Viele Protestierende in Madison sagen, dass sie von der Revolutionen im Nahen Osten inspiriert sind und erhalten von dort Solidariätsbekundungen. Das Verbindende wird von den Menschen überall längst verstanden. Der Sender „Democracy Now“ berichtet unter der Überschrift „Uprising form the Middle East to the Middle West“ fast ununterbrochen aus dem Capitol in Madison.
In den hiesigen Medien wird so gut wie nichts über den andauernden und massenhaften Protest gegen den Frontalangriff auf Gewerkschaften im Bundesstaat Wisconsin berichtet. Ein äußerst beredtes Schweigen. Dieses beeindruckende Beispiel von Selbstorganisation und Entschlossenheit soll hier keine Schule machen.
Sehr bewegendes Video:
http://www.democracynow.org/2011/2/25/wisconsins_uprising_a_guided_tour_of
Was die weitere Wisconsinierung Hessens und des MKK zukünftig auch für die Gewerkschaften bringen wird, kann man dem folgenden Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ entnehmen. (Dank an Claudia Karras für den Hinweis!)
F.A.Z., 25.02.2011, Nr. 47 / Seite 18
Ein falscher David Koch stellt Wisconsins Gouverneur Walker bloß
In einem bizarren Dreh des Streits um Gewerkschaftsrechte hat der Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker, seine politischen Absichten offenbart. In einem Scherz-Telefonat, das Walker vermeintlich mit dem Großindustriellen David Koch führte, brüstete der Republikaner Walker sich seiner Härte. Er berief sich gegenüber dem falschen Koch auf den früheren Präsidenten Ronald Reagan, der in den achtziger Jahren die Fluglotsengewerkschaft in die Knie zwang. „Dies ist unsere Stunde, um die Geschichte zu ändern“, sagte Walker. Er habe auch darüber nachgedacht, Störer in die Demonstrationen vor dem Kapitol in Madison einzuschleusen, sagte Walker, nachdem der falsche Koch ihm dies anbot. Das Telefonat unter falschem Namen hat Ian Murphy von der Internetseite „Buffalo Beast“ geführt und veröffentlicht. Walker hat eingestanden, das Gespräch geführt zu haben.
Der Gouverneur steht im Mittelpunkt eines Streits um Gewerkschaftsrechte. In Wisconsin demonstrieren seit vergangener Woche Tausende gegen einen Sparplan Walkers, mit dem das Recht auf kollektive Tarifverhandlungen für öffentliche Bedienstete eingeschränkt würde (F.A.Z. vom 23. Februar). Am Donnerstag ließ die republikanische Senatsmehrheit ihre demokratischen Kollegen per Polizei suchen, um sie zur Rückkehr in den Senat zu bewegen. Die 14 Demokraten haben sich nach Illinois abgesetzt, um eine Abstimmung über das Gesetz zu verhindern. In anderen Bundesstaaten wie Ohio dauern Proteste gegen ähnliche Gesetzentwürfe an. In Indiana zogen republikanische Abgeordnete vorerst einen Entwurf zurück, mit dem der teils bestehende Zwang zur Gewerkschaftsmitgliedschaft in privaten Unternehmen aufgehoben werden sollte.
Das satirische Telefonat bezieht seinen Reiz aus der Person des vermeintlichen Anrufers. Der echte David Koch leitet mit seinem Bruder Charles das Industriekonglomerat Koch Industries. Die Brüder gelten Linksliberalen in den Vereinigten Staaten als finanzielle Drahtzieher hinter der Protestbewegung Tea Party und dem Bestreben, Gewerkschaftsrechte einzuschränken. Die von den Koch-Brüder unterstützte Organisation Americans for Prosperity ruft zu Demonstrationen gegen die Gewerkschaftsproteste auf. Die öffentlichkeitsscheuen Koch-Brüder werben offen für individuelle Freiheitsrechte und helfen mit Wahlkampfspenden vielfach republikanische Kandidaten, darunter auch Walker. Der Gouverneur macht in dem Telefonat keine gute Figur. Der falsche David Koch bot an, „ihn nach Cali zu fliegen und ihm eine gute Zeit zu bereiten, wenn er diese Bastarde zerschmettert habe“. Walker sagte gemäß der Niederschrift des Telefonats zu diesem unmoralischen Angebot, das wäre hervorragend. pwe.