Echt lieblos: Sie reißen dem Gesangsverein
zum Geburtstag das Geburtshaus ein
in Gründau solls harmonisch sein!
die Gemeinde ist gemein
hackt die eignen Wurzeln klein
Die Wiege des Gesangsvereins „Harmonie“ Lieblos stand im historischen -letztes Jahr zum Tag des offenen Denkmals pünktlich abgerissenen Gasthaus Urbach.
Welch ein Leben wäre in die Ortsmitte eingezogen, hätten man die unter Denkmalschutz stehende „Altherberge“ an der historisch durch Alt-Lieblos verlaufenden alten Leipziger Straße zum öffentlichen Vereinsheim restauriert. Den alten Gebetsraum wieder zum Probenraum gemacht und die alte Schule in diese öffentliche Nutzung mit einbezogen anstatt sie mit Steinen zu füllen und für die Öffentlichkeit zu verschließen. Mit Liedern gefüllt in historischen Mauern an einem anheimelnden architektonisch-harmonisch unverwechselbaren Platz. Offen – aber doch gegen den Straßenlärm geschützt. Ein großer Hof zum Verweilen. Mit gastronomischer Nutzung zum Wohle des Gesangsvereins. Viele zerbombte Städte hätten sich die Finger nach einem solchen Platz geleckt. (Wenn Dummheit brüllen würde, müsste der Apotheker Witte in Lieblos-Mitte GratisOhropax an die verbliebenen Haushalte verteilen! Bei den Alten im Seniorenverwertungszentrum dort wo die historische Gaststätte „Zum Storchen“ abgerissen wurde, da kann er es beim Pillenverteilen belassen, denen ist schon längst das Hören und Sehen Vergehen vergangen)
Übrigens – an alle Stein-Fans: Im Urbachschen Haus, wäre auch für die Mineraliensammlung noch genügend Platz geblieben
Aus gutem Grund erfolgte die Gründung des Liebloser Gesangsvereins „Harmonie“ im Jahr 1880 keine zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Bismarkschen Sozialistengesetzes. Die Gründungsversammlung fand im Urbachschen Gasthaus im ehemaligen Gebetssaal der Inspirierten im zweiten Stock statt. Dieser Gebetssaal in der historischen „Altherberge“ war damals -neben der Zigarrenfabrik- der größte Saal in Lieblos. Der große Saal des „Storchen“ wurde erst viel viel später angebaut. Dass sich des Sozialdemokratismus verdächtige Menschen nach Feierabend in der Produktionshalle am Liebloser Bahnhof zum Singen treffen , war völlig unmöglich. Genauso gut könnten sich heute ein Gewerkschafts-Chor zur Vorbereitung von Streikaktionen in der Kantine der „VERITAS“ treffen. Ebenso ausgeschlossen wraen die „Harmonie“-Proben in der Kaisertreuen Bergkirche.
Dass man sich nicht in der Zigarrenfabrik zum Singen traf, hatte aber noch einen ganz anderen Grund: Gesangsvereine waren damals noch fast reine Männersache und in der Zigarrenfabrik arbeiteten meistens Frauen, nur die Vorarbeiter waren durchweg Männer. Alle litten mehr oder weniger an Staublunge durch den Zigarrenastaub.
Das Singen war nicht nur Tarnung gewerkschaftlich-politischer Arbeit, nein es war auch wie der Sport eine Selbsthilfe gegen die krankmachenden Arbeitsbedingungen. Im Gesangsverein konnte und musste man sich bei den Proben die Staub-Lungen freihusten
Das Sozialistengesetz („Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“) – wegen seiner verschiedenen Einzelbestimmungen in 30 Paragraphen, der jährlichen Neuvorlage und kleinen Modifizierungen auch oft im Plural als Sozialistengesetze bezeichnet – wurde am 19. Oktober 1878 mit der Stimmenmehrheit der konservativen und der meisten nationalliberalen Abgeordneten im Reichstag des Deutschen Kaiserreichs verabschiedet. Drei Tage später, am 22. Oktober, trat es nach Unterzeichnung durch Kaiser Wilhelm I. in Kraft und galt durch Verlängerungen bis zum 30. September 1890.
Das Gesetz verbot sozialistische und sozialdemokratische Organisationen und deren Aktivitäten im Deutschen Reich außerhalb des Reichstags und der Landtage. Es kam damit einem Parteiverbot gleich.
Das Sozialistengesetz bekämpfte die Sozialdemokraten als „Reichsfeinde“ und erschwerte nachhaltig die Integration von Arbeitern und Sozialdemokratie in Staat und Gesellschaft. Die faktische politische Ausbürgerung der sozialdemokratischen Opposition ging mit einer sozialen Ausbürgerung einher, derzufolge Sozialdemokraten materiell entrechtet und am Arbeitsplatz verfolgt wurden. Die Verfolgung weckte die Solidarität großer Teile der Arbeiterschaft und führte seit 1881 zunehmend zu Wahlerfolgen für die für formell als Einzelpersonen auftretenden Kandidaten der SAPD. Regional wurden verschiedene Arbeitersportvereine oder Naturfreundegruppen, Gesangs- und soweit noch nicht örtlich aus den 1848er Jahren bereits gegründet – Turn- und Sportvereine als Tarnorganisationen an Stelle der verbotenen Partei- oder Gewerkschaftsgruppen gebildet, in denen die politische Arbeit, wenngleich mit hohem Risiko verbunden, fortgesetzt wurde. An vielen Orten war es schon vor und nach der demokratischen Revolution von 1848 zu Verboten von Turnvereinen und Gesangsvereinen sowie der Überwachung der Feuerwehrversammlungen gekommen weil all diese Vereinigungen „der Wühlarbeit der Demokraten dienten“ …. Den Proben der Gesangsvereine wohnten ab 1879 zum Teil Polizisten in Uniform bei.
Die Nazis schickten ihre Spitzel und marschierten in manchen Orten mit SA-Trupps vor den Vereinslokalen auf oder nahmen dann ab 1933 in Uniform an den Proben teil, meldeten sich in Uniform als Mitglied an, um zu provozieren und bei verweigerung der Mitgliedschaft Verbote einzuleiten
In den demokratischen und sozialdemokratischen Hochburgen kam es schon vor den Sozialistengesetzen zu solchen Gründungen : der Mittel-Gründauer Gesangsverein „Eintracht“ wurde nach den Verfolgungen und Vertreibungen der Demokraten und dem Verbot ihrer demokratischen Vereine und Parteien 1863 gegründet und spielte während der Sozialistengesetze eine hervorragende Rolle, die er durchhielt bis in den Widerstand gegen die Diktatur der Nazis. Ob und wann genau es den Nazis in den damals selbständgen Gründauer Ortsteilen gelungen ist, die Gesangs- und Turnvereine und auch die Freiwilligen Feuerwehren kurz vor und nach 1933 zu erobern, zu unterwandern, um dort die Gewerkschafter, die Sozialdemokraten und Kommunisten auszuspionieren, kann ich zur Zeit noch nicht insgesamt beurteilen.