HaBEs offener Brief an die LINKE:
Wovor habt ihr Angst in der BarbaroSS&SA-Stadt Gelnhausen? Was wird aus dem „arisierten“ Haus der Scheuers ? fragt Dr.Christine Wittrock den Bürgermeister Stolz

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Offener Brief von Hartmut Barth-Engelbart an die LINKE in Gelnhausen, die LINKE in Hessen, die LINKE im Main-Kinzig-Kreis und an die LINKE im Bund,

 

ich muss den Brief der Historikerin Dr. Chrsitine Wittrock nicht noch Mal neu schreiben.
Ich möchte nur wissen , was die LINKE in Gelnhausen, im Main-Kinzig-Kreis und in Hessen in diesem Fall unternommen hat. Feierstunden, Sonntagsreden und Stolpersteine sind das Eine, nur müssen da auch handfeste Taten folgen. Wie wäre es zum Beispiel am 80. Jahrestag der Machtübergabe an die Faschisten gewesen, in allen Städten und Dörfern des Main-Kinzig-Kreises daran zu erinnern, wer gegen die Nazis gekämpft hat und wie man mit diesen Widerstandskämpfern ab 1945 bis 1956 und hoch bis in die 60er Jahre umgesprungen ist und heute noch umspringt? …

Open-AirKonzert in Görlitz 1982… das war eher eine WiderstandsSingung: mit der 87Jährigen Hannia als „Grenzgänger“ auf dem Weg von Maintal nach Lodz, das sie als Studentin der Medizin noch als Litzmannstadt durchleben musste. ,,, Transit durfte ich gerade so .. bis 1989 hatte ich EinreiseVerbot für die DDR und den gesamten RGW-Raum. In meinen Stasi-Akten ist vermerkt, dass der erneute Anwerbeversuch sowohl in Herleshausen als auch in Görlitz erfolglos abgebrochen wurde. Hannia W. hat mir auf der Fahrt in sechs, sieben Nächten am LKW-Steuer ihr Leben erzählt: „Die drei Leben der Hannia W.“

Es reicht eben nicht aus, in Hanau dazu eine Veranstaltung unter defakto Ausschluss der Öffentlichkeit  in der Geschäftsstelle als mehr oder weniger Selbstversammlung zu zelebrieren. Mit etwas Anstrengung hätte die LINKE in allen ehemaligen Hochburgen der KPD dazu erfolgreiche Veranstaltungen oragnisieren können: zusammen mit der DKP, mit Naturfreunden, mit Falken, mit attac, mit Teilen der Kirchengemeinden, mit den Freidenkern, mit Initiativen der jungen Welt, mit GEW-Schulgruppen, mit Friedensintiativen, mit der IGMetallschule Bad Orb, ja sogar mit Teilen der SPD und der GRÜNEN, usw…

 

aber da kam nichts – so gut wie nichts. Und wenn sich die Presse verweigert, dann kann man auch immer noch das Internet dazu nutzen, es sei denn eine Facebook-Gruppe wie die „Linksfraktionen“ ist wieder Mal gesperrt … dann mus man eben auf andere ausweichen… das ist eine Frage der Bündnis-Politik… und es gibt in den Käffern des MKK eine ganze Menge von Leuten, die darauf eigentlich nur warten, dass jemand Mal die Initiative dazu ergreift.. Und wenn es keinen vollen Saal gibt, dann  ist ein Treffen mit 4 bis 14 Interessierten in einer Kneipe eine super Sache, dafür könnt ihr auch ruhig Mal ne Rede im Gemeinde-/Stadtparlament oder Kreistag vergessen, denn dort werdet ihr eh niemanden gewinnen….

 

Also Genossen, wovor habt ihr denn Angst ?

Ich packe das hier im Kaff seit über drei Jahren an und es war jetzt die 36. Versammlung mit über 15 Teilnehmern hier im Dorf und es werden immer mehr.., nein das sind keine LINKEn, die sind nur an den Themen interessiert… Ich frage mich: wovor habt ihr in Gelnhausen eigentlich solche Angst?….Ich habe da zwar so meinen Verdacht, aber ihr wisst es selbst viel besser.  Warum geht ihr nicht offensiv in der Frage des Scheuerschen Hauses die SPD an ? Da gibt es viele mit schlummerndem schlechten Gewissen, das könnte man schon wecken … oder weckt man dabei andere schlafende Hunde ??? Zum  Beispiel einen ehrenamtliche GRÜNEN Stadtrat, der schlechte Erfahrungen mit einem LINKEn gemacht hat und die an die große Glocke hängen könnte ?

 

Oder macht ihr Kuschelkurs mit dem stolzen SPDler Stolz ? In der illusionären Hoffnung auf Rosarotgrün? Schminkt euch das ab? Wenn ihr kein anderes Profil zeigt, und in dieser Frage kneift, bzw euch nicht öffentlich bemerkbar dazu positioniert, dann macht ihr euch hier in der Region einfach nur überflüssig. Ihr müsst nicht nur die Fragen angehen, die im Land oder im Bund zu regeln sind! Ihr werdet an dem gemessen, was ihr an kommunal -anpackbaren Fragen stellt und wofür ihr AUCH kommunal realisierbare Lösungen anbietet…

 

Der Stundenlohn bei der Arge-AQA ist auch so was, na ja, da isses auch schwer, weil der DumpingHaustarif eben vom regionalen Ex ÖTV-Chef Michael Schweizer ausgehandelt wurde, bevor er als Chefrationalisierer nach Hanau geholt wurde,  und der Hausherr des DumpingLohnladens AQA-BBZ der SPDler Gerhard Freund eventuell ein LieblingsKoalitionspartner wäre ? Na ja, der Stundenlohn bei Tegut wäre nicht minder wichtig, schon klar,, aber in der Frage des Scheurerhauses könntet ihr den SPD-Hoffnungsträger Stolz zum Lackmustest bitten….

Wovor habt ihr die Hosen voll ?

 

 

Es gibt so viel zu tun. Und vieles davon geht sehr einfach

Warum packt ihr es nicht an ? Ich habe euch immer meine Hilfe angeboten. Ihr habt sie nur sehr selten genutzt. Wenn ich in Gelnhausen in Geschäften, im Schwimmbad, ja sogar in der Sauna auf diese Themen zu sprechen komme, gibt es viel Zustimmung und viele Hinweise und neue Erkenntnisse… irgendwie klappt das bei euch nicht und ich weiß nicht so recht warum ?

 

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!  Bücher der Historikerin zur Region Main-Kinzig !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! :
  • Saubere Geschäfte, weiße Westen und Persilscheine, CoCon-Verlag Hanau, 2002
  • Das Unrecht geht einher mit sicherem Schritt, CoCon-Verlag Hanau, 1999
  • Kaisertreu und führergläubig. Der Altkreis Gelnhausen 1918 – 1950, CoCon Verlag Hanau, 2006

  • Kaisertreu und führergläubig
    Impressionen aus dem Altkreis Gelnhausen 1918-1950
    Faschismusgeschichte mal nicht nur als Verfolgungsgeschichte, sondern vor allem als Tätergeschichte. Mit historischen Aufnahmen und einem Verzeichnis jüdischer Bürgerinnen und Bürger.ISBN 978-3-937774-27-5, 204 Seiten, Hardcover
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    Artikelnummer 127

Christine Wittrock

Offener Brief an den Bürgermeister von Gelnhausen 17. März 2008

Stadtverwaltung
63571 Gelnhausen

OFFENER BRIEF

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Stolz,

 

Sie sind nun annähernd ein Jahr im Amt und ich möchte dies zum Anlass nehmen, Sie zu bitten, in der Angelegenheit Burgstrasse 34 tätig zu werden.
Setzen Sie sich bitte dafür ein, dass die Stadt Gelnhausen das Anwesen an den früheren jüdischen Eigentümer bzw. seine Tochter zurückgibt!Seit Jahren ist bekannt, auf welche Weise der damalige Besitzer des Hauses, Ludwig Scheuer, aus Gelnhausen vertrieben wurde. Ich habe in meinem im November 2006 erschienenen Buch „Kaisertreu und führergläubig“ detailliert aufgezeichnet, wie Ludwig Scheuer 1935 krankenhausreif zusammengeschlagen wurde, kurze Zeit später sein Haus von etwa 50 Männern überfallen und er selbst ins Gelnhäuser Gefängnis geschleift wurde.
Ich möchte Ihnen in Erinnerung rufen, dass der Überfall auf das Haus angeführt worden war von Ihrem Urgrossvater, dem SA-Sturmführer Heinrich Dudene, der 1947 wegen seiner NS-Vergangenheit zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt wurde.

 

Niemand ist verantwortlich für die Untaten seiner Vorväter, selbstverständlich auch Sie nicht, sehr geehrter Herr Bürgermeister, aber vielleicht erwächst uns aus diesen Umständen eine besondere Verantwortung.
Die Stadt Gelnhausen ist 1939 durch Zwangsversteigerung in den Besitz des Hauses von Ludwig Scheuer gelangt. In meiner Untersuchung habe ich dargestellt, wie es weiterging: Scheuer musste als kranker Mann 1938 nach
Argentinien emigrieren und beantragte 1948 die Rückgabe seines Anwesens Burgstrasse 34. Die Stadt Gelnhausen drückte sich mit allerlei juristischen Finessen bis heute um die Rückgabe herum. Auch die 2003 ins Leben gerufene Kommission, die eine mögliche „Wiedergutmachung“ angehen sollte, verlief sich im Sande.

Seither ist es still geworden um das leerstehende Gebäude.

 

Lassen Sie es dabei bitte nicht bewenden, sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Gedenkfeiern zum Holocaust, Errichten von Mahnmalen und Anbringen von Stolpersteinen sind müssig und billig, wenn nicht als erstes die Hausaufgaben erledigt werden.
Darum bitte ich Sie nochmals: Ziehen Sie einen Schlussstrich unter diese beschämende Angelegenheit! Geben Sie das Anwesen Burgstrasse 34 zurück an die Tochter Ludwig Scheuers!
Mit freundlichen Grüssen
Dr. Christine Wittrock
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Ergänzende Notiz im Dezember 2008:
Leider konnte die Stadt Gelnhausen sich bis heute nicht entschliessen, das Anwesen Burgstrasse 34 zurückzugeben. Ana Stern, die einzige Tochter Ludwig Scheuers, verstarb über diesen Kampf um ihr Erbe im April 2008. Ihr über 80jähriger Ehemann und ihre beiden Söhne hoffen weiterhin auf Gerechtigkeit.

 

Saubere Geschäfte, weiße Westen und Persilscheine

Christine Wittrock:

Saubere Geschäfte, weiße Westen und Persilscheine
In der Geschichte der Schlüchterner und Steinauer Seifenfabriken spiegelt sich deutsche Geschichte wider: Die jüdischen Eigentümer wurden im Faschismus ihrer Fabriken und ihrer Heimat beraubt.

ISBN 978-3-928100-90-8, 176 Seiten, Hardcover

Vers
andgewicht 0,00 kg
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Artikelnummer 090

 Das Buch „Das Unrecht geht einher mit sicherem Schritt“ war -so viel ich weiß, vom Altlandrat Eyerkaufer in Auftrag gegeben worden, Dr. Chrsitine Wittrock hat geforscht und dabei auch die Geschichte eines braunen Bauunetrnehmers aus Langenselbold und dessen Verantwortung für die Erschießung eines kommunistischen Bauarbeiters wieder öffentlich gemacht. Die Erben des Langenselbolder Nazis gingen gegen das Buch gerichtlich vor, Landrat Eyerkaufer (SPD) knickte ein und ließ die entsprechenden Stellen schwärzen, ohne der Sache weiter gerichtlich nachzugehen, eine vorgesehene verteilung des Buches an Schulen im Main-Kinzig-Kreis fand ebenfalls nicht statt. Ob der Landrat als Auftraggeber im Buch noch erwähnt wird, weiß ich auch nicht mehr sooo genau….. Jetzt ist das Buch auch nicht mehr im Katalog des CoCon-Verlages zu finden…  leider nur noch bei Amazon ..
Noch Jahrelang war am Schwimmbad eine Gedenktafel für den großzügigen Spender und Föderer des Freibades angebracht – nur kein Hinweis in der ganzen Stadt auf den ermordeten Kommunisten Valentin Schmidt. Jetzt ist das Schild vom Schwimmbad in das Heimatmuseum umgehängt worden … wie es dort kommentiert ist, habe ich mir noch nicht angesehen… der langemselbolder Unternehmer hat aber auch bei der Beschlagnahme des Hauses der Metallarbeitergewerkschaft in Hanau eine hervorragende Rolle gespielt

Das Unrecht geht einher mit sicherem Schritt…

Dieses Werk von Dr. Christine Wittrock ist erschienen im CoCon Verlag. Es ist noch in wenigen Exemplaren vorrätig. Kaufpreis: 12,80 Euro. Die beschriebenen Ereignisse aus dem Altkreis Gelnhausen sind typisch für die Nazizeit und haben sich in gleicher oder ähnlicher Form vieltausendfach im III. Das Unrecht geht einher: sehr  lesenswert!Reich zugetragen.

Und genau so ging es auch den Arisierungsgewinnern: die Gewinne blieben in ihren Taschen. Doch die Opfer des NS-Terrors, wie im beispielhaft ausgewählten Schicksal des Langenselbolder Zimmererpoliers Valentin Schmidt beschrieben, blieben nicht nur tot – sie wurden auch schnell vergessen: von ihrer Umgebung, von ihrer Heimatstadt. Und von der westdeutschen Justiz auf jeden Fall. Über Männer wie Valentin Schmidt wird nie ein Film gedreht werden – er war ja nur ein Mann von “Unten”, ein Arbeiter, ein Handwerker. Ein Mensch, dem einfach am Arbeitsplatz die Galle überlief wegen all der Verbrechen der Nazis. Er wurde von Arbeitskollegen denunziert.

Das Buch von Christine Witttrock sollte von jedem Mitmenschen gelesen werden, der sich näher mit unserer jüngeren Geschichte befassen möchte.

 

 

Lesen Sie hier die Einleitung der Autorin:

Historische Wahrheiten können, wenn überhaupt,
erst dann ausgesprochen werden,
wenn sie von wenig Interesse sind.

Erwin Chargaff

 

Als ich Mitte der achtziger Jahre damit begann, Faschismusgeschichte regional zu erforschen, war dies noch ein Novum.

Das Thema Faschismus war jahrzehntelang in der Geschichtswissenschaft vernachlässigt worden. Faschismusgeschichte galt ganz allgemein als politisch prekär; geradezu brisant erschien es den Zeitgenossen aber, die Geschehnisse zwischen 1933 und 1945 nicht nur weltpolitisch oder ideologiegeschichtlich, sondern regional – und damit sehr konkret vor Ort – zu analysieren.

Die Quellenlage war und ist meist recht gut; gibt es doch über diesen Zeitraum noch vielfältiges Aktenmaterial sowie Zeitzeugen, die in der Regel gern über ihre erlebte Geschichte berichten.

Leider war der Zutritt der Forschenden zu wichtigem Aktenmaterial in der Vergangenheit nicht immer leicht und wohl auch regional recht unterschiedlich. In manchen Landstrichen stand dem/der Historikerin eine geschlossene Front vom örtlichen Stadtarchivar bis zu Staats- und Kirchenarchiven gegenüber. Und wenn man stets erst mit dem Klageweg drohen muß, um an Quellenmaterial zu kommen, erschwert und verzögert dies jede wissenschaftliche Arbeit.

In Südhessen herrschte diesbezüglich zum Glück ein liberalerer Umgang, jedoch noch 1989 (als es bereits ein neues hessisches Archivgesetz gab, welches den Zugang zu NS-Akten erleichterte) versuchte die Leitung des Hessischen Hauptstaatsarchivs in Wiesbaden mir die Einsichtnahme in bestimmte Akten für mein damaliges Forschungsgebiet Egelsbach zu verweigern. Dieser Versuch, ohne jede gesetzliche Grundlage der Forschung Quellenmaterial vorzuenthalten, zeigt, wie sehr man in der Vergangenheit bemüht war, den Faschismus – und insbesondere die regionalen Begebenheiten – unter den Teppich zu kehren. Inzwischen gibt es eine neue Leitung im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden und diese Probleme gehören mittlerweile der Vergangenheit an.

Daß ganz allgemein der Zugang zu brisantem Aktenmaterial nun leichter geworden ist, verdankt sich vor allem der Tatsache, daß die Generation der „Täter“ verstorben oder zumindest nicht mehr im beruflichen Leben aktiv ist. Die Nachkriegsgesellschaft hatte kein Interesse daran, die dunkle Vergangenheit ihrer eigenen Eliten mitsamt ihren kaum unterbrochenen Karrieren untersuchen zu lassen. Im Gegenteil: Es gab lange Zeit so etwas wie eine „emotionale Solidarität mit den Tätern“, mit denen man im bürgerlichen Milieu aufs Vielfältigste verbunden war.

Die Erforschung des Faschismus auf regionaler Ebene steckt noch in den Anfängen. Durch diese Forschungslücke entsteht der Eindruck, als sei der Nationalsozialismus „von oben“ oder „von außen“ diktiert worden. Wie die wenigen vorliegenden Ergebnisse jedoch deutlich machen, wurde der Nationalsozialismus von breiten Teilen der Bevölkerung mitgetragen und konnte sich oft gut mit dem Alltagsleben in der Region verknüpfen. Die nationalsozialistischen Organisationen waren keineswegs isolierte Verbände, sondern in der Bevölkerung verankert und verfügten häufig über viele begeisterte Anhänger.

Aus diesem Grund ist auch eine generelle Anonymisierung von Namen in der regionalen Faschismusforschung wenig sinnvoll. Damit nämlich wird in Kauf genommen, daß ein verzerrtes Bild der Vergangenheit entsteht: Der Faschismus entsteigt den schaurigen Tiefen der Weltgeschichte und hat nur fremde, anonyme Täter.

Beispiel für diese Sichtweise ist eine in vielen Städten stereotyp wiederkehrende Lokallegende, die besagt, daß 1938 die Synagoge stets von Unbekannten aus der Nachbarstadt angezündet worden sei.Das Unrecht geht einher...

Dagegen wäre zu zeigen, daß die nationalsozialistischen Täter sich keineswegs aus Unbekannten oder Fremden rekrutierten: Es waren häufig die bekannten Akteure des Ortes, Provinzhonoratioren und Herrenmenschen, Karrieristen, Opportunisten und gläubige Anhänger, jedenfalls keine Outlaws, Straftäter oder Kriminelle, wie die Schwere der Taten das dem unkundigen Betrachter nahelegen könnte.

Und genau an dieser Frage hat redliche Forschung anzusetzen:
–  Wie kommen ehrbare Bürger dazu, jüdische Geschäfte zu plündern?
–  Welches weltanschauliche Klima muß erzeugt gewesen sein, damit es zum guten Ton gehörte, Mitglied in einer NS-Organisation zu sein und sich unbeschwert denunziatorisch oder volksverhetzend zu äußern?

Das Nennen von Namen in der zeitgeschichtlichen Regionalforschung stößt zuweilen auf Kritik, zumal dann, wenn sich die eigenen Vorfahren nicht zum Vorteil für die Nachwelt dargestellt haben.

Es ist weitgehend ins Ermessen des Autors/der Autorin gestellt, welche Namen genannt werden: Personen der Zeitgeschichte und solche, die in besonderer Weise an herausragenden Ereignissen beteiligt waren, dürfen ohnehin genannt werden. Auch Personen, die bereits zehn Jahre verstorben oder vor über 100 Jahren geboren sind, unterliegen der Berichterstattungsfreiheit. Aus diesem Grund wurden im Folgenden nur wenige Namen unkenntlich gemacht. Es ist allerdings zu fragen, ob mit dem Anonymisieren von Namen irgend jemandem gedient ist, ist doch bekannt, daß gerade damit ein Rätselraten beginnt, welcher Name hinter welcher Abkürzung sich verbirgt.

Der folgende Text nennt Namen, – nicht um individuell Schuldige auszumachen (der Faschismus ist keine Frage von individueller Schuld!) sondern, um zu zeigen, daß der Nationalsozialismus seine Träger im bürgerlich-kleinbürgerlichen Milieu hatte.

Das Motiv zur Beschäftigung mit Faschismusgeschichte ist häufig die Frage nach den ehemaligen jüdischen Mitbürgern. Viele deutsche Städte verkündeten es Ende der dreißiger Jahre als Erfolgsmeldung, daß sie nun „judenfrei“ seien. Und seither sind sie es meist geblieben. Nichts also ist berechtigter als die Frage: Kain, wo ist dein Bruder Abel?

Aber es reicht nicht, den Faschismus vom Antisemitismus her erklären zu wollen. Auch der reaktionärste Politiker wird sich noch vom Holocaust zu distanzieren suchen nach der Devise: Der Nationalsozialismus war ganz in Ordnung, nur das mit der Judenvernichtung ging zu weit.

Eine fundierte Faschismuskritik muß die Sonde tiefer stellen. Die Verstrickung in faschistische Politik beginnt lange vor 1933.

Sie beginnt mit dem verlorenen Ersten Weltkrieg und der bolschewistischen Revolution in Rußland. Die Klassen, die nach 1918 Angst vor dem Verlust ihres politischen Einflusses hatten – Großindustrielle, Großagrarier, Deutschnationale – hatten die Republik als Staatsform nie wirklich anerkannt. Sie wollten, wenn schon nicht einen Kaiser, so doch einen „Führer“, der die gut organisierte Arbeiterklasse im Zaum hielt. Zudem sah man sorgenvoll nach Rußland: Wenn dieses Beispiel Schule machte, so war die politische Macht für diese Klassen dahin. Also wollte man einer bolschewistischen Revolution mit allen Mitteln vorbeugen.

Hitler war der Garant gegen ein sozialistisches Deutschland, das von der Arbeiterklasse gewünscht und vom Kapital gefürchtet war. Hitler bot mit seinem Nationalsozialismus das terroristische Instrument des kapitalistischen Krisenmanagements – ein Instrument, das zu dem Zeitpunkt zum Einsatz kommt, wo ein Überleben des Kapitalismus mittels bürgerlichem Staatsapparat, nämlich Parlamentarismus und Demokratie, nicht mehr gewährleistet ist.

Diese Dimension historischer Betrachtung des Zusammenhangs zwischen einem Wirtschaftssystem, das zwangsläufig gewaltige Krisen produziert und einer Diktatur, die dieses Profitsystem mit Gewalt an der Macht zu halten sucht, sollte bei aller regionalen Anschaulichkeit nicht aus dem Blickfeld geraten.

Christine Wittrock - über die Autorin

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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