man soll ja nicht lügen. Zumindest da, wo es Sinn macht. Und wo sinnentnehmendes Lesen nur ungelogen möglich ist.
Also, der Brief kommt natürlich nicht aus Wiglaf Drostes „Kafka-Klinik“, die er im jungeWelt-Feuilleton für den 20.Februar angedroht hatte. Wiglaf ist mit seinem Kafka-Klinik-Roman in Verzug geraten, dafür war ich heute wieder in einer Echten. Ich verschlüssele hier aus verständlichen Gründen den Namen des Krankenhauses ein wenig, weil ich ja weiter behandelt werden will. Und ich bin schon Mal aus einer Klink geflogen, weil ich dort eine Patienten-Revolte organisiert hatte … aber das wäre jetzt ein anderer Brief-Roman. „Vor dem Krieg im Friedrichsheim“ … nur vor welchem Krieg ? wär noch zu klären.. es gibt derer derzeit so viele.. Mein aktueller Brief an Droste kommt aus der -sagen wir mal .- „Main-Klinik“, einer jetzt privatisierten ehemals öffentlich-rechtlichen Krankenanstalt in Hessen. Im Zuge der McKinsey-RolandBerger-RolandKoch-UnternehmensBeratung wurde jetzt auch der Name Krankenhaus getillt. Klinik ist nur ein Zwischen-Arbeitstitel, es läuft alles auf HealthCentre raus, Health-Wellness-Fitness-Centre steht auch noch zur Wahl. „Main-Health-Center“ oder „Rhein-Health-Center“ oder „Rhön-Health-Center“ thinkt doch allemal positiver als Krankenhaus und Klinik. Das riecht doch von Weitem noch nach Krankheit, Seuche, Epi-&Pandemien, Karbol und Sagrotan …und Oberschwesternschweiß unterm Arm – also einfach nur depremierend. Aufschwunghemmend … Nicht umsonst – sondern für Beitragserhöhungen nennen sich jetzt die Kranken- auch durchweg Gesundheitskassen – da heilt schon der Blick auf die Leuchtreklame … Die richtige Botschaft muss in den Namen: im ThinkTank der Agentur Saatchi & Saatchi (den Sponsoren der Reporter ohne Grenzen) haben die Eggheads monatelang gequalmt: Health ?! das klingt vom indogermanisch-mittelhochdeutschen Wortstamm her nach Heil, Heiland, Heilen: Heil- und Pflegeanstalt, das wär nicht so dolle, Heil ? Klingt nach Nazi-SiegHeil und Euthanasie-Heil- und Pflegeanstalt, Heile, heile Gänzche ?, das hat etwas zu viel kuschelpädagogische Nest- und Schoßwärme . … Das angloamerikanische Health ist unverfänglich, liegt im Trend von Wellness und Fitness ist allumfassend, „ganzheitlich“ — „Health-Center“ das wirds. „Care-Paket“ ist eben auch positiver als Kümmerpäckchen und KummerKasten. Da fallen doch gleich die Mundwinkel in den Keller: wie bei Volksfürsorge, Sorglostarif, da könnte man ja auch gleich Entsorgungspakete schicken, schnüren oder die ErbarmungsErsatzkasse Entsorgungskasse nennen. Ein Grinsen geht durch die kreativen Reihen. Den wenigen Ü30ern gefrierts zu Jack Nikolsons Lächler-Maske.. Dont worry, be happy!
Jetzt Mal ganz ohne Satire und Übertreibung usw… Wie man ins Schwesternzimmer reinruft, so schallts auch wieder raus. Wiglaf, so isses halt. Nehmen wir Mal nur die Wartezimmer-Dialoge von heute: da saßen die Privatpatienten (!!!) wie Hühner vorm Schlachten auf der Stange und maulten über die langen Wartezeiten. Zu recht! Zwischen einer und vier Stunden. Bei den AOK-Patienten um die Ecke im Flur kamen noch Mal zwei Stunden obendrauf. Die Zeichen standen aber glücklicher Weise auch dort nicht auf SchwesternPogrom, wie ich das im Vorbeigehen auf dem Weg zur Kassentoilette -die Private war dauernd besetzt, was am GratisKaffee lag – wie ich das also en passant mitbekam und auch kurzkommentierte. „Das kann man den Leuten hier, dem Personal nicht anlasten, das ist die Organisation!“ kams von der langen Bank der KassenKlasse. Und ebenso von einer Alten im PrivatWarteSalon. Schon Mal nicht schlecht, für ne hüftlahme Endsiebzigerin. „Da würd ich Kilometergeld verlangen“ kommentiert die bekrückte Jungbegleiterin eines über 80jährigen Badscheibenvorfalls die Staffelläufe einer instrumentenbeladenen medizinisch-technischen Asssistentin durch das Wartezimmer. „Die haben die Zeitnehmer im Haus“ raune ich beiläufig in die generationenübergreifende Wrackrunde. „Des habb isch mer glei gedacht!“ nickt die JungKrücke , „des is wie bei uns ím Suppermakt, da komme die Schwazzröck aach immer mitte in de Stoßzeide un laabern ein voll. Die habbe kei Ahnung von de Awweid, abber wern supper bezahlt!“ Alles kein Festgehalt, nur Kopfgeld, aber das spare ich mir. Dagegen frage ich mich, wie man mit einem solch herrlich breiten Hessisch Privatpatient werden kann, als die begleitete Ü80erin sich als Pensionärin outet und meint, das hätte man jetzt von dieser Privatisierung, „das ist doch wie bei der Bundespost.“ Ach ja, ach so …Und das nennt man dann sozialen Abstieg: Mama vom Postamt Tochter in den Suppermakt. Aber die Gesprächsrichtung entwickelt sich blendend. „Die Schwarzgelben haben das alles verramscht und werden trotzdem immer wieder gewählt.“ Hängen sie mir jetzt irrtümlicher Weise ein LINKEn-Plakat um ? Muss ich mich jetzt namentlich als Kommunist outen ? Nö! Ich probiers einfach so mit inhaltlichen Beiträgen… eine Spur HistoMat, etwas DiaMat und eine Prise PolitÖko, das reicht… und kommt -gelernt ist gelernt- fast wie aus dem AutoMat … aber als Allroundentertainer bring ichs echt wie autentisch…
Der Tritt ans schwarzgelbe Schienbein erntet auf jeden Fall erst Mal -zwar keinen Beifall- aber immerhin zustimmendes Raunen im WarteRaum.
Jetzt spiele ich mein Trumpf-As aus, nein ich sortiere es erst: beim letzten Krankenbesuch in der „Main-Klinik“ habe ich im Gespräch mit Putzfrauen erfahren, dass sie wegen der kurzen Vorgabezeiten nicht mehr richtig gründlich Putzen können. „Wenn jetzt mehr Leute mehr krank werden in die Klinik als gesund, dann kommt das von schlechte Hygiene. Sind wir schuld abber sind wir auch gar nicht schuld!“- Klar, erst Vorgaben gekürzt, Personal entlassen, dann outgesourced und wieder Vorgabezeiten gekürzt, Lohn gesenkt, Halleluhjah, früher haben die frommen Schwestern für ein VergeltsGott geputzt und sich so neben der Pflege ihre Hautallergien geholt und heute machen es recht und schlecht multikultivierte HungerlohnsklavINNen. Eigentlich müssten noch viel mehr Patienten an Infektionen krepieren…Die Skandale werden medial ausgeschlachtet aber über die Ursachen sagt der hessische Schwarzfunk nix. Das ist keine Rundfunk- sondern ne Blindenanstalt: drei schwarze Punkte auf gelbem Grund! Und was ist mit dem Pflegepersonal. Die werden über McKinsey-Fragebögen durch die Patienten beurteilt „Sehr freundlich- zuvorkommend, freundlich, weniger freundlich, unfreundlich..“, „gepflegt, ungepflegt .. na ja diese letzte Abfrage-Kategorie ist jetzt eher nachgefühlt. (Da kommt jetzt der Einsatz von Wiglaf Droste, müsste er eigentlich kommen, aber der ist gerade wieder bei einer Lesung für die Frankfurter Rundschau unterwegs, wo er dann in Abwesenheit der Angeklagten über das Personal rum-mosert. Dabei hätten ihm die Leute so gerne Mal die Meinung ins Gesicht gegeigt! Aber Wiglaf, das kommt noch! Du wirst immer berühmter für Deine Personalbeschimpfung und dann bist Du diesem demnächst wieder ausgeliefert. Die können so was von gemein sein! Echt fies!)
Ich dagegen übe mich in opportunistischer Einschleimerei:
den dem Schredder entkommenen und auf ihre Retter Wartenden erzähle ich meinen SchwesternReport: sie sind ziemlich empfänglich, denn sie haben sich mittlerweile über ein Schild fast geeimert, das in einem Körbchen mit zellophanverpackten Von der Layen-LeibnisKeksen steht: Werte Patienten, versüßen Sie sich mit Kaffee und Keksen die trotz aller Bemühungen unvermeidliche Wartezeit!“ (Für alle Nachgeborenen: unsere BundesMutterKreuzTrägerin erster Klasse hat immer GratisKekschen für ihre 7 Kinder, ihr gehört mehrheitlich die Keksfabrik Leibniz, sie ist nämlich eine geborene Albrecht, wie der niedersächsische Ministerpräsident früher mal hieß)
Und mit den Kekschen von der Arbeitsministerin sind wir wieder mittendrin in Leiharbeit und Ein€-Arbeitsdienst …
„Die stellen nicht genügend Leute ein, streichen sogar noch Arbeitsplätze und bieten uns dafür hier Billigplätzchen an.. Das ist doch ein Hohn!“, „Die rennen sich hier die Hacken ab und müssen dann noch einen auf freundlich machen“. Natürlich. Wie im Suppermarkt. „Des is wie bei uns .::: da hetzen sie die Filialen gegeneinander auf; wer ist die freundlichste, wer die sauberste Filiale, wer die sparsamste … und hier gehts mit den Stationen so, da gibts dann Dienstgespräche, wenn die Station im Ranking auf den hinteren Plätzen liegt. Und die Stationsbelegschaft muss dann in den eigenen Reihen die „schwarzen Schafe“ suchen und Druck machen … das geht manchmal bis zur Versetzungs- oder Entlassungsempfehlung, wenn wieder welche anstehen…“ Ich lehne mich zurück, brauche überhaupt nicht mehr viel zu sagen, falle in erholsamen Wartezimmer Minutenschlaf und schrecke nur noch auf, wenn sich irgend ein reaktionärer Depp meldet und auf so beliebte Seitenthemen wie Hartz4-Betrüger kommt und „das ist doch richtig, dass die zur Arbeit angehalten werden und nicht gleich zu viel kriegen!“ Da krieg ich dann zu viel: ich erzähle vom KeepSmilingTrainig beim Aldi und wie das im Karnkenhaus auch so gemacht wird. Und dann kommt mein absoluter Joker:
„Eben habe ich am Eingang den Pförtner durch das Bullauge gefragt, ob er weiß, wie man die Effizienz einer Klinik steigern kann. Er hat mich etwas erstaunt angesehen und den Kopf geschüttelt. Ob ich es ihm verraten soll? Ja! Also, man muss in den Wartezimmern Kaffeekannen hinstellen und Kekse auslegen und so die Patienten locken und bei Laune halten und gleichzeitig dem Personal Transponder in die Arbeitsklamotten nähen. Der Pförtner feixt und winkt mich in sein Kabuff und erzählt mir nach einer Rückfrage, woher ich das alles wüßte, die Geschichte mit den Transpondern in allen Details. Dass ich Gewerkschafter bin und BetriebsratsMädchen für alles war, das will er im Einzelnen gar nicht mehr so genau wissen, dafür hat er einen Riecher. ( Selbstverständlich habe ich im Wartezimmer nicht vom Pförtner gesprochen sondern ihn zu einem x-beliebigen Pfleger anonymisiert, man weiß ja nie ob im Wartezimmer auch der Blockwart wartet. So viel Konspiration muss heut schon sein! Wenn man schon den Kündigungsgrund im Flaschenpfand)
„Ja und was war jetzt mit den Transpondern?“ „was issn des überhaupt“ Das Wartezimmer hat große Ohren bekommen.
also, McKinsey hat der Klinikleitung empfohlen zur Optimierung der Arbeitsabläufe in der Klinik in die Arbeitskleidung kleine Sender einnähen zu lassen, mit denen man zentral kontrollieren kann, wo sich der Kittel, das Kleid gerade befindet und wie schnell es sich bewegt. Die Klinikleitung hat das im Nachhinein dem Personal-und Bertiebsrat gegenüber so begründet, man wolle den Weg der Arbeitskleidung durch die Wäscherei optimieren.“
Schallendes Gelächter….
Lieber Wiglaf und liebe jWFeuilletonisteINNen ich will garnicht behaupten, ich schriebe hier hohe Literatur. Is mir eher scheiß egal. Aber ich will hier eine Streit darüber vom Zaun reißen, wie man als Linker zum Beispiel über Krankenhäuser schreibt. Ich will Dir Deine Zeilenhonorare nicht streitig machen auch nicht Deinen sicheren Platz in der LiteraturWallhalla oder -Narrhalla, ich will nicht auf Deinen Platz, sondern ich will ein strukturell anderes Feuilleton in der jungen Welt. Ich will Anstöße geben für ein Schreiben siempre con la gente, para la gente.-
Wie haben Ingrid und Gerhard Zwerenz in ihr Vorwort zu meinen „unter-schlag-zeilen“ geschrieben: „Von wegen die Menschen interessieren sich nicht für Literatur, sie tun das durchaus, wenn die Literatur sich für sie interessiert!“
in diesem Sinne
HaBE
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“unter-schlag-zeilen”: wenn die Kunst unter die Leute geht.
313 seiten politische Lyrik und Grafik von HaBE
Aus dem Vorwort von Ingrid und Gerhard Zwerenz für HaBEs AgitProvoLyrik&Grafik-Buch “unter-schlag-zeilen / befreite worte /gebrochene reime/ zur lage” : „Nur keinen Streit vermeiden ..Es kann einen Autor teuer zu stehen kommen, wenn er sich strikt an das hält, was er schreibt.. Mundtot ist der Titel eines Gedichts von Hartmut Barth-Engelbart: “Wenn wir / nicht früh / genug / den Mund / aufmachen / haben wir/ am Ende / gar nichts mehr / zu sagen” Der Lyriker ..aus Hanau denkt gar nicht daran den Mund zu halten Seine Feinde finden, er hat eine zu große Klappe. Die zitierten epigrammatischen Zeilen erinnern an Erich Fried, dem seine Verse nicht wenig Ärger eintrugen. Für Barth-Engelbart eskalierte der Ärger. Vor einigen Monaten wurden seine Gedichte auf offener Straße verhaftet. Wie aber kamen sie dahin? HaBE ist das Gegenteil eines Innenweltdichters. Mit Poesie und Prosa begibt er sich mitten unter die Leute (mit den ) bewährten Widerstandslesungen, denen es in Hanau und anderswo nicht an Publikum mangelt. Von wegen, die Menschen interessieren sich nicht für Literatur, sie tun es durchaus, wenn Literatur sich für sie interessiert.…. Weshalb sich Polizei und Justiz für HaBEs Verse interessierten, ist eine bunte Geschichte. Der Autor erzählt sie in diesem Sammelband, der Spannung aufbaut wie ein Krimi, wer die Täter sind verraten wir nicht…“
Das Buch ist dem langjährigen Duett-Partner HaBEs, dem Bassklarinett-& Saxophon-& Kompon- & Humanisten des Frankfurter ensemble modern Wolfgang Stryi gewidmet, der im Erscheinungsjahr noch vor Erscheinen des Buches starb, nach 15 Jahren gemeinsamer Widerstandslesungs-Konzerte.
“unter-schlag-zeilen / befreite worte /gebrochene reime/ zur lage”
313 seiten politische Lyrik und Grafik von HaBE / Buchgestaltung : Jürgen Tauras / (c) 2005 Zambon-Verlag Frankfurt/Main / SemiHardcoverBroschur ISBN 3-88975-107-5 / 15,– €
Im gleichen Verlag das HaBE-Kinder-Lese-Bilder-Buch von der Ziege “ZORA”, mit Bildern von Barbara Bragutti ( die der Ziege im ersten Anlauf vier Zitzen verpasste, was eine aufmerksame CoLektorin (im Hauptberuf Biologin) glücklicher Weise noch vor Drucklegung bemerkte. Wieviele Zitzen eine Ziege nun wirklich hat und sie so von der Kuh unterscheidet, erfahren Sie im Buch und warum es die Säue besser haben als die Ziegen -auch. Natürlich erfahren Sie in dem Buch noch viiiiiel viiiiel mehr.)
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