Ministerin Kühne-Hörmann (CDU) „legalisiert“ organisierte Hehlerei mit historischen Dokumenten: sie erklärt Fürstlich Isenburg-Büdinger Archive zu Privateigentum:

 

Eva Kühne-Hörmann

Wolfgang-Ernst zu Ysenburg und Büdingen, 2009

Dass Archiv und Bibliothek des Fürstenhauses zu Ysenburg und Büdingen im Schloss Büdingen, lange Jahre betreut von dem inzwischen pensionierten Archivar Dr. Klaus Peter Decker, zu den kulturellen Schätzen in hessischem Adelsbesitz gehören, wird niemand bestreiten können. Dramatische finanzielle Probleme des Fürstenhauses sind seit Jahren in der Region bekannt. Besorgnis muss erregen, dass sich die Lage derzeit anscheinend zuspitzt. Unter den Insolvenzmeldungen der FAZ vom 19.4.2005 war: „Forstbetrieb Fürst zu Ysenburg und Büdingen GbR, Büdingen.“ Das Fürstenhaus ist der zweitgrößte private Waldbesitzer Hessens (siehe auch FR 20.1.2005).Ohne grosses Aufsehen hat das Fürstenhaus in den letzten Jahren wertvolles Kulturgut in den privaten Handel gegeben.
Dieser Artikel stand bereits 2005 im Portal „Archivalia“ (hier nur ein Ausschnitt, der volle Wortlaut folgt am Ende)
Ministerin Kühne-Hörmann (CDU) „legalisiert“ 8 Jahre später diese organisierte Hehlerei mit historischen Dokumenten – sie erklärt gegen den Widerstand der rennomiertesten hessischen Historiker die Büdinger Archive zu fürstlichem Privatbesitz… unter anderem auch unzählige Dokumente der Geschichte Mittel-Gründaus, Haingründaus, Breitenborns, Gettenbachs, Niedergründaus …
Erst mit einer öffentlichen Total-Inventur kann festgestellt werden ob von den bereits verscherbelten Originalen wenigstens noch Kopien vorhanden sind. Der zuständige fürstliche Archivar, Dr. Decker, hatte über Jahrzehnte striktes Redeverbot in dieser Angelegenheit.
Dieser fürstlich-ministerielle Akt der Hehlerei bzw. der Beihilfe zu Diebstahl und Hehlerei verschleiert einen weiteren Akt des Diebstahls an Volksvermögen: es geht auch um Dokumente bezüglich der Holzrechte zahlreicher Vogelsberg-Kinzigtal-, Wetteraugemeinden und -Städte, die sich der Hoch-& Geldadels-Konzern ILAG in Wien mit seiner Tochter Constantia aus der Konkursmasse der Isen- oder Ysenburger Fürstenhäuser unter den Nagel gerissen hat…… Da das jetzt von Kühne-Hörmann „privatisierte“ Archiv nur noch nach Willkür, Lust und Laune der Fürsten eingesehen werden kann, wenn es nach dem Willen der Ministerin geht, behindert das auch die Prozessführung der betroffenen Gemeinden… und hier geht es wieder mal ums große Geld und die neofeudale Enteignung der Kommunen. Dementsprechend heftig ist auch die Kritik des Historikers und Waldrechts-Experten Christian Vogel an der Ministerin.Christian Vogel (72) ist Vorsitzender der Vereinigung für Heimatforschung in Vogelsberg, Wetterau und Kinzigtal, in der 53 Geschichtsvereine zusammengeschlossen sind.Vogel ist auch in zahlreichen Wald-/Holzrechtsprozessen wissenschaftlicher Berater der betroffenen Gemeinden . Er nimmt in einem Interview in der Frankfurter Rundschau auführlich gegen die Ministerin Stellung:
Nach Vogels Kenntnis liegen in den fürstlichen Archiven grundlegende Dokumente über 150 Jahre regionaler Geschichte…. andere Historiker sprechen von einer Zeitspanne vom Beginn der Wiederbesiedlung und des notdürftgen Wiederaufbaus nach dem 30-jährigen Krieg bis in die Zeit nach der ersten demokratischen Revolution 1848, bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871.
Für die Mitglieder des Historisch-Demokratischen Vereins Mittel-Gründau von 1848 ist die Öffnung der Rentkammer-Archive ein absolutes MUSS! Seit Jahren forscht der Verein nach dem Verbleib des Schriftführers der aufständischen Mittel-Gründauer Bauern, des Volksschullehrers Paul Nagel, der nach dem gescheiterten Oberhessischen Bauernaufstand von 1830 in einem fürstlich Büdingenschen Zuchthaus „verschollen“ ist.
Der Verein erhofft sich auch für die Gestaltung eines Denkmals, einer Gedenktafel durch die Durchsicht der Rentkammer-Archive Aufklärung über den Tod Paul Nagels und weiterer Opfer der fürstlichen Aufstandsbekämpfung beim „Blutbad von Södel“ (Södel ist heute ein Stadtteil von Wölfersheim), bei dem über 5.000 Aufständische abgeschlachtet wurden. Zurück zur ministeriellen Archiv-Privatisierung:
Passend zu diesem Akt autoritärer Bevormundung der Kommunen und ihrer Bevölkerung durch das Fürstenhaus und das Wiesbadener Ministerium für Kunst und Wissenschaft, des Ausverkaufs und der Vernichtung von Zeugnissen der Geschichte der „kleinen Leute“ der Region Main-Kinzig-Vogelsberg-Wetterau bis in die südlich von Offenbach gelegenen Isenburgischen Areale –hat jetzt
ein von der Volksbank Main-Kinzig-Büdingen beauftragter Zwangsverwalter aus Bruchköbel das älteste Mittel-Gründauer Haus abreißen lassen.
Da es sich nicht um ein Zeugnis der „Hochkultur“, der Geschichte des Hochadels und/oder der Hochfinanz handelte, sondern nur um eines der „kleinen Leute“, wurde dieses durch einen Brand und die Löscharbeiten schwer beschädigte Haus nicht gerettet. Das Haus war nicht nur das älteste „zivile“ Haus des Dorfes, es war auch das Zeugnis der bäuerlichen Wiederbesiedlung des durch den 30-jährigen Krieg fast völlig ausgelöschten Dorfes, es war auch Zeugnuis des Widerstands gegen die Fürsten-Willkür: während seiner Bauzeit (bis 1782) führten die Mittel-Gründauer Bauern erfolgreich mehrere Prozesse gegen die räuberischen Büdinger Grafen (DIE DAMALS SICH NOCH NICHT FÜRSTEN NANNTEN).
Zudem war dieses Haus das Wohn- und Geburtshaus des Landtagsabgeordneten und Landwirts Heinrich Otto (KPD), der 1944 aus unbekannten Gründen im Gelnhäuser Kreiskrankenhaus verstarb.
Der Abriss dieses Hauses (übrigens ohne begleitende Aufsicht durch Historiker und Archäologen) ist ein weiters Glied in einer Kette von Belegen für eine anscheinend geltende Gründauer Denkmalschutz-Regel: „Denkmalschubs“ oder „Denkmalfutsch“
vor drei Jahren wurde der historische Kellereingeng des Gasthauses Fass in Rothenbergen einfach zugemauert und zuasphaltiert. um so einen halben weiteren Parkplatz für die Bank zu schaffen.  Durch diesen schrägen Kellereingang mit seinen historischen Klapptüren wurde um 1807 die Kriegskasse Napoleons für den Rußlandfeldzug eingelagert, als er in dem Winzer-Gehöft und -Gasthaus mit den hufeisenförmig angeordneten Arkaden übernachtete. Durch diesen Kellereingang wurde die Kriegskasse aber auch von den Bauern des Kinzigtales und der Seitentäler geraubt, die sich die Beute als Wiedergutmachung für ihre Zwangsdienste aufteilten….,
der Abriss des „Storchen“ und des Urbachschen Gasthauses , der Zigarrenfabrik und der Bahn-Frachthalle in Lieblos, sind weitere Beispiele für Gründauer Denkmalschutz, der im Volksmund denn auch viel realitätsnäher „Denkmalfutsch“ oder „Denkmalschubs“genannt wird.
Auch hinsichtlich der Archive der Büdinger Rentkammer und aller anderen „Adligen“-Archive rächt es sich, dass in Deutschland nicht wie in Österreich nach dem 1.Weltkrieg der Adel enteignet wurde. Immerhin wurde aber 1923 festgelegt, dass die Archive allesamt in Stiftungen zu überführen und so der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind.
Diese Bestimmung, die das Privateigentum der Fürsten an diesen Archiven abschafft, will Kühne-Hörmann umschiffen.
Nicht genug, dass das Land Hessen ZigMillionen € an die Fürsten- und Grafenhäuser verschenkt, indem es deren Schlösser renoviert oder komplett kauft und den Adligen dabei ein endloses Wohn- und Nutzungsrecht garantiert (wie bei den Grafen von Erbach-Erbach im Odenwald z.B.) …
jetzt legalisiert das Land auch noch im Nachhinein die hehlerischen Aktivitäten zur Sanierung fürstlicher Privatkassen bei Sotheby und anderen Spitzen- Auktionshäusern 
Während der Historiker Christian Vogel in seinem FR-Interview den Schwerpunkt auf die Öffnung der bis heute verschlossenen Rentkammer-Archive in Meerholz, Wächtersbach und Büdingen setzt (siehe folgenden Artikel) offenbart der Historiker Dr. Klaus Graf (Archiv der Hochschule Aachen; Lehrauftrag Uni Freiburg), der seit Jahren über gefährdetes Kulturgut in Adelssammlungen recherchiert, dass das Fürstenhaus seit Jahren einen schwunghaften illegalen Handel mit Beständen aus den Archiven betreibt (siehe

Fürstenhaus Ysenburg-Büdingen verscherbelt Kulturgut  am Ende dieses Artikels nach dem FR-Interview

 

„Diese Archive sind kein Privateigentum“

 Von Detlef Sundermann

Der Heimatforscher Christian Vogel spricht im Interview mit der Frankfurter Rundschau über die Öffnung der verschlossenen Ysenburger Rentkammerarchive.

Wetterau. –  Die Wirren um die Rentkammerarchive der Ysenburger in Büdingen halten an. Die einen sagen, sie seien privat – andere sehen ein Recht der Öffentlichkeit auf Einsicht. Eine erneute parlamentarische Anfrage der SPD-Abgeordneten Lisa Gnadl beschäftigt derzeit den Landtag.Was hat sich getan, seit 2012 die Diskussion um die Unzugänglichkeit der drei Rentkammerarchive begonnen hat?Eigentlich nichts. Lediglich die Öffentlichkeit ist sensibilisiert worden, und der Kenntnisstand über die drei Archive ist heute etwas besser als noch vor einem Jahr. Inzwischen ist allgemein bewusst, dass es in Büdingen außer dem bekannten „Gesamtarchiv“ noch drei weitere unbekannte Ysenburger Rentkammerarchive aus den Schlössern Büdingen, Meerholz und Wächtersbach gibt.

Fortsetzung hier anklicken (wenn ich das anze mnterview hier veröffentli che krieg ich sicher wieder ne Abmahnung, diesmal aus den Hause FR-FAZ

http://www.fr-online.de/bad-vilbel/wetterau–diese-archive-sind-kein-privateigentum-,1472868,23873272.htmlDas Gespräch führte Detlef Sundermann.

Und das Internet-Portal „Archivalia“ meldet

http://archiv.twoday.net/stories/692500/

 

 

Dass Archiv und Bibliothek des Fürstenhauses zu Ysenburg und Büdingen im Schloss Büdingen, lange Jahre betreut von dem inzwischen pensionierten Archivar Dr. Klaus Peter Decker, zu den kulturellen Schätzen in hessischem Adelsbesitz gehören, wird niemand bestreiten können.Dramatische finanzielle Probleme des Fürstenhauses sind seit Jahren in der Region bekannt. Besorgnis muss erregen, dass sich die Lage derzeit anscheinend zuspitzt. Unter den Insolvenzmeldungen der FAZ vom 19.4.2005 war: „Forstbetrieb Fürst zu Ysenburg und Büdingen GbR, Büdingen.“ Das Fürstenhaus ist der zweitgrößte private Waldbesitzer Hessens (siehe auch FR 20.1.2005).Ohne grosses Aufsehen hat das Fürstenhaus in den letzten Jahren wertvolles Kulturgut in den privaten Handel gegeben.Am 26./27.11.2004 wurde vom Auktionshaus Schloss Ahlden ein kostbares Album aus dem Besitz von Alfred Fürst zu Ysenburg/Schloss Büdingen einer deutschen Bibliothek zugeschlagen:
http://www.schloss-ahlden.de/auktion/pdf/NachberichtAuktion.pdf2004 wurden Münzen versteigert:
http://log.netbib.de/index.php?s=ysenburgische
17 Münzen erwarb das Offenbacher Haus der Geschichte (FR 20.8.2004)Wie der derzeitige Stand hinsichtlich des 2003 für 300.000 Euro geplanten Ankaufs der für die Altgermanistik wichtigen „Schönrainer Liederhandschrift“ (um 1330), die der Fürst an Jörn Günther (Hamburg) verkauft hatte, durch die Kasseler Bibliothek ist, geht aus Internetquellen nicht hervor. Siehe
http://voeb.uibk.ac.at/vm/vm56_34_presseschau.pdf (FR 24.6.2003)
http://www.uni-kassel.de/bib/eulensaal/2003/schoenrainer.html
http://www.uni-marburg.de/hosting/mr/mr14/mr2482.html („Büdinger Fragmente“ ohne Kennzeichnung der verkauften Stücke, die Frieder Schanze, ‚Schönrainer Handschrift‘ (‚Büdinger Fragmente‘), in ²VL 11 (2004) Sp. 1384-1388 aufführt)
http://docsrv1.digizeitschriften.de/digitools/loader.php?ID=203693
(Crecelius, ZfdA 10, 1856)
Siehe auch
http://www.uni-marburg.de/hosting/census/hssb.html#BuedingenDie 2003 von Jörn Günther angebotene illuminierte Passionsgeschichte des Johannes von Zazenhausen von 1464
http://www.aedph-old.uni-bayreuth.de/2003/0013.html
stammt tatsächlich aus Büdingen, wie aus der digitalisierten Archivbeschreibung
http://dtm.bbaw.de/HSA/Buedingen_700321040000.html
hervorgeht (dort „Verbleib unbekannt“). Sie wird als Teil des Gesamtarchivs bezeichnet, das unter dem Schutz des Kulturgutschutzgesetz des Bundes steht:
http://www.zoll.de/e0_downloads/a1_vorschriften/a0_gesamtliste_gesetze/schutz_des_kulturgutes_teil_b.pdf

Auf der Seite des Handschriftenarchivs erfährt man, dass nicht weniger als 155 Beschreibungen (von 1905) aus dem Büdinger deutschsprachigen Handschriftenbestand existieren (davon sind 5 über http://www.manuscripta-mediaevalia.de/ als Registereinträge recherchierbar). An gedruckter Literatur verzeichnet der „Kristeller“ nur den alten Aufsatz von Crecelius über die Schönrainer Fragmente (s.o.). Büdinger Bruchstücke der Erlösung wurden ebenfalls in einem alten Aufsatz publiziert:
http://www.digizeitschriften.de/dms/resolveppn/?PPN=GDZPPN001671723

Es ist nicht bekannt, ob weitere Stücke verkauft wurden. Ein solcher klandestiner Ausverkauf mag zwar legal sein, ist aber kulturpolitisch alles andere als wünschenswert.

Update

Zu den Büdinger Archivhandschriften siehe nun auch
http://dtm.bbaw.de/HSA/buedingena.html

KlausGraf meinte am 2005/07/18 14:31:
Artikel im Kreis-Anzeiger (Gelnhausen)
http://www.kreis-anzeiger.de/sixcms/detail.php?id=1762103&template_id=2634&_adtag=localnews&_zeitungstitel=1133846&_dpa=Auszug:Historiker bekämpfen das „Verscherbeln“ von KulturgutAuch das Fürstenhaus Ysenburg-Büdingen gibt einzigartige Dokumente in den freien Handel
Kurt HoeppeREGION.
Die politische Diskussion um das Erbacher Schloss hat den Umgang mit Kulturgut in Adelsbesitz wieder in öffentliches Interesse gerückt. Dass auch hierzulande hinter bröckligem Schlossgemäuer teils unersetzliche Kostbarkeiten schlummern, ist meist nur Fachleuten bekannt. Aber während die Erbacher Schlossherren sich freuen dürfen über den Ankauf ihres Besitzes durch das Land Hessen, müssen klamme Provinzfürsten sehen, wie sie klarkommen. Wolfgang Ernst zu Ysenburg-Büdingen etwa sieht sich seit Jahren dazu gezwungen, immer mehr Teile seines Besitzes zu veräußern. Immobilien wie die Ronneburg oder Schloss Gettenbach oder Unternehmen wie Fürstliche Keramik und Brauerei machen ebenso Schlagzeilen wie die Vermietung von Renn- und Offroadstrecken im Büdinger Wald. Doch die wirklichen Geschäfte vollziehen sich im Stillen, unbemerkt von der Öffentlichkeit. Da raschelt es nur leise… „Das Fürstenhaus Ysenburg-Büdingen verscherbelt Kulturgut.“ Das behauptet der Historiker Dr. Klaus Graf (Archiv der Hochschule Aachen; Lehrauftrag Uni Freiburg), der seit Jahren über gefährdetes Kulturgut in Adelssammlungen recherchiert. Auf seiner eigenen Internetseite (http://archiv.twoday.net) informiert er darüber, dass das Büdinger Fürstenhaus in den letzten Jahren unbemerkt von der Öffentlichkeit wertvolles Kulturgut in den privaten Handel gegeben hat: Neben einer Münzsammlung mit seltenen Stücken, einer Handschrift der Werke des Humanisten Sebastian Brant (1457-1521) und den „Büdinger Fragmenten (1384-1388) auch einzigartige Dokumente wie Teile der um 1330 entstandenen „Schönrainer Liederhandschrift“ und die Passionsgeschichte des Johannes von Zazenhausen (1464). „Ein solcher klandestiner (heimlicher) Ausverkauf mag zwar legal sein, ist aber kulturpolitisch alles andere als wünschenswert,“ so Graf, der sowohl das Archiv als auch die Bibliothek des Fürstenhauses zu Ysenburg und Büdingen zu den „kulturellen Schätzen in hessischem Adelsbesitz“ rechnet. Tatsächlich ist es gerade die Fülle des Ysenburgischen Kulturbesitzes, die sowohl Erfassung und Sicherung des Bestandes als auch die Bewertung der jetzt öffentlich kritisierten Verkäufe erschwert. So wurde bereits zwischen 1920 und 1940 ein Teil der Bestände der heute nicht mehr existenten Büdinger Gymnasialbibliothek verkauft. Während einige wenige Stücke in das Fürstliche Ysenburgische Gesamtarchiv und das Stadtarchiv wanderten, gingen die Reste in den 60er Jahren an einen holländischen Antiquar. So wundert es nicht, dass viele wertvolle Stücke in den um die Jahrhundertwende angelegten Bestandslisten mittlerweile mit den Zusatzvermerken „Verbleib unbekannt“ geführt werden (siehe auch Bericht unten). Dabei unterliegt das bekannte Ysenburgische Archiv mit seinen 6 000 Urkunden der Jahre 947 bis 1908, 1 000 lfm Akten- und Amtsbüchern sowie Münzsammlung nicht nur der alten Rechtsform des Fideikommis (siehe Stichwort), sondern auch dem „Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung“. In der Fürstlichen Bibliothek dagegen darf „gewildert“ werden. Die Meinungen darüber, welche Dokumente, Bücher und Sammlungen wo hingehören, gehen angesichts der erstaunlichen Summen, die Sammler dafür bieten, zwangsläufig auseinander…
Die „Schönrainer Liederhandschrift“ etwa, eine um 1330 in Hessen entstandene Textsammlung epischer und lyrischer Dichtung in mittelhochdeutscher Sprache mit deutlich „hessischem Einschlag“, wurde schon mit rund 350 000 Euro gehandelt. Das 21 Blatt starke Fragment enthält Teile aus dem Epos „Der Trojanerkrieg“ sowie aus der Minnegesangssammlung „Wartburgkrieg,“ dem berühmten Sängerwettstreit im 13. Jahrhundert. Fürst Wolfgang Ernst hatte die Liederhandschrift an das Hamburger Antiquariat Dr. Jörn Günther verkauft; das bot die Kostbarkeit auf Pergament der Landesbibliothek in Kassel an, die bereits zwei „Schönrainer“ Blätter besitzt.
Fideikommiss-Gericht tagte Die Nordhessen freuten sich schon mächtig über die fantastische Bereicherung ihres Hauses, stellten 100 000 Euro bereit und sicherten sich darüber hinaus Zuschüsse der Hessischen Kulturstiftung über 70 000 Euro zu. Der Rest sollte durch Mäzene in der Region aufgebracht werden. Aber noch während der (letztlich vergeblichen) Suche nach Sponsoren kamen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verkaufes auf, wurde das für solche Streitigkeiten zuständige Fideikommis-Auflösungsgericht angerufen, ein Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt mit Sitz in Kassel. Das Urteil: Die „Schönrainer Liederhandschrift“ stammt nicht aus dem durch den Fideikommiss geschützten Archiv; der Fürst durfte sie demnach frei verkaufen. Allerdings wurde betont, dass ein Verkauf ins Ausland der nationalen Bedeutung wegen nicht erlaubt sei.
Das Gericht hatte sich bei seiner Entscheidung unter anderem darauf berufen, dass die einzelnen Blätter der Handschrift zu dem Zeitpunkt, als die Fideikommis-Auflösung (siehe unten) Rechtswirkung entfaltete, zur Fürstlichen Bibliothek gehörten; in Verkennung ihres Wertes waren die Blätter vor langer Zeit für Aktenumschläge und Deckelverstärker hergenommen worden – und so erst über einen Umweg in das (geschützte) Archiv geraten. Erst zwischen 1850 und 1980 wurde die Handschrift in ihren Originalzustand versetzt.
Als Beleg diente dem Gericht unter anderem eine überlieferte Beschreibung der „Büdinger Bruchstücke“ von W. Crecelius um 1900, worin es unter anderem heißt: „Die Blätter der Handschrift dienten fast durchgängig zu Umschlägen um die Quartalsrechnungen des Amtes Schönrain, welches zu Ende des 16. Jahrhunderts in den Händen der Grafen zu Ysenburg war.“ Während sich Fürst Ysenburg bestätigt sieht („Ich durfte das verkaufen!“), stößt das Gerichtsurteil bei Historikern und Archivaren nach wie vor auf Unverständnis und Unmut.
Unabhängig vom Gerichtsentscheid bedauert Dr. Konrad Wiedemann, der Leiter der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Kassel, den (bislang) gescheiterten Erwerb der Liederhandschrift: „Denn wissenschaftlich betrachtet sind Teile der Liederhandschrift seltener als eine Gutenberg-Bibel.“ Davon gebe es 48 Ausgaben, und schon ein Band koste zehn Millionen Euro. Einige Teile der Liederhandschrift dagegen seien einzigartig. Und wenn die Schönrainer Liederhandschrift erst einmal bei einem Sammler daheim im Tresor liege, komme man nicht mehr ohne weiteres dran, sei sie für die Forschung verloren.
Das Antiquariat Günther als Zwischenhändler sieht das anders: Auch wenn das Unternehmen einen Gewinn erzielen müsse, bleibe die historische Verantwortung nicht auf der Strecke. Eine „Basisdokumentation“ sichere den geschichtlichen Wert. Anfragen von Historikern stehe man stets aufgeschlossen gegenüber, Einsicht werde gerne gewährt. Unserer Zeitung gegenüber gab sich das Antiquariat freilich sehr zurückhaltend, mochte keine Abbildungen der betreffenden Handschriften herausgeben, weil über das Thema zuletzt stets sehr „agitativ“ berichtet worden sei. […]

KlausGraf antwortete am 2006/04/09 06:29:
Neuer Beitrag März 2006 in der FR

http://archiv.twoday.net/stories/1808038/

KlausGraf antwortete am 2011/03/05 15:52:
Materialsammlung

http://www.barth-engelbart.de/?p=797

Siehe auch :

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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