Müssen wir wieder strammliegen ? In den HeimatFrontHospitälern wirds eng. Briefe aus der Kafka-Klinik: Nicht ganz bei Droste (die Vierte)

(DIESER ARTIKEL unterliegt -wie alle hier im Archiv- ausdrücklich meinem (G) GuttiRight, es darf also abgekupfert werden, was das Zeug hält! nur der Hinweis auf mein GuttiRight sollte nicht fehlen)

Wenn der Ober- oder auch nur der Assistenzarzt zur Visite den 4 bis 6-Bettsaal betritt  – von Zimmern kann man da nicht reden-, haben die Kassen-Patienten soweit wie möglich den Oberkörper aufzurichten und im Chor mit „Guten Morgen Herr Doktor“ zu grüßen.  Nun ja, das war vor dem Krieg. Also, lange vor Koso- oder sonstwo. Beim Bund in Koblenz vielleicht bis in die End90er. Im BundeswehrKrankenhaus. Eventuell ist es dort noch heute so. Aber doch nicht in den Stadt- und Kreiskrankenhäusern. Möglicherweise in den christlichen Einrichtungen: im Darmstädter Alice-Hospital oder im Elisabethen-Stift: Hände auf die Decke! und an die gefühlte Nachthemdnaht! Was wollen wir denn da unter der Decke?  – Nö. so nich. das war vielleicht vor 50 Jahren Mal so. Heute gehören die Darmstädter barmherzigen Anstalten zur AsclepiusKonzern AG oder so ähnlich und da isses nicht mehr so spartanisch-evangelisch.  Eher wie innem 3 SterneHotel. Zumindest für die PrivatPatienten.
Für DurchschnittsAOKler siehts schon (wieder) etwas schlechter aus.
Der Peronalschlüssel ist so weit runtergefahren, dass die Behandlung mehr zur aktiven Sterbehilfe wird.
1979 hat mich im Frankfurter Friedrichsheim, der Orthopädischen Abteilung der Uni-Klinik, der Klinikchef und Chefarzt und Professor auf eine Bahre legen und dann in einen großen Vorlesungsraum schieben lassen. War mir schon etwas peinlich, da in meinem dünnen OP-Kittelchen vor 200 Studenten als medizinische Peepshow zu liegen. Nahverkehrskutscher. Arbeitsunfall beim Abladen. Nichts Besonderes. Kassenpatient. Versuchskaninchen.
Auf die in den vorderen Reihen sitzenden reizenden JungMedizinfrauen reagierte und eregierte ich glücklicherweise vor lauter Aufregung kaum. Es wäre auch nichts zu verstecken gewesen. Man hatte mich bis zur Hüfte aufgedeckt, damit der rüstigen Schrittes hereingeeilte Professor auch richtig zugreifen konnte: „…….Hier haben wir nun einen klassischen Fall von Stilllegung … “ instruierte er die Studentinnen und griff beherzt nach meinen Füßen, um seinen Studentinnen die Delinquenten vorzuführen. Da mich niemand auf diese bevorstehende Fußorthopädische Hinrichtung vorbereitet hat, bin ich wie gelähmt.  Unendlichgefühlte Sekundenstarre, halbnackter Sprung von der Bahre, dem Totengräber von der Schippe mit dem Schrei „Hier wird nix stillgelegt! Das sind meine Füße!“ . Ich verschwand hinkend zwar doch blitzschnell durch die Tür hinter seinem Stehpult. Indianer kennen keinen Schmerz. Mir ist nach Desertieren. Die Angst macht Flügel. Ikarus und der Schneider von Ulm. Scheiß auf Strurz, nur Fliehen. Du hast das drauf, mit Fahnenflucht kennst du dich aus. Beim Bund gings um Kopf und Kragen und so was wie Freiheit . Kein Gedanke, nur Fluchtgefühle. Es geht um dein Bein.Etwas mulmig war mir dabei schon, meinem Henker aus der Schlinge zu schlüpfen. Damit vermasselte ich ihm die Vorlesung und sein Dr. Ferdinand Sauerbruch-Image. Noch am gleichen Tag sollte er mich eigentlich operieren. Chefärzte gibts für AOK-Patienten nur , wenn sie sich für Versuche zur Verfügng stellen. Musste ich jetzt damit rechnen, dass mich als ChefarztRache einer seiner Lehrlinge operiert?
So was passiert heute natürlich nicht mehr. Vor 30 Jahren hatten die Halbgötter in Weiß noch so richtig Zeit, ihren Standsdünkel auszuleben. Die Klassenjustiz in den Gerichtssälen hatte ihre Entsprechung in den Krankenhäusern: KassenKlassenmedizin. Die ließen dich warten bis zum Schwarzwerden. Und dann irgendwann erwiesen sie Dir die Gnade einer Audienz, aber nur mit dem stellvertretenden Vertreter oder dessen Vertreterin.
Heute geht das anders, Du wartest zwar immer noch bis du schwarz wirst, aber jetzt nicht mehr wegen diesem Gutsherrenumgamng mit seinen Knechten und Tagelöhnern. Nein, du wartest, weil die zwischen den Operationen und Visiten noch nicht Mal Zeit zum Luftholen haben, mit einer Hand Statistik ausfüllen mit der anderen operieren. Da wird Dir aus Versehen schon Mal das flasche Bein amputiert, ne OP-Zange in der Bauchhöhle vergessen, das OP-Geschirr nicht richtig des- und Du dafür tödlich infiziert. N9emand hat Zeit. iemand kann dir Mal echt zuhören. Alles rennt wie beim City-Marathon, keiner ist wegen der 24stunden-und mehr-Schichten richtig ausgeschlafen.. so was kommt von sowas. Und alles saumäßig freundlich:  Big Brother McKinsey is watching die kleinen Schwestern. RolandBerger watched die Pfleger. Dann doch lieber wieder strammliegen. Is aber auch keine Lösung.  Und die Halbgötter in Weiß? Die kriegen wie alle Transponder in die Klamotten eingenäht, damit der McKinsey am ÜberwachungsMonitor die Leerläufe kontrollieren kann. Zwischen Visite und OP hätte auch noch was Kaufmännisches reingepasst.  
Mittlerweile dämmere ich schon halbamnestisiert vor mich hin – als Kind haben sie mir da immer einen Wattebausch mit Chloroform ins Gesicht gedrückt. So was gibts jetzt nur noch im Krimi. Heute setzen sie mir einen betäubend schönen Schmetterling auf den Unterarm – wie auf dem Weg ins Paradies.
Nur dann wirds kritisch. Auf dem Weg in die OP begleiten mich lauter mandeläugige Engel, die doch sicher kein Wort Deutsch verstehen, japanisch ? chinesisch. koreanisch ? Was ist, wenn ich jetzt nicht operiert werden will? Die nicken immerzu nur freundlich und sagen Ja ja und kichern und schieben mich weiter ….. unaufhaltsam. Das ist kein Alptraum, da passiert wirklich ….. und dann gehn langsam im Flur die über mich weghuschenden Neonröhren aus. Aus. Ich bin tot und kriege nichts davon mit. Was ist, wenn sie mich stilllegen? Komplettamputieren?  Arm dran Bein ab..? Aber ich bin eh schon tot …Was brauch ich da noch Beine ..
Wird bei Gelegenheit fortgesetzt als Antwort auf die nächste Wiglaf-Droste-Kafka-Klinik-Folge im Feuilleton der jungen Welt:
Wissen Sie, wie man einen Professor mit einem PseudoSudek erschrecken und so bessere Behandlung erpressen kann?
Über die „PatientenPartisanenEinheit Friedrichsheim“, Schluss mit den Passionsspielen! Aufstand der Krüppel! Wer das Personal gewinnt, kann auch im Krankenhaus echt gesund werden.
Unglaublich? aber wahr! Über den Kampf der Patienten und die Entlassung dreier RädelsführerINNEN, die (vergeblichen) Abmahnungsdrohungen gegen ein Duzend sympatisierende Schwestern und Pfleger und die kleinen Siege gegen die Berufsgenossenschaft und die katholische Kirche… und auch über die klammheimliche Freude einiger AssistenzärztINNeN… schaun Sie in den nächsten Tagen und Wochen immer wieder mal rein. es könnte sein, dass die Fortsetzungen bereits zu lesen sind.  –.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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