurzzeitigen Liberalisierung der DDR-Kulturpolitik konnte die Band im Oktober 1971 erste Rundfunkaugnahmen machen. Zwei herausragende LPs entstanden in den Jahren 1973 und 1974. Songs wie „Gänselieschen“, „Der Apfeltraum“, „Wer die Rose ehrt“, „Ketten werden knapper“ sind unvergessen. Renft erinnert sich in seiner Biografie „Zwischen Liebe und Zorn“: „Die Leute gerieten bei den Konzerten so in Ekstase, dass sie sich wie in Trance alle Kleider vom Leib rissen. Unserem Leadgitarristen Peter Gläser hat so eine Hippiemaus mal vor lauter Lust in die rechte Zehe gebissen.“
1973/74 steuerte die Klaus-Renft-Combo die Musik zum DEFA-Film „Für die Liebe noch zu mager“ bei.
Auf dem Gipfel ihrer Popularität spitzten sich die Auseinandersetzungen mit den DDR-Behörden zu. Hatten sich manche Kulturfunktionäre schon lange am wilden, ungebärdigen (und vollbärtigen) Auftreten der Band gestört, so nahm die Combo nun auch zu Tabuthemen wie Wehrdienstverweigerung und Republikflucht Stellung.
Der Liedermacher Gerulf Pannach trägt ab ’72 während der Renft-Konzerte solo seine Lieder vor und wird somit fester Bestandteil der Band. Ab 1974 hatte Pannach immer öfter Auftrittsverbot. Renft wollte sich mehr auf die Musik konzentrieren. Weil sich aber besonders Schoppe und Kunert aud Pannachs Seite stellten, kam es zu heftigen Spannungen zwischen den Musikern. „Wir Renfts waren zum Schluss sechs Musiker mit sieben Meinungen, wir fanden nie zu einer homogenen Truppe, waren sehr oft im Streit, ständig beim Suchen. Wir waren nur auf der Bühne eine Gemeinschaft. Manchmal glaube ich, wenn wir damals nicht verboten worden wären, hätten wir uns bald selber aufgelöst.“ – schrieb Renft in seiner Autobiografie. Hinzu kam, dass renft immer mehr an musikalischem Einfluss verlor, bis er schließlich die künstlerische leitung an den Sänger Thomas Schoppe abgab.
Im September 1975 erhielt die Band wegen „Beleidigung der Arbeiterklasse und Diffamierung der Staats- und Schutzorgane“ Spielverbot.
Klaus Renft heiratete eine Griechin und reiste im Mai 1976 nach Westberlin aus. Im November desselben Jahres wurden die Band-Mitglieder Gerulf Pannach und Christian „Kuno“ Kunert wegen angeblich staatsfeindlicher Hetze verhaftet, neun Monate eingesperrt und dann nach Westberlin abgeschoben.
Die zurückgebliebenen (??) DDR-Jugendlichen sorgten dafür, dass die Gruppe abseits von Plattenläden, Radio und Fernsehen zur Legende avancierte. Von alldem merkte Klaus Renft nichts. Er war wie die meisten seiner Bandmitglieder längst in den Westen ausgereist, schlug sich als Redakteur und Tontechniker durch. Erst als er nach dem Mauerfall zurück in seine Heimat kam, erfuhr er den Mythos, der ihn und seine Band umgab.
Renft wollte es noch einmal versuchen, wohlwissend, dass dass die Realität dem Mythos kaum gerecht werden konnte. 1990 startet die Renft-Combo eine erfolgreiche ReunionTour. ’94 erscheint bei Amiga „Wer die Rose ehrt“ mit alten Aufnahmen. 1996 folgt das Album „Renft – die schönsten Balladen“ mit Songs aus dem Amiga-Fundus. 1997 erscheint die Autobiografie von Klaus Renft „Zwischen Liebe und Zorn“.
Klaus Renft feiert im März 1998 „40 Jahre Klaus-Renft-Combo“, in Berlin und Leipzig steht die legendäre 70erJahre-Besetzung erstmalig wieder zusammen auf der Bühne.
Im Mai stirbt Gerulf Pannach an einer Krebserkrankung. Im September erscheint „Nach der Schlacht -Die Renft-Story von der Band selbst erzählt“ aufgeschrieben von Delle Kriese. 1999 wird ein neues Album eingespielt: „Als ob nicht gewesen wär“ und ist in mehrerer Hinsicht ein Novum: fast 25 Jahre dauerte es, bis die bereits für 1975 angedachte LP realisiert werden konnte; Klaus Renft singt erstmalig einige Songs und nicht zuletzt ist sie das Vermächtnis Gerulf Pannachs: seine letzten Texte sind wesentlicher Teil dieses Albums. Pünktlich zum Release geht die Renft-Combo ausgiebig auf Tour, um zu beweisen, „dass wir alten Männer noch mit dem Arsch wackeln können“ (Kuno).
Doch dann trennen sich die Wege der Renfts erneut wegen Streitereien. Als Ergebnis touren in den Folgejahren zeitweilig zwei Renft-Combos. Erst in den letzten Jahren beruhigten sich die Gemüter der Rockrebellen und sie stehen alle wieder gemeinsam friedlich auf der Bühne.. Alle ? Die Lücke, die Gerulf Pannachs Tod gerissen hat klafft schmerzlich.
Die Klaus-Renft-Combo, Monster und Band sowie Jochen Hohl feiern im Juli 2003 45 Jahre Renft in einem mehrere Stunden langen Konzert auf der Insel Rügen – nur Peter „Cäsar“ Gläser konnte krankheitsbedingt nicht mit dabei sein. Noch im gleichen Jahr erscheint „Unbequem woll’n wir sein“ mit Raritäten aus den Jahren 1971 bis 1975.
Im September 2005 stirbt Peter „Pjotr“ Kschentz mit 63 Jahren an Krebsfolgen.
Nun ist auch Klaus Renft gestorben. Seine Band trauert. Aber die Renfts wollen weitermachen:
Noch ein’n Moment
Noch so ein Klang
Wie das, was uns der Sommer sang
Halt mich noch mal
So wie vorhin
Bevor die ersten Schwalben ziehn
Good bye Freunde good bye
(aus „Freunde
Goodbye“ auf dem Album „Als ob nichts gewesen wär“ Text von Kschentz/Pannach/Kunert; Musik: Kschentz)
Infos über Platten/CDs und weitere Literatur zur
Renft-Combo gibt es im ZentralOrkan der www.lapsus-gil.de , dem lover 45;
Klaus Renft: Zwischen Liebe und Zorn. Autobiographie. Hrsg. von Hans-Dieter Schütt. Schwarzkopf und Schwarzkopf, Berlin 1997, ISBN 3-89602-135-4

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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