Alfred Hrdlicka ist tot – ein Nachschrei

Lieber Alfred
das Hemd werde ich mir nicht zerreisen und keine Asche auf dem Haupt verstreuen, Trauer zeigen, mich vor deinen Steinen still verneigen?  Ja, doch zu weinen werde ich mich scheuen. Aber ich verspreche Dir , ich werd mir weiterhin den Kopf zerbrechen und  schreiben, so wie du gehauen hast.
Ich wollte Dich besuchen und Deine Steine mit Wut und Zorn und Energie beschreiben.
Dein letztes Interview in dieser ZEIT hat mir noch Mal gezeigt, wie engverwandt sind meine Kladden mit Deinen Rohlingen, der Bleistift vor dem leeren Blatt, die Tastatur vor meinem Monitor mit Deinem Meißel.
Rohlinge, arbeiten, bearbeiten bis zum physischen und nicht politischen Umfallen. Mit Steinen hatte ich es nur sehr selten, auch nicht zum Werfen, weil die so und so die Richtigen verfehlten und nur die Falschen träfen. Ich wollte Stichwörter liefern und habe es getan. Den Leuten ihre abgegebenen und abgenommnen Stimmen zurückgeben, ihnen meine  leihen, bis sie die eigne wieder finden und erheben können.

Jetzt bist Du gegangen – doch Du hast uns nicht verlassen.
Nur hätte ich so gern von Dir dazugelernt, wie man nicht nur die Worte meißelt. Wie man mit Stein und Eisen die Ausbeutung, die Unterdrückung und das Unrecht geißelt:

Jetzt bist Du gegangen –

doch Du hast uns nicht verlassen.
Nur hätte ich so gern von Dir dazugelernt,

wie man nicht nur die Worte meißelt.

Wie man in Stein und Eisen

die Ausbeutung, die Unterdrückung,

das Unrecht und die Kriege geißelt:
Ich hoffe Du hast uns genügend

SchülerINNEN hinterlassen,

die uns das weitergeben,

was Du in Ihnen freigemeißelt hast:

Und da ich weiß

dass Du es nur als Kompliment verstehst

ruf ich Dir nach,

womit sie Dich beschimpften:

Du Uralt-Stalinist

Salonberseker

Panzerkommunist

Du „Roter Nazi“

würden Dich die Liebermänner denunzieren

Schluss, lass mich keine Zeit verlieren

weil sie uns wieder – wie gehabt

in ihre Kriege führen

Du bist gegangen
und ich werd nicht weinen
Ich schreie
und die Schreie bleiben
ich werde schreiend weiter schreiben

Dein HaBE

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

2 Gedanken zu „Alfred Hrdlicka ist tot – ein Nachschrei“

  1. Sehr würdiger und berührender Nachruf!
    Bin begeistert über jede Mail von Ihnen! Danke! Weiß nicht einmal mehr wo oder wann ich auf Ihre Seite gestoßen bin. War ein Glückstreffer!
    Herzliche Grüße!

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