Die „Flüchtlings-(Natur-)katastrophe“ & das Verschweigen der Fluchtursachen

In Flammen (III)

(Siehe dazu auch: „Mit dem Flüchtlings-Holocaust in Richtung neue Weltordnung“ & aus VINEYARD SAKER Dagmar Henns analytischen Essay:  „Finsternis ist Licht“)

17.09.2015

SANAA/RIAD/DOHA/ABU DHABI/BERLIN

(Eigener Bericht von german-foreign-policy) – Mit deutschen Waffen starten enge arabische Verbündete der Bundesrepublik eine mörderische Offensive auf die Hauptstadt des Jemen. Saudi-Arabien führt seit knapp einem halben Jahr in dem Land Krieg, um die Huthi-Rebellen aus Sanaa zu vertreiben, die als Parteigänger Irans gelten. Dabei nutzen seine Streitkräfte deutsche Waffen; ihre Verbündeten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Qatar, sind ebenfalls von deutschen Rüstungsfirmen ausgestattet worden. Die Luftstreitkräfte der drei Golfdiktaturen haben zudem gemeinsam mit der Bundeswehr den Luftkrieg trainiert und sich dabei Fähigkeiten angeeignet, die sie jetzt bei ihren Attacken auf Sanaa anwenden können. Dies ist auch deshalb von Bedeutung, weil Beobachter ihrer Kriegführung äußerste Brutalität bescheinigen. Mehr als 5.000 Menschen, mindestens die Hälfte davon Zivilisten, sind bislang ums Leben gekommen, zahllose weitere sind auf der Flucht. Die meisten von ihnen können jedoch das Land nicht verlassen – auch weil Technologie aus Deutschland ihnen an der Grenze den Weg versperrt. Wegen einer Blockade durch Saudi-Arabien kommen nicht genügend Hilfstransporte ins Land; mehr als ein Viertel der Bevölkerung leidet inzwischen akut Hunger. Dessen ungeachtet setzt die Bundesrepublik ihre Waffenlieferungen an die saudische Kriegskoalition fort.

Gegen den „Abschaum“

Fast sechs Monate nach dem Beginn ihrer Militäroffensive gegen die Huthi-Rebellen im Jemen bereitet die von Saudi-Arabien geführte sunnitische Kriegskoalition eine Offensive auf Sanaa, die Hauptstadt des Landes, vor. Ziel des Krieges ist es, die Huthi-Rebellen zu entmachten und Ex-Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi wieder ins Amt zu bringen – weil die schiitischen Huthi als Parteigänger Irans, Saudi-Arabiens bedeutendsten Rivalen, gelten. Man müsse den Jemen „vom (schiitischen, d. Red.) Abschaum reinigen“, wird der an Riads Seite kämpfende Kronprinz von Abu Dhabi, Muhammad bin Zayid al Nahyan, zitiert.[1] Inzwischen sind neben 1.000 saudischen und 3.000 emiratischen Soldaten auch 1.000 qatarische und 600 bis 800 ägyptische Militärs im Jemen stationiert. Beobachter werfen Riads sunnitischer Kriegskoalition eine äußerst brutale Kriegführung vor. Bereits vor der bevorstehenden Bodenoffensive auf Sanaa seien in der Stadt immer wieder dicht besiedelte Wohngebiete bombardiert worden, wird berichtet; zudem heißt es, in Saada, dem Zentrum der Huthis, „steht kaum noch ein Haus“.[2] 21 der insgesamt 26 Millionen Jemeniten sind mittlerweile wegen des Krieges von Hilfslieferungen abhängig. Da diese jedoch aufgrund einer fast vollständigen Blockade des Jemen durch Saudi-Arabien nur zum Teil ins Land gelangten, litten 6,5 Millionen „akut Hunger“. Mit der kommenden Bodenoffensive auf Sanaa zeichnet sich eine erneute Zuspitzung der katastrophalen Lage ab.

Mit deutschen Waffen

Das von Saudi-Arabien geführte Bündnis führt seinen Krieg im Jemen unter anderem mit deutschen Waffen. So werden die Luftangriffe auch mit Maschinen vom Typ Panavia Tornado geflogen, an deren Produktion bundesdeutsche Firmen ebenso beteiligt waren wie an der Herstellung des Eurofighter Typhoon; von diesem wiederum befinden sich 48 Stück im Besitz der saudischen Luftwaffe. „Der Tornado kommt bei den Luftoperationen der saudischen Luftstreitkräfte im Jemen zum Einsatz“, bestätigt die Bundesregierung.[3] Laut saudischen Presseberichten wird der Eurofighter ebenfalls für Angriffe im Jemen genutzt. Ob die drei Airbus A330 MRTT (Multi-Role Tanker Transport) eingesetzt werden, sei „nicht bekannt“, erklärt die Bundesregierung; auch wisse man nicht, woher die deutschen G3-Sturmgewehre kämen, die die saudische Kriegskoalition bereits kurz nach Beginn ihrer Angriffe über der jemenitischen Hafenstadt Aden abgeworfen habe, um ihre dortigen Parteigänger aufzurüsten. Fest steht allerdings, dass Saudi-Arabien seit 1999 Rüstungsgüter im Wert von rund 2,8 Milliarden Euro aus Deutschland erhalten hat und das deutsche Sturmgewehr G36 in Lizenz bauen darf. Zudem hat das Land noch nach Beginn der Angriffe auf den Jemen deutsches Kriegsgerät erhalten sowie sich Zulieferungen für die Tornados und die Eurofighter genehmigen lassen. Berlins materielle Unterstützung für die kriegführenden saudischen Streitkräfte steht außer Frage.

Kampfpanzer und Munition

Nicht bekannt ist bislang, ob auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Qatar bei ihrer Kriegführung im Jemen deutsche Waffen nutzen. Die Bundesregierung hat seit dem Jahr 2005 die Lieferung von Rüstungsgütern im Wert von über 2,1 Milliarden Euro an die emiratischen Streitkräfte genehmigt, darunter ein Gefechtsübungszentrum, gepanzerte Fahrzeuge und Munition. Zudem hat sie im Jahr 2013 der Lieferung von 62 Leopard-Kampfpanzern, 24 Panzerhaubitzen 2000 und sechs Bergefahrzeugen an Qatar zugestimmt. Das Geschäft wird auf einen Wert von 1,9 Milliarden Euro beziffert; die Auslieferung soll noch dieses Jahr beginnen – unter Umständen rechtzeitig für den Jemen-Krieg.

Gemeinsame Manöver

Zusätzlich zu den Rüstungsexporten unterhält die Bundeswehr eine militärische Kooperation mit den Streitkräften der saudisch geführten sunnitischen Koalition. Im Rahmen ihrer „Strategischen Partnerschaft“ mit den Vereinigten Arabischen Emiraten hat die Bundesregierung 2005 eine „Vereinbarung über die Zusammenarbeit im militärischen Bereich“ unterzeichnet, die sich unter anderem auf gemeinsame Ausbildungsmaßnahmen erstreckt. So trainierte die deutsche Luftwaffe im April 2009 gemeinsam mit den Luftstreitkräften der Emirate und Saudi-Arabiens – beteiligt waren zudem Militärs aus Frankreich und den USA – auf der emiratischen Al Dhafra Air Base für einen nicht näher spezifizierten Krieg. „Ziel des Lehrgangs“, teilte die Luftwaffe damals mit, sei es gewesen, bessere Fähigkeiten „in der Planung und Durchführung von komplexen, multinationalen und verbundenen Luftkriegsoperationen“ zu erlangen, und zwar „unter möglichst realistischen Einsatzbedingungen“.[4] Ende 2012 folgten erneut Luftkriegsmanöver in den Emiraten, die ebenfalls multinationale Operationen zum Gegenstand hatten. Eingebunden war neben den Emiraten und Saudi-Arabien nun auch Qatar (german-foreign-policy.com berichtete [5]). An ihre gemeinsamen Manövererfahrungen können die beteiligten arabischen Streitkräfte im Jemen-Krieg nun nutzbringend anknüpfen.

Massenflucht

Dabei treiben die Angriffe der Kriegskoalition zahllose Menschen auf die Flucht. Von den rund 26 Millionen Einwohnern des Jemen hatten laut Angaben der UN-Flüchtlingshilfe schon Ende August fast 1,5 Millionen ihren Heimatort verlassen müssen. Mehr als 100.000 waren bereits aus dem Land geflohen, davon beinahe 23.500 nach Djibouti sowie fast 29.000 in das weithin zerstörte Somalia. Knapp 40.000 hatten in Saudi-Arabien Zuflucht gesucht. Seitdem ist die Zahl der Flüchtlinge weiter angestiegen; ein Ende der Massenflucht ist nicht in Sicht.

Grenzzäune

Dass bislang kaum Flüchtlinge aus dem Jemen nach Europa kommen und ihre katastrophale Lage deshalb hierzulande ignoriert werden kann, hat seine Ursachen in der Geographie und in deutscher Technologie. Die Flucht über das Meer führt lediglich in die Wüste von Djibouti und in das verwüstete Somalia – eine Perspektive, die keine wirkliche Besserung verheißt. In der Meerenge, die den Jemen von Ostafrika trennt, kreuzen Kriegsschiffe der EU-Operation Atalanta, darunter Schiffe der deutschen Marine, die offiziell Piraten bekämpfen, faktisch aber auch die Fluchtbewegungen im Blick haben. Der Flucht auf dem Landweg nach Saudi-Arabien steht hingegen die Hochrüstung der Grenze im Wege. Die deutsch-französische EADS – heute „Airbus Military and Space“ – hat 2009 den Auftrag zur Abschottung der saudischen Grenze erhalten. Wie die aus Saudi-Arabien finanzierte Zeitung Al Sharq al Awsat im Januar berichtete, war der Bau eines „Grenzzauns“ zum Jemen damals bereits abgeschlossen; die Ergänzung der Anlage um modernste Kontrolltechnologie war in Vorbereitung.[6] Für EADS/“Airbus Military and Space“ handelt es sich um ein Milliardengeschäft. Der Konzern profitiert zudem davon, dass die deutsche Bundespolizei, logistisch unterstützt von der deutschen Entwicklungsorganisation GIZ, saudisches Grenzpersonal fortbildet; die Trainingsmaßnahmen, die zuletzt im Mai und im Juni durchgeführt wurden, sollen in diesem Monat fortgesetzt werden. Die effiziente Abschottung trägt dazu bei, die Kriegsflüchtlinge im Jemen fest- und sie von Europa fernzuhalten – und sie erleichtert es damit Berlin, frei vom Druck durch eine weitere Fluchtbewegung die Rüstungslieferungen an seine arabischen Verbündeten fortzusetzen.

Mehr zum Thema: In Flammen und In Flammen (II).

[1] Qatar deploys 1,000 ground troops to fight in Yemen. www.aljazeera.com 07.09.2015.
[2] Paul-Anton Krüger: Der vergessene Krieg im Jemen. www.sueddeutsche.de 16.09.2015.
[3] Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke und der Fraktion die Linke. Deutscher Bundestag, Drucksache 18/4824, 06.05.2015.
[4] Das Geschwader „Boelcke“ übt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. www.luftwaffe.de 09.03.2009. S. dazu Deutsch-arabische Manöver.
[5] S. dazu Mit Diktatoren in den Krieg.
[6] Saudi Arabia building hi-tech border fence. gulfnews.com 22.01.2015.

 

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2)

http://dtj-online.de/ueber-fluchtursachen-wird-kaum-berichtet-aber-die-waffenlieferungen-gehen-weiter-61351

Interview zur Flüchtlingsdebatte mit Medienwissenschaftlerin Dr. Schiffer

Über Fluchtursachen wird kaum berichtet – aber die Waffenlieferungen gehen weiter

Die Medienwissenschaftlerin Dr. Sabine Schiffer spricht im Interview mit DTJ über die Aufrichtigkeit des deutschen Flüchtlings-Diskurses, wachsende Ausländerfeindlichkeit und warum die Debatte von den eigentlich wichtigen Fragen ablenkt.
Von DTJ-ONLINE | 16.09.2015 07:49

Was ist los in Deutschland? Staat und Gesellschaft sind mobilisiert und wollen den strömenden Flüchtlingen helfen. Ist es eine staatlich gelenkte Imagekampagne oder beobachten Sie eine grundlegende Änderung im Umgang mit Flüchtlingen?

Es muss keine staatlich gelenkte sein, Arbeitgeberverbände würden reichen. Aber es ist vielleicht auch eine Reaktion auf die Mobilmachung durch Rechtsextreme und die ersten Gewaltausschreitungen gegenüber schutzsuchenden Menschen. Zunächst ist es ermutigend, dass unsere Medien denjenigen auch Raum und damit Recht geben, die sich für Flüchtlinge engagieren, und nicht nur auf die ja ebenfalls vorhandenen Dinge hinweisen, die schief gehen – zum Beispiel die schleppend anlaufende Versorgung oder aber das lange Moratorium der Kanzlerin. Sogar die Bildzeitung geriert sich als Menschenfreund, zumindest an der Oberfläche, denn bestimmte Kategorien bleiben dennoch fest. Helfen kann ja auch etwas mit Dominanz zu tun haben, aber ich will das jetzt gar nicht schlechtreden – wobei man sich schon fragt, ob und von wem und wann da wie ein Hebel umgelegt wurde.

Seit einigen Monaten ist mindestens in der Flüchtlingsfrage eine andere Berichterstattung zu beobachten, die den Eindruck einer fast euphorischen Willkommenskultur erweckt. Trifft diese Beobachtung zu?

Tatsächlich verkündet beispielsweise die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft „Wie gut, dass es so viele Zuwanderer gibt“, ein übles Beispiel von Utilitarismus, der die asylsuchenden Menschen gar missbraucht. Es könnte unter die Kategorie „Das Gegenteil von gut, ist gut gemeint“ fallen, aber mir erscheinen die Interessen hier gar nicht so gut gemeint, sondern durchsichtig – Arbeitsmarkt vergrößern, Löhne weiter senken. Über die Ursachen der Flucht wird kaum berichtet und wenn, dann oft in platten Schuldzuweisungen an die gewünschten Feindbilder (Assad, Iran, Putin), ohne die komplexen Zusammenhänge aufzuzeigen. Niemand spricht die Möglichkeit eines Waffenembargos an. Das Geschäft mit den Waffenlieferungen an alle Parteien geht weiter.

Aber auch in den Leitmedien ist ein Kurswechsel zu beobachten. So hat „Der Spiegel“ hat in Flüchtlings-, Islam- und Ausländerfragen eher eine nationalkonservative Redaktionslinie. Wir erkennen ihn aber im Moment beim Thema Flüchtlinge kaum wieder.

So flüchtlingsfreundlich wie sie sagen ist der Spiegel bei genauerem Hinsehen aber nicht – wie sich insgesamt die Sprache der Debatte verrät. Da ist etwa am 30.8. unter dem Titel „Merkels große Bewährungsprobe“ von einer „Flüchtlingskrise“ die Rede oder von dem, was „auf dem Spiel“ steht. Das suggeriert alles Gefahr. So heißt es auch wenig später: „Ist der innere Frieden in Gefahr?“ Dies unterstellt, dass es einen inneren Frieden gibt und nicht eine in Arm und Reich auseinanderdriftende Gesellschaft durch den Sozialabbau der Agenda 2010. Wem wird dann wohl in Zukunft die Schuld für das Auseinanderdriften der Gesellschaft gegeben werden? Die unterschiedlichen Reaktionen auf die ankommenden Migranten könnten ja jetzt schon unterschiedlicher nicht sein, ein Konsens ist da nicht auszumachen. Das lange akzeptierte Schimpfwort „Gutmensch“ verrät den Grundton, von dem wir uns noch lange nicht befreit haben – wie man unter anderem an Facebook-Shitstorms sehen kann, oder auch in den Kommentarspalten der großen Online-Medien. Empathische Menschen werden da nicht selten als „Volksverräter“ denunziert, übrigens ohne dass unsere Medien hier je eingeschritten wären – von den Strafverfolgungsbehörden will ich gar nicht erst reden.

Und was ist mit der Forderung von Bundesjustizminister Heiko Maas?

Er will die Strafverfolgung auslagern und fordert Facebook auf, Beweise für Volksverhetzung zu löschen. Dies entlastet die Justiz, die hier bisher nicht durch eifrige Verfolgungstätigkeit aufgefallen ist. Die Hetze online und in Analogmedien kritisieren wir im Institut für Medienverantwortung seit Jahren und nun wundern sich anscheinend manche, wo Phänomene wie HoGeSa und Pegida herkommen. Immerhin bekennen nun mehr Menschen auch Farbe in die andere Richtung. Schweigen kann man da ja immer weniger, wenn man sich nicht mitschuldig machen will.

Auch in den 1990er Jahren hatten wir in Deutschland eine Flüchtlings- und Asyldebatte. Was läuft heute anders?

Es kursieren zwar immer noch – wie damals – Metaphern wie die von „Strömen“ und „Fluten“, die ja bei einigen Menschen Schutz- bzw. Abwehrreflexe auslösen. Dennoch ist insgesamt die Stimmung anders. Unsere Medien führen zwar einen vielfach utilitaristischen Diskurs – von wegen da kommen nützliche Menschen… – dennoch ist der in der Masse nicht so angstmachend, wie vor über 20 Jahren, wo ja in Wort und Bild die „Boot ist voll“-Rhetorik dominierte. Aber man weiß natürlich nicht, ob das noch kommt. Ich bin misstrauisch, weil alles so einhellig klingt – das könnte genauso einhellig in eine andere Richtung gehen.

Was ist Ihre Empfehlung an Medien und Politik beim Umgang mit dem Flüchtlingsthema?

Neben der Notwendigkeit, sofort zu helfen, und der Nichtnotwendigkeit, alles wie Katastrophenschutz aussehen zu lassen, gibt es noch ein anderes Betätigungsfeld. Außenpolitik, Waffenhandel, sog. Entwicklungszusammenarbeit. Es kann nicht sein, dass wir hier die gut gebildete Mittelschicht anderer Länder aufsaugen, und diese Länder radikalen Kräften überlassen, die erst durch westliche Intervention an die Macht gekommen sind.

Das Aushungern ganzer Kontinente ist auch kein erfolgversprechendes Wirtschaftskonzept für die Zukunft. Warum gibt es keine Reisefreiheit in all den jetzt adergelassenen Ländern? Genau: Wegen des Gefälles der Lebensstandards – mal abgesehen von Gefahr für Leib und Leben – die Abschottungspolitik greift aber nicht mehr. Wie viele Menschen müssen noch an den Außengrenzen der EU sterben, bevor es eine sinnvolle Weltwirtschaftspolitik gibt? Kriege sind die logische Konsequenz im existierenden Wirtschaftssystem, das Ungleichheit ausnutzt und fördert. Irgendwann kann man sie nicht mehr einfangen, die Geister, die man rief. Und irgendwann kommt die Gewalt (durch Macht) in anderer Form zurück.

Nicht wenige äußern die Befürchtung, dass als Folge der Flüchtlingsaufnahme die Ausländerfeindlichkeit zunehmen könnte. Was ist ihre Prognose?

Mir hat die die sogenannte Ausländerfeindlichkeit auch so schon gereicht. Sie könnte dann noch zunehmen, wenn die Politik – und sei es die Unternehmenspolitik – die Menschen gegeneinander ausspielt, Stichwort: Lohndumping. Man sieht es ja an den Reaktionen in Ostdeutschland. Der Zusammenhang mit dem Ausverkauf der DDR, den Unsicherheitsgefühlen und den Ängsten vor weiterem Abgehängtwerden, scheinen mir dort besonders ausgeprägt.

Sehen Sie deshalb die muslimischen Verbände in einer besonderen Pflicht bei der Aufgabe der Integration der Flüchtlinge in die deutsche Gesellschaft?

Nein. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und damit auch eine Aufgabe der muslimischen Verbände. Wenn ich aber höre, dass sich muslimische Organisationen extra als Muslime einbringen wollen, um die herkommenden Muslime integrieren zu helfen, dann bin ich ziemlich erschrocken.

Wieso?

Zunächst ignoriert man damit die gelebte Vielfalt in Syrien und zum anderen, suggeriert man damit jetzt schon Zusammenhänge, die bestimmt mal jemand behaupten wird bzw. jetzt schon evangelikale Zeitschriften wie Idea-Spektrum behaupten: Muslime wären irgendwie problematisch. Genau das könnte auch hinter der paternalistischen Empfehlung des bayerischen Innenministers stehen, wenn er den Angekommenen das Bild Besoffener ersparen möchte. Integrationstest Nr. 1: Biertrinken? Platter gehts kaum noch. Und wenn die Politik solche Vorlagen macht, dann brauchen wir uns um wachsende Ressentiments nicht zu sorgen. Dann sind sie garantiert, ob xenophob oder antimuslimisch oder beides zusammen, wie es in Debatten ja gerne vermischt wird. Bei aller Euphorie, der Fall wird tief und schmerzhaft sein, wenn wir aus dem Taumel eines Tages aufwachen. Denn warum sollen sich nur diese Länder dort, weit weg, verändern? Warum sollen europäische Länder davon verschont bleiben? Die USA? Dafür gibt es nun wirklich keinen Grund.

 

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3)
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https://www.youtube.com/watch?t=77&v=pqN9A_Upz04

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22040
?Rainer Rupp: Warlords und IS unterwegs im US-Auftrag
Von Arbeiterfotografie

https://youtu.be/pqN9A_Upz04pqN9A_Upz04

„Nützlicher Feind: Der Faktor Islam in den Weltmachtstrategien des Westens“ – Das war das Thema einer Konferenz, die der Deutsche Freidenker-Verband am 12. September 2015 in Frankfurt am Main veranstaltet hat. Einer der Vortragenden war der bekannte Publizist Rainer Rupp. Der Titel seines Vortrags lautet: „Unterwegs im US-Auftrag – Von den Warlords in Afghanistan bis zum IS“.

In der Ankündigung der Konferenz heißt es: „Ein Bundespräsident, für den ‚der Islam zu Deutschland gehört(e)‘, musste gehen. Vor salafistischen Syrien-Rückkehrern wird gewarnt, obwohl die dort für NATO-Ziele kämpften. Gegen missliebige Regierungen sponsert der Westen islamische Terrororganisationen, die er anschließend zu bekämpfen vorgibt, Deutschland macht mit Saudi-Arabien milliardenschwere Rüstungsgeschäfte. Wer die offizielle Version der Anschläge vom 11.09.2001 anzweifelt, wird als ‚Verschwörungstheoretiker‘ diffamiert. Kritik am israelischen Kolonialismus wird als ’neuer Antisemitismus‘ denunziert. ‚Proamerikanisch‘ und ‚israelsolidarisch‘ sind gemeinsame Markenzeichen von Faschisten, Rassisten, evangelikalen Fundamentalisten und ‚Antideutschen‘. Bürgerliche Freigeister und Atheisten geben ihre Rede vom ‚Islamfaschismus‘ als ‚emanzipatorische Islamkritik‘ aus. Buchtitel wie die Sarrazins, Broders oder Ulfkottes erklimmen Bestsellerlisten. Soziale Proteste finden kein Gehör, ganz anders, wenn Demonstranten die Gefahr einer „Islamisierung“ beschwören. Mit der Inszenierung von ‚Pegida‘ und ‚Anti-Pegida‘ wird die Desorientierung, Spaltung und Paralysierung der Bevölkerung und Proteste eingeübt. Die Weltmachtstrategien der imperialistischen Zentren gegenüber den arabisch-islamischen Ländern sind mit allen Aspekten zu analysieren, um die gewollte ‚Weltordnung‘ in ihrer perversen Irrationalität und Gefährlichkeit zu delegitimieren.“ (PK)?

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Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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